Hm - der Klassik verschrieben heißt für mich bei Gott nicht, alles der Klassik blind zu übernehmen oder anzustreben. Das unterstelle ich auch keinem.
Aber - wogegen ich ECHT allergisch bin ist die Denke, alles war früher besser. Mitnichten. Bei Gott nicht! Nur - es war nicht alles schlecht, und es ist nicht alles gut heute.
Sonst müsst ich mein Pferd in nen Ständer sperren, bitter scharfe handgeschliffene Gebisse nehmen und mit Sätteln inkl. winziger Wirbelsäulenfreiheit reiten.
Es gibt zu viel, was wir heute wissen, das die alten Meister NICHT wussten. Nur sind wir - leider - nicht fähig diesen Umstand so zu nutzen, wie es auf der Basis des Wissens der alten Meister MÖGLICH wäre. Und das ist mM Rückbesinnung auf die alten Meister...
Eine Kunst ist es, altes Können mit neuem Wissen zu vereinen, und auf der anderen Seite eben die Chance von beidem zu profitieren. Denn - das kann keiner von der Hand weisen! - auch die alten Meister waren unglaublich von der Mode ihrer Zeit beeinflußt.
Was diesbezüglich den Sitz betrifft weigere ich mich, wie ein gewisser Franzose im hübschen Stuhlsitz zu reiten - ich habe die unglaubliche Chance, in anatomisch angepassten Sätteln zu reiten und muss und will auch keine Perücke tragen, warum also sollte ich das tun... es sei denn - und genau das ist die Klassik für mich - ein Brunnen ernstzunehmender Inspiration für Vorbild, Lehrbild und Reitbild. Nicht mehr, nicht weniger.
Allerdings bin ich eben auch einer der reitet um zu reiten, ebenfalls nicht mehr und nicht weniger. Ich muss kein Zirkusrondell begeistern wie ein Nuno, ich muss keinem Hof dienen wie Pluvinel, ich muss keine Soldaten ausbilden wie die Pickelhaube. Insofern - Klassik gerne! Aber nur des Reitens wegen.
Und genau deswegen halte ich es wie cubano - bestimmend ist was am besten funktioniert im Sinne des Pferdes und des Reiters. Und für die reiterliche Normalnull wie mich ist der lotrechte - aber entspannte und nicht krampfhaft gehaltene (davon schreibt die FN auch nichts, da steht nirgendwo bitte verspannen Sie sich bis Sie aufrecht sitzen, völlig egal ob Pferd und Reiter damit klarkommen) Sitz das, was ich anstrebe.
Allein schon aufgrund (!!!) der Änderungen im Bereich Sattel kann man auf gar keinen Fall festschreiben wie das Bein im Bezug zum Sattel liegt. Generell wird mM momentan tendenziell zu weit vorn gegurtet und gesattelt - was im Übrigen (!) massiv auch dem oft verbreiteten Problem der allgemeinen Dickheit von Freizeitpferden geschuldet ist (es ist nicht IMMER so, das ist mir klar! Aber es gibt wirklich extrem viele Freizeitpferde, die - vergleicht man das mit dem Modell vor 30-100 Jahren - ein ähnliches Problem haben wie wir - es sind viel zu dicke Wohlstandspferde). Die Rippen schimmern soll man sehen ----- jetzt möcht ich mal wissen, wie viele Klassikreiter sich und ihre Pferde daran halten.
Ich verurteile das persönlich nicht! Auch wenn ich heute auf eine eher betont schlanke Linie meiner Pferde achte, aus diversen persönlichen Erfahrungen. Letztendlich kopieren wir doch aber hier auch nicht alles aus dem Alten blind, und das ist auch gut so. Wäre ich ganz der Klassik verschrieben, hätt ich z.B. einen Hintergurt - der mM nur Zeugnis davon ist, dass früher auch viele Sättel eben einfach nicht gepasst haben. Und nu??
Mir bleibt, aus beidem - der Moderne und der Klassik - zu lernen. Und bezüglich des Sitzes sind meine persönlichen Erfahrungen auch aus dem Unterrichten dass der lotrechte Sitz bei genug Kniewinkel (darin sehe ich z.B. das größte Problem der modernen Sitzbeurteilung, dass der Kniewinkel zu groß ist) Reiter und Pferd in der Regel - und eben in der Regel - am schnellsten in gute Harmonie und Übertragbarkeit von Gesprächen zwischen Pferd und Reiter bringt, unter der allgemeinen und auch schon in der Klassik angestrebten Losgelassenheit von Reiter und Pferd.