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Verfasst: So, 26. Jan 2014 22:12
von Spielnase
Ich finde maulfrei hat vollkommen Recht. Sie fragt, woher ihr euer Wissen schöpft, dass hdS seine Daseinsberechtigung hat und fragt nach Quellen. Darauf kam bis jetzt noch keine Antwort. Interressant ...

Dann noch mal kurz zu meiner Auflistung von vor zig Seiten:
Ich fragte ja, ob diejenigen, die sich in der Gruppe 3. und 4. sehen, als "Endprodukt in allen Lebenslagen der Reiterei" ein NvdS bis NandS wünschen/vorstellen. Sei es nun Lösen in Dehnungshaltung, Arbeitstrab, Piaffe Passage ... wie wünscht ihr euch, dass es aussieht?

Falls ihr jetzt sagt, natürlich arbeiten wir auf ein NvS bis NandS hin:
Kennt ihr ein Film-Beispiel, das diese Entwicklung zeigt?
Ich kenne nämlich keins.

Dann noch kurz am Rande:
Spannend ist hier zu beobachten, wie viele Schreiber fleißig austeilen können, aber kein Körnchen einstecken mögen 8)

Verfasst: So, 26. Jan 2014 22:19
von Ulrike
Falls ihr jetzt sagt, natürlich arbeiten wir auf ein NvS bis NandS hin:
Kennt ihr ein Film-Beispiel, das diese Entwicklung zeigt?
Ich kenne nämlich keins.

Hallo,

bloss, weil es kein Filmbeispiel gibt, kann doch Niemandem unterstellt werden, er arbeitet nicht an einem bestimmten Ziel?


LG Ulrike

Verfasst: So, 26. Jan 2014 22:23
von Rapunzel
Hä, es wurden doch diverse Quellen von "Klassikern" angeführt, die ein hdS befürworten oder weniger kritisch sehen.

Klar arbeite ich darauf hin, ich habe aber wie die meisten Leute keine lückenlose Dokumentation vorzuweisen.

Und wer teilt aus und kann nicht einstecken?

Ehrlich, das ist eine wirklich fruchtbare Diskussion, könnt ihr nicht einfach diese sinnlosen Sticheleien lassen?

Verfasst: So, 26. Jan 2014 22:54
von Kiruna Karmina
Ich habe das noch nicht ganz zuende gedacht.
Aber eine Vorstellung drängt sich mir auf:

Feste Rücken gibt es
a) bei übermäßig hoch aufgerichteten Pferden. Diese hängen oft durch, weil im Zuge der starken Aufrichtung das Pferd ins Hohlkreuz kippt. Die Nase ist dabei vor der Senkrechten.
b) bei Rollkurpferden. Das sind die "Spannrückengänger, bei denen der Rücken zwar bis zum Anschlag aufgewölbt, dort aber "festgezurrt" ist. Die Nase ist stark hinter der Senkrechten.

Bei beiden schwingt nichts, obwohl die Pferde unter a) sich mit der Nasenlinie vor der Senkrechten befinden (s. z.B. filmische historische oder traditionell iberische Dressurdokumente)

Kann es sein, dass wir uns möglicherweise fälschlich an dieser Senkrechten festbeißen?
Wäre es nicht richtiger, den OFFENEN GENICKWINKEL zu betrachten?

Wenn man ihn anstrebt, wird man keine übertriebene Aufrichtung wollen, denn dann würde das Pferd bei offenem Genick zum Sterngucker. Demgegenüber: ein LEICHTES !!! hdS bei langem Hals in der Lösephase wäre nicht gleich eine Katastrophe, weil mit wenigen versammelnden (aufrichtenden Übungen) das NvdS sofort wieder hergestellt wäre.

Ich hoffe, Ihr könnt nachvollziehen, was ich meine. Ich will HdS keinesfalls verniedlichen, sondern überlege nur, ob zur Vermeidung von Überdehnungen nicht der etwas offenere Genickwinkel das letztlich wesentlichere Kriterium sein müsste.

Damit spreche ich mich selbstverständlich nicht für die Rollkur aus (enger Genickwinkel). Mir geht es nur um die Nuancen um die Senkrechte herum.
Und dieser Gedanke ist auch noch nicht ausgereift. Darum wüsste ich gern, was Ihr dazu meint. Vor allem auch die Biomechaniker unter Euch.
Ich komme darauf, weil im Beispiel von Rapunzels altem Spanier sich ihr Vorgehen ja als absolut praktikabel und richtig gezeigt hat.

Verfasst: Mo, 27. Jan 2014 07:32
von Max1404
Spielnase hat geschrieben:Ich finde maulfrei hat vollkommen Recht. Sie fragt, woher ihr euer Wissen schöpft, dass hdS seine Daseinsberechtigung hat und fragt nach Quellen. Darauf kam bis jetzt noch keine Antwort. Interressant ...
@Spielnase: haste bestimmt übersehen, war ja schon auf den Seiten 3 und 4 dieses Threads und kann daher sicherlich bequem ignoriert werden. Interessant ... :wink:
Max1404 hat geschrieben:William Cavendish, Duke of Newcastle.
In seinem Buch belegen zahlreiche Stiche, dass die Pferde u. a. bei dem Vorläufer des Schulterhereins deutlich hinter die Senkrechte gestellt und teilweise im Hals abgebogen wurden.
Nun ist zwar seine Reitlehre zwar nach neueren Erkenntnissen überholt, dennoch gilt er als Klassiker und war von Steinbrecht besonders geschätzt und wurde von ihm als "eine der Hauptquellen seiner Grundsätze" bezeichnet (Paul Plinzner über Gustav Steinbrecht; Vorwort zu meinem Exemplar des "Gymnasiums", Seite 14).
Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich keine Zeit habe, in meinem Nachdruck der Newcastle'schen englischsprachigen Originalausgabe von 1743 nach den passenden Seitenangaben zu suchen. Wer sich für diese Literatur interessiert, mag sie bitte selbst lesen.
saltandpepper hat geschrieben:Baucher hat die Pferde in seiner ersten Manier systematisch überrundet und geradezu ekzessiv damit experimentiert.
In der zweiten Manier tat er dann das Gegenteil. Seine Schüler berichten, daß er im Alter zu einer milden Synthese aus beiden Phasen fand. Leider gibt es zu dem Konsens keine Aufzeichnungen - sie finden lediglich Erwähnung in Niederschriften seiner Schüler.

Verfasst: Mo, 27. Jan 2014 07:41
von Cubano
Spielnase hat geschrieben:Ich finde maulfrei hat vollkommen Recht. Sie fragt, woher ihr euer Wissen schöpft, dass hdS seine Daseinsberechtigung hat und fragt nach Quellen. Darauf kam bis jetzt noch keine Antwort. Interressant ...
Zu dem, was Rapunzel und Max angeführt haben, kommt auch noch mein Zitat von Klaus Balkenhol, den zumindest ich für einen Vertreter der klassisch-deutschen Schule halte. Auch die Frage, ob wir alle das Gleiche – nämlich die Nase leicht vor oder an der Senkrechten als Ziel haben – wurde schon mehrfach beantwortet.

Verfasst: Mo, 27. Jan 2014 07:51
von esge
Mist, wer war das, der sein Pferd "hinter dem Zügel aber vor dem Bein" haben wollte? ich komme nicht mehr drauf. War das Fillis?
Wobei hinter dem Zügel nicht unbedingt gleichbedeutend mit hinter der Senkrechten ist.

Verfasst: Mo, 27. Jan 2014 07:54
von Max1404
@esge, ich glaube, das war Baucher. :wink:

Verfasst: Mo, 27. Jan 2014 08:10
von esge
Ok, Fillis wars nicht, da habe ich grad nachgesehen.
"Das Schulpferd ist aber völlig "zwischen Hand und Schenkel eingeschlossen" (renfermé), das Reitpferd hingegen "vor den Schenkeln und auf der Hand" in dem Sinne, dass es - bei freien Gängen - sich einen leichten Stützpunkt auf dem Gebiss nehmen muss."

Verfasst: Mo, 27. Jan 2014 08:23
von Anchy
Isomer hat geschrieben:Im Buch von Kurd Albrecht von Ziegner "Elemente der Ausbildung" geht er auf die Möglichkeit ein Pferde hinter der Senkrechte zu reiten, um Muskeln zu lockern bzw. zu stärken. Er geht aber auch sehr deutlich auf die Gefahren ein. Ab Seite 38
Hier auch mehrfach :wink:

Verfasst: Mo, 27. Jan 2014 08:43
von esge
Es ist auch einfach Zeitverschwendung, jetzt krampfhaft nach Zitaten zu suchen, die belegen, dass es kein Weltuntergang ist, wenn das Pferd mal hinter die Senkrechte kommt. Niemand hier sieht das als Ideal an. Nur wissen die wirklichen Praktiker eben - die, die schon viele Pferde geritten und ausgebildet haben - dass es vorkommen kann, dass es Fälle gibt, wo man es sogar bewusst herbeiführt für eine gewisse zeit - um es dann ebenso bewusst wieder abzustellen. Man redet dann aber von kleinen Abweichungen vom Ideal. Ebenso wie man auch ggf in Kauf nehmen kann oder muss, dass ein Pferd mal eine gewisse Zeit deutlich vor/über der Senkrechten läuft.

So lange man nur sein eines eigenes Pferd reitet und ausbildet, wird man immer den Weg, der für dieses Pferd richtig ist, als den richtigen ansehen. Nach dem hundertsten Pferd wird man bescheidener, was den Glauben daran, DAS Richtige zu tun, angeht... Hach, man KANN ja soooo viel! Man ist soo gut! Und dann kommt der nächste Gaul und zeigt einem, dass man mit dem Denken wieder ganz von vorn anfangen muss.

Und so lange ein Ausbilder das tut, ist er für mich ein guter und ein klassischer Ausbilder. Wer an Schablonen klebt - vorgemalten und im Kopf befindlichen - kann kein guter Ausbilder für Lebewesen sein.

Verfasst: Mo, 27. Jan 2014 09:02
von Rapunzel
AMEN!!!!!

Ich hab vor gefühlt drei Jahrhunderten von meinem Anfänger-Papa seinen völlig vergurkten Angloaraber übernommen. Der war steif wie ein Stock, tot im Maul und ein Durchgänger im Gelände. Also der Angloaraber, nicht mein Papa 8). Den habe ich tatsächlich (mit der klassisch-barock-untertourig-überbogen-ständige-Seitengänge-Schiene) richtig gut hingekriegt (zumindest aus damaliger Sicht, ich habe leider keine Videos o.ä., denke aber heute, der war einfach so steif, dass jede Art von Ver-biegung ihm gutgetan hat) und von den entsprechenden Ausbildern immer viel Lob bekommen. Und da dachte ich dann auch, ich hab´s jetzt drauf.

Dummerweise kam dann der Schwarze von den Fotos, für den diese Reiterei absolutes Gift war und der mir das auch überdeutlich gezeigt hat, indem er gangmäßig und muskulär immr schlechter wurde. Zum Glück, muss ich fast sagen, denn dadurch bin ich schnell wieder von meinem hohen Ross runtergekommen und hab kapiert, dass man nicht auf einer Methode reiten kann. Seitdem habe ich ziemlich viele Pferde verschiedenster Bauarten geritten und da waren noch nicht zwei dabei, die man auf die gleiche Art anpacken konnte.

Allerdings war das Gefühl "Ich weiß Bescheid und kann reiten" zugegebendermaßen ziemlich prima.

Verfasst: Mo, 27. Jan 2014 09:04
von Anchy
Mir ist das auch schlicht und ergreifend egal, ob ein Herr Balkenhol das als sinnvolle Ergänzung in SEINEM Werkzeugkasten sieht.
Da muß jeder selbst für sich entscheiden, was er für sich und sein Pferd vertretbar findet.
Lesen bildet und macht mündige Bürger, in der Reiterei nicht anders, auch wenn man dadurch nicht das Reiten an sich lernt, aber zumindest eine theorethische Entscheidungsgundlage erhält, welchen Weg man gehen möchte.

Anchy

Verfasst: Mo, 27. Jan 2014 09:07
von saltandpepper
Spielnase hat geschrieben:
1. Einige schreiben, dass Korrektur- oder sensilble Pferden hdS kommen und es vom Reiter keineswegs gewünscht ist. Diese Reiter finden es aber ok, über Wochen und Monate hdS zu reiten, weil sie ja daran arbeiten, den Fehler zu beheben und sich als Idealbild ein Pferd mit Nase vor wünschen.
-> Auf diesen Fall bin ich in meinem Longier-Exkurs eingegangen, denn ich denke, dass durch die richtige Vorarbeit der Fehler schneller und pferdeverständlicher behoben werden kann.

2. Andere schreiben, dass sie gezielt hdS reiten, um den Rücken zu wölben/öffnen/schwingen zu lassen. Aus diesem Lager wüsste ich gerne, wie lange ihr hdS reitet (einmal im Monat eine lange Seite?, 3 Tage lang je 30 min aber danach ein Jahr lang gar nicht ...) und hätte dazu gerne Literaturverweise und bitte aus dem 21. Jahrhundert. Stimmt es, dass euer Idealbild am Ende aber immer Nase vor/Genick höchster Punkt sein sollte? Oder ist einfach nicht so wichtig?

3. Dann gibt es diejenigen, die hdS ok finden, wenn (angeblich) "alles andere" stimmt: schwingender Rücken, Losgelassenheit und so weiter und so fort. Auch hier hätte ich gerne gewusst, wie euer Idealbild am Ende aussieht (Piaffe?) und hier wären Literaturverweise aus diesem Jahrhundert ebenfalls spannend.

4. hdS absolutes NO GO (siehe maulfreis Plädoyer ganz am Anfang) gemäß klassischer Grundprinzipien

So, zu welcher "Gruppe" ich mich zähle ist ja klar :wink:
Allerdings muss ich gestehen, dass ich mit Nr. 2 keine Erfahrung gemacht habe und hier einfach gerne mehr von wüsste, auch wenn es mich ein wenig sträubt, aber man lernt ja schließlich nicht aus.

Und bitte fühlt euch durch meine Einteilung nicht auf den Schlips getreten. Ich möchte niemanden in eine Schublade stecken, ich versuche nur sachlich zu diskutieren und möchte etwas daraus mitnehmen.
Diesen Beitrag würde ich mir gerne als Aufhänger herauspicken, aus den gefühlten 12 Seiten Beitragen, die ich ( zugegeben) nicht alle bis ins letzte Detail gelesen habe - teil nur angelesen und teils auch nur überflogen.

Ich möchte hiermit gerne anregen, daß diejenigen, die HdS tolerieren bzw. in gewissen Situationen tolerieren, einmal erläutern, was bei HdS genau passiert, bzw. wie genau sich entsprechend der unterschiedlichen Pferdetypen ein HdS ergibt- im Sinne von beteiligten Muskeln und Hebeln und Band-/Faszienzügen.
Ebenso möchte ich die "HdS-never-ever-Front" bitten, zu begründen, WAS GENAU- also auch beschrieben wie bei "der anderen Seite" - sie bei einer Haltung HdS sehr schlimm finden.

Für mich ist das alles zu pauschal/ zu indifferent.

Um mit gutem Beispiel voran zu gehen, ein Beispiel :

Kleines, kompaktes Pferd, kurzer Rücken, kaum Wiederrist, massiv überbaut, sehr gute HH-Winkelung, tief angesetzter, kräftiger, kurzer, breiter Hals, starkes Genick, schmaler Unterkiefer- mit daraus resultierender nicht vorhandener Ganaschenfreiheit.

Ein Pferd, welches, aufgrund des Überbaut-seins, bereits eine große Beugefähigkeit der Hanke aufweisen muß, um eine Hinterhandfunktion zu erwirken, die den Schwungmoment im Sinne der reiterlichen Fachsprache ermöglicht.

Dieses Pferd hat nahezu keine Möglichkeit, den Hebel des Halses passiv zu nutzen, um das Nackenband zu spannen, da es über nahezu keinen Wiederristhebel verfügt und aufgrund der Kürze des Halses auch kaum über einen Zugmoment. Will sagen, möchte so ein Pferd passiv tragen, muß seine Nase quasi am Boden sein.

Hinzu kommt das Genick, welches einmal über einen massiv starken ( breiten, kurzen) Genickmuskel verfügt, als auch über rein mechanische Einschränkungen in der Beugefähigkeit des Genicks.

Darüberhinaus eine Gott-gegebenes Grundgleichgewicht eines Maulwurfes im Hinblick auf die Grund-Lastenverteilung auf Vor und Nachhand in der Bewegung.

Wenn sich bei so einem Pferd ein HdS ergiebt, so passiert das, weil es in dem Moment, in dem es bewerkstelligt, den Genickmuskel loszulassen und somit die sehr beschränkte Möglichkeit, mechanisch sein Genick zu beugen zulässt, es gleichzeitig eine kleine Entlastung im Halshebel sucht und den Hals damit absenkt.
So entlastet es die Nachhand ein wenig und ermöglicht dieser "leichter" im wahrsten Sinne zu beugen und durchzuschwingen und somit bedingt des Auftrieb durch das Hinterbein zu nutzen.


In so einem Fall z.B. würde ich das Absenken des Halses über eine bestimmte Zeit tolerieren und damit in Kauf nehmen, daß das Pferd damit Stirnlinie Hds kommt, WENN ich in der Phase der Arbeit bin, in der ich das Pferd beginne, an die Hand zu stellen / durch´s Genick zu stellen.

Warum ? Zum einen, weil ich mit zunehmendend stärkerer Hinterhand den vermehrt sich ergebenden Auftrieb nutzen kann, um durch den Schwungmoment den Wiederrist besser auf zu bekommen und damit die Tragkraft des Halses sich ebenfalls verbessert und das Pferd den Hals läger oben halten kann.

Zum zweiten, weil bei so einem Pferd keinerlei Gefahr besteht, daß es sich selbstständig im Genick beugt und ich somit keine Problem mit einem sich verkriechenden Pferd jemals bekommen werde:

Im dem Moment, in dem ich die Bitte sich im Genick zu beugen einstelle, wird das Pferd dankend den gebotenen Zügel nach vorne nehmen.

Welches Nachteile habe ich durch das kurzfristige Tolerieren, daß das Pferd den Hals absenkt, wärend ich es um Genickrundung frage und es daher leicht HdS kommt ?
U.U. ist das Gleichgewicht nachhaltig gestört. die Gefahr, daß das Pferd solpert und stürzt gegeben. U.U. wird das Pferd aufgrund dessen versuchen, das Tempo herauszunehmen- wer rennt schon gerne, wenn er dabei in Gefahr läuft, zu stolpern.

Hier benötigt man viel Reitertakt/ Gefühl, um das genau passende Gangmaß anzufragen, welches noch genug Hinterbeinauftrieb liefert, aber nicht zu viel Schub, damit das Pferd in Schwierigkeiten bringt und die Losgelassenheit verhindert.

Dann muß ich sehr genau einschätzen können, wann die Dehnung im Genickmuskel das Pferd an seine Grenzen führt, was dann in Folge bewirken würde, daß das Pferd sich festmacht, das Hinterbein nicht mehr nutzen kann, in die völlige Vorlastigkeit fiele und gegen den Zügel gehend wie ein Bulldoser losrast, oder aber das Vorwärts völlig verweigert- je nach Charakter.

Wie lange wäre ich bereit, diesen Zustand des HdS-gehens über kurze Phasen innerhalb der Arbeit zu tolerieren ?
So lange, wie ich merke, daß das Pferd noch nicht genug Tragkraft im Hinterbein und Hals hat, um eine Korrekte Haltung zu zeigen. Das kann durchaus über einige Wochen sein.

Allerdings, und das möchte ich betonen, immer nur in kurzen Sequenzen innerhalb einer Arbeitseinheit, in denen ich eben besagte Genickrundung sanft erarbeite.
Das kann zu Beginn möglicherweise 3xeine lange Seite im Trab sein- nur damit eine Größenordnung klar wird- innerhalb einer 40-minütigen Einheit.
Je nach Dehnfähigkeit des Genicks - auch bis zu gschätzen 20 Min. innerhalb dieser Arbeitseinheit -in kurzen Abschnitten immer unterbrochen von Haltungen, die keine Genickdehnung erfordern.

Mit zunehmender Geschicklichkeit, Dehnfähigkeit und Kraft, werden die Phasen innerhalb der Arbeit mit gerundetem Genick, in denen der Hals tiefer getragen wierden muß/darf kürzer.

Warum erarbeite ich die Genickrundung, wenn diese dem Pferd doch so schwer fällt ? Weil die Nachgiebigkeit des Genicks der Schlüssel zur Hinterhand ist und ich eine echte Schwungentfaltung nur erhalten kann, wenn diese verfügbar ist.
Gruß S&P

Verfasst: Mo, 27. Jan 2014 09:13
von grisu
esge hat geschrieben: So lange man nur sein eines eigenes Pferd reitet und ausbildet, wird man immer den Weg, der für dieses Pferd richtig ist, als den richtigen ansehen. Nach dem hundertsten Pferd wird man bescheidener, was den Glauben daran, DAS Richtige zu tun, angeht... Hach, man KANN ja soooo viel! Man ist soo gut! Und dann kommt der nächste Gaul und zeigt einem, dass man mit dem Denken wieder ganz von vorn anfangen muss.

Und so lange ein Ausbilder das tut, ist er für mich ein guter und ein klassischer Ausbilder. Wer an Schablonen klebt - vorgemalten und im Kopf befindlichen - kann kein guter Ausbilder für Lebewesen sein.
Das ist tatsächlich der Punkt. Je länger man reitet und mit der Anzahl der Pferde wird man immer stiller, was Pauschalbeurteilungen angeht. Man trifft immer wieder auf Neues, was man nicht erwartet hätte.

Am selbstsichersten und überzeugtesten sind interessanterweise häufig (natürlich nicht immer) diejenigen, die schon seit Jahren nur mit ihren eigenen Pferden arbeiten. Alles was da klappt, ist dann allgemeingültig.

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Aussage von einer meiner Ausbilderinnen. Sie sagte sinngemäß: "Weißt du, Reiten ist wirklich schwer. Du reitest jahrelang, bildest Pferde aus, und jedesmal, wenn du einen Schritt weitergehst und die Anforderungen steigen, merkst du, wie wenig du kannst und dass da noch eine ganze Welt zu entdecken ist. Man muss sich wirklich immer anstrengen und in Frage stellen." Zu dem Zeitpunkt hatte sie immerhin ihre vierten Grand Prix Platzierung auf selbst ausgebildeten Pferden, ihren Pferdewirtschaftsmeister mit Auszeichnung ...