Zur Diskussion gestellte Ritte die gefallen

Rund um die klassische Reitkunst

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Jen
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Beitrag von Jen »

Tossi hat geschrieben:
Jen hat geschrieben:Übrigens hatte ich letzthin mal die Gelegenheit mich mit einem erfahrenen Ausbilder auszutauschen. Unter anderem kamen wir auch auf die verschiedenen Auffassungen der unterschiedlichen klassischen, barocken, akademischen etc Reitweisen. Und da sagte er: "Weisst du, das Wichtigste am Schluss ist doch, dass die Pferde fröhlich sind und die Reiter fröhlich sind! Ob sie dann ein bisschen auf der Stelle tippeln oder seitwärts gehen ist doch wurscht. Die Hauptsache ist, es geht allen gut und alle sind fröhlich und zufrieden." Mir gefällt diese Grundeinstellung. Leben und leben lassen und selber besser machen. ;)
Einerseits, andererseits...Da gibt's halt auch viele RL, die Reiter und Pferd immer schön loben, alle sind quasi "fröhlich", es wird jahrein-jahraus gleich "rumgezockelt" ohne jeden Fortschritt und der RL kassiert sein Honorar. Da würde ich mir oft etwas mehr Ehrlichkeit und Mut beim Benennen von Defiziten wünschen.
Ja klar gibt es die. Aber solange weder dem Tier noch den Menschen dabei wirklich Schaden zugefügt wird... So what? Es liegt immer noch in der Verantwortung eines jeden Einzelnen zu entscheiden, in welcher Form man sich dem Reiten verschreibt. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier keine repräsentative Auswahl des Durchschnittsreiter sind. Gerade in diesem Forum tummeln sich wahrscheinlich überdurchschnittlich wiss- und lernbegierige Menschen. Aber lange nicht jeder Reiter will sich derart vertieft mit der Thematik auseinander setzen. Und wir diskutieren hier willkürlich Reiter, die wir nicht/kaum kennen. Wenn wir uns gegenseitig 'beurteilen' würden, würde sicher vieles anders aussehen bzw relativiert. Nich wahr? ;)

Ich finde unsere Diskussionen ja auch interessant und neige selber ja auch eher zur Überanalyse und dem verkopften wissenschaftlich angehauchten Reiten. ICH will für möglichst alles eine Erklärung finden und ICH will auch möglichst alles verstehen. Aber lange nicht jede/r will das. Deshalb möchte ich auch immer mal wieder auf den Praxisbezug hinweisen. IST es wirklich so schlimm, was genau passiert, wenn die Lektion falsch geritten wird, ab wann ist es tatsächlich schädlich etc. Und da muss man schon vorsichtig sein, denn in so Videos sieht man nur Ausschnitte. Wir kennen meist weder die Vorgeschichte noch Hintergründe. Deshalb kann vielleicht auch ein grottiges Schulterherein für ein bestimmtes Paar schon ein Fortschritt sein. Vielleicht auch nicht. Ich finde einfach, dass man den Spielraum der Be-/ bzw Verurteilung durchaus grosszügiger gestalten darf. Mich stören ehrlich gesagt, diese manchmal fast schon verbissen nach Fehlern suchende Diskussionen. Aber vielleicht ist das auch nur mein Empfinden. Ich wünschte mir ein bisschen mehr Wohlwollen gegenüber anderen Auffassungen. Die Frage, was ist Kunst ist ja zB auch sehr subjektiv ;)
Liebe Grüesslis, Jen
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

@Janina: Noch mal eben zur gestrigen Frage zum Reiter von casalusitana:
Das hat mir ja nun keine Ruhe gelassen und ich habe Casa Lusitana über FB angemorst: Doch, es ist in beiden Fällen ein und derselbe Reiter, nämlich Jorge Gabriel.
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Tossi
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Beitrag von Tossi »

@ Jen
Du hast vollkommen Recht: wir sind hier schon manchmal extrem. Ich kenne tatsächlich Reiter, die reiten wirklich sehr gut (!!), mit dem richtigen Gefühl für sich und ihr Pferd und die haben in ihrem ganzen Leben noch keine einzige Reitlehre gelesen. Da reicht tatsächlich der theoretische Input vom Trainer vollkommen aus, die liegen vermutlich nie wie unsereins wach im Bett und grübeln über irgendwelche Reitprobleme u.ä., nein, die reiten "einfach".
Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet. (David Hume)
Paula

Beitrag von Paula »

Ich bin 20 Jahre einfach nur geritten und hatte davon 10 Jahre einen guten Ausbilder.Der Unterschied heute ist ich weiss was ich tue und kann reflecktieren und sehe wenn mir das Pferd den Spiegel der eigenen Unzulaenglichkeit vorhaellt.All das konnte ich ohne Literatur nicht....Verstehen , begreifen: ich moechte es nicht missen.Besser reiten tu ich ausserdem.Weil ich weiss was ich tu und warum was nicht klappt. Frueher wusste ich nicht warum was funktioniert oder nicht ich konnte das nicht zu meiner Zufriedenheit steuern; heute kann ich das.
Wenn man jahrelang das selbe Pferd reitet dann rauft man sich zusammen da kann Unterricht genuegen um gemeinsam weiterzukommen.Will man ausbilden und sich auf vuele versch.Pferde einstellen koennen und bisweiken korrigierend eingreifen reicht einfach nur reiten nicht.
Die Theorie muss der Praxis viorausgehen so Seunig.
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Janina
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Beitrag von Janina »

Cubano hat geschrieben:@Janina: Noch mal eben zur gestrigen Frage zum Reiter von casalusitana:
Das hat mir ja nun keine Ruhe gelassen und ich habe Casa Lusitana über FB angemorst: Doch, es ist in beiden Fällen ein und derselbe Reiter, nämlich Jorge Gabriel.
Ah, okay, hätte ich tatsächlich nicht gedacht, aber Danke für die Info! :D
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Jen
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Beitrag von Jen »

Ich bin absolut damit einverstanden, dass - wenn man sich mit der klassischen Reitkunst tiefer auseinander setzen will - die Theorie genauso wichtig wie die Praxis ist. Nur wird die Theorie erst verstanden, wenn man gewisse praktische Erfahrungen machen durfte und gewisse Erfahrungen versteht man erst, wenn man die Theorie kennt. Es braucht beides. Und es verändert sich mit jedem neuen "Aha-Erlebnis" stetig. Und ich glaube gerade deshalb gibt es so viele Streiterein, weil die praktischen Erfahrungen halt auch subjektiv sind. Und für uns normale Freizeitreiter halt auch limitiert. Nicht umsonst gab es früher Akademien, wo man unter anderen Künsten auch die Reitkunst studiert hat.Wo kann man heutzutage zb. nur schon Unterricht auf guten Schulpferden haben?
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alimat01
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Beitrag von alimat01 »

Also da geh ich auch mit Jen, Paula. I'ch finde, der SAtz von Seunig trifft einfach nicht auf alle zu. Wie ich eben schon in einer PN geschrieben hab ;-) lernt jeder anders!
Manche müssen es sich erst theoretisch erarbeiten, weil sie z.B. keine gute Körperwahrnehmung haben. Und erst, wenn sie es theoretisch erfasst haben, und es auf dem Pferd Schritt für Schritt für nachvollzogen haben, können sie es gut reiten.
Ich hab aber auch schon mal gesehen, wie eine Jugendliche eine Piaffe auf einem erfahrenen Pferd erspüren durfte (das Pferd an der Hand des Ausbilders). Und dann ist sie es einfach selbst geritten. Das hat mich echt vom Hocker gehauen. Sie hatte keine Ahnung, wie eine Piaffe nun eigentlich aussehen soll. Aber sie hatte durch das Spüren ein gutes inneres Bild. Vielleicht hatte sie auch einfach noch die jugendliche Unbedarftheit.

Nur haben die meisten halt kein wirklich gutes, feines Lehrpferd :-( Also müssen wir uns alle auf unserem Weg durchwursteln. Und da lernen die einen halt mit mehr Theorie voraus und die anderen machen es sich hinterher klar. Und wieder andere wie ich können super mit Bildern oder auch Vorbildern, die sie mit der Theorie abgleichen und dann antizipieren, wie es sich wohl anfühlen müsste. Und manchmal klappt sogar das.

Ist doch egal, wie jemand gut lernt. Wichtig ist ein RL, der ihm auf seinem Weg helfen kann und hauptsache, es funktioniert!
Meiner Meinung nach :)
horsman
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Beitrag von horsman »

hier mal recht interessante Ausführungen von J.Bemelmans zum Aufrichten des Widerristes (die ersten 60 sekunden). Bestätigt im Grunde die Idee, die auch Racinet beschrieben hat.
http://www.reittv.de/Dressurreiten_mit_ ... 12-vid6290

Und wär es noch ein wenig weiter verfolgen will und Racinets (Bauchers) o.a. P.K. Ideen nicht für Teufelszeugs hält, der schau mal wie JB versucht das Problem zu lösen, was der Reiter/das Pferd mit dem Angalopp hat. Das tiefe Einstellen meine ich nicht (das wäre mE nicht unbedingt nötig) aber bei 2:24 sagt er den entscheidenden Hinweis: "er muss ihn dafür einfach mal abkauen lassen". Was er da sucht, (vielleicht weiss er gar nicht) ist die (richtig ausgeführt) Unterkieferflexion, die das Aufrichten des WR bewirkt, was dann den Angalopp ohne dieses Rausheben bewirken wird.
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amara
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Beitrag von amara »

horsmän ---- ich finde daran einfach immer noch nix baucheristisches, noch was PKsches, noch was besonderes.
Die FN will ja ein kauendes, freundliches Maul. WO steht denn, dass sie das nicht propagiert????????????

ABER - JB sagt 8) im dieser Sequenz ganz klar: Durchs Genick, der Gedanke muss v/a sein, und wäre die ANLEHNUNG in Ordnung, da sieht er ja das größte Problem, dann wäre alles gut. Denn - hart aber herzlich - "eine halbe Pirouette kann ja jeder Idiot reiten".
JB zu unterstellen, er wisse nicht was er da sucht ist mM maßlos vergriffen und etwas arrogant. :roll: Glaub mir, der weiss sehr wohl was er da sucht. Eine gescheite Anlehnung nämlich. Ohne die geht - siehe Ausbildungsskala - nämlich nix in Richtung Lektionen reiten. Und ganz klar auch - stimmt die Basis Takt - Losgelassenheit - Anlehnung - Schwung - dann fallen einem die Lektionen in den Schoß. Grade die 3 ersten ermahnt er bei allen unterrichteten Kandidaten als DIE Schlüsselprobleme!

Was mich immer wundert - wieso muss eigentlich alles an Maulaktivität, Widerrist aufrichten, immer schiergar zwanghaft von Baucheristen kommen. Das ist einfach nicht wahr, und wie gesagt - Unterkiefer lösen, demi arrets, Aufrichten, Hebel des Halses - alles schon lang vor Baucher da gewesen!
Zuletzt geändert von amara am Di, 29. Jan 2013 08:34, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Cubano »

@Amara: Danke und verneich… :wink:
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Beitrag von horsman »

Ich habs ja auch nur für diejenigen gepostet, die der Sache aufgeschlossen gegenüber stehen und mit offenen Augen durch Reiterleben gehen wollen :lol: .

Und zur "Skala" hört mal bitte was J.B. da auch sagt nämlich, dass sich die Anlehnung im Laufe der Arbeit an den versammelten Galoppsprüngen deutlich verbessert.

Ich hab auch nie behauptet, dass Unterkieferflexion (Maultätigkeit), Balance (WR oben) zwanghaft nur von Bauchers Lehre her rührt. Soweit ich mich noch erinnere, wurden diese Dinge von Kritikern völlig belacht und für nicht existent bzw. völlig nebensächlich gehalten. Eben deshalb zeige ich ja hier die Verbindungspunkte zum Unterricht von JB, dass man die Anknüpfungspunkte erkennt, wenn man will. Aber Baucher thematisiert diese Dinge sehr präzise, und deshalb kann man mE diese pos. Dinge (andere Dinge sicher nicht) sehr gut davon lernen.
Zuletzt geändert von horsman am Di, 29. Jan 2013 09:01, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag von Cubano »

horsmän hat geschrieben:Ich habs ja auch nur für diejenigen gepostet, die der Sache aufgeschlossen gegenüber stehen und mit offenen Augen durch Reiterleben gehen wollen :lol: .
Ach so: Und diejenigen, denen Demi Arrets etc. auch ohne nähere Bekanntschaft mit Baucher und Racinet ein Begriff sind, haben die Augen geschlossen, oder wie?
Und zur Anlehnung: Natürlich verbessert diese sich im Laufe der Ausbildung immer weiter. Etwas anderes zu denken, würde bedeuten, die SdA als nacheinander abzuhakende Geschichte zu sehen. :wink:
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Beitrag von horsman »

Was Du plötzlich so familiär mit dem "demi arret" bist :wink: ?

Der "demi arret" ist ja nicht das, was wir unter "halbe Parade" verstehen. Und ja: wer den "demi arret" nicht mit der Unterkieferflexion und dem Aufrichten des WR in Verbindung bringt, der sollte unbedingt mal etwas Baucher (in Form von Racinet zB) studieren.

Natürlich muss man nicht Baucher lesen um dies Instrument gut anzuwenden. Es gibt ja immer wieder Reiter, die tun ohne es zu wissen genau das, was der eine oder andere alte Meister beschrieben hat, weil sie selbst erfühlt haben, dass und wie es nutzt (möglicherweise nämlich in dem Fall JB).

Da wir hier aber in einem Forum für klass. Reitkunst sind, dachte ich, schadet es nicht auf den Ursprung zu verweisen (wohlwissend dass sicher auch lange vor Baucher dies schon genutzt wurde, nur eben nicht so dezidiert thematisiert)
Zuletzt geändert von horsman am Di, 29. Jan 2013 09:02, insgesamt 5-mal geändert.
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Beitrag von Cubano »

Horsmän: Vor ein paar Seiten habe ich mal erklärt, wie in der klassischen FN die halbe Parade geritten wird – durch anheben der Hand z.B. Das unterscheidet sich nun wirklich nicht vom Demi Arret. Wobei letzteres eindeutig eleganter klingt. :P
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Beitrag von horsman »

@cubano
dass DU uns von der Wirksamkeit des Anhebens der Hand erklärst ... wie sich die Zeiten doch ändern. Vor einiger Zeit noch war das noch Teufelszeug und völlig verpöhnt bei den FNlern. hast Du den RL gewechselt?
BTW: in den Richtlinien steht davon (anhebend er hand zur U.kieferfölexion) aber zur hP nichts.

Und noch mal:
"demi arret" ist nicht bloss eine elegantere Formulierung für halbe Parade. Es ist beinahe schon ein völlig anderes Konzept (allerdings selber Zweck, nämlich "Re-Balance") , zumindest wenn man unter halber Parade das versteht, was in den FN-RL steht.
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