Jen hat geschrieben:... Das Erlernen dieser gemeinsamen Verständigung zwischen Pferd und Reiter nennt man Ausbildung. Zuerst fängt man ganz einfach, in ganz kleinen Schritten an. Sowohl beim Pferd als auch beim Menschen. Und genau so geht es auch bei der halben Parade. Eine halbe Parade bei einem jungen Pferd ist etwa so aussagekräftig, wie ein Zwei-Wortsatz. Man vereinfacht. Je klarer die Verständigung ist, je besser das Pferd treibende, versammelnde etc. Hilfen versteht, desto feiner kann man diese aufeinander abstimmen, so dass sie richtig dosiert werden. Aus Zwei-Wortsätzen werden ganze Gedichte. Dann können Hilfen sogar gleichzeitig gegeben werden. Je nach Situation, Lektion, Gangart, Problemlage wird mal die eine Hilfe, dann wieder die andere Hilfe in diesem Zusammenspiel vorherrschen.
Da bin ich im Grunde bei Dir. Zunächst ein Buchstabe A, dann zwei Buchstaben A und B, später ein Wort, dann ein Satz. So baut man sich (im übertragenen Sinne) durch zunehmende Kombination die Kommunikation mit dem Tier auf. "A" und "B" usw. steht für eine bestimmte Reaktion des Pferdes, auf eine Aktion des Reiters (nennt man auch "Hilfe"). Sollte im Grunde soweit auch hinlänglich bekannt sein. Reiter die ohnehin keine Reaktion auf eine Hilfe erfühlen, sollten hier erst mal ein geeignetes Lehrpferd samt geeignetem RL aufsuchen, bevor sie sich an SH oder Trabverstärkung machen, oder gar von Haltungsverbesserung mittels hP sprechen.
Das deckt sich soweit völlig mit dem von mir angeführten Verfahren für die Arbeit mit dem "halb halten". Ich spreche ja nicht der Arbeit mit dem "halb-halten" (= halbe Parade) den Wert ab, ganz im Gegenteil.
Und im Grunde tut ja Bemelmans in all diesen Studien, wenn er die Pferde in die Arbeitsphase nimmt nix anders als genau das was ich mit dem verfeinerten "halb-halten" beschrieben habe: Pferd aufs Hinterbein bringen durch verhaltende Einwirkung Rücken plus vornehmlich äusseren Zügel (just so wie man macht, wenn man anhalten will), dabei aufpassen dass das Pferd vorm Bein bleibt - und wenn ich durchgekommen bin wieder raus lassen = Finger öffnen und antreten lassen. Deswegen versteh ich jetzt auch diese grosse Aufregung nicht so ganz. Sie wirkt mir doch auch etwas gekünstelt.
Ich denke, man muss die Dinge nicht verklärt verkomplizieren, da wo es nicht nötig ist. Diese im Grunde doch recht einfache Anweisung und Kombination des "halb-halten" dann korrekt auszuführen ist schon schwer genug, denn man muss den Punkt erfühlen, wo man durch kommt, also "quasi anhalten könnte" aber gerade nur soviel dass man nicht anhält (bzw. das Pferd ausfällt) . Dann muss man erfühlen, ob das Pferd währned dieses Vorgangs vorm Bein bleibt, wenn nicht muss man abbrechen und es erst wieder vors Bein bringen und neu ansetzen und dann muss man fühlen, das Pferd beim öffnen der Finger und raus treten lassen nicht auf die Vorhand zu treiben sondern wenn möglich ein paar Tritte/Sprünge in der neuen Balance zu behalten.
Der ganze komplexe Vorgang zerlegt in recht einfache korrekt trennbare klare Anweisung A - B - C. Mehr nicht. Natürlich hört es sich sehr poetisch an, wenn man vom "Gedicht" und "Konzert" spricht, und ich mag auch die Poesie in der Reiterei, aber als konkrete Handlungserläuterung wird es eben auch nebulös, da es mehr geistige Bilder sind, als klare Anweisungen.
Und natürlich reichert sich die Kommunikation im Laufe der Ausbildung des Pferdes durch Verfeinerung und Kombination an. Aber ein A muss immer ein A bleiben und ein B ein B. Ansonsten gerät man in Erklärungsnotstand und erzeugt bloss Konfusion. Und die ganze Reiterei bis zu den schweren Lektionen sind mE keine ganzen "Konzerte" oder "Gedichte" von Hilfen, sondern vielleicht 6 - 8 klare Anweisungen - und die gebe ich auch nicht alle gleichzeitig, sondern jede wenn ich sie brauche und keine, wenn ich sie nicht brauche - mehr nicht. Die Kunst besteht darin, die Kombinationen nicht zur Konfusion werden zu lassen, die Anweisungen in ihrer Ausführung zu verfeinern und die Kombinationen in ihrer zeitlichen Abfolge zu verfeinern ohne das sie ihre klare Verständlichkeit fürs Pferd verlieren und zu merken welche der 6-8 Anweisungen wann nötig ist und wann welche nicht (vielfach wird hier auch zu viel getan, anstatt das in dem Moment unnötige einfach mal weg zu lassen).
Und wie gesagt, diese geistigen Bilder und Gefühlsbeschreibungen gehören auch zum Muss eines Reitlehrers, aber nicht in die konkreten Handlungsanweisungen. Das muss man auseinander halten beim Erklären, sonst stiftet man Verwirrung. Im besten Fall gelangt der Reiter durch konkrete Handlungsanweisungen zu dem beschrieben Bild, oder auch andersrum das Bild hilft ihm die konkreten Handlungen zu erfühlen.
Und doch, ich durfte schon das eine oder andere schöne aber auch unschöne "Gedicht" auf den verschiedensten Pferden verschiedenster Rassen erfühlen. Das bewegt mich ja zu dem was ich schreibe.
Noch mal konkret zur hP:
Ich kann einem Reiter der halbwegs ordentlich und mit etwas Körperkontrolle im Sattel sitzt die "halbe parade" in 5 Minuten nahebringen indem ich ihm sage "anhalten" und ich sehe er kommt zum anhalten durch sofort auffordere - "jetzt wieder anreiten" und dann frag ich ihn "was hast Du jetzt gemacht, was hast Du gefühlt?". Das wiederholen wir zwei, drei mal und dann sag ich ihm, merk Dir das Gefühl was Du hast, wenn du merkst Du kannst das Pferd anhalten , und mach das selbe, nur peu a peu komm immer weniger zum anhalten und bring das Gefühl des anhalten könnens und das wieder antreten Stück für Stück etwas näher zusammen. Und fertig ist die Kiste, sofern er überhaupt halbwegs etwas erfühlt. Und schon er hat verstanden worum es geht. Das braucht nicht 20 Jahre. - OK, die spätere Verfeinerung, damit ist man niemals fertig, da geht immer noch was.
Sag ich aber er soll das Pferd vermehrt mit den Hilfen einschließen, dabei Gewicht und vortreibende Hilfe überwiegen lassen und anschließend die Hand vorgebenen - das erzeugt doch nur Chaos, sowohl beim Reiter als auch beim Pferd. Und wenn ich ihm dann sage, dass es deshalb nicht klappt, weil er das Konzert der Hilfen nicht richtig beachtet, ja was soll das denn??? Und just diesen Blödsinn erlebe ich ja Tag täglich hier in unseren halle, von hoch honorierten FN-Reitern, weil sie es alle selbst nur so erklärt bekommen haben, verwirren sie weiterhin ganze Generationen von Reitern und Pferden damit.