Biegen - wie lernt es das Pferd?

Rund um die klassische Reitkunst

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myNio
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Beitrag von myNio »

Aber sieht man da etwa eine gleichmäßige Biegung der Wirbelsäule? Nö.
Wobei auf dem Boldt- Blid auch gerade das äußere Hinterbein am vorschwingen ist, und das muss das Pferd ja ausgleichen. Also müsste ja im nächste Moment, wenn das innere Hinterbein kommt, auch wieder eine, zumindest relative, Biegung sichtbar sein. Oder denke ich jetzt falsch?
"biegegefühl"
Irgendwo habe ich das mal als Rotation erklärt bekommen. Also dass der Brustkorb sich zwar nicht biegen kann, wegen der Ripopen und co, aber dass er nach innen rotiert, was uns das Gefühl gibt, dass das Pferd nach innen gebogen ist. Und dadurch kann sich dann auch der innere Sitzbeinhöcker senken, bzw die innere Hüfte nach vorn verlagern.
cicero
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Beitrag von cicero »

ui, das Biegen finde ich gerade sehr spannend, habe es beim Reiten zur Zeit ausgeklammert, weil ich selbst noch Probleme habe, alles zu koordinieren. Dafür baue ich Biege-Übungen umso mehr vom Boden aus ein (vor und nach dem Reiten, beim Longieren).

Einige Dinge, die hier angesprochen wurden (z. B. dass es sich beim Biegen um die Schulterbalance handelt, Einsatz des inneren Schenkels, Einsatz des äußeren Zügels), habe ich heute in Corinna Lehmanns Buch gelesen, aber sie ist FN-lerin.....und jetzt?
Heißt das, dass gutes Reiten nach FN oder nach Klassischen Methoden gar nicht so unterschiedlich sind? :o
Na, wie dem auch sei, sehr spannend. Ich werde hier interessiert weiter mitlesen :D
horsman
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Beitrag von horsman »

noch eine Idee: klingt vielleicht paradox:
manchmal tut man mehr für die Biegung, wenn man sich kümmert, das Pferd vollkommen gerade zu haben.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

horsmän hat geschrieben:für mich stellt sich die korrekte Biegung eher auf passivem Weg ein, d.h. ich versuche gar nicht direkt irgendeine Biegung zu erzeugen, sondern versuche auf den Kreislinien peinlich genau die Balance zu halten.

Das bedeutet: cm-genaue Schulterbalance (im Grunde wie beim SH), dass das Pferd weder auf die innere Schulter in den Kreis hinein fällt, noch auf die äußere Schulter aus der Kreislinie nach außen flieht. Dazu dient anfänglich auch die Stellung/Konterstellung wie nötig um die Schulterbalance zu bekommen/erhalten. Ebenso SH und Konter-SH auf Kreislinien als (Vor)Übung.

Kann ich die Schultern auf den Kreislinien voll und leicht kontrollieren und somit auch mit dem äußeren Zügel nach innen bringen, denn nur dadurch wird sie immer wieder vor die HH gebracht (Grundstatz: stets die VH exakt vor die HH bringen) kann ich versuchen dazu dann permanente leichte innen Stellung+Halsbiegung dazu geben.

Wenn all das funktioniert und das Pferd fein dosiert und balanciert exakt auf der gwünschten Kreislinie und in guter Balance bleibt bekomme ich die Biegung quasi geschenkt. So mein Eindruck. Die Schenkel spielen dabei eher eine untergeordnete Rolle. Sie erhalten allenfalls die Impulsion (wie eigentlich immer) damit das Pferd leicht bleibt und wirken gelegentlich einseitig kanalisierend, aber nicht mit dem Ziel mit den Beinen die HH zu einer Seite zu bringen!
Ja, genau so habe ich meinen vorherigen Beitrag auch gemeint, immer passiv. Aktiv greift man nur ein, wenn die Spur verloren geht, was bei einem Pferd spätestens nach dem 2. Ausbildungsjahr nicht mehr vorkommen sollte (gemäß HDV ist das junge Pferd nach dem 2. Ausbildungsjahr etwa auf L-Niveau: beginnende Versammlung). Allerdings muss man ab und zu einem jüngeren Pferd auch mal etwas mehr "helfen": von allein lernt es kein Pferd, in Biegungen korrekt zu spuren. Die Basishilfen bleiben jedoch immer die gleichen.
Viele Grüße
Sabine
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Bino
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Beitrag von Bino »

@ horsmän:
Das, was du auf der letzten Seite beschrieben hast, erlebe ich gerade ganz genauso mit meinem Pferd. Er neigt unheimlich dazu, mit der Schulter auszubrechen. Wenn ich seine Schultern nicht genau kontrolliere, driftet er total weg, manchmal auch sehr plötzlich. Mit meinem vorigen Pferd hatte ich dieses Problem kaum. Es reagierte allerdings auch weniger sensibel auf Hilfen. Bei meinem jetzigen Pferd lerne ich viel mehr auf meinen Sitz zu achten.

Das mit dem äußeren Zügel habe ich auch so gelernt (bei einem klassischen Ausbilder), dass er in dem Maße vorgehen muss, in dem die Biegung stattfindet, ohne natürlich die begrenzende Funktion aufzugeben. Wenn man ihn zu starr festhält (Hände auf gleicher Höhe), kann das Pferd sich im Hals ja nicht mehr biegen. Allerdings muss ich auch höllisch aufpassen, dass die Verbindung am äußeren Zügel nicht verloren geht.

Ich kontrolliere die Schulter auch durch das Anlegen des Zügels an den Hals (ähnlich wie beim Westernreiten). Wie handhabt ihr das?
Zuletzt geändert von Bino am Mi, 05. Jan 2011 07:57, insgesamt 1-mal geändert.
Der Tanz ist der Käfig, in dem man fliegen lernt. (Claude Nougaro)
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

horsmän hat geschrieben:noch eine Idee: klingt vielleicht paradox:
manchmal tut man mehr für die Biegung, wenn man sich kümmert, das Pferd vollkommen gerade zu haben.
Klar, Biegung ist der erste Schritt zur Geraderichtung, dazu zählen Zirkel, Volten und Seitengänge :wink:
Viele Grüße
Sabine
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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Horsemän, was du zur "geschenkten Biegung " schreibst ist sicher für viele Pferde zutreffend. Für mich ist es immer interessant die gesamten Zusammenhänge zu verstehen, damit ich helfen kann/ eine Handhabe habe ( kleine Wortspielerei :wink: ), wenn man die Dinge NICHT geschenkt bekommt und natürlich auch, wie man vielleicht erreichen kann, daß das Pferd es leichter versteht und umsetzt/ umsetzen kann.
Wie sagt Herr Karl immer so sarkastisch : " es ist besser reich und schön zu sin, als arm und häßlich ..." :lol: , allein diese ( absolut richtige !!!) Aussage hilft nicht, weil der Weg zu "schön und reich" nicht aufgezeigt wird.
Mir fiel zu diesem Satz ein Spruch von einem alten Bauern ein, bei dem ich in meiner Jugend ritt und auch mein Pferd eingestellt hatte : " man nehme so man hat.... und wenn man nicht hat ?"
Wenn man den Zusammenhang verstanden hat, kann man Lösungen finden, ansonsten kann man nur hoffen und warten.

Rosane, ich denke, du solltest dir diesen Schuh einfach nicht anziehen ( obwohl es mir natürlich auch oft so geht "g") du mußt immer bedenken, daß in soeinem Forum immer viele Mitlesen, die noc nicht deinen Stand haben und für die sind solche grundsätzlichen Aussagen wie die von Max sehr hilfreich. Und zum außerdem schreibt man sehr oft die eigene " Entwicklung" von Verständnis in solche Beiträge. Das mache ich auch oft : Herleiten, wie man zum heutigen Stand einer Erkenntnis gekommen ist. Und genau das ist es doch, was den Austausch so hilfreich macht. Ot bekommt man auf diese Weise Entwicklungswege erklärt, die völlig anders verlaufen, als die, die man selbst genommen hat. Natürlich ist es langweiliger, wenn man den beschriebenen Weg kennt, weil er dem eigenen ähnelt oder gleicht. Aber für einen anderen Leser ist es um so interessanter.
:)

MyNio : auch bei der Rotation ist die "Biegung" nicht statisch, sondern bei jedem Schritt jeweils in die andere Richtung.

Die Sache mit dem aifgehängten Faß trifft es da noch eher, denn dabei geht es um Balance und das Faß biegt sich auch nicht....

Charona, natürlich muß der äußere Zügel die Biegung gestatten - der direkte !
Ist das Pferd am äußeren Zügel- sprich in latenter Dehnungsbereitschaft, kann ich mit einem ( trotzdem noch führenden) Nachgeben daran, die außere Seite des Pferdes veranlassen sich zu dehnen. Und erst dann ist Biegung in Losgelassenheit, mit alle Folgen für die optimierte Bewegungsmechanik möglich.

Din innere Seite gegen die festgehaltene äußere zur Kontraktion zu zwingen ist nicht Sinn der Sache "Biegen".

Biegung geschieht, wenn die äußere Seite dehnt und daher braucht es die "Anlehnung" im korrekten Sinn am äußeren Zügel .
Und klar ist die alte Schule der FN der Klassik ganz nah - das beruht schließlich auf fast 500 Jahre Reitkultur.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Bino hat geschrieben:@ horsmän:
Das mit dem äußeren Zügel habe ich auch so gelernt (bei einem klassischen Ausbilder), das er in dem Maße vorgehen muss, in dem die Biegung stattfindet, ohne natürlich die begrenzende Funktion aufzugeben. Wenn man ihn zu starr festhält, kann das Pferd sich im Hals ja nicht mehr biegen.
Genau das, was ich fett hervorgehoben habe, ist der Punkt.
Und manches Pferd benötigt einen deutlicheren äußeren Zügel, andere einen weniger deutlichen.
Viele Grüße
Sabine
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

@Max und s&p:
Is' schon gut, ich hab mich heute morgen schon wieder beruhigt. Es ist grade auch für Mitleser sicherlich sinnvoll, auch Grundlegenderes zu einer Frage mitzuerläutern. Also fühle dich bitte nicht gehemmt, Max! :)

Meine Frage mit den Hinterbeinen ist glaube ich beantwortet:
Also erst mal kümmert man sich bei der Biegung vor allem um die Schulterbalance.
Die Schenkel kommen nur zum Einsatz, wenn man dabei merkt, dass die HH seitlich ausweicht (und natürlich für alles andere, was die Schenkel noch so zu tun haben...)

Was ich wirklich verblüffend finde: Bei all meiner Erfahrung und dem vielen Beschäftigen auch mit der Theorie: Innerhalb des letzten Jahres sind mir drei Themen begegnet, die so entscheidend wichtig sind und die vorher einfach nicht in meinem Bewusstsein waren: Das Anheben der inneren Schulter (durch den Longenkurs), das Anheben des Widerrists (hier durchs Forum) und jetzt dieses für mich neue Verständnis der Biegung (was das Anheben der inneren Schulter sehr gut ergänzt).

Warum sind diese zentralen Themen so wenig in der Literatur vertreten? Oder habe ich das nur überlesen? Warum hat mir noch kein RL das vermitteln können?
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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Rosana, das weiß ich nicht :lol:
Phanja

Beitrag von Phanja »

@horsmän
Ich glaube, du hast einige von uns missverstanden. Ich glaube, die Wenigsten hier arbeiten oder sprechen über das Thema Biegung, weil sie unbedingt Biegung erarbeiten wollen.
Das was du beschrieben hast, IST erarbeiten der Biegung mit dem Pferd. Sie ist Basis für Volten, Seitengänge und zig andere Dinge. Trotzdem macht es doch Sinn, das Thema genau zu betrachten. Ich sehe "Biegung" als Basis für Vieles. Aber Basis ist es eben nur, wenn es auch die Basis von irgendetwas ist, was dann folgt.
Ich hab das Gefühl, du denkst, viele sind da etwas zu fokussiert - ich denke aber, es interessiert so viele, weil man eben für viele Dinge das Pferd korrekt biegen können sollte.
Wenn man den Zusammenhang verstanden hat, kann man Lösungen finden, ansonsten kann man nur hoffen und warten.
*unterschreib*
horsman
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Beitrag von horsman »

Max1404 hat geschrieben:
horsmän hat geschrieben:noch eine Idee: klingt vielleicht paradox:
manchmal tut man mehr für die Biegung, wenn man sich kümmert, das Pferd vollkommen gerade zu haben.
Klar, Biegung ist der erste Schritt zur Geraderichtung, dazu zählen Zirkel, Volten und Seitengänge :wink:
Soweit richtig.
Ich meinte aber, machmal wär es einfach sinnvoller mal einfach gerade an der Wand entlang (und ggf. später auf drittem Hufschlag) zu reiten, wo die Betonung auf gerade liegt. M.E. wird vielfach versucht, die "Biegung" durch zuviel biegende Übungen zu erarbeiten bzw. es wird übersehen, dass Geraderichten auf der Geraden Linie auch ein völlig gerades Pferd bedeutet.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
Gast2

Beitrag von Gast2 »

Rosana hat geschrieben:
Was ich wirklich verblüffend finde: Bei all meiner Erfahrung und dem vielen Beschäftigen auch mit der Theorie: Innerhalb des letzten Jahres sind mir drei Themen begegnet, die so entscheidend wichtig sind und die vorher einfach nicht in meinem Bewusstsein waren: Das Anheben der inneren Schulter (durch den Longenkurs), das Anheben des Widerrists (hier durchs Forum) und jetzt dieses für mich neue Verständnis der Biegung (was das Anheben der inneren Schulter sehr gut ergänzt).
da hast Du schön zusammengefasst, was im "normalen" Reiten so eben nicht vorkommt. Ich bin zwar Späteinsteiger, und hatte daher "erst" 12 Jahre Reiterfahrung (FN) auf dem Buckel, bis ich zum ersten Mal was von dieser Art Schulterkontrolle hörte.
Das war 2005 auf einem Honza-Blaha-Kurs. Damals hab ich das unter "naja, ein anderer Aspekt des Natural Horsemanships" verbucht, bin aber mit Begeisterung an dem Thema dran geblieben, weil es sofort einen extrem positiven Einfluß auf das Reiten meiner Gangpferde hatte.

Dann bin ich 2007 auf einen PK-geschulten Reitlehrer gestoßen und fand genau da diese Schultergeschichte wieder. Da hab ich aber gestaunt, dass es das doch woanders auch schon gab (hatte ich doch bereits Herrn Blaha zu einem neuen Reitheld erkoren *g*). Im Laufe meiner Ausbildung bei diesem Reitlehrer kam dann auch die Idee vom Widerrist heben dazu.

Ich bin heute noch manchmal ratlos, wie ich früher reiten konnte, ohne dieses Wissen um die Schultern und den Widerrist zu haben, ohne die Technik, wie ich ich sie jetzt einsetze.
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

baura hat geschrieben: da hast Du schön zusammengefasst, was im "normalen" Reiten so eben nicht vorkommt. Ich bin zwar Späteinsteiger, und hatte daher "erst" 12 Jahre Reiterfahrung (FN) auf dem Buckel, bis ich zum ersten Mal was von dieser Art Schulterkontrolle hörte.
So ging es mir auch. Erst vor 2 Jahren, als der Longenkurs rauskam ist es mir wirklich aufgegangen, das mit der Schulter. Da hatte ich auch schon 13 Jahre Reiterei hinter mir. Klar, man hat gelernt das Pferd soll gestellt und gebogen werden, dabei wurde vor allem auf Kopf und Hals geachtet, aber der Schulter habe ich nie weitere Beachtung geschenkt.

Inzwischen fällt mir das aber deutlich auf: Die meisten Pferde sind alles andere als korrekt gestellt und gebogen.
LG
Sheitana
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esge
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Beitrag von esge »

Die Geschichte mit den Schultern ist mir auch erst in den letzten 7 Jahren begegnet. Der ganze Balance-Aspekt hat in den früheren Reiteinheiten, die ich so im Laufe von 25 Jahren hatte, eine kleine bis gar keine Rolle gespielt.
Aber ich bin auch schon 15 Jahre geritten, ehe mir mal jemand den äußeren Zügel plausibel, verständlich und umsetzbar nahe bringen konnte. Ich fürchte, ich bin einfach erst recht spät auf guten Reitunterricht gestoßen. Seufz. Rückblickend: Welche Zeitverschwendung!!!
Loslassen hilft
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