Tritte verlängern und verkürzen.

Rund um die klassische Reitkunst

Moderatoren: Julia, ninischi, Janina

Carmen
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Beitrag von Carmen »

@Motte
So finde ich es auch sinnvoll.

@Jen
Deine Erklärung ist wirklich gut. So eingesetzt ergibt es für mich einen Sinn. :D
"Es gibt schon viel zu viele Pferde, die Gefangene sind. Wenn wir unser Pferd lieben, müssen wir [...] ihm so viel wie möglich von seiner Freiheit zurückgeben." Sylvia Loch
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

Mal hochhol. Ich lag grad im Bett und hab über genau das Thema nachsiniert. :wink: Dabei kam ich zu der Überlegung wie genau man denn Tritte verkürzen von den Hilfen her reitet unter Berücksichtigung der Vorgabe "Bein ohne Hand, Hand ohne Bein". Kann mir hier mal jemand auf die Sprünge helfen?

Ich hab mir das grad so überlegt: ich treibe mit dem Schenkel dann das gleichseitige Hinterbein, wenn es abhuft, pariere dann, wenn es nach vorne schwingt, also zeitlich verzögert. Stimmt das oder hab ich hier 'nen Denkfehler?

Außerdem hatte ich überlegt, dies zum Ausmerzen der Marotte unserer Stute beim Bergablaufen Pass zu gehen, heranzuziehen. Oder liege ich hier auch falsch?
lg, Tanja

Reiten ist nicht weiter schwierig, solange man nichts davon versteht.
Aus: "Vollendete Reitkunst", Dr. Udo Bürger, 1959
louise
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Beitrag von louise »

Hallo,

wie immer kommt es auf das Pferd und vor allem den Ausbildungsstand an.
Während ich zunächst das Pferd in einem - nämlich seinem - Takt ausbilde, ihn diesen lehre, das Pferd aus der anfänglichen Unausbalanciertheit in eine Balance führe und nichts anderes ist ein Takt: das gleichmäßige Bewegen aller 4 Beine und die sich daraus ergebende gleichmäßige Gewichtsverteilung. Dh. Ein erstes Verlagern des übermäßigen Gewichts der Vorhand mit auf die Nachhand.
Die Schrittlängen der Vor- und Nachhand nähern sich einander an und man erkennt einen Takt, nicht ein gleichmäßiges Tempo, das kann ich auch ohne Takt reiten, wenn das Pferd auf der Vorhand läuft (sprich die Schritte/Tritte der Vorhand größer sind als die der Nachhand)...

Hat man das Pferd nun in einen Takt gebracht - und je besser der Reiter das kann, desto leichter fällt es dem Pferd, diesen täglich neu schnell zu finden, kann man anfangen, Tritte zunächst zu verlängern. Das hat mit Mitteltrab noch gar nichts zu tun, es geht nur darum, auf eine Anforderung des Schenkels mehr Hinterbeinaktivität zu bekommen und die Schulterfreiheit oder -beweglichkeit zu verbessern. Das Pferd soll deutlicher abhufen und diesen Schwung über den Rücken in die Anlehnung hinein (ohne sich auf den Zügel zu legen natürlich!) nach vorne raus lassen. Das hat nichts mit mehr Tempo zu tun, sondern mit mehr Schwung. Der Takt bleibt erhalten, dh alle 4 Beine arbeiten weiterhin gleichmäßig, nicht nur vorne oder nur hinten mehr.

Dann das Entscheidende: das Pferd nach wenigen Tritten wieder zurückholen in den Arbeitstakt. Ein versierter Reiter wird dies über eine leichte Veränderung im Sitz, im Takt des Leichttrabens oder Mitschwingens, in einer leichten Veränderung im Oberkörper tun, evtl mit leichter Parade unterstützen.
So lernt das Pferd, sich in unterschiedlichen Trittlängen hin und her zu bewegen und den Takt zu halten, der Reiter kann überprüfen, ob das Pferd die Schenkelhilfen annimmt und beim Zurücknehmen die Hinterbeine aktiv bleiben, bei gleichmäßigem Beinkontakt (Treiben) auf den Sitz reagiert (dies ist es, wenn man davon spricht, ein Pferd an Bein und Sitz zu haben).
Ich persönlich finde, dies sollten zunächst alle Pferde lernen, faule werden fleißiger und aufmerksamer, eilige können sich am Bein beruhigen (übrigens beim tatsächlich taktmäßigen Treiben) und lernen über das Zurücknehmen, sich zu beherrschen.

Überdies ist ein genauso sinnvoller Bestandteil der Ausbildung wie Übergänge von einer in eine andere Gangart. Statt immer nur in einem Tempo zu reiten und das Pferd darüber zu ermüden oder zu langweilen, halte ich es aufmerksam und beginne, seine Muskulatur zu schulen, denn über die Entwicklung von Schubkraft fördere ich auf Dauer auch die Tragkraft durch das Reiten von Übergängen innerhalb einer Gangart.

Ausserdem lernt das Pferd bereits hier, sich zurücknehmen zu lassen bei gleichbleibendem Takt. Dies erleichtert uns ungemein das Zurücknehmen, wenn das Pferd die ersten versammelnden Tritte machen soll. Das zurücknehmen kennt es schon bei gleichzeitig treibendem Bein vom Tritte verlängern, also wird es die Hilfe auch leichter aus dem Arbeitstempo annehmen.

Natürlich müssen bis dahin weitere versammelnde Lektionen geritten werden, um das Pferd in der Muskulatur der Hinterhand zu kräftigen, nichts ist tödlicher als eine zu frühe Versammlung bzw führt nur zu Pferden, die sich im Tempo verkriechen und nicht mehr vorwärts gehen mögen.

Das erste Verlängern auf einem Zirkel halte ich für sehr sinnvoll, denn das innere Hinterbein muss gleich noch ein wenig Zusatzarbeit leisten. Wir kräftigen es also hierüber sehr schön mit und befähigen das Pferd auf Dauer, das innere Hinterbein auf gebogenen Linien aktiv zu benutzen.

Eine Versammlungsfähigkeit erhöht allerdings leider nicht gleichzeitig die Fähigkeit zum Mitteltrab. Natürlich verbessert es den Trab insgesamt, Übergänge zu reiten. Aber leider wird aus einem Pferd mit wenig Trab/Gang keines, das einen wunderbaren Mitteltrab bekommt. Da wird man sich wohl immer mit maximalem Tritteverlängern begnügen müssen.

Im Übrigen halte ich es im Umkehrschluss wieder für sinnvoll, nach einer Versammlung das Pferd über das Tritteverlängern zu entspannen und die aufgebaute Energie nach vorne raus zu lassen. Natürlich nicht über das nach vorne weglaufen lassen, sondern über ein vermehrtes Abdrücken der Hinterhand in größere Tritte.
So wie Lord Fado das beschrieben hat - ganz wunderbar!

Louise
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Mimi
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Beitrag von Mimi »

Sehr schön beschrieben. Kompliment
Reiten: Das Zwiegespräch zweier Körper und zweier Seelen, das dahin zielt, den vollkommenen Einklang zwischen Ihnen herzustellen.
louise
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Beitrag von louise »

Danke!
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

louise hat geschrieben: Die Schrittlängen der Vor- und Nachhand nähern sich einander an und man erkennt einen Takt, nicht ein gleichmäßiges Tempo, das kann ich auch ohne Takt reiten, wenn das Pferd auf der Vorhand läuft (sprich die Schritte/Tritte der Vorhand größer sind als die der Nachhand)...
Hallo,
kannst Du den zitierten Teil nochmal genauer erklären?

Ich habe nicht verstanden, was Du damit meinst, dass die Tritte der Vorhand größer sind als die der Nachhand. Da das physikalisch erstmal so nicht geht, nehme ich an, dass Du da einen Gedanken mit verbindest, der sich mir nicht erschließt.

Danke und Gruß!
louise
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Beitrag von louise »

Hallo,

Pferde müssen nicht zwangsläufig vorne (also mit den Vorderbeinen) und hinten (Hinterbeine) gleich grosse Schritte machen.
Rechts und links natürlich schon, sonst wären sie ja lahm.

Guck Dir Pferde an und beurteile, ob die Schritte bzw. Tritte der Hinterbeine genauso lang sind wie die der Vorderbeine. Meist sind sie kürzer...

Solange das der Fall ist, kann das Pferd nicht im Takt gehen, wohl aber in einem gleichmäßigen Tempo. Takt setzt aber nicht nur das gleichmäßige Tempo voraus, sondern auch ein Gleichmaß in den Bewegungen. Dh im Trab: Parallelität von innerem Vorderbein und äußerem Hinterbein und dementsprechend äußerem Vorderbein und innerem Hinterbein.

Louise
Fliehendes Pferd
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Beitrag von Fliehendes Pferd »

Was mir gut gefällt: bei Louise kann ich unterschreiben und muß nicht selbst lange schreiben. Nur eine kleine Einschränkung. Durch Versammlung kann sich der Mitteltrab extrem verbessern. Das beobachte ich jeden Tag bei meinem Reitlehrer, der einige Pferde mit relativ bescheidenen Vermögen in Beritt hat. Bescheiden im Trab, Schritt und Galopp sind recht gut. Inziwschen sieht auch der Trab richtig gut aus.
louise
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Beitrag von louise »

ja, das stimmt, Trab kann man durch Übergänge jeder Art verbessern, wenn man auf Takt und gute Hinterhandaktivität achtet. Dies "befreit" die Schulter und verbessert somit die Bewegung der Vorderbeine.

Liebe Grüsse
Louise
Lala
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Beitrag von Lala »

louise hat geschrieben:Hallo,

Pferde müssen nicht zwangsläufig vorne (also mit den Vorderbeinen) und hinten (Hinterbeine) gleich grosse Schritte machen.
Rechts und links natürlich schon, sonst wären sie ja lahm.

Guck Dir Pferde an und beurteile, ob die Schritte bzw. Tritte der Hinterbeine genauso lang sind wie die der Vorderbeine. Meist sind sie kürzer...
was genau meinst du mit gleich gross?
Die Höhe oder die Länge?
Weil die Länge sollte schon gleich sein. Macht das Pferd vorne längere Schritte wie hinten, würde die Vorhand der Hinterhand davon laufen und das Pferd immer länger... :kopfkratz:
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Jen
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Beitrag von Jen »

ich denke, sie meint das: grüne und rote Linie sollten gleich lang sein.
Dateianhänge
trab_bsp.jpg
trab_bsp.jpg (23.21 KiB) 7636 mal betrachtet
Liebe Grüesslis, Jen
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Melli
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Beitrag von Melli »

Die Schritte sind trotzdem gleich lang.
Wie schon gesagt wurde, ist etwas anderes ncht möglich, da alle Beine an demselben Rumpf hängen (im übrigen macht auch ein lahmendes Pferd regelmäßig nicht unterschiedlich lange Schritte, sondern die Dauer der Stützbeinphase ist verändert), andernfalls müsste es auf eine bestimmte Strecke bezogen mit einem Huf mehr Schritte als mit dem anderen machen - das ist aber nicht der Fall, außer, es gibt ganz massive Taktstörungen, Gangsalat.

Wohl aber kann es mit den Hinterhufen flinker abfußen als mit den Vorderhufen, wie auf dem Foto von Jen schön zu sehen.
Wobei ich nur wenige Bilder kenne, auf denen die Hinterhufe nicht wenigstens einen Hauch eher abfußen als die Vorderhufe.
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Beitrag von louise »

Das wiederum verstehe ich nun nicht...

Das Bild von Jen zeigt doch deutlich (und ist genau das, was ich meine, danke!), dass die Schritte der Hinterhand kleiner sind als die der Vorhand. Hinten muss halt schneller gearbeitet werden.

Das zeigt doch: die Hinterhand ist in dem Moment nicht der aktive, schiebende Part, sondern der, der der Vorhand im wahrsten Sinne des Wortes hinterher laufen muss.

Und wenn vorne Schritte größer sind und hinten somit schneller sein müssen, kann kein Takt da sein...

Und das Pferd wird dabei nicht lang und länger, so ein Unsinn...
Pferde auf der Weide oder ungearbeitete Pferde gehen in der Regel hinten mit kürzeren Schritten als vorne und bleiben trotzdem in der Form!

Louise
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Jen
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Beitrag von Jen »

Das Problem dieser ungleich langen Tritte ist, dass es eine Taktverschiebung gibt, weil die diagonale gebrochen wird! Man sieht es auf diesem Foto nicht so deutlich, wie auf anderen, ich habe nämlich extra ein Foto vom Netz rausgesucht, wo nicht in der Verstärkung geritten wird. Wenn aber zusätzlich noch tritte verlängert werden, dann sieht man deutlich, wie das Vorderbein immer länger am Boden verweilt als die Hinterhand, die Hinterhufe sind schon längstens in der Luft, während das vorderbein immer noch stützt. Diese Taktverschiebung ist in natura von blossem Auge nicht gut erkennbar, wenn sie nicht ausgesprochen deutlich ist, jedoch sieht man mit geübtem Auge, dass das Pferd auf der Vorhand läuft und mit der HH gebunden ist. Die HH wirkt dann oft klemmig, das Hinterbein schwingt nicht frei nach vorne. Gebt einfach mal bei google-bilder "Trab" ein, da bekommt ihr viele anschauliche Beispiele, manche besser, manche weniger gut.
Zuletzt geändert von Jen am Mi, 08. Apr 2009 08:38, insgesamt 1-mal geändert.
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Damit das Hinterbein schneller auf den Boden kommt, muß das vordere Bein aber erst mal weg sein. Sonst tritt sich das Pferd entweder in den Vorderballen oder es muß seitlich versetzt aufhufen. Oder eben kürzer treten...
Das Bild ist doch prima als Beispiel dafür, wie es nicht sein soll:
Man sieht deutlich, daß 3 Beine in der Luft sind. Dies weist auf mangelnde Ausbalanciertheit (fehlendes Selbsttragen) sowie "Abstützen" auf der Reiterhand hin. Ein Vorderbein wird als Stütze gebraucht, weil es weit unter den Körper schiebt, anstatt daß die Schwebephase mit diagonalem Auf-/Abfußen stattfindet.
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
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