Auf der Messe Pferd & Jagd in Hannover kann man sich derzeit einer Sitzanalyse auf einem künstlichen Pferd unterziehen. Das Pferd hat eine durchschnittliche Warmblutgröße, Hals und Kopf sind starr geradeaus, ein Sattel liegt auf, Zügel bis zum Maulwinkel sind vorhanden. Und überall entsprechende Sensoren, die die Gewichte messen. Drei Gangarten können eingestellt werden (so weit ich weiß, gibt es auch innerhalb der Gangarten Unterschiede - für mich gestern nicht).
Gemessen wird das Gewicht des Reiters und wie es sich bei Bewegung im Sattel verteilt, d.h. rechts - links, vor und zurück. Außerdem die Hände (getrennt in rechts und links) und ihre Bewegung bzw. das Gewicht, das sie über die Zügel ans Maul übertragen.
Das Ganze wird mittels Computer aufgezeichnet (sieht aus wie ein CTG …).
Der anschließende Ausdruck fasst ein Mittel der gesamten Messung zusammen, jeweils getrennt nach Gangart.
Eine Mittellinie ist die gedachte Perfektion z.b des ruhigen, vollkommen gleichmäßig mitschwingenden Sitzes, und sämtliche Abweichungen davon zeigen sich in ausschlagenden Kurven und Linien. Eine rote Linie zeigt die Gesamtabweichung vom Perfektmaß.
Ich muss sagen, ich fand das einerseits sehr interessant, wie man an den winzigen Abweichungen erkennen kann, wo das Problem liegt. Denn die "Probleme", die mir die Physiotherapeutin nannte, trafen zu, will sagen: sie sind mir bekannt. Sie werden mich aber sicher nicht vom Reiten abhalten.
Für mich ergab sich im Nachhinein die Frage: Was fange ich mit dem Wissen an, das ich ja nun schwarz weiß auf Papier hatte?
Die Abweichungen sind nicht so, daß jeder vernünftige Mensch schreien würde "Runter vom Pferd Das ist Tierquälerei!" Sie sind minimal, ABER eben abweichend vom perfekten Ideal, das von minimalsten, perfekt dosierten und getimten Hilfen ausgeht, um das perfekt tänzelnde Pferd zu haben.
Und genau das lässt sich meiner Ansicht nach NICHT und NIEMALS erreichen, weil wir, wie es oben gesagt wurde, es mit zwei Lebewesen zu tun haben, die beide von Natur aus unperfekt sind. Zwei Maschinen mögen eventuell zur Perfektion gelangen - ein individueller Reiter und sein individuelles Pferd nicht. Jedenfalls nicht bis ins allerkleinste atomare Detail. Und das zeigt dann doch das letzte Video der behinderten Reiterin wunderbar: da ist die eigentliche Meisterschaft um einiges höher zu bewerten, zwei die aufeinander reagieren, sich aufeinander einstellen und so, wie sie nun einmal sind, miteinander harmonieren. Und zwar ungeachtet der seismologischen Messungen, die womöglich etwas anderes erzählen würden.
