Nochmal zur Erinnerung
zu diesem Ritt
http://www.youtube.com/watch?v=sn1_mAjTwiU fragte Kosmonova
Kosmonova hat geschrieben:Reine
Verständnisfrage: Weil also der Zügel nicht jede Sekunde (!) perfekt geSPANNT ist, ist die Anlehnung nicht korrekt? Ich meine der Kopf bewegt sich, die Reiterhand kann da gerade im Nachgeben nicht jede Bewegung perfekt mitmachen. Also ich find gerade das Reken-Vid. schon sehr ansprechend. Klar kein Vergleich mit UG, aber das ist ja Freizeitreiterakademie

Also kurz: wenn der Zügel nicht durchgehend sichtbar gleichmässig gespannt ist, ist dann die Anlehnung nicht korrekt?
Hier die Antwort von Rapunzel:
Rapunzel hat geschrieben:Kosmonova: Nein, aber wenn du keine konstante Anlehnung hast, hast du keine konstante Anlehnung.

Mit allen Nachteilen, die das mit sich bringt.
Also kurz: eine nicht konstante Anlehnung bringt Nachteile mit sich.
Darauf meine Kommentare, dass das mit dem "konstant" so nicht stimmt, auch bei einer sichtbar "konstanten" Anlehnung.
Max1404 hat geschrieben:Gawan, verstehe ich Dich richtig, dass Du Dir wünschst, dass das Gebiss im Idealfall völlig unbeweglich im Maul liegt?
Und nochmals die Frage: wenn man sich bewusst macht, was im Maul passiert (das können wir ja dank solcher Messungen), was bedeutet das denn konkret für die Praxis, bzw. welche reiterlichen Praxisempfehlungen kann man aus dieser Erkenntnis ableiten?
Völlig unbeweglich kann das Gebiss nicht liegen, aber Ausschläge, die z.B. von 2 kg auf über 10 kg gehen, sind für ein Pferd wohl kaum angenehm, und wie die Messungen gezeigt haben, schaffen es manche Reiter, die Ausschläge in einem deutlich tieferen Bereich zu halten. Für die Praxis bedeutet das für mich
- das Argument "der springende Zügel stört das Pferd, weil es dann im Maul ruckelt" führt gern dazu, dass der Zügel einfach fester angenommen wird, damit der Reitlehrer nicht mehr reklamiert, und dann ruckelt es halt unsichtbar, was eine "Lösung" für den Reiter ist, nicht fürs Pferd; wenn der Zügel springt, sollte genauer angeschaut werden, warum er das tut und ob das für das Pferd wirklich ein Problem darstellt; ein Zügel, der etwas schaukelt oder schlabbert ist was anderes als ein Zügel, der dauernd zwischen voll dran und ganz weg wechselt
- die Idee der konstanten Anlehnung kommt leider noch nicht ganz sicheren Reitern entgegen, die sich gerne an den Zügeln festhalten, manche Reiter ziehen sich auch am Zügel etwa im ausgesessenen Trab in den Sattel
- daher sollte bei der Ausbildung von Reitern viel mehr Wert gelegt werden auf einen unabhängigen Sitz; neben Longenstunden wären da Stunden auf einem Pferd, das mehr auf Impulsreiterei ausgebildet ist (also wie ein Westernpferd), nicht schlecht, da der Reiter dabei lernt, mit durchhängenden Zügeln auch im Trab und Galopp zu reiten, sich also nicht an den Zügeln festzuhalten
- man kann auch seine Hände trainieren; ich habe schon zuhause mit einer Federwaage gearbeitet, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Zug meine Finger produzieren
- Übungen, um den Arm-Schulter-Bereich von den Bewegungen des Rumpfes zu isolieren, sind auch hilfreich
- die Zügel mal nur in einer Hand führen und so Figuren zu reiten, auch mit Sitz und Schenkeln lässt sich ein Pferd steuern
- versuchen, in allen Gangarten die Zügel leicht durchhängen zu lassen, aber ohne dass sie deutlich schlackern
- der Wechsel auf die Litauer-Führung wie in dem Film aus Reken kann einem eine neue Erfahrung geben (dadurch, dass der Zügel plötzlich andersherum in der Hand liegt, werden eingeschliffene Bewegungsmuster gestört)
- last but not least: die Idee der konstanten Anlehnung sollte so wenig dogmatisch verteidigt werden wie die Idee, dass ein Pferd niemals nie hinter die Senkrechte kommen darf, denn es kann einem Pferd je nach Situation durchaus helfen, wenn der Reiter nicht auf einer konstanten Anlehnung beharrt
Bei der Aufnahme aus Reken musste ich an ein Pferd denken, dem genau der Wechsel von einer "deutschen" Anlehnung zu einer "französischen" geholfen hat. Das hochblütige Tier pflegte mit deutlich vorquellender Unterhalsmuskulatur durch die Halle zu hirschen, war hypernervös und lief auf der Weide davon, sobald sein Besitzer auftauchte. Bei einem Kurs lernte der Reiter, der nebenbei bemerkt einen guten Sitz hatte, einen anderen, eher PK-geprägten, Umgang mit den Zügeln, teilweise mit hoher Hand, teilweise sehr breit geführt, mit einem ganz leichten Kontakt (da hat der Zügel auch mal geschlabbert wie in dem Reken-Film). Innerhalb von zwei Tagen fing das Pferd an, sich anders zu bewegen, und wenn Pferde seufzen könnten, hätten wir da ein paar ganz tiefe Seufzer gehört, so im Stil "endlich kapiert mein Reiter, wie er die Zügel führen soll". Das Pferd läuft heute in einer viel besseren Haltung, der Hals zeigt einen langen Bogen auf der Oberseite statt auf der Unterseite, es ist viel cooler geworden und auf der Weide kommt es seinem Besitzer entgegen. Als der Besitzer mal eine Möchtegern-Reitbeteiligung auf dem Pferd reiten liess, die meinte, sie wolle richtig reiten, nicht so heititeiti, und das hiess für sie, Zügel dran, zeigte das Pferd wieder einen Hirschhals und wollte nicht einmal mehr richtig traben.
Kiruna Karmina hat geschrieben:ich vermute mal, Gawan ging es nicht um ihre Wünsche, sondern um ein Bewusstmachen, was sich tatsächlich im Maul abspielt, im Gegensatz zur möglicherweise differenten Wahrnehmung des Reiters.
Genau, vielen Reitern ist nicht bewusst, was sie mit der empfindsamen Zunge eines Lebewesens anstellen.
Diese reale "Unruhe" des Gebisses, wird, so vermute ich, von einem durchlässigen Pferd mit dem "Murmeln" des Maules beantwortet. Eines, bei dem die Abstimmung mit dem Reiter (und seinen übrigen Hilfen) noch nicht stimmt, antwortet mit Gegendruck durch die Zunge und ein drittes verkrümelt sich durch Entzug nach hinten, weil es mit dem beschriebenen Geschehen (noch) nicht klar kommt.
Interessante Überlegung. Das Murmeln setzt vermutlich voraus, dass die Unruhe nicht zu gross und der Druck nicht zu hoch sind. Der Gegendruck mit der Zunge könnte je nach Stärke des Zugs an den Zügeln auch ein Versuch des Pferdes sein, die Schwankungen auszugleichen, so nach dem Motte "lieber gleichbleibend starker Druck als ein Hüpfen auf der Zunge". Friederike Uhlig wollte für ihre Arbeit zur Lage der Trense im Pferdemaul ursprünglich auch einen Zug von 5 kg pro Zügel messen, verzichtete aber darauf, weil das Pferd deutliche Abwehrreaktionen zeigte. Die Schmerzgrenze ist also schnell erreicht.
http://friederike-uhlig.de/bakarbeit_uhlig.pdf