Ich vermute, das es sich bei dem Isländer in diesem Filmchen
https://www.youtube.com/watch?v=xmYM_81hZdE um das selbe Tier handelt, von dem hier die Rede ist, und da trabt es durchaus (1:34), es schafft sogar einen Hoppel-Galopp (2:00)
Eine interessante Sammlung von Videos zur Arbeit nach BB findet sich hier
https://www.youtube.com/user/greetjehakvoort24/videos , und bei diesen Pferden (z.B. Bongo, der auch zur Working Equitation geritten wird) habe ich nicht den Eindruck, sie hätten keine Lust an der Bewegung.
Seit bald drei Jahren nehme ich Unterricht bei einer BB-Schülerin, die mir von allen Reitlehrern, die zu uns in den Stall kommen, am meisten zusagte (ich nahm testweise auch mal Unterricht bei einer FN-Reitlehrerin, aber das war mir zu kraftbetont). Im Folgenden einige Beobachtungen zum Unterricht.
Hufschlagfiguren: Nicht anders, als was auch sonst geritten wird: Ganze Bahn, Zirkel, Volten, Schlangenlinien durch die Bahn, Diagonalen, aus der Ecke kehrt. Von der Gewichtung her viel Arbeit auf dem Zirkel (besonders, wenn wir in der Halle Gesellschaft haben), unterdessen auch auf Volten, sehr häufig Kehren aus der Ecke, teilweise in Kombination mit Seitengängen. Womit wir zu dem gern diskutierten BB-Thema kämen:
Seitengänge: Schultervor, Schulterherein, "Kruppevor", Kruppeherein, Renvers waren von Anfang an ein Thema, zuerst nur im Schritt, unterdessen auch im Trab. Dabei beobachtet die Reitlehrerin sehr genau, wohin Gawan tritt und gibt mir notfalls Korrekturen. Dabei geht es darum, sowohl die Hüften wie die Schultern des Pferdes kontrollieren zu können, z.B. einen Zirkel zu verkleinern, indem man das Pferd insgesamt allmählich nach innen verschiebt (also Schultern und Hüften gleichzeitig), oder indem man es im Kruppeherein nach innen verschiebt (also die Kruppe zuerst).
Ein Argument gegen die exzessive Anwendung von Seitengängen bei den BB-Reitern, das immer wieder mal zu lesen ist, besagt, das Reiten von Zirkel und Volten, am besten im fleissigen Trab, würde doch genügen, um Stellung und Biegung zu erarbeiten. Meine Erfahrung ist eine andere. Was nützt es mir, wenn Gawan in zügigem Tempo aber mit festgehaltenem Rücken irgendwie um den Zirkel schletzt, der geometrisch eher einem unregelmässigen Polygon als einem Kreis gleicht? Er ist links hohl, d.h. auf der linken Hand driftet er nach aussen, auf der rechten kippt er nach innen. Durch die Seitengänge habe ich gelernt, seine Schultern und Hüften so zu kontrollieren, dass ich das verhindern kann, zudem ist er geschmeidiger geworden, also auch physisch in der Lage, sich zu biegen.
Meine Erfahrung lässt sich auch so schildern: Anfangs nahm ich seine Bewegungsabläufe nur ungenügend und verspätet wahr und meine Hilfengebung war nicht sonderlich exakt, eher übertrieben und langsam; unterdessen spüre ich viel besser voraus, wenn Gawan wegdriften oder kippen will und häufig reicht der Gedanke an Schulter- oder Kruppeherein, um die Kreislinie zu halten. So macht das Reiten von Zirkeln auch viel mehr Spass.
Tempo: Da Gawan zur Kategorie "Energiesparmodell" gehört, legte meine Reitlehrerin von Anfang an Wert darauf, dass er fleissig vorwärtsgeht, sie hilft uns dabei, indem sie auch mal mit der Peitsche die Hinterbeine aktiviert; sie legt generell viel Wert darauf, dass die Hinterbeine arbeiten, und dabei Gewicht übernehmen (also tragend, nicht schiebend). Durch die Arbeit mit den Seitengängen ist der Trab besser geworden, da er sich nicht mehr mit dem rechten Vorderbein (nö, das ist nicht am Boden festgewachsen, das kannst du hochheben ...) selbst im Wege steht, seinen Rücken loslässt und seine Kraft besser gerichtet einsetzt. Interessanterweise bietet Gawan nach einigen Wechseln zwischen den Seitengängen im Schritt unterdessen häufig von selbst den Trab an. Für den Übergang vom Schritt in den Trab arbeite ich auch mit dem Diagonalisieren des Schritts, allerdings immer mit dem Ziel, in einen fleissigen Trab zu kommen, eben als Übergang, nicht als Dauerzustand. An einem "langsameren" etwas gesetzten Trab arbeiten wir erst seit einigen Monaten und nur, wenn Gawan an dem Tag viel Energie zeigt.
Draussen ist Gawan deutlich fleissiger unterwegs als vor ein paar Jahren, wie meine Messungen mit dem GPS zeigen, die Ausgleichsgymnastik à la BB hat meinem Wanderreitpferdl also offensichtlich keineswegs geschadet ...
Dehnungshaltung etc.: Meine Reitlehrerin legt viel Wert darauf, dass Gawan bereitwillig in Dehnung geht, im Genick nachgibt und immer wieder mal kaut und abschnaubt; gelegentlich bleibt er auch mal stehen und stampft heftig mit einem Hinterbein, womit er wohl etwas in seinem Rücken lockert, da er sich anschliessend geschmeidiger bewegt, laut meiner Reitlehrerin ein Phänomen, das sie bei Pferden mit gespaltener Kruppe beobachtet. Das Schnauben lässt sich teilweise durch den Wechsel zwischen den Seitengängen provozieren, wenn ich z.B. einige Runden im Kruppeherein getrabt bin, sagt meine Reitlehrerin, "wechsle ins Renvers, dann kommt's" und schon schnaubt er.
Einige abschliessende Gedanken: Jede Methode (FN, BB, PK, PP, CP, XYZ) hat ihre Geschichte und Ziele, eignet sich für einen Typ Pferd möglicherweise besser als für einen anderen, hat ihre Vor- und Nachteile, und schadet mehr als sie nützt, wenn sie dogmatisch und ohne Rücksicht auf das konkrete Pferd-Reiter-Paar angewendet wird. Dazu kommt, dass nicht jeder Reitlehrer aus einer bestimmten Schule die nötige Erfahrung hat, um die Methode auch sinnvoll anwenden zu können. Ich bin mit meiner Reitlehrerin sehr zufrieden, weil ich merke, wie mein Pferd und ich Fortschritte machen, aber daraus leite ich nicht ab, dass BB nun das Nonplusultra des Reitens ist und alles andere nichts taugt. Das Engagement und das Wissen, mit dem ein Reitlehrer auf eine konkrete Situation eingeht, ist meiner Ansicht nach genauso wichtig wie die Methode an der er sich orientiert. Ich habe auch schon Miteinstellern einen anderen Reitlehrer empfohlen, weil ich den Eindruck hatte, dass dieser eher ihren Bedürfnissen entsprach. Selber mache ich mit Gawan auch Sachen, die nicht typisch BB sind, etwa Cavaletti-Arbeit oder (was für ein Sakrileg) Schenkelweichen.
Wenn ich beobachte, dass ein Pferd-Reiter-Paar nach drei Jahren Unterricht keinen Schritt weiter gekommen ist, kann ich natürlich sagen, die Methode XYZ taugt nichts, und es kann ja sein, dass sie für dieses konkrete Paar wirklich nicht passt, aber in den meisten Fällen liegt es wohl eher daran, dass der Reitlehrer jede Woche das selbe Standardprogramm abspult, und der Reiter glaubt, eine Stunde Unterricht pro Woche sei Übung genug.
Gleich welche Methode ich wähle, um die konkrete Arbeit, die nötig ist, um sich reiterlich zu entwickeln, komme ich nicht herum.