interessantes Thema, das mir ganz besonders am Herzen liegt.
Für mich ist es ganz wichtig, dass ich dem Pferd durch mein Reiten nicht zusätzlich mehr schade, als wenn ich es nicht reiten würde.
Meiner Meinung nach - ich gehe jetzt mal von einem gesunden Pferd aus - ist das dann der Fall, wenn ich einen angenehmen Umgang mit ihm haben kann (keine Demokratie

aber auch keine Diktatur) und das Pferd unter mir entspannt und willig meinen Anweisungen befolgen kann. Das kann es tun, wenn es aufmerksam - aber nicht übererregt ist und die Muskulatur gleichmässig losgelassen arbeiten kann. Keine Extreme! weder in die eine noch in die andere Richtung. Das heisst, ich muss das Pferd einerseits erziehen (Richtung, Gangart, Tempo bestimmen) und andererseits ein bisschen ausbilden, dass es prompt auf leichte Hilfen reagieren kann. Das braucht bei dem "normalen" Pferd nicht viel Ausbildung, wenn die grundsätzliche Erziehung stimmt. Das ist mehr eine Kommunikationsfrage.
In erster Linie zeichnet sich für mich die losgelassene Entspannung durch einen langen Hals und ein williges vorwärts (weder stürmen noch schleichen) aus. Man kann innerhalb weniger Tritte sowohl "Gas geben" als auch "Bremsen", ohne dafür viel Aufwand zu betreiben.
Ein bisschen Biegung um die Kurve, so dass der Kopf in die Bewegungsrichtung schaut und die Hinterhand nicht krass ausschert gehört auch noch dazu (Stichwort Richtung: genaue Linien reiten). Ich verlange für diesen Ausbildungsstand keine perfekte Geraderichtung.
Wenn ich die Zügel nachgebe, möchte ich, dass das Pferd willig folgt und den Kontakt nach vorne sucht. Wenn ich die Zügel aufnehme, möchte ich dass das Pferd etwas nachgibt und nicht gegen den Zügel büffelt oder sich verkriecht/entzieht. Ich verlange für diesen Ausbildungsstand auch keine perfekte Anlehnung (deshalb das Wort Kontakt statt Anlehnung).
kurz zusammengefasst ist für mich also wichtig, dass der Reiter folgendes bestimmen kann:
- Richtung
- Gangart
- Tempo innerhalb der Gangart
- Takt/Losgelassenheit/Kontakt
- Beginnende Stellung/Biegung
Ich persönlich glaube, dass - bei einem gesunden Pferd - diese Punkte reichen, um dem Pferd nicht gross zu schaden. Allerdings bringt es ihm auch keinen grossen Zusatznutzen, da die Gymnastizierung noch nicht wirklich greift. Die würde auf diesen Forderungen aufbauen.
Ich begleite ja viele Freizeitreiter mit ihren Pferden. Und die meisten von ihnen sind mit diesen Punkten beschäftigt, die eine Basis für die Basis legen. Also quasi bei Minus anfangen. Sie fangen bei weniger an, als ein erfahrener Reiter bei einem jungen Pferd anfangen würde. Deswegen geht es bei diesen Paaren auch meistens viel mehr um den Reiter, seine Hilfengebung, sein Verständnis als um das Pferd selber.
Das Pferd profitiert indirekt und die meisten werden im Laufe der Zeit nur schon durch diese rudimentären Impulse gehorsamer, geschmeidiger und auch schöner.
Schwierig wird es dann, wenn das Pferd bereits schon gesundheitlich angeschlagen ist - was leider auch bei den meisten dieser Freizeitreiter schon der Fall ist! Deswegen bin ich ganz klar der Meinung, dass NUR draufsitzen und im Gelände rumgurken NICHT reicht. Dazu habe ich viel zu viele Fälle, die genau das jahrelang getan haben und das Pferd erhebliche Probleme hat (abgesehen von der häufig suboptimalen Ausrüstung). Da fängt es dann an schwierig zu werden, weil einerseits genau die oben genannten Punkte oft mangelhaft sind, gleichzeitig aber das Pferd auch gymnastiziert werden muss. Und da habe ich dann die beste Erfahrung mit einer Kombination aus Bodenarbeit (=gymnastizierender Longenarbeit), wo das Pferd unabhängig vom Reiter gearbeitet wird und Reitunterricht. Es geht einfach nicht alles auf's Mal! Investiert ein Reiter ein paar gute Unterrichtsstunden in seriöser Bodenarbeit können sie beide enorm profitieren, da der Reiter seine eigenen Fehler wieder etwas ausgleichen kann. Vielleicht nicht perfekt, aber immerhin etwas.
Naja und nun zu mir selber: Ich möchte etwas mehr. Ich will nicht "nur" das Pferd gesunderhalten beim bisschen Reiten. Ich möchte wirklich Reiten lernen. Das heisst, das mein Pferd es ertragen können muss, dass ich es in Reitkurse und in Reitunterricht schleppe und mich an der weiterführenden Ausbildung und Lektionen herantaste, wo ich vorher selber nur rudimentäre Erfahrungen habe machen können. Wenn ich mein Pferd fragen würde, ich glaube er würde meinen, den ganzen Kram braucht es nicht!

Aber
ich möchte es und deswegen schaue ich, dass ich
ihm entsprechenden Ausgleich bieten kann. Ich reite nur 1-3x die Woche auf dem Platz (schlechtwettersaison sogar weniger), gehe viel ins Gelände, mache Boden- und Longenarbeit, Cavalletti und Stangenarbeit und lasse ihn (mangels eigenen Springkünsten) regelmässig Gymnastiklinien freispringen. So versuche ich einem unnötigen Verschleiss durch einseitige Arbeit oder "Lektionenschrubben" vorzubeugen, den er allenfalls durch meine mangelnden Reitkünste erleiden könnte und er so auch den psychischen Ausgleich von abwechselndem Programm hat. Dafür kann ich aber auch in allen Gangarten am langen Zügel ins Gelände und er behält eine natürlich-entspannte Haltung und kann ihn auch aus beliebiger Gangart nur mit der Stimme durchparieren. das macht einfach mehr Spass ein so feines, williges Pferd zu reiten.
