Der Jungpferde-Erfahrungsaustausch-Thread

Allgemeines rund ums Pferd

Moderatoren: Julia, dshengis

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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Nur mal so am Rande: Eine Freundin von mir hat einen Lippizaner, der mit Boden- und Handarbeit wirklich ausführlich auf sein Leben als Reitpferd vorbereitet wurde. Eines schönen Tages geriet das Schimmelchen in die Aufstieghilfe, weil er sich erschrocken und dabei einen Satz zurück gemacht hatte – will heißen: Auch wunderbare Vorbereitung hilft nicht zwingend, solche Situationen zu vermeiden. Frax kannte von der Insel so gar keine Aufstieghilfe, schlicht, weil ich keine besaß. Öh, hier in Deutschland habe ich das Pferd an die Hilfe geführt und mich draufgesetzt. Feddich… :wink:
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Gast

Beitrag von Gast »

Das Pferd steht beim Aufsitzen absolut ruhig. Da wackelt noch nicht einmal ein Ohr. Andernfalls käme ich ja gar nicht in den Sattel. Ich kann ja mit den Zügeln überhaupt keine Verbindung aufnehmen, um das Pferd daran zu hindern, sich weg zu drehen. Gleiches gilt für das Absitzen. Auch da muß ich die Verbindung zum Pferdemaul aufgeben. Dennoch bleibt das Pferd absolut ruhig. Diese Bewegungsabläufe ist das Pferd gewohnt. Auf gewohntes reagiert dieses Pferd jedoch nicht. In keinster Weise.

Das ändert sich jedoch schlagartig, sobald ich von den gewohnten Bewegungsabläufen abweichen muß. Deine Kritik greift auch in sofern nicht, denn wer denkt schon bei der anfänglichen Arbeit daran, daß man gezwungen sein könnte, mehr oder minder freihändig auf- oder absitzen zu müssen? Bereitest Du Dein Pferd darauf vor?

Als ich gestürzt bin, befand sich das Pferd noch zu Beginn seiner Ausbildung. Zu diesem Zeitpunkt war es einige wenige Wochen unter dem Sattel. Bedingt durch den Unfall hat sich seither nichts an diesem Ausbildungsstand geändert. Dennoch ist es mir trotz meiner jetzt bestehenden Behinderung möglich, alleine und ohne fremde Hilfe dieses Pferd besteigen und wieder verlassen zu können.
Nahezu freihändig!
Was erwartest Du denn noch nach nur einigen wenigen Wochen Grundausbildung?
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Ich denke bei der anfänglichen Arbeit daran - zumindest veranstalte ich all sowas, um das Pferd daran zu gewöhnen, dass egal was oben drauf, an der Seite hängend oder sonstwie im/am Sattel passiert alles brav abgewartet wird.

Übrigens kannst du doch mit Zügelverbindung aufsteigen? Wenn die rechte Hand funktioniert nimmt man die Zügel in die rechte und steigt von rechts auf - bei mir ergibt sich da kein Unterschied, denn wie gesagt, wenn ich von was auch immer aufsteige, dann hoch genug, um direkt das Bein über den Sattel zu legen, ohne den Steigbügel benutzen zu müssen. Dabei braucht es auch keine Hand um sich am Sattel abzustützen bzw reicht eine, in deinem Fall zB die rechte mit den Zügeln.

Zügel zu brauchen ist aber auch wieder ein Erziehungsfaktor - wenn ich stillstehen schreibe meine ich immer das am durchhängenden Zügel, wieder eine Basis, die ich voraussetze bei gut erzogenen Pferden und auch von Beginn an konsequent beibringe.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

@Cubano:
jedes Lebewesen - auch ein Mensch - darf erschrecken, das läßt sich nicht verhindern.
Gute Bodenarbeit aber kann einem Pferd beibringen, dass Dinge an unter um den Beinen schnurz sind. Damit kann keiner ein erschrecktes Wegspringen verhindern, aber auch nicht mit noch so viel Übung und Routine.
Aber die doch größere Sicherheit, wenn ein Pferd nicht in Panik gerät, wenn sich zB eine Longe um die Beine wickelt, die lasse ich mir gerne ein paar kleine Übungseinheiten wert sein. :wink:

Mag man über Freiarbeit und Bodenarbeit denken was man will, wenn man sie sinnvoll einsetzt kann man viel erreichen, was mit Hand-/Longenarbeit allein nicht erarbeitet wird.

(was das beim Jungpferd gründlich erarbeitet bewirken kann habe ich vorhin im Hundeauslauf gesehen, in den Socke gelaufen war. Sie stand in einem Grasstück, hätte rückwärts zwischen Zaun und dem Dach der früheren riesigen Hundehütte die Steinkante hochgehen müssen, ist stattdessen über das Hundehüttendach. Nur schade, dass einfache Nut-und-Federbretter auf 1,20 m Rahmen geschraubt auch ein leichtes Pony nicht halten, während ich noch "Stop" rufen will marschiert sie über das diagonal aufliegende Dings rauf und kracht mit dem 1. Hinterbein durch, dann auch mit dem rechten Vorderbein. Übliche Reaktion wäre hektisch vorwärts bzw im Falle eines einzelnen Beines hochziehen des Beins. Socke hat aber gelernt im Zweifel auch das unangenehme abzuwarten, ich konnte dann die jeweils nebenliegenden Bretter mit dem Besenstiel raushebeln und so Verletzungspotenzial ausräumen. )
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Ja, Finchen, Erziehung und Gewöhnung von der Du sprichst, finde ich auch absolut wichtig.
Bekannten hatte ich vor Jahren geholfen, ihren Dreijährigen alltagstauglich für Freizeitreiter zu machen. Er lernte, in jeder nur denkbaren Situation auf Signal einfach ruhig stehen zu bleiben. Dafür sind mir die Besitzer heute noch dankbar.
Gast

Beitrag von Gast »

Wie lange hat das gedauert?
Stunden?
Tage?
Wochen?
Monate?
...
Jahre?

Es ist relativ einfach, bestimmte Verhaltensweisen in einer Gefahrensituation auf die bisherige Ausbildung zurückzuführen. Nur, das Gegenteil wird sich kaum beweisen lassen. Egal, ob das Pferd auch bei dem ärgsten Stahlgewitter unverrückbar an der Stelle verharrt oder beim Anblick auch nur einer einzigen Ameise die Fassung verliert.

Auf was soll denn ein junges Pferd alles vorbereitet werden?
Und vor allem, innerhalb welcher Zeitspanne?

Vorbereitende Basisarbeit ist ja gut und auch wichtig. Man kann aber nicht alle Eventualitäten einbeziehen. Mit manchen Schwierigkeiten wird man erst im Laufe der Ausbildung konfrontiert.
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FoxOnTheRun
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Beitrag von FoxOnTheRun »

@claustim: Ein Wahres Wort! Und es gibt tatsächlich Pferde, die lernen es nie! (Wotwilder (Insider)..)
LG Foxi
****************************************
Wer Frauen ohne Fehler sucht und Pferde ohne Mängel, der hat nie ein gutes Pferd im Stall und im Bett nie einen Engel.
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Ich habe nicht behauptet, dass sich die "Tiergefahr" völlig ausschließen lässt. Und manche Pferde tun sich besonders schwer. Mein Kleiner ist so einer von der Sorte.
Trotzdem bringt solch eine Arbeit sehr viel.

Claustim, ich dachte, es wäre DEIN Pferd und Du hättest die Zeit.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

claustim hat geschrieben:
Selbst beim Reiten gab es eigentlich nichts, was ihn von jedem anderen jungen Pferd unterschieden hat bzw. noch unterscheidet. Mit einer einzigen Ausnahme: sobald man sich im Sattel bewegt, reagiert er sehr empfindlich. So etwas findet man jedoch erst heraus, wenn man tatsächlich im Sattel sitzt. Unter dem Strich ist das eigentlich auch kein Problem, das sich durch entsprechendes Training nicht beseitigen lassen würde. Nur sind mir jetzt bei der Beseitigung dieses Problems durch die Unfall bedingten Folgen gewisse Grenzen gesetzt.
Ok, da kann man aber wunderbar mit "Delphintherapie" Abhilfe schaffen :wink: , das ist ja nun kein Hexenwerk.
So reite ich alle Pferd an, die ich als sehr reaktiv und impulsiv einschätze, da ich ja niemand habe, der mir beim Anreiten hilft.
Bei vorversauten Pferden- also bei welchen, die sensibel sind und bei denen einer der ersten Versuche mit Reiter obendrauf in einem Absturz gemündet haben- was für ein junges Pferd ja immer höchst traumatisch sein kann, und die daher überempfindlich auf Bewegungen im Rücken reagieren ( was ja ohnehin DER kritische Punkt bei jedem Jungpferde ist), ist "Delphintherapie" aus Sicherheitsgründen für mich ein absolutes MUSS.

Wie macht man das ? Nun, ich habe einen sehr großen aufblasbaren Delphin- so ein Schwimmtier - Länge ca. 1,80 m.
Dieser Delphin
- nachdem er ausführlich vom Boden aus eingeführt wurde, so mit allem was dazu gehört, daß Pferd ihn interessant und nicht mehr gruselig findet-
wird auf dem Sattel dergestalt befestigt, daß sich die Schwanzflosse seitlich am Sattel vertikal befindet und so der Korpus - wie eine Reitersiluette über dem Sattel in die Luft reicht. Die Höhe entspricht einem aufrecht sitzenden Reiter.

Mit diesem Delphin "im Sattel" wird dann zunächst Führtraining absolviert, wenn das schreckfrei geht und das Pferd wirklich entspannt damit ist, fange ich an, damit zu longieren.
Erst nur Schritt, dann, immer wenn das Pferd völlig entspannt damit geht, auch Trab und Galopp.

Das schwiegiste Pferd, welches ich bisher mit dieser Problematik hatte, hat dafür knapp 2 Monate gebraucht- das war wirklich ein Härtefall. Sonst dauert es für gewöhnlich 1-2 Wochen, bis die Schätze föhlich und entspannt mit dem ziemlich doll wackelnden Delphin im Rücken ihre Runden Traben und Galoppieren.

Gerne auch - als Simulanz der Reiterbeine, mit einer zusammengerollten Decke, die links und rechts runterhängt über dem Sattel.

Auf diese Weise habe ich bisher bestimmt 30-35 Pferde angeritten und seit ich das so mache , bin ich nicht einmal mehr dabei vom Pferd geflogen- nicht einmal ! In soweit trägt dieses Vorgehen meiner mitlerweile recht mürben Knochen absolut Rechnung :wink: und es macht den Pferden Spaß und läßt sie wirklich mental wachsen .

Ein Highlight für Zuschauer ist es ebenfalls - jedesmal wieder. Ich weiß nicht, wie oft das schon fotographiert wurde -- sieht halt aber auch total lustig aus...
Vielleicht wäre das für dich eine echte Hilfe, Claustim. Und wie schön, es passt sogar total zum Thema ! (zu Medusa schielt...)
Gruß S&P
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

@s&p: Wie wäre es denn mit einem Fotobeispiel :D
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" Mahatma Gandhi
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Josa, leider hing ich dabei immer an der Longe :wink: und stand nicht mit dem Foto außen, daher habe ich selbst keine- aber ich kann man einen meiner "Kunden " fragen, ob sie mir eines zur Verfügung stellen - mach ich , versprochen . :D
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Unbedingt s&P :P
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Motte
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Beitrag von Motte »

Soso....

s&p - nu isses also raus.
Du reitest gar keine "richtigen" Pferde.

Du reitest "Seepferdchen" :lol: :lol:
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

claustim hat geschrieben:Wie lange hat das gedauert?
Stunden?
Tage?
Wochen?
Monate?
...
Jahre?

Es ist relativ einfach, bestimmte Verhaltensweisen in einer Gefahrensituation auf die bisherige Ausbildung zurückzuführen. Nur, das Gegenteil wird sich kaum beweisen lassen. Egal, ob das Pferd auch bei dem ärgsten Stahlgewitter unverrückbar an der Stelle verharrt oder beim Anblick auch nur einer einzigen Ameise die Fassung verliert.

Auf was soll denn ein junges Pferd alles vorbereitet werden?
Und vor allem, innerhalb welcher Zeitspanne?

Vorbereitende Basisarbeit ist ja gut und auch wichtig. Man kann aber nicht alle Eventualitäten einbeziehen. Mit manchen Schwierigkeiten wird man erst im Laufe der Ausbildung konfrontiert.
Das junge Pferd wird in meiner Arbeit vor allen Dingen auf eins vorbereitet:
mir zu vertrauen. Drum ist die Freiarbeit bei mir ein nicht kleiner Teil der gemeinsamen Arbeit. Das Pferd lernt eben nicht schwups gradeaus über ein Bodenhindernis rüberzulatschen. Das ist keine Kunst.

Es ist natürlich ein leichtes, Bodenarbeit nicht zu machen, dann nachhaltig zu behaupten, sie bringt in fremden Situationen nichts.

Ein anderes Ding ist es sich darauf einzulassen und von den Vorteilen zu profitieren. Auch in fremden Situationen, die nicht geübt wurden, auch in fremder Umgebung, mit viel mehr Action als zuhause.

Eine gute Einheit Freiarbeit kann mich bei fremden Pferden schon einen Schritt weiterbringen, der bei anderer Vorgehensweise (teilweise sind die Möglichkeiten nicht vorhanden) eher 1-3 Wochen benötigt.

Insgesamt ist eine solch andere Vorgehensweise aber natürlich auch immer ein Prozeß - die Pferdemenschen, mit denen ich das so mit Jungpferd bisher erarbeitet habe, die sehen selber den Nutzen darin und agieren auch selber in entsprechender Form. Sämtliche Reize werden nie versucht auszuschalten sondern immer als Übungszweck genutzt.

Sprich:
wackelt das Pferd unter mir, weil ich mich im Sattel zur Seite beuge und damit das Gewicht verlagere, dann wird just in dem Moment mal 5 Minuten Zeit darauf verwendet das zu üben. Stillstehen, egal was da oben passiert. Incl. Gewichtsverlagerung, um auf dein spezielles Problem einzugehen. Dann ist es "durch", wird ggf. noch mal erinnert, wenn in der Zukunft noch mal eine Reaktion erfolgt. Aber Stillstehen lernen ist kein Hexenwerk, wenn man es mal für wenige Momente konsequent einfach MACHT.

editiert:
@Claustim:
den Satz von Kiruna möchte ich noch aufgreifen: richtig, es ist dein Pferd, du kommst sonst ausbildungstechnisch im Moment nicht an vielen Dingen weiter wie du schreibst, weil es in der Basis das eine oder andere Problem aufgrund deiner Einschränkung gibt. Wieso also nicht die Zeit nutzen und an diesen Problemen arbeiten? Weil du schon vorher glaubst es könne Monate dauern? Oder weil es evtl funktionieren könnte?
Wenn du allerdings in der Bodenarbeit noch nicht erfahren bist empfehle ich auch da immer einen Trainer zur Seite, damit man eben nicht wochenlang oder monatelang übt und das ohne nennenswerten Erfolg, weil die Herangehensweise nicht förderlich ist. Das kann nämlich tatsächlich passieren, logo.
Zuletzt geändert von Finchen am Fr, 14. Sep 2012 10:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Finchen »

FoxOnTheRun hat geschrieben:@claustim: Ein Wahres Wort! Und es gibt tatsächlich Pferde, die lernen es nie! (Wotwilder (Insider)..)
Ich glaube zwar, dass es eher selbstbewußte Kandidaten gibt, die entsprechend schwerer durch den Menschen zu überzeugen sind, diesen für voll zu nehmen, andere, die eher unsicher sind, bei denen "meine" Art zu arbeiten entsprechend schneller Früchte trägt, aber grundsätzlich funktioniert es, wenn der Mensch seine Position gut kennt und auch in der Lage ist diese einzunehmen.

Aber es wird immer Pferde geben, die werden wesentlich schreckiger sein in neuen Situationen, dann nicht die gleiche Gelassenheit haben wie manch andere, die sich völlig einlassen und immerzu die Ruhe in Person bleiben, keine Frage.
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