Also, jetzt mal ganz abgesehen davon, dass ich mir wirklich gerne diese alten Reitvideos anschaue (wirklich!

), möchte ich einfach mal einige der offensichtlichsten reiterlichen Problematiken benennen, die mir bei diesem Video auffallen (völlig abgesehen von der bereits kritisierten absoluten Aufrichtung) - einige hier betonen immer wieder, dass sie gerne kritische Anmerkungen zu aktuellen Videos lesen weil es ihnen hilft, die Augen zu schulen. Also, ich möchte diesen Wunsch mal wieder bedienen und möchte das bitte nicht als Miesmache verstanden wissen.
Deshalb hier meine Meinung, ich finde, es ist wert, einmal trotz aller Nostalgik genauer hinzuschauen und darüber zu diskutieren:
Das Pferd ist bergab, die Kruppe ist hoch, und der der Widerrist sackt nach unten, der Reiter scheint fast nach vorne-unten eine Kuhle zu sacken. Die HH nimmt keine Last auf. Das Pferd zeigt überhaupt keine Längsbiegung, sondern ist in jede Richtung völlig fest (kein Wunder, dass man das nicht sitzen kann). Besonders deutlich wird die mangelnde Geschmeidigkeit in den "Zick-Zacks" in Trab und Galopp beim Umstellen, das nicht flüssig gelingt. Es werden mehrere Tritte benötigt, bis die Richtungsänderung erfolgt ist, das Pferd läuft gerade und benötigt mehrere Tritte nach dem Umstellen, bis wieder eine Traversale sichtbar ist. Und das liegt nicht an der Perspektive! Im Galopp noch deutlicher zu sehen als im Trab. Das Reiter hat - wirklich überdeutlich zu sehen in dieser Lektion- keine Schulterkontrolle und auch keine Kontrolle über die Hinterbeine durch den Schenkel.
Die Pirouetten sind nur herumgeworfen und teilweise in Außenstellung.
Der Schweif des Pferdes pinselt ständig und ist in die Höhe gestellt - in der Regel ein Zeichen dafür, dass eine komplette Verspannung vorliegt (die für mich anhand der vorher genannten Punkte offensichtlich ist).
Trotzdem habe ich mich gefragt, ob der kupierte Schweif möglicherweise aus Balancegründen so steil nach oben gestellt wird, kennt sich jemand damit aus biomechanischer Sicht aus?
Ich halte diese Art der Formgebung und Reiterei für extrem verschleißend für das Pferd (und die Reiterbandscheiben auch

)
Und erstaunlicherweise ist die Silhouette des Pferdes sehr dicht an dem, was wir bei Pferden, die in "Rollkur" gearbeitet werden, oft sehen können (abgesehen von Hals und Stirn-Nasen-Linie): hohe Kruppe, einsackender Widerrist, fehlende Längsbiegung/Geschmeidigkeit, Spanntritte. Obwohl eine völlig konträr gerichtete Philosophie und Ausbildung dahinter steckt. Interessant.
Der Reiter hat die Bügel, wie damals üblich, erheblich kürzer als man es heute in der Dressur hat, fällt aber immer wieder nach vorne und hat eine zu lose Zügelführung (bzw. gar keine Anlehnung in dem Sinne, wie die deutsche Lehre sie anstrebt). Ihm selbst fehlt eine gewisse Grundspannung im Körper und die Flexibilität im Becken. Dieser Sitz ist eher eine Art Entlastungssitz - bei den gerittenen Lektionen erwarte ich aber einen Sitz in der Mittelpositur oder einen Belastungssitz in den besonders hoch versammelnden Lektionen. Der Reiter ist aus diesen Gründen nicht in der Lage, das Pferd über den Sitz zu reiten.
Hier Vergleichs-Bilder aus etwa derselben Zeit, die ich als sehr positiv sehe, bergauf und mit angehobenen Widerrist, guter bis sehr guter Lastaufnahme hinten:
http://www.artisticdressage.com/photos/ ... dorff8.jpg (Trab mit leichter Längsbiegung, evtl. auf dem Zirkel)
http://www.lens-company.ch/gak/images/r ... aetjen.jpg (Piaffe)
http://tomektwardowski.files.wordpress. ... ndorff.jpg (Passage, möglicherweise auch Übergang von Passage zur Piaffe oder umgekehrt)
http://www.lens-company.ch/gak/images/otto-loerke.jpg (starker Trab)
http://www.sporthorse-data.com/horse/10 ... nt-big.jpg (Einleitung der Pirouette)
Ich denke, der Unterschied zum Pferd im Video ist klar zu sehen.