Tossi hat geschrieben:vielleicht offtopic, aber durchaus ernst gemeint:
@ Gast
Deine Ausführungen sind sehr interessant und nicht gerade "Mainstream". Ich komme auch aus dem Großraum Augsburg. Kann man Dir mal beim Training zusehen?
"Mainstream", das ist gut. Ich spreche hier von nichts anderem als den Grundsätzen der klassischen Reitkunst, auch alles nachlesbar und erreitbar in und nach Büchern von Seunig, Neindorff, Podhajski.
Mir beim reiten meiner Pferde zu zuschauen mag im Moment eher langweilig sein. Mit meiner eigenen Stute arbeite ich derzeit wieder sehr viel an der Zwanglosigkeit, mache Lösungsarbeit und fördere die Durchlässigkeit, arbeite an der Kräftigung der Hinterhand. Ich habe dieses Pferd vor 3 Jahren unreitbar bekommen, sie hat nie gelernt zwanglos zu gehen und das Genick herzugeben. Sie war ein Pferd für grosse Turnierambitionen im Springsport (Pilotabstammung), die aber soviel Charakter und Stolz besitzt, dass sie sich nicht hat brechen lassen und ihre Reiter reihenweise fertig gemacht hat.
Die andere Stute die ich arbeite ist ein typischer Fall von ehrgeiziger Turnierreiterei, ausgebildet bis S. Traumhafte Bewegungen, Staatsprämienstute, aber mit Rollkur geritten und ausgebildet worden (z.T. wohl auch geschlaufzügelt). Sie kennt nur die Flucht nach vorne, rennt mit viel zu viel Spannung, ist nach 15 Minuten völlig durchgeschwitzt. Die Zügel anzunehmen ist das Schlimmste was man tun kann, sie fängt an sich aufzurollen, müsste immer mit der Hand in eine absolute Aufrichtung hochgezogen werden. Hier versuche ich im Moment ein Pferd draus zu machen was Vertrauen zu ihrem Reiter bekommt und klassisch läuft, lernt sich zu dehnen, zwanglos zu gehen, sich richtig auszubalancieren, ohne sich über die Reiterhand zu stützen.
Gibst Du Seminare/Kurse, würde Dich nämlich gerne mal persönlich mit Fragen löchern?
Nein. Ich habe nur ein paar Schüler die den Willen haben richtig ihre Pferde auszubilden und reiten zu wollen. Diese Zusammenarbeiten haben sich aber erst nach langen Gesprächen ergeben, wo ich das Gefühl hatte, dass das Herz am rechten Fleck und der Glaube an die klassische Reitkunst da ist. Ich mag niemanden helfen der nicht den gesamtheitlichen Ansatz für sich selbst sieht, sich mit Kritik schwer tut und von mir erwartet mich und die klassische Reitlehre zu kompromitieren.
Aber ich möchte mal einen meiner Lehrer, Axel Schmidt, zu meiner neuen Reitanlage im Frühjahr holen wo ich mit meinen Pferden gerade hinziehe (meine Stute ist schon da, meine Buben folgen), das ist im Norden von München. Das wäre vielleicht interessant für Dich? Oder auch mal bei Melissa Simms reiten? Sie erfüllt das Leben der klassichen Reitkunst in der Nähe von Landsberg.
Gerne können wir aber mal persönlich miteinander reden und über die klassische Reitkunst philosophieren. Kannst Dich gerne per PN bei mir melden.
zu Deiner Aussage:
"Stellt euch mal den Galopp mit einem richtigen schönen Dressurflachsitzer ohne Pauschen vor...."
genau auf solchen Sätteln habe ich reiten gelernt (noch mit der Methode Bierdeckel unterm Knie und Wasserglas in der Hand - längst überholt), genau solche Sättel hatte ich selber, sogar von "Passier", trotzdem, die Welt hat sich weiter gedreht, die Ausbildungsmethoden haben sich geändert und auch der Sattelbau hat sich weiter entwickelt: tiefer Sitz, Keilkissen, Pauschen...jetzt besitze ich einen solchen "modernen" Sattel und möchte wirklich nicht zurück....
Die Welt mag sich weiterdrehen, aber die Ausbildungsmethoden sind deswegen nicht besser geworden und der Sattelbau erst recht nicht.
Die Grundlagen sind gleich geblieben, man hat in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die Höchtsform der klassischen Reiterei erreicht, vor allem wir Deutschen haben bestens hinbekommen, in dokumentierter Form der HdV12 und wunderbaren Begleitwerken wie von Waldemar Seunig.
Wie man es vermitteln mag "netter" geworden sein, kein Kasernenhofton mehr und niemand der für falsches Longieren in den Bunker kommt (wobei das manchen nicht schaden würde - meine Meinung).
Aber die Grundsätze, die Zeit die man braucht und die Dauer der Ausbildung die das Pferd bestimmt, daran hat sich nichts geändert.
Und richtiges Sitzen lernt man immer noch mit Hilfe von Bierdeckeln oder Gerten unter dem Sitz und Wassergläsern die man balanciert. Wie soll man sonst lernen zu "sitzen" und die Hände ruhig zu bekommen? Das geht nur über gezielte Sitzschule mit hohen Herausforderungen (Balanceübungen mit Gegenständen) und das Reiten von Übergängen und Tempiwechseln nur über den Sitz ohne Handeinwirkung.
Und wie Neindorff schrieb "Gutes Sitzen kann man lernen!". Man muss es halt nur wollen, man muss an sich selber arbeiten wollen und zwar richtig. Das ist mit Schweiss, Anstrengung und auch Muskelkatern verbunden. Das will nur heute keiner mehr investieren.
Zu den "Sitzprothesen" der heutigen Zeit:
Sie klemmen den Reiter ein, so das er nicht mehr aktiv mit dem Becken arbeiten kann, dadurch fängt man an das Wippen mit dem Oberkörper an, eben weil man mit dem Becken blockiert. Weiter fängt man das "hüpfen" im Sattel an und das immer auf einen ganz kleinen Bereich der Wirbelsäule des Pferdes, eben weil man sich garnicht mehr auf dem Sattel bewegen kann und das Becken nicht schwingt. Diese Sättel sind mehr als schädlich für die Rücken der Pferde.
Auch der vorwiegende Bau der Sättel mit festen Kunststoffbäumen ist zwar günstig in der Produktion und erhöht die Gewinnspanne, ist aber ein absoluter Rückschritt für den Rücken des Pferdes. Erstens passen die Bäume auf keinen Rücken der Pferde, weiter sind die Bäume nicht flexibel genug um mit dem schwingenden Rücken (bei einem klassich ausgebildeten Pferd) des Pferdes mitarbeiten zu können. Hierdurch entstehen ständige Blockaden im Rücken des Pferdes. Nur ein flexibler Holz/Stahlfederbaum kann diese Flexibilität leisten.
Die dicken Pauschen bringen das Bein in eine Position am Pferd, die einen das Bein nicht mehr locker am Pferd liegen lassen (der Schenkel nicht mehr mit dem Pferd atmen kann), es ist eine eher krampfartige Position des Beines, die sich in Klemmen des Oberschenkels und des Knies bemerkbar macht.
Gerade Du, der noch auf einem richtigen Sattel das Reiten gelernt hat, sollte es doch ein oberstes Ziel sein richtig auf dem Pferd sitzen zu können, ohne künstlicher Hilfen die einen einklemmen und die Geschmeidigkeit des eigenen Körpers verloren gehen lassen und somit vermehrt unbalance in den Körper des Pferdes führen.
Anderer Vergleich:
Das ist wie beim Skifahren, ich würde meine Carver nie mehr gegen die "Sprungski" früherer Jahre tauschen, auch wenn sich da fahrerisch die Spreu vom Weizen trennt....
Und warum? Weil es einfacher ist, man technisch nicht mehr so gut sein muss um anständig fahren zu können.
Nur ein riesen Unterschied besteht: Dem Schnee tut es nicht weh wenn Du mit Cavern fährst.
Dem Pferderücken und Pferd insgesamt schon, wenn Du in einer Sitzprothese reitest, Deinen geschmeidigen Sitz aufgibst und ständig vermehrt unbalance ins Pferd bringst, eben weil Du nicht mehr mitgehen kannst.