Der Jungpferde-Erfahrungsaustausch-Thread

Allgemeines rund ums Pferd

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Rioja
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Beitrag von Rioja »

Ich hab' die Anforderungen einfach wieder etwas runtergeschraubt und bin vorwiegend ins Gelände gegangen. Freies "Feld" half uns beim Galopp und im "Busch" kraxelten wir um die Bäume und machten "Stangenarbeit" Das half meiner Stute dann auch, wieder ein besseres Körperbewußtsein zu entwickeln.
Lieschen
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Beitrag von Lieschen »

Gast hat geschrieben:Bezgl. HdS bleibe ich bei meiner Meinung: Absolutes No-Go, egal wann und wie. Wenn ich merke das das Pferd nach 10 Minuten die muskuläre Kraft nicht mehr hat, dann höre ich auf. 1 Woche später gehen dann vielleicht schon 11 Minuten usw.
Wie viele Jungpferde hast du schon ausgebildet? Das ist nicht polemisch gemeint, sondern echtes Interesse.

Ich finde es schwer erstaunlich, offenbar bin ich einfach unfähig.
Ich bin nämlich nicht in der Lage, meine 3 jährige Stute von Anfang an allen Baustellen gleichzeitig zu bearbeiten. Man stellt sich das immer so hübsch vor mit einem jungen Pferd, von wegen, man macht alles richtig und dann läuft auch alles gut, aber praktisch funktioniert das nicht.

Praktisch sah es bei uns so aus: Meine Stute wurde ein wenig angeritten, hatte dann nochmal Sommerpause.
Als ich sie im September wieder in die Arbeit genommen habe, waren das für sie so viele Eindrücke, dass mein oberstes Ziel erstmal war, dass sie taktmäßig und losgelassen ganze Bahn läuft, lernt, was eine Schenkelhilfe ist, lernt, mir zu vertrauen. Mir auch noch über die Stellung ihrer Stirnlinie Gedanken zu machen, wäre viel zu viel des Guten gewesen.

Sie hat sich wahlweise aufgerollt und zwar richtig oder ihren Kopf in die Luft gereckt

Ich bin dann ein, zweimal alleine geritten und in dem Bestreben, sie bloß vorne nicht zu stören, habe ich ihr viel zu viel Zügel gegeben.

Das hat erstmal von meiner RLin einen ordentlichen Rüffel gegeben und ich bekam die Anweisung, IMMER Kontakt zu ihrem Maul zu halten.

Ich könnte Bilder von diesen Malen reiten einstellen, da würde ich hier in der Luft zerrissen. Aber: Es hat funktioniert. Nach wenigen Malen hatte sie verstanden, dass es keinen Grund gibt, zu flüchten oder der Verbindung zum Gebiss auszuweichen. Sie ist insgesamt viel ruhiger und losgelassener geworden. Wie hätte ich das erreichen sollen, wenn ich in dem Bestreben, dass sie bloß nicht hdS kommen soll, ständig die Zügel weggeschmissen hätte?

Zweites Etappenziel war dann, sie vorsichtig in die Tiefe zu dehnen. Sie hat einen hohen Halsansatz und neigt dazu, sich oben einfach hinzustellen. Übrigens hübsch vor der Senkrechten, aber leider, ohne ihren Rücken aufzudehnen.

Das Fallenlassen des Halses hat sie, auch durch viele unterstützende Arbeiten vom Boden jetzt gut begriffen. Trotzdem bin ich noch weit davon entfernt, sie in korrekter lehrbuchmäßiger Haltung über die komplette Zeit zu arbeiten, ohne, dass sie immer mal wieder hdS kommt.

Letztlich ist es mir aber auch egal. Wo sich die Stirnlinie befindet, ist ohnehin nur eines von vielen Anzeichen, ob ein Pferd gut gearbeitet wird. Mir ist wichtiger, dass sie inzwischen die ruhige Verbindung an die Hand akzeptiert, beginnt, über den Rücken ans Gebiss heran zu ziehen, bei mir bleibt, mir "zuhört", Spaß an der Arbeit hat. Wir machen jetzt erste Biegungsarbeit, erste Übergänge, das Angaloppieren hat sie auch schon gut geschnackelt. In den letzten Minuten der Arbeit habe ich inzwischen schon ein Pferd, was toll durch den ganzen Körper arbeitet und dann ist sie von der Halsung auch schon ganz gut, aber eben nicht von Anfang an.

Pferde sind Individuen und sollten auch so behandelt werden. Zu viele starre Ansichten schaden da nur. Nicht jedes Pferd ist gleich und die hohe Kunst des Pferdeausbildens ist es, auch mal von den eigenen Dogmen abzurücken und zu schauen, was das Pferd braucht.

Und wenn wir beide mal einen schlechten Tag haben, höre ich nach 5 Minuten konsequent mit etwas auf, was gut geklappt hat und daddel noch eine Runde um die Koppel. Für mich steht an oberster Stelle, dass mein Pferd gerne mitarbeitet, nicht, dass ich mein Programm durchziehe. Damit fahre ich ganz gut. Ich habe allerdings auch das Glück, ein hochmotiviertes, arbeitswilliges Pferd zu haben, so dass solche Tage eher selten und meist meiner schlechten Laune geschuldet sind, die ich nicht auf meine Stute übertragen möchte.
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FoxOnTheRun
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Beitrag von FoxOnTheRun »

Ja, Lieschen und genau das klingt nach realistischer Pferdeausbildung.
LG Foxi
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Wer Frauen ohne Fehler sucht und Pferde ohne Mängel, der hat nie ein gutes Pferd im Stall und im Bett nie einen Engel.
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Firli
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Beitrag von Firli »

Ich möchte mich da Lieschen anschliessen. Man kann bei einem Jungpferd nicht alles aufs mal "bearbeiten", sondern muss sich entscheiden, welcher Punkt Vorrang hat. Selbst fehlt mir dazu die Erfahrung, deshalb ist mir sehr wichtig, eine Reitleherin zu haben, die schon viele Pferde selbst ausgebildet hat und eine Vorstellung davon hat, was wann hinzunehmen und was wann zu korrigieren ist.
Lieschen
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Beitrag von Lieschen »

Firli, da geht es mir genauso. ich bin zwar schon häufiger Jungpferde geritten, habe aber noch nie ein Pferd von a-z selbst ausgebildet. Es ist mir eine große Hilfe, dass meine RLin so viel Erfahrung mit jungen Pferden hat und sei es nur, um mich zu beruhigen, dass das Verhalten ganz normal ist.

So zB bei dem extremen Einrollen am Anfang. Sie hat mir dann ruhig erklärt, dass das eine Reaktion meiner Stute auf den unbekannten Kontakt Reiterhand-Maul ist. Dass ich dem nur begegnen kann, wenn ich einfach den Kontakt so lange halte, bis meine Stute merkt, dass es nichts schlimmes ist. Und vor allem: Dass sie sich nicht alleine gelassen fühlt, wenn ich die Zügel wegschmeiße.
Und dass wir parallel daran arbeiten, dass sie das Zusammenspiel der Hilfen akzeptiert und ich sie schön an den Schenkel bekomme. Denn wenn die Hinterhand aktiv unter den Schwerpunkt fußt und das Pferd den Rücken aufwölbt, wird sich die Frage, ob das Pferd vor oder hinter oder an der Senkrechten läuft, von ganz alleine geben.

Und auch wenn man das in der Theorie natürlich alles weiß, ist es gut, dass man jemanden unten stehen hat, der einem sagt: Reit einfach ruhig drüber hinweg, lass sie machen, lass dich nicht verunsichern von deinem Pferd, sonst wird sie auch unsicher.

Bisher klappt das sehr gut.

Jedenfalls frage ich mich, wie man ein schwankendes Jungpferd, was erstmal seine Balacne unter dem Reiter finden und die Schenkelhilfen kennen lernen muss, ernsthaft dazu bekommt, sich NIE hinter die Senkrechte zu bewegen und das keine Sekunde zu dulden. Dazu habe ich zumindest mein Pferd nach wie vor noch nicht genug am Bein und sie hat noch nicht genug Kraft.
charona
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Beitrag von charona »

hallo -wink in die Runde-

bilde zur Zeit auch zum ersten Mal ein Jungpferd (Friesendame, inzwischen 5 Jahre, 8 Monate alt, seit ungefähr Mai unterm Sattel) aus.
Lieschen hat geschrieben:... wie man ein schwankendes Jungpferd, was erstmal seine Balacne unter dem Reiter finden und die Schenkelhilfen kennen lernen muss, ernsthaft dazu bekommt, sich NIE hinter die Senkrechte zu bewegen und das keine Sekunde zu dulden. Dazu habe ich zumindest mein Pferd nach wie vor noch nicht genug am Bein und sie hat noch nicht genug Kraft.
Lieschen, genau, gebe Dir Recht. Übrigens meiner Meinung nach nicht nur eine Frage des vor oder hinter dS. Halte es da ganz nach Bent Branderup, von dem ich vor Jahren mal einen Satz aufgefangen habe der da sinngemäss lautete: so ist das bei Jungpferden, immer mal zu viel zu wenig, das ist nunmal so.

Meine hatte kurz vor dem Reitstop auch grad wieder einen Wachstumsschub und konnte sogar an der Longe nicht mehr galoppieren. Haben den Galopp aus dem Programm gestrichen. Die inzwischen 6 wöchige Reitpause ob des grausamen Wetters nutzen wir zur Gymnastizierung an der Hand, sofern möglich longieren am Kappzaum, einfache Gehorsamkeitsübungen und zirzensische Lektionen und Madame erscheint zur Zeit sehr, sehr motiviert und kriegt auf einmal ihren Körper viel besser koordiniert. Bin gespannt auf die nächste Reiteinheit, ob man unterm Sattel auch was merkt.
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Bino
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Beitrag von Bino »

Ich finde, es gibt durchaus Mittel und Wege ein junges Pferd von Anfang an so auszubilden, dass es nicht hinter die Senkrechte kommt, bzw. dem Pferd die Haltung zu vermitteln, die es einnehmen soll.
Über Demi-Arrets lernt das Pferd, das Genick zu öffnen, mit Aktion/Reaktion sich an das Gebiss heran zu dehnen. Der Hals sollte dem jungen Pferd als Balancierstange dienen. Wenn es sich einrollt, kann er diese Funktion meiner Meinung nach aber schlecht ausführen.
Mein Pferd, 6 Jahre alt, habe ich angeritten gekauft. Er neigte sehr zum Einrollen. Mit der "französischen" Technik hat er sehr schnell gelernt, sich nach vorwärts-abwärts zu dehnen.
Ein junges Pferd bei uns im Stall wurde von einer P.K.-Ausbilderin eingeritten und hat die Nase, soweit ich das bisher beobachten konnte, immer vor der Senkrechten.
Vielleicht ist das ja noch einmal eine Anregung, sich mit anderen Methoden auseinanderzusetzen.
Der Tanz ist der Käfig, in dem man fliegen lernt. (Claude Nougaro)
charona
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Beitrag von charona »

Bino, eigentlich hast Du die Antwort schon selber gegeben: über Demi Arrets usw LERNT das Pferd....

Ich glaube, niemand von uns strebt es an, sein Pferd dauerhaft hdS zu reiten, es kann aber schon mal passieren. aber, wie Du so schön schreibst: es lernt!
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Lieschen hat geschrieben: Jedenfalls frage ich mich, wie man ein schwankendes Jungpferd, was erstmal seine Balacne unter dem Reiter finden und die Schenkelhilfen kennen lernen muss, ernsthaft dazu bekommt, sich NIE hinter die Senkrechte zu bewegen und das keine Sekunde zu dulden.
Doch, das habe ich mit meiner *alten* Stute geschafft. Dafür war der Kopf immer in den Sternen...:lol: Ob DAS besser ist.. :wink:
Zuerst habe ich auch versucht, das zu korrigieren. Mit ziemlich miesem Erfolg. Fortschritte hat und letztlich nur die Zeit gebracht. Als ich endlich die Kommentare andere Reiter ignoriert habe ("nimm die doch mal ordentlich vorne ran damit der Kopf runter kommt") und meinem Pferd die Zeit gelassen habe, die es brauchte seine Balance zu finden kam der Kopf ganz alleine vom Himmel runter...

Demi-Arrets sind sicherlich eine Möglichkeit, jedoch halte ich es lieber so, dass ich möglichst wenig mit den Zügel im Maul rumzuppel. Kontakt ja, aber kein Gezuppel. Und ab und an vorsichtig nachfragen. Ist das Pferd soweit, dann wird es auch prompt darauf reagieren.
LG
Sheitana
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Bino
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Beitrag von Bino »

Das mit dem leichten Kontakt halte ich genauso.
Wie mache ich aber dem Pferd sonst begreiflich, das es sich nicht verkriechen, sondern das Genick öffnen soll?
Es ist, wie gesagt, in einem Lernprozess, es macht Fehler, es nimmt Haltungen an, die wir nicht wünschen. Wie macht ihr euren Pferden die richtige, gewünschte Haltung klar?
Der Tanz ist der Käfig, in dem man fliegen lernt. (Claude Nougaro)
Gast

Beitrag von Gast »

Lieschen hat geschrieben:
Gast hat geschrieben:Bezgl. HdS bleibe ich bei meiner Meinung: Absolutes No-Go, egal wann und wie. Wenn ich merke das das Pferd nach 10 Minuten die muskuläre Kraft nicht mehr hat, dann höre ich auf. 1 Woche später gehen dann vielleicht schon 11 Minuten usw.
Wie viele Jungpferde hast du schon ausgebildet? Das ist nicht polemisch gemeint, sondern echtes Interesse.
Ich bin gerade dabei eines selber auszubilden und bilde eines mit aus. Beziehe mich zusätzlich auf lange Gespräche und den Erfahrungen meiner Ausbilder. Und die haben einige 100 Jungpferde ausgbildet und von denen wurde KEINES jemals auch nur EINE MINUTE HdS geritten!
Ich finde es schwer erstaunlich, offenbar bin ich einfach unfähig.
Ich bin nämlich nicht in der Lage, meine 3 jährige Stute von Anfang an allen Baustellen gleichzeitig zu bearbeiten. Man stellt sich das immer so hübsch vor mit einem jungen Pferd, von wegen, man macht alles richtig und dann läuft auch alles gut, aber praktisch funktioniert das nicht.
Nicht unfähig, denke eher ungeduldig.

Die Frage ist warum Du eine 3jährige schon anreiten musst und warum gleich soviele Themen aufeinmal angehen?
Praktisch sah es bei uns so aus: Meine Stute wurde ein wenig angeritten, hatte dann nochmal Sommerpause.
Was wurde davor gemacht? Longiert? Wie und wieviel? Welcher Ausbildungsgrad wurde erreicht? Sind die Themen Zwanglosigkeit, Takt, Balance, Losgelassenheit und Anlehnung an Hilfszügel an der Longe zu 100% gefestigt?
Als ich sie im September wieder in die Arbeit genommen habe, waren das für sie so viele Eindrücke, dass mein oberstes Ziel erstmal war, dass sie taktmäßig und losgelassen ganze Bahn läuft, lernt, was eine Schenkelhilfe ist, lernt, mir zu vertrauen. Mir auch noch über die Stellung ihrer Stirnlinie Gedanken zu machen, wäre viel zu viel des Guten gewesen.

Sie hat sich wahlweise aufgerollt und zwar richtig oder ihren Kopf in die Luft gereckt
Was wurde zur Vorbereitung des wieder reitens gemacht? Intensive Longenarbeit?
Ich bin dann ein, zweimal alleine geritten und in dem Bestreben, sie bloß vorne nicht zu stören, habe ich ihr viel zu viel Zügel gegeben.
Das wär eigentlich richtig gewesen. Das Pferd findet unter dem Reiter zwanglos erstmal die Balance im richten Takt.
Das hat erstmal von meiner RLin einen ordentlichen Rüffel gegeben und ich bekam die Anweisung, IMMER Kontakt zu ihrem Maul zu halten.
Und das ist nicht klassisch. Da wurde schon die Anlehnung gesucht, bevor die natürliche Balance da war, somit wird der Zügel zur Stütze, auch wenn nur leicht, aber er wird es.
Ich könnte Bilder von diesen Malen reiten einstellen, da würde ich hier in der Luft zerrissen. Aber: Es hat funktioniert. Nach wenigen Malen hatte sie verstanden, dass es keinen Grund gibt, zu flüchten oder der Verbindung zum Gebiss auszuweichen. Sie ist insgesamt viel ruhiger und losgelassener geworden. Wie hätte ich das erreichen sollen, wenn ich in dem Bestreben, dass sie bloß nicht hdS kommen soll, ständig die Zügel weggeschmissen hätte?
Einfach mal Geduld und Zeit investieren und vor allem würde mich halt interessieren wie die Ausbildungsschritte hin zur Anlehnung überhaupt an der Longe gefestigt waren, bevor das Pferd angeritten wurde. Eine gute Arbeit an der Longe bis hin zu einer steten Anlehnung in die Tiefe dauert je nach Können und Veranlagung des Pferdes 6-12 Monate!
Zweites Etappenziel war dann, sie vorsichtig in die Tiefe zu dehnen. Sie hat einen hohen Halsansatz und neigt dazu, sich oben einfach hinzustellen. Übrigens hübsch vor der Senkrechten, aber leider, ohne ihren Rücken aufzudehnen.
Auch nicht klassisch, vom Kurzen ins Lange. Klar wollen die sich dann dehnen, da die Pferde vorher kurz am Zügel genommen wurden in eine absoluten Aufrichtung. Ein VA mit aktiver und gut untertredender Hinterhand und schönen schwingenden aufgerichteten Rücken erreicht man dadurch meiner Meinung nach allerdings nicht.
Das Fallenlassen des Halses hat sie, auch durch viele unterstützende Arbeiten vom Boden jetzt gut begriffen. Trotzdem bin ich noch weit davon entfernt, sie in korrekter lehrbuchmäßiger Haltung über die komplette Zeit zu arbeiten, ohne, dass sie immer mal wieder hdS kommt.
Siehe oben, wie sieht es damit an der Longe aus?
Letztlich ist es mir aber auch egal. Wo sich die Stirnlinie befindet, ist ohnehin nur eines von vielen Anzeichen, ob ein Pferd gut gearbeitet wird.
Ich bin entsetzt und enttäuscht. Den ein Anzeichen ist schon eines zuviel.
Mir ist wichtiger, dass sie inzwischen die ruhige Verbindung an die Hand akzeptiert, beginnt, über den Rücken ans Gebiss heran zu ziehen, bei mir bleibt, mir "zuhört", Spaß an der Arbeit hat.
Das wäre von alleine gekommen, ohne HdS.
Wir machen jetzt erste Biegungsarbeit, erste Übergänge, das Angaloppieren hat sie auch schon gut geschnackelt. In den letzten Minuten der Arbeit habe ich inzwischen schon ein Pferd, was toll durch den ganzen Körper arbeitet und dann ist sie von der Halsung auch schon ganz gut, aber eben nicht von Anfang an.
Wie lange ist das Pferd jetzt unter dem Sattel? Warum muss jeder eigentlich immer so früh galoppieren? Die Frage ist ernst gemeint, es würde mich echt mal interessieren was die Beweggründe dahinter sind.
Pferde sind Individuen und sollten auch so behandelt werden. Zu viele starre Ansichten schaden da nur. Nicht jedes Pferd ist gleich und die hohe Kunst des Pferdeausbildens ist es, auch mal von den eigenen Dogmen abzurücken und zu schauen, was das Pferd braucht.
Klar sind sie Individuen und entsprechend brauchen die einen länger, die anderen kürzer um etwas richtig zu erlernen.
Und was ein klarer Weg bezwecken kann, vor allem bei einer so ausgereiften Lehre wie der deutschen Reiterei, hat die deutsche Kavallerie in ihrer Blütezeit in den 1920er und 1930er gezeigt. Da gab es kein HdS, keine Wiedersetzlichkeiten, Balanceprobleme und was weiss ich alles, da waren auch ein zu hoher Hals, kurzer Hals, schlecht beugbare Hinterhand etc. eine Ausrede, da wurde dann entsprechender intensiver dran gearbeitet und das jeweilige Pferd bekam individuell mehr Zeit.
Vor allem wusste man um die Schwierigkeiten zu junger Pferde, deshalb wurde die erst mit 4 anlongiert und Ende 4, Anfang 5 angeritten. Ein 4-5 jähriges Pferd ist fast ausgewachsen, wohingegen ein 3 jähriges noch mitten im Wachstum steht. Vor 100 Jahren wusste man darum sehr deutlich und beachtete dies auch in der Ausbildung.

Und wenn wir beide mal einen schlechten Tag haben, höre ich nach 5 Minuten konsequent mit etwas auf, was gut geklappt hat und daddel noch eine Runde um die Koppel. Für mich steht an oberster Stelle, dass mein Pferd gerne mitarbeitet, nicht, dass ich mein Programm durchziehe. Damit fahre ich ganz gut. Ich habe allerdings auch das Glück, ein hochmotiviertes, arbeitswilliges Pferd zu haben, so dass solche Tage eher selten und meist meiner schlechten Laune geschuldet sind, die ich nicht auf meine Stute übertragen möchte.
Das ist ja auch absolut richtig! Nicht jeder Tag geht gleich gut und man sollte immer positiv abschliessen. Nur Abkürzungen, Fehlstellungen (HdS) usw. sollten dabei nie auftreten - meine Meinung und die meiner Ausbilder, die dies auch mehrfach bewiesen haben.
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Traumdauterin
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Beitrag von Traumdauterin »

Gast hat geschrieben:
Lieschen hat geschrieben:

Ich bin dann ein, zweimal alleine geritten und in dem Bestreben, sie bloß vorne nicht zu stören, habe ich ihr viel zu viel Zügel gegeben.
Das wär eigentlich richtig gewesen. Das Pferd findet unter dem Reiter zwanglos erstmal die Balance im richten Takt.
Heißt das, du reitest erstmal mit hingegebenem Zügel oder wie darf man das verstehen. Ernst gemeinte Frage ;)
Frage mich nach der Poesie in der Bewegung, Schönheit, Intelligenz und Kraft und ich zeige Dir ein Pferd.
Gast

Beitrag von Gast »

Traumdauterin hat geschrieben:
Gast hat geschrieben:
Lieschen hat geschrieben:

Ich bin dann ein, zweimal alleine geritten und in dem Bestreben, sie bloß vorne nicht zu stören, habe ich ihr viel zu viel Zügel gegeben.
Das wär eigentlich richtig gewesen. Das Pferd findet unter dem Reiter zwanglos erstmal die Balance im richten Takt.
Heißt das, du reitest erstmal mit hingegebenem Zügel oder wie darf man das verstehen. Ernst gemeinte Frage ;)
Ja. Das vorher an der Longe ausgebildete Pferde, welches hier als erstes auch erstmal ohne Ausbinder lernt in der Balance VA zu gehen, wird dies nach ersten Anfängen auch unter dem Sattel machen. Wenn das dann unter dem Sattel bei hingegebenen Zügel klappt (dauert ein paar Wochen, da das Pferd ja erstmal eine neue Balance mit Reiter finden muss), dann erfolgt nach Überprüfung ob auch wirklich alles da ist (Zwanglosigkeit, Takt, Balance, Losgelassenheit) die Arbeit mit der Anlehnung ins VA. Hier bildet sich dann schnell, ohne HdS, innerhalb einiger Wochen schöne Muskulatur heraus die das Pferd dann befähigt auch in einer Gebrauchshaltung in relativer Aufrichtung gehen zu können, auch dies ohne HdS. Dies kann es am Anfang nur Minutenweise, wo man es dann wieder in die Tiefe entlässt. Insgesamt kann/sollte für den Teil rund 1 Jahr vergehen, wo man dann als Ziel ein gesichtertes VA sowie relative Aufrichtung hat, dies geritten auf der ganzen Bahn, Zirkel und Wechsel durch die halbe/ganze Bahn. Das ist was die junge Remonte realistisch und schonenst ausgebildet im ersten Jahr schaffen kann ohne Ausbildungsfehler/schwächen und somit schonenst ausgebildet mit Rücksicht auf Sehnen/Bänder/Knochen sowie Psyche.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Moins,
Das sehe ich ein wenig anders als Gast: Nicht jedes Pferd verträgt von Anfang an die Arbeit am hingegebenen Zügel. Es gibt mehr als genug Remonten, bei denen muss man sogar den umgekehrten Weg gehen: Von einer Art Remonte-Arbeitshaltung in die Länge und Tiefe. Das hat man z.B. gern mal mit jungen Pferden, die naturgemäß über eine hohe Aufrichtung verfügen und für die der Weg in die Dehnung einfach ein Stückweit schwieriger ist.
Vorsichtig wäre ich übrigens auch aus einem anderen Grund, was das sofortige Reiten mit hingegebenem Zügel angeht. Viele Youngsters brauchen am Anfang einfach mehr Führung, um sich sicher zu fühlen…
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Firli
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Beitrag von Firli »

... und von denen wurde KEINES jemals auch nur EINE MINUTE HdS geritten!
Ich glaube nicht, dass hier jemand sein Pferd hinter der Senkrechten reiten will. Und, das ist natürlich Spekulation, es könnte ja durchaus sein, dass eines der hundert Pferde doch auch mal für einige Sekunden hinter die Senkrechte gekommen ist. Das ist dann schon noch etwas anderes, als ein Pferd minutenlang bewusst so zu reiten.

Mein Pony neigt übrigens auch gar nicht zum einrollen. Es bietet eine nette Kopfhaltung von selbst an, und ist überhaupt recht einfach zu reiten.
Unser "Problem" war, dass sie zu Beginn des Reitens in der Bahn gerne mal in Aussenstellung auf dem Zirkel ging, obwohl sie an der Longe (auf Kappzaum) gelernt hatte, sich zu biegen. Tja, da sitzt man dann oben, und denkt - was nun? Wie korrigiere ich das? Wo fange ich an?

Bei meinem Pferd z.B. war der Zusammenhang zwischen (fehlender) Losgelassenheit und Problemen mit der Aussenstellung sehr offensichtlich. Ansatzpunkt meiner RL war: Zunächst soll das Pferd lernen, die vorgegebene Linie ruhig und entspannt zu gehen, Kopfhaltung ist erst mal egal. Das befreite mich von der Idee, dass mein Pferd jetzt sofort gebogen gehen muss. In dem Zeitpunkt hatte sie nämlich grad keine Zeit, auch noch auf die Hilfe zu achten, dass sie sich bitte noch biegen soll, sie wäre damit überfordert gewesen und hätte sich wohl kaum entspannen können.
Und siehe da, es dauerte nur wenige Einheiten, bis mein Pferd sich ohne grosse Einwirkung meinerseits (wenn man mal davon absieht, dass ich mich sehr bewusst entspannt habe) zwanglos auch auf dem Zirkel bewegte, und in dem Moment auch die Hilfen zum Biegen umsetzen konnte. Jetzt sind wir soweit, dass ich auch über das Biegen zur Dehnungshaltung kommen kann. Zu Beginn wäre das, so glaube ich, bei meinem Pferd nicht möglich gewesen.

Ich weiss, es gibt auch Ansätze, die das anders angehen würden - erst Biegung, dadurch Entspannung. Für uns scheint der andere Weg ganz gut zu funktionieren. Wichtig scheint mir einfach, dass man sich bewusst ist, dass ein Pferd eben auch Zeit braucht, das vom Boden gelernte unter der Reiterin umzusetzen. Es ist ein Unterschied, ob da plötzlich noch jemand drauf sitzt, der das Gleichgewicht beeinflusst.


Zum Galopp: Mein Pferd ist eines, das sehr gerne und sehr gut galoppiert. Naja, zurzeit grad nicht, da scheint eine Wachstumsphase etwas hinderlich zu sein (und sie ist doch schon 5,5 - also das kann durchaus auch später noch ein Thema sein). Sie bot den Galopp sehr früh in sehr lockerer Weise an, sie hatte kein Balanceproblem, war nie zu schnell, löste sich dabei sehr schön - weshalb hätte ich da nicht galoppieren sollen? Der Trab war in dieser Zeit für sie die schwierigere Gangart, der hat sich aber durch den Galopp verbessert, da mein Pferd lockerer wurde.

Zurzeit galoppiere ich wenig, weil es deutlich ist, dass es meinem Pferd zurzeit grad etwas schwerer fällt, sich im Galopp auszubalancieren. Ich denke, mein Pferd wird mir zeigen, wann es ihr wieder leicht fallen wird. Mir scheint es nicht so zielführend zu sein, bezüglich des Galopps auf "alte Dogmen" abzustellen, das Pferd sagt schon, was passt und was nicht passt.
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