Lieschen hat geschrieben:Gast hat geschrieben:Bezgl. HdS bleibe ich bei meiner Meinung: Absolutes No-Go, egal wann und wie. Wenn ich merke das das Pferd nach 10 Minuten die muskuläre Kraft nicht mehr hat, dann höre ich auf. 1 Woche später gehen dann vielleicht schon 11 Minuten usw.
Wie viele Jungpferde hast du schon ausgebildet? Das ist nicht polemisch gemeint, sondern echtes Interesse.
Ich bin gerade dabei eines selber auszubilden und bilde eines mit aus. Beziehe mich zusätzlich auf lange Gespräche und den Erfahrungen meiner Ausbilder. Und die haben einige 100 Jungpferde ausgbildet und von denen wurde KEINES jemals auch nur EINE MINUTE HdS geritten!
Ich finde es schwer erstaunlich, offenbar bin ich einfach unfähig.
Ich bin nämlich nicht in der Lage, meine 3 jährige Stute von Anfang an allen Baustellen gleichzeitig zu bearbeiten. Man stellt sich das immer so hübsch vor mit einem jungen Pferd, von wegen, man macht alles richtig und dann läuft auch alles gut, aber praktisch funktioniert das nicht.
Nicht unfähig, denke eher ungeduldig.
Die Frage ist warum Du eine 3jährige schon anreiten musst und warum gleich soviele Themen aufeinmal angehen?
Praktisch sah es bei uns so aus: Meine Stute wurde ein wenig angeritten, hatte dann nochmal Sommerpause.
Was wurde davor gemacht? Longiert? Wie und wieviel? Welcher Ausbildungsgrad wurde erreicht? Sind die Themen Zwanglosigkeit, Takt, Balance, Losgelassenheit und Anlehnung an Hilfszügel an der Longe zu 100% gefestigt?
Als ich sie im September wieder in die Arbeit genommen habe, waren das für sie so viele Eindrücke, dass mein oberstes Ziel erstmal war, dass sie taktmäßig und losgelassen ganze Bahn läuft, lernt, was eine Schenkelhilfe ist, lernt, mir zu vertrauen. Mir auch noch über die Stellung ihrer Stirnlinie Gedanken zu machen, wäre viel zu viel des Guten gewesen.
Sie hat sich wahlweise aufgerollt und zwar richtig oder ihren Kopf in die Luft gereckt
Was wurde zur Vorbereitung des wieder reitens gemacht? Intensive Longenarbeit?
Ich bin dann ein, zweimal alleine geritten und in dem Bestreben, sie bloß vorne nicht zu stören, habe ich ihr viel zu viel Zügel gegeben.
Das wär eigentlich richtig gewesen. Das Pferd findet unter dem Reiter zwanglos erstmal die Balance im richten Takt.
Das hat erstmal von meiner RLin einen ordentlichen Rüffel gegeben und ich bekam die Anweisung, IMMER Kontakt zu ihrem Maul zu halten.
Und das ist nicht klassisch. Da wurde schon die Anlehnung gesucht, bevor die natürliche Balance da war, somit wird der Zügel zur Stütze, auch wenn nur leicht, aber er wird es.
Ich könnte Bilder von diesen Malen reiten einstellen, da würde ich hier in der Luft zerrissen. Aber: Es hat funktioniert. Nach wenigen Malen hatte sie verstanden, dass es keinen Grund gibt, zu flüchten oder der Verbindung zum Gebiss auszuweichen. Sie ist insgesamt viel ruhiger und losgelassener geworden. Wie hätte ich das erreichen sollen, wenn ich in dem Bestreben, dass sie bloß nicht hdS kommen soll, ständig die Zügel weggeschmissen hätte?
Einfach mal Geduld und Zeit investieren und vor allem würde mich halt interessieren wie die Ausbildungsschritte hin zur Anlehnung überhaupt an der Longe gefestigt waren, bevor das Pferd angeritten wurde. Eine gute Arbeit an der Longe bis hin zu einer steten Anlehnung in die Tiefe dauert je nach Können und Veranlagung des Pferdes 6-12 Monate!
Zweites Etappenziel war dann, sie vorsichtig in die Tiefe zu dehnen. Sie hat einen hohen Halsansatz und neigt dazu, sich oben einfach hinzustellen. Übrigens hübsch vor der Senkrechten, aber leider, ohne ihren Rücken aufzudehnen.
Auch nicht klassisch, vom Kurzen ins Lange. Klar wollen die sich dann dehnen, da die Pferde vorher kurz am Zügel genommen wurden in eine absoluten Aufrichtung. Ein VA mit aktiver und gut untertredender Hinterhand und schönen schwingenden aufgerichteten Rücken erreicht man dadurch meiner Meinung nach allerdings nicht.
Das Fallenlassen des Halses hat sie, auch durch viele unterstützende Arbeiten vom Boden jetzt gut begriffen. Trotzdem bin ich noch weit davon entfernt, sie in korrekter lehrbuchmäßiger Haltung über die komplette Zeit zu arbeiten, ohne, dass sie immer mal wieder hdS kommt.
Siehe oben, wie sieht es damit an der Longe aus?
Letztlich ist es mir aber auch egal. Wo sich die Stirnlinie befindet, ist ohnehin nur eines von vielen Anzeichen, ob ein Pferd gut gearbeitet wird.
Ich bin entsetzt und enttäuscht. Den ein Anzeichen ist schon eines zuviel.
Mir ist wichtiger, dass sie inzwischen die ruhige Verbindung an die Hand akzeptiert, beginnt, über den Rücken ans Gebiss heran zu ziehen, bei mir bleibt, mir "zuhört", Spaß an der Arbeit hat.
Das wäre von alleine gekommen, ohne HdS.
Wir machen jetzt erste Biegungsarbeit, erste Übergänge, das Angaloppieren hat sie auch schon gut geschnackelt. In den letzten Minuten der Arbeit habe ich inzwischen schon ein Pferd, was toll durch den ganzen Körper arbeitet und dann ist sie von der Halsung auch schon ganz gut, aber eben nicht von Anfang an.
Wie lange ist das Pferd jetzt unter dem Sattel? Warum muss jeder eigentlich immer so früh galoppieren? Die Frage ist ernst gemeint, es würde mich echt mal interessieren was die Beweggründe dahinter sind.
Pferde sind Individuen und sollten auch so behandelt werden. Zu viele starre Ansichten schaden da nur. Nicht jedes Pferd ist gleich und die hohe Kunst des Pferdeausbildens ist es, auch mal von den eigenen Dogmen abzurücken und zu schauen, was das Pferd braucht.
Klar sind sie Individuen und entsprechend brauchen die einen länger, die anderen kürzer um etwas richtig zu erlernen.
Und was ein klarer Weg bezwecken kann, vor allem bei einer so ausgereiften Lehre wie der deutschen Reiterei, hat die deutsche Kavallerie in ihrer Blütezeit in den 1920er und 1930er gezeigt. Da gab es kein HdS, keine Wiedersetzlichkeiten, Balanceprobleme und was weiss ich alles, da waren auch ein zu hoher Hals, kurzer Hals, schlecht beugbare Hinterhand etc. eine Ausrede, da wurde dann entsprechender intensiver dran gearbeitet und das jeweilige Pferd bekam individuell mehr Zeit.
Vor allem wusste man um die Schwierigkeiten zu junger Pferde, deshalb wurde die erst mit 4 anlongiert und Ende 4, Anfang 5 angeritten. Ein 4-5 jähriges Pferd ist fast ausgewachsen, wohingegen ein 3 jähriges noch mitten im Wachstum steht. Vor 100 Jahren wusste man darum sehr deutlich und beachtete dies auch in der Ausbildung.
Und wenn wir beide mal einen schlechten Tag haben, höre ich nach 5 Minuten konsequent mit etwas auf, was gut geklappt hat und daddel noch eine Runde um die Koppel. Für mich steht an oberster Stelle, dass mein Pferd gerne mitarbeitet, nicht, dass ich mein Programm durchziehe. Damit fahre ich ganz gut. Ich habe allerdings auch das Glück, ein hochmotiviertes, arbeitswilliges Pferd zu haben, so dass solche Tage eher selten und meist meiner schlechten Laune geschuldet sind, die ich nicht auf meine Stute übertragen möchte.
Das ist ja auch absolut richtig! Nicht jeder Tag geht gleich gut und man sollte immer positiv abschliessen. Nur Abkürzungen, Fehlstellungen (HdS) usw. sollten dabei nie auftreten - meine Meinung und die meiner Ausbilder, die dies auch mehrfach bewiesen haben.