Seite 7 von 9
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 08:51
von Josatianma
als daß die schönsten Momente meist dann entstehen, wenn man in sich selbst versunken mit dem Pferd eins wird.
Und das ist halt am Turnier mit dem ganzen Drumherum schon verdammt schwer und erfordert sehr viel ... Übung?
Ja, aber es ist möglich! Wie gesagt: ich empfand genau das an meiner Prüfung an der Equitana Open Air. Ich war eins mit Pico und wir hatten beide einen Riesenspaß.
Und klar: es braucht Übung. Aber auch im heimatlichen Stall habe ich manchmal ganz schön viel Drumherum: spielende Kinder, kläffende Hunde, Traktoren die Rumfahren, Pferde werden von A nach B gebracht, abgespritzt. Ich übe zu Hause bereits, mich von diesen Dingen nicht beeinflussen zu lassen. Und die kann ich auch auf dem Turnier - genau wie zu Hause: mal mehr mal weniger. Auch auf dem Turnier horche ich in mein Pferd und versuche durch meine Reaktionen auf seine Aktion immer die Balance zu finden, Verspannungen erst gar nicht aufkommen zu lassen. Mir ist nicht das Urteil der Richter wichtig, sondern mit meinem Pferd für mich die Aufgabe bestmöglich zu lösen. Und, um dies auch wirklich ohne Auswege zu machen, fahre ich halt ans Turnier.
Ich finde das Reiten von Lektionen an einem bestimmten Punkt wichtig.
Noch eine kurze Geschichte: in der Abreitehalle zu einer Prüfung erlebte ich Momente, die mich so glücklich gemacht haben, dass ich die Prüfung nicht mehr hätte reiten müssen. Ich bin natürlich eingeritten. Sie war nicht gut (aus unterschiedlichen Gründen), aber ich war glücklich. Weil ich in der Abreitehalle diesen Moment der völligen Leichtheit und Eins-Werdens mit dem Pferd erlebt habe.
Es kann jeder seine eigenen Auffassung haben, aber er muss anderen auch ihre Auffassung zugestehen. Hilfreich wäre da schon, nicht immer alle über einen Kamm zu scheren. Nicht nur Schwarz und Weiß, sondern eben auch etwas dazwischen.
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 09:54
von emproada
Josatianma hat geschrieben:
Es kann jeder seine eigenen Auffassung haben, aber er muss anderen auch ihre Auffassung zugestehen. Hilfreich wäre da schon, nicht immer alle über einen Kamm zu scheren. Nicht nur Schwarz und Weiß, sondern eben auch etwas dazwischen.
*sowasvonunterschreib*
Und Reitkunst finde ich einen inzwischen so überstrapazierten Begriff, da weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr was ich mir darunter vorstellen soll.
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 12:08
von horsman
nenn es :
nicht-wettbewerbsorientiertes Reiten mit dem Ziel die Harmonie zw. Reiter und Pferd auf dem Weg zur sog. hohen Schule zu perfektionieren
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 12:15
von Cubano
ottilie hat geschrieben:Und das ist halt am Turnier mit dem ganzen Drumherum schon verdammt schwer und erfordert sehr viel ... Übung? Vertrautheit? Einigkeit? Mir fehlt grad das richtige Wort.
Guten Morgen,
und liegt genau da nicht auch ein Teilaspekt der Kunst? In der Vertrautheit und der Einigkeit zwischen Pferd und Reiter? Denn eins ist sicher: Ein Turnier kann man schlussendlich nur dann reiten, wenn Harmonie und Vertrauen zwischen beiden wirklich stimmen. Sonst nämlich kommt es zu üblen Bildern der Verspannung und längst nicht alle Richter sind demgegenüber blind. Was hier auf dem Land runtergerichtet wird in Sachen "Spanntritte", "zu eng" etc. ist schon immens – das Argument, die Lampentreter mit Spanntritten liegen vorn, stimmt zumindest in meinem reiterlichen Umfeld ganz und gar nicht.
@Horsmän: Das ist vielleicht tatsächlich ein Unterschied. Die Reitkunst ist am Ende eine Reiterei, die sich voll und ganz auf die Versammlung focussiert. Die SdA-Reitweise (was mich angeht, reite ich ja keine Turniere) dagegen will beides: Federkraft und Schub in der bestmöglichen Ausprägung.
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 12:21
von horsman
@cubano
das seh ich nicht so. Eine schöne Trabverstärkung (müssen ja nicht 300 meter sein, 30 tun es ja auch) gehört ebenso dazu wie eine schöne Piaff, Passage, Pirouette... Naturgemäss den Möglichkeiten des indiv. Pferdes entsprechend. Und soweit ich weiss steht die Versammlung in der SdA auch als letztes und insofern als "Endziel" mit dem Nebeneffekt der bestmöglichen Durchlässigkeit.
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 12:25
von Max1404
In diesem Zusammenhang (vor allem, wenn immer mal wieder gerne die Turnierreiter angesprochen werden) möchte ich einwerfen, dass jede Menge selbsternannter Reitkünstler Showprogramme in Kostümen reiten. Mich ärgert es jedes Mal, wenn ich mir im Rahmen eines solchen Programms zappelnde, total feste, auf Kommando steigende 5jährige Iberer anschauen muss, denen es an Grundausbildung eklatant mangelt, und wenn mir das dann noch zu allem Überfluss als "klassische Reitkunst" verkauft wird.
OK, ist ein Extrembeispiel, es gibt wunderschöne Showauftritte. Aber eben auch wirklich schöne Turnierauftritte. Und es gibt auf allen Seiten schlechte Auftritte.
Und ansonsten unterschreibe ich bei Josa.
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 12:26
von alimat01
Finchen hat geschrieben:.... Wobei ich persönlich meine, dass es grade aus diesem Grund viiiiiel mehr Reiter aus dem "klassischen Lager" braucht, die auf Turnieren starten, und wieder und wieder zeigen, dass es anders geht, als so häufig dort zu finden momentan!
Danke Finchen! Da bin ich ganz bei Dir. Das hatte ich weiter vorne schon mal geschrieben (so ähnlich) und bin dankbar, dass es offensichtlich noch jemand so sieht (hatte mich schon gefragt, ob ich da so absurd denke). Ich denke, dass damit mehr zu erreichen wäre als mit einer reinen Abkehr und Ablehnung. Man kann nicht zeigen, dass es auch anders geht wenn man es ausschließlich unter seinesgleichen oder im stillen Kämmerlein tut. Aber um bei seiner - klassischen - Linie zu bleiben, braucht man halt mitunter auch ein dickes Fell. Und den Spaß am Zeigen und nicht am Gewinnen.....
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 12:31
von horsman
@Max
die zappelnden Spanier-Reitkünstler sind keine wirklichen Reitkünstler. Da sind wir uns einig.
@alimat
Wenn es nur um das zeigen von schönem Reiten geht, ist der Wettbewerb aber die falsche Plattform, weil das Ziel hier systembedingt der Sieg ist.
Aber ok, wenn man mal in den Dressurprüfungen die Wertnoten und die Placierung samt Sieger abschafft, und lediglich ein Protokoll als Rückmeldung für den Reiter ausgibt, dann wären wir schon ein gutes Stück weiter

. Die Dressurlandschaft würde sich wohl entscheidend verändern.
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 12:39
von Cubano
horsmän hat geschrieben:@cubano
das seh ich nicht so. Eine schöne Trabverstärkung (müssen ja nicht 300 meter sein, 30 tun es ja auch) gehört ebenso dazu wie eine schöne Piaff, Passage, Pirouette... Naturgemäss den Möglichkeiten des indiv. Pferdes entsprechend. Und soweit ich weiss steht die Versammlung in der SdA auch als letztes und insofern als "Endziel" mit dem Nebeneffekt der bestmöglichen Durchlässigkeit.
Nö, Horsmän - die Durchlässigkeit des Pferdes ist mitnichten der Nebeneffekft der SdA, sondern das oberste Ziel. Und sorry: Bisher habe ich noch keine Reitkunst-Darbietung gesehen, wo ein MT oder starker Trab gezeigt wurde. Was sich für mich übrigens durchaus aus der Historie der Reitkunst erklären lässt.
Leider habe ich exakt die gleichen Bilder in der Reitkunst gesehen, die auch Max beschreibt: Schiefe, schwunglose Pferde trippeln auf der Stelle. Und ebenso kenne ich die unsäglichen Bilder der modernen Turnierreiterei. Für mich ist beides das Resultat ungesunden Ehrgeizes und einer falsch verstandenen Ausbildung.
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 12:49
von alimat01
horsmän hat geschrieben:@Max
die zappelnden Spanier-Reitkünstler sind keine wirklichen Reitkünstler. Da sind wir uns einig.
@alimat
Wenn es nur um das zeigen von schönem Reiten geht, ist der Wettbewerb aber die falsche Plattform, weil das Ziel hier systembedingt der Sieg ist.
Aber ok, wenn man mal in den Dressurprüfungen die Wertnoten und die Placierung samt Sieger abschafft, und lediglich ein Protokoll als Rückmeldung für den Reiter ausgibt, dann wären wir schon ein gutes Stück weiter

. Die Dressurlandschaft würde sich wohl entscheidend verändern.
Naja- Du meinst das vielleicht ironisch, aber genau bei so was wäre ich dabei. Und ob dann noch ne Plazierung ist - nun ja. Das wäre für mich sekundär. Klar gewinne ich auch gerne (wer tut das nicht?) - aber eben nicht um jeden Preis. Und mit einer guten Rückmeldung kann ich persönlich ja nur gewinnen. Halt anders als in Form der Plazierung
Aber denke doch mal - versuche es

- nicht nur realistisch. Ein bisschen träumen muss man auch (die größten Träumer haben die Welt bisher am meisten verändert). Wenn es viele "Klassiker" wären.....Auch Richter sind nur Menschen und haben Sehgewohnheiten. Vielleicht würden sich Sehgewohnheiten auch mit der Zeit ändern. Und vielleicht würde sich dann der ein oder andere Richter auch eher mal trauen, anders zu bewerten?
Und mal davon ab: Wenn nur ein einziger Zuschauer sich denkt: Ach, DAS hat mir aber besser gefallen. Vielleicht kann ich mir da was abgucken. Dann ist auch schon was gewonnen!
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 13:00
von Motte
Also...bittschön:
Wenn alle nur Turniere reiten, um zu gewinnen (!), wäre die Turnierlandschaft aber ziemlich schnell sehr ausgedünnnt....
Die allermeisten Reiter, die ich so kenne und die regelmässig im Turniersport unterwegs sind, sind weissgott nicht immer platziert.
Da gibt's sogar welche bei, die seit Jahren so im A-Bereich so vor sich hinstarten. Und von 8 genannten Prüfungen vielleicht mal eine Platzierung mit nach Hause bringen.
Warum man daran nun Spaß hat, ist eine andere Sache.
Aber es ist nun bestimmt nicht so, dass alle nur siegen wollen.
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 13:17
von saltandpepper
Cubano hat geschrieben:
Guten Morgen,
und liegt genau da nicht auch ein Teilaspekt der Kunst? In der Vertrautheit und der Einigkeit zwischen Pferd und Reiter? Denn eins ist sicher: Ein Turnier kann man schlussendlich nur dann reiten, wenn Harmonie und Vertrauen zwischen beiden wirklich stimmen. Sonst nämlich kommt es zu üblen Bildern der Verspannung und längst nicht alle Richter sind demgegenüber blind. Was hier auf dem Land runtergerichtet wird in Sachen "Spanntritte", "zu eng" etc. ist schon immens – das Argument, die Lampentreter mit Spanntritten liegen vorn, stimmt zumindest in meinem reiterlichen Umfeld ganz und gar nicht.
Cubano, dann kannst du dich glücklich schätzen, daß es bei euch solche Richter gibt und es freut mich sehr, das zu hören ! Bei uns hier in der Ecke ( Mitte Deutschland) gibt es das so nicht. Hier gewinnen nur die spannig tretenden Pferde, die eng vorgestellt werden. Nahezu ausnahmslos !
Und von Harmonie und Vertrauen ist der Erfolg nun wirklich nicht abhängig- weder in den kleinen Klassen, noch in den ganz großen- schau dir Anky, Isabell und co. an ! Vertrauen ? Nach dem Freiflug gen Stall in Aachen muß dir doch klar sein : Vertrauen ? Pustekuchen !
@Horsmän: Das ist vielleicht tatsächlich ein Unterschied. Die Reitkunst ist am Ende eine Reiterei, die sich voll und ganz auf die Versammlung focussiert. Die SdA-Reitweise (was mich angeht, reite ich ja keine Turniere) dagegen will beides: Federkraft und Schub in der bestmöglichen Ausprägung.
Für mich, Cubano,
darf Reitkunst und SdA sich nicht widersprechen.
Ist das so, verdient die "Reitkunst" diesen Namen nicht.
Die Punkte der SdA sind grundlegende Ausbildungsziele und auch Ausbildungsmittel, egal nach welcher Couleur geritten wird. Duchlässigkeit ist sowohl Ziel, als auch Ergebnis guter Ausbildung.
Reitkunst braucht Schub, Federkraft und Tragkraft.
Künstliches Gezappel auf der Stelle und spannig-kurzes Getrippel seitwärts, ist für mich keine Reitkunst. Gar nicht !
Tuniersport hat für mich dann eine gute Berechtigung, wenn sie kein Selbstzweck ist, sondern der Überprüfung der eigenen Reiterei dient.
In dem Moment aber, wo es darum geht, Erfolg um des Erfolges Willen zu haben und die Intention der Teilnahme nicht mehr darin besteht, gutes Reiten zu überprüfen, sondern unabhängig vom gewählten Weg zu gewinnen, sprich, wenn das Ziel ist, ein Pferd funktionieren zu machen- um jeden Preis, dann hat Horsemän absolut recht. Dann läuft die Sportreitrei der Kunst und auch der Ethik entgegen.
An diesem Punkt ist die Sportreiterei heute leider sehr oft....
Gruß S&P
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 13:41
von Cubano
saltandpepper hat geschrieben:
In dem Moment aber, wo es darum geht, Erfolg um des Erfolges Willen zu haben und die Intention der Teilnahme nicht mehr darin besteht, gutes Reiten zu überprüfen, sondern unabhängig vom gewählten Weg zu gewinnen, sprich, wenn das Ziel ist, ein Pferd funktionieren zu machen- um jeden Preis, dann hat Horsemän absolut recht. Dann läuft die Sportreitrei der Kunst und auch der Ethik entgegen.
An diesem Punkt ist die Sportreiterei heute leider sehr oft....
Das unterschreibe ich. Mit einer Ergänzung: Auch die Showreiterei, die ihren Anspruch sehr oft von der Reitkunst herleitet, ist leider sehr oft ebenfalls an diesem Punkt, Stichwort Barockpferdecup. Spannige, zu enge Pferde in hektischen Trippelschritten, die kaum mal einen Meter geradeaus laufen können und viel zu früh auf Kandare gezäumt werden, gehören auch da leider Gottes zum Bild. Und ich denke den Pferden ist es ziemlich egal, ob sie auf der VH über die Diagonale geschrubbt, oder ohne Rücken auf der Stelle "piaffiert" werden.
Und das ist eben in meinen Augen der Knackpunkt. Gutes Reiten hört oft genug in dem Moment auf, in dem Ehrgeiz ins Spiel kommt - ganz unabhängig von der Wahl des Reit-Outfits. Und: Ja es gibt Ausnahmen. Ebenfalls unabhängig von der Wahl des Reitoutfits.
Deine Definition von Reitkunst dagegen unterschreibe ich voll und ganz.
Abschließend zu meinen Erfahrungen hier im Emsland. Auf den großen Reitertagen der Region kam ich wirklich aus dem Staunen nicht mehr raus. Wir haben damals A, L und Kandaren-L gesehen und ausnahmslos in jeder Prüfung wurden die Blender runtergerichtet (gern übrigens auch mal auf so "hübsche" Noten wie 4…). Gewonnen haben in allen drei Prüfungen wirklich reell gerittene Pferde – und allesamt keine gangmäßigen Überflieger. Fand ich übrigens ziemlich beeindruckend.
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 14:23
von saltandpepper
Auch die "Barockpferde-Cups" u.ä. zählen für mich unter "Tuniersport". Auch hier ist leider die Intention die hinter dem Ganzen steht, das "Zeigen-wollen" und das "erfolgreich- sein" - Wettbewerb halt.
Tuniersport fördert Ehrgeiz und ohne diesen kommt man im Sport nicht weiter.
Und Ehrgeiz ist nun mal ganz, ganz oft der Feind der pferdefreundlichen Reiterei... ich gehe sogar noch weiter :
in dem Moment, wo ein Reiter Ehrgeiz entwickelt, jedem Esel eine Piaffe beizubringen und zwar nicht mit dem Hintergrund, einen für das Pferd gangbaren Weg zu gehen und so dem Pferd die Tür zu Möglichkeiten zu eröffnen, die es sonst nie erreichen würde, sondern aus der Intention eine Lektion um jeden Preis zeigen zu wollen- wem auch immer- wird es fragwürdig.
Oder anders gesagt, in dem Moment, wo nicht mehr "pro Pferd", sondern "pro Blumentof/ persönliche Genugtuung/ Bewunderung" geritten wird, wird es gefährlich und man muß sich als Reiter immer und immer wieder dahingehend überprüfen.
Das ist ein bisserl so wie bei manchen Wissenschaftlern- muß/darf man alles machen, was irgendwe machbar ist ? Welcher ethische Rahmen muß gewart bleiben ?
Verfasst: Do, 01. Mär 2012 14:26
von horsman
nochmal: Showreiten ist nicht Reitkunst.
Und von Oliveira oder auch Lörke zB sind auch Trabverstärkungen zu sehen