Zur Diskussion gestellte Ritte die gefallen

Rund um die klassische Reitkunst

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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Melli hat geschrieben:Ich zweifle diesen Allheiligkeitsanspruch _einer_ Reitlehre an und dafür ist es völlig egal, welcher Stilrichtung ich persönlich zugetan bin.
Unter der Flagge "Dressur" gibt es nicht nur eine richtige Form der Hilfengebung.
Ich weiß jetzt nicht, ob Du Dich auf mein Post beziehst. Ich bin jedoch der Meinung, dass gewisse Dinge sich weiterentwickeln, und dazu gehören auch Reitlehren. Ich möchte jedenfalls nicht mit einem Sitz reiten, wie er im Mittelalter üblich war (allein der Sattel, in dem BB reitet, würde mich mit seinen Pauschen vorne und hinten zu stark in meiner Bewegungsfreiheit einengen). Es gibt gewisse Allgemeingültigkeiten, innerhalb derer es aber unzählige Varianten gibt. Und auch Hilfengebung unterliegt solchen Gesetzmäßigkeiten (z. B. die Wichtigkeit der äußeren Hilfen), auch wenn sie je nach Pferd und je nach Ausbildungsstand in gewissen Grenzen variiert werden sollten.
Ich fühle mich eher in der deutschen Lehre beheimatet, dennoch hat mir der eine oder andere Blick über den Tellerrand geholfen. Mir ist Oliveira sehr sympatisch, denn er hat sich aus allen Reitlehren sehr pragmatisch bedient: er hat das gewählt, was ihm für das jeweilige Pferd und das jeweilige Problem als richtiger Lösungsweg erschienen ist. Sehr vernünftig. Dieses Vorgehen erfordert aber einen außergewöhnlich guten Reiter, der noch dazu in der Lage ist, verschiedene Lehren intellektuell so zu verstehen, dass er in der Lage ist, sie zu kombinieren und physisch so in die Praxis umzusetzen, dass es zum Erfolg führt: für uns "Normalbegabte" eigentlich kaum machbar. Deshalb finde ich es schon wichtig, dass man sich für eine Lehre entscheidet :wink:
Viele Grüße
Sabine
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Tossi
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Beitrag von Tossi »

Melli hat geschrieben:....
Aber gutes Stichwort: nicht draufsitzen.
Die Abwesenheit eines Reiters, der mit Muskelkraft irgendwas beeinflussen könnte, müsste eine saubere Ausbildung und Vorstellung des Pferdes an der Hand, an der Longe und Doppellonge ja nach deiner These komplett verunmöglichen....
Natürlich kann jedes Pferd ohne Reiter durchparieren, aber sobald der Reiter drauf sitzt und nun das Pferd durchpariert benötigt der Reiter seine Bauchmuskeln, weil er sonst ganz schlicht die Tempoänderung nicht geschmeidig sitzen kann - d.h. er würde ohne Kreuzanspannung einfach nach vorne fallen. Das hat eigentlich auch gar nichts damit zu tun, wie man die Parade einleitet, da reicht tatsächlich das "Visualisieren" - den Rest erledigt der geübte Reiterkörper mit seinen entsprechenden Muskeln nämlich unbewusst - genau so unbewusst wie ich meine Beine und Hände beim Auto fahren bewege. Eine geschmeidige Parade zu reiten, ohne dass Deine Bauchmuskeln arbeiten, ist definitiv unmöglich - das liegt am physikalischen Gesetz der Massenträgheit.
...Mein Freund ist früher viel und ziemlich gut Skateboard gefahren, macht heute aber überhaupt keinen Sport mehr - und hat trotzdem immer noch eine erheblich bessere Balance und Beweglichkeit als ich. Trotz "null" Muskeln.....
Ganz sicher hat Dein Freund nun nicht "null" Muskeln, auch wenn er den Sport nicht mehr aktiv betreibt und gerade solche Koordinationsfähigkeiten verlernt ein Körper nicht so schnell.
Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet. (David Hume)
sab
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Beitrag von sab »

Melli, meine Aussage zu den Muskeln, die der Reiter braucht, bezieht sich auf das REITEN. Und da bleibe ich bei, ohne Kreuzeinwirkung ist keine gute Dressurreiterei möglich. Und beim reiten kommuniziere ich eben - wenn es gut läuft- mit Gewicht, Kreuz und Hand+Bein. Für alles das brauche ich reichlich Muskeln, Balance und Koordination. Und da gibt es eine Korrelation von meiner Grösse zu der des Pferdes

Ich kann der Branderup-reiterei nichts abgewinnen. Für mich sehen die Pferde schlichtweg verbogen aus, es gefällt mir schon vo,m Ansehen nicht. Kann dieser - historisch begründete - Sitz davon kommen, dass man früher eine Ritteruniform trug, die ein Winkeln des Knies vermutlich unmöglich machte ? Und ich gehe mal davon aus, dass man zu den damaligen Zeiten auch nicht gesprungen ist, also keinen Knieschluss brauchte, oder ?

LG

Sabine
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

@sab zum Sitz: ich weiß es nicht, aber ich habe natürlich meine ganz persönliche Interpretation der Sache, die jedoch keinen Anspruch auf historische Genauigkeit erhebt. :wink:
Hier ist sie:
Die Ritter haben im Mittelalter tatsächlich nicht im Sattel gesessen, sondern sie haben in den Steigbügeln gestanden. Sicherlich auch aufgrund der steifen Rüstungen, aber auch, um die Lanzenstöße, die ihnen in der Schlacht (oder beim damaligen "Sport", dem Tjosten) entgegen kamen, steif genug abfangen zu können (und nicht den Abflug zu riskieren, denn in der Rüstung lagen sie wie Maikäfer auf dem Rücken und konnten sich gar nicht mehr bewegen).
Gueriniere hat erstmals den Sitz auf dem "Hinterteil" propagiert - zu einer Zeit, in der durch Veränderung der Kriegstechnik gepanzerte Reiter nicht mehr maßgeblich eine Schlacht entschieden haben und in der das Reiten nur noch als Kunst betrieben wurde.
Guerinieres Sitz ist also eine Weiterentwicklung. Allerdings kann er die früheren Einflüsse nicht verleugnen, und aus diesem Grund sind auch bei ihm die Beine nach vorne gestreckt, und der Reiter sitzt im Hohlkreuz mit nach vorne gekipptem Becken.
Der moderne Sitz hat sich aus diesem Sitz erneut weiterentwickelt: wir sitzen im Balancesitz mit zentriertem Becken, und die Beine liegen "atmend" am Pferdebauch an.
Gründe für diese Veränderungen liegen sicherlich auch erneut in der Historie: die französische Revolution machte Schluss mit allem, was royal erschien, und dazu gehörte auch die Reitkunst auf Barockpferden. Vollblüter wurden modern, und mit ihnen ein anderer Reitstil (der auch vom Springen und vom Reiten von Jagden geprägt war).
Unter diesem Einfluss ist sicherlich auch die Lehre von Baucher zu sehen, der versuchte, eine Lehre für den "neuen Pferdetyp" mit der völlig anderen Bewegungsmechanik, den langen Linien und dem "Go" zu erschaffen. Hierfür hat er ein anderes Gleichgewicht definiert als das bisher gültige, ganz besonders gut zu sehen in der Piaffe: die typisch klassische "Barockpiaffe" setzt das Pferd hinten, es erhebt sich vorne. Im Vergleich dazu führe ich für das Baucher-Gleichgewicht immer wieder gerne Uphoff mit Rembrandt an: seine Piaffen sind das, was ich mir unter dem Baucher-Gleichgewicht vorstelle: gleichmäßige Belastung von VH und HH.
Zurück zum Thema: irgendwie denke ich auch, dass der neue Pferdetyp andere Ansprüche an den Reitersitz gestellt hat als der Barockpferdetyp. Auch auch diesem Grund mag sich der Sitz verändert und weiterentwickelt haben.
Ich denke, dass die moderne WB-Zucht den Sitz möglicherweise noch einmal marginal verändern wird: die Pferde, die in den 30er und 40er Jahren modern waren, hatten ganz andere Gänge als die von Natur aus hoch federnden und kadenzierten Gänge der heutigen herausragenden "Zuchtprodukte". Wir reiten heute tendenziell mit längerem Bein als die Olympiareiter der 30er Jahre. Noch nicht so, dass wir in der Hüfte blockieren, aber doch so, das unsere Basis nach unten so weit verlängert wird, damit wir diese schwungvollen Bewegungen besser sitzen können. Die Sattelindustrie hat sich ja auch angepasst - ich denke tatsächlich, dass man manch ganggewaltiges Pferd in einer flachen Bratpfanne, wie ich sie noch aus den 70er Jahren kenne, nicht wirklich geschmeidig und angenehm sitzen könnte. :wink:
Kann irgendwer was mit meiner Theorie anfangen?
Viele Grüße
Sabine
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charona
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Beitrag von charona »

Max1404 hat geschrieben:(allein der Sattel, in dem BB reitet, würde mich mit seinen Pauschen vorne und hinten zu stark in meiner Bewegungsfreiheit einengen)
ohne mich an der Diskussion weiter beteiligen zu wollen, würde es mich interessieren, ob du schon jemals mit einem BB (oder vergleichbaren) Sattel geritten hast. aus eigener erfahrung kann ich nur sagen, dass mich noch kein sattel so frei und unbeengt auf dem pferd hat sitzen lassen. -tippfehler/gross-kleinschreibung bitte ich zu entschuldigen w/ gebrochenem finger - :roll:
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Charona, nein habe ich nicht, aber ich möchte meine Oberschenkel aus der Hüfte frei bewegen können, vor allem nach hinten, und dieser Sattel begrenzt die Beinfreiheit der Oberschenkel mit den Pauschen vorne und hinten. Auch ohne darin geritten zu haben weiß ich, dass mir das zu eng wäre. Ich bin sowieso kein Freund von großen Pauschen, ich reite in einem Monoblattsattel, der zwar Pauschen vorne hat, die mich jedoch nicht einengen (ich reite quasi also komplett "flach"). Die Pauschen kommen nur "zum Einsatz", wenn der Große mal einen Spaßbuckler abdrückt. Ich kenne die Pauschen hinter dem Oberschenkel noch gut von meinem Prestige-Springsattel: sie geben guten Halt beim Springen, aber fürs dressurmäßige Reiten hat mir die Freiheit nach hinten gefehlt.
Ich muss den Sattel nicht ausprobieren um zu diesem Schluss zu kommen, denn ich kenne aus verschiedenen Sätteln mit verschieden gelagerten Pauschen gewisse "Wirkprinzipien", so dass ich aufgrund der Form des BB-Sattels darauf schließen kann, dass ich mich in diesem Sattel nicht wohlfühlen würde, auch wenn er für andere ideal ist. Jeder Mensch ist anders gebaut und hat andere Vorlieben. Außerdem ist gerade dieser Sattel für einen anderen Sitz als ich ihn anstrebe geschaffen worden: Er unterstützt das Abkippen des Beckens nach vorne durch den Schwerpunkt, in den er den Reiter setzt und unterstützt zusätzlich die nach vorne gestreckten Beine. Eben der Sitz, den Gueriniere als ideal angesehen hat. Ich möchte mein Becken zentriert wissen und die Beine aus der Hüfte locker bewegen können: der moderne Balancesitz. :wink:
Viele Grüße
Sabine
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

sab hat geschrieben:Und da bleibe ich bei, ohne Kreuzeinwirkung ist keine gute Dressurreiterei möglich. Und beim reiten kommuniziere ich eben - wenn es gut läuft- mit Gewicht, Kreuz und Hand+Bein. Für alles das brauche ich reichlich Muskeln, Balance und Koordination.
So sehe ich das auch.
@Melli: Nehmen wir mal ein ganz anderes Beispiel: die Doma Vaquera. Glaubst Du allen Ernstes, die Reiter würden die blitzschnellen Übergänge, rasanten Seitengänge, Stops und dergleichen mehr ohne Muskulatur hinbekommen? Aussichtslos - die wären schneller unten, als sie "caballo" sagen könnten. Oder nehmen wir die französische Schule der Légèrèté: Schau Dir mal Ritte von PK an – der hat seine Pferde total am Kreuz. Das hat mit der allein selig machenden deutschen Reitlehre überhaupt nichts zu tun, sondern mit gutem Reiten.
Und zu Deiner Frage: Warum braucht man die Kreuzhilfe vom Boden aus nicht, aber im Sattel - ganz einfach: Weil ein Pferd sich mit Reiter anders ausbalanciert, und Du nur mit der entsprechenden Gewichtsverlagerung, die ein Teil der Kreuzhilfe darstellt, dafür sorgen kannst, dass das Pferd nicht auf der VH landet.
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Melli
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Beitrag von Melli »

Cubano hat geschrieben:die Doma Vaquera. Glaubst Du allen Ernstes, die Reiter würden die blitzschnellen Übergänge, rasanten Seitengänge, Stops und dergleichen mehr ohne Muskulatur hinbekommen? Aussichtslos - die wären schneller unten, als sie "caballo" sagen könnten.
Weil ein Pferd sich mit Reiter anders ausbalanciert, und Du nur mit der entsprechenden Gewichtsverlagerung, die ein Teil der Kreuzhilfe darstellt, dafür sorgen kannst, dass das Pferd nicht auf der VH landet.
...benötigt der Reiter seine Bauchmuskeln, weil er sonst ganz schlicht die Tempoänderung nicht geschmeidig sitzen kann - d.h. er würde ohne Kreuzanspannung einfach nach vorne fallen
Da werden aber munter Ursache und Wirkung durcheinandergeworfen.
Ob ich meine Muskulatur anspanne, um wegen Gangarten- und Richtungswechseln nicht runterzufallen oder zumindest balancetechnisch nicht in Wohnungsnot zu geraten (da gehe ich absolut mit), oder das Kreuz zu benutzen um die Gangart zu ändern (d.h. als "Hilfe", Anweisung, Mitteilung ans Pferd), sind zwei paar Stiefel.

Zudem ist es ein ebenso himmelweiter Unterschied, ob ich mit meinem Becken ein kurzes Signal gebe in eine bestimmte Richtung oder für ein bestimmtes Tempo - da sind wir aber wieder bei Beweglichkeit und Balance-, oder ob ich diese Kreuzhilfe in einer Form geben möchte, dass ernsthaft gezieltes Muskeltraining nahegelegt wird.
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Beitrag von sab »

Melli, das gezielte Muskeltraining habe ich nahegelegt, weil ich in der Praxis jede Menge hüftsteifer und unsportlicher Reiter kenne. Das sind so die normalen Effekte, wenn man jahrelange Fehlbelastungen hat.


LG

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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Melli hat geschrieben:oder das Kreuz zu benutzen um die Gangart zu ändern (d.h. als "Hilfe", Anweisung, Mitteilung ans Pferd), sind zwei paar Stiefel.
.
Gegenfrage: wie versammelst Du Dein Pferd, wenn nicht über die gezielte Einwirkung per Sitz/Kreuz?
Davon abgesehen: Die Einzige, die hier von GEZIELTEM Muskeltraining spricht, bist meines Wissens Du. Alle anderen sagen lediglich: Man kommt ohne Muskulatur beim Reiten nicht aus.
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Janina
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Beitrag von Janina »

sab hat geschrieben:Und natürlich spielen die Grössenverhältnisse Pferd / Reiter eine Rolle; reiten ist Physik, da kommt es schon auch auf die Grössenverhältnisse an.
Genau! Und genau deshalb sollte man es tunlichst vermeiden auf eine Ausbildungsweise zu setzen, in der dieses Größen- und Kraftverhältnis Pferd/Reiter für letzteren zu Problemen führen wird.
Cubano hat geschrieben: Guten Morgen,
daran glaube ich nicht. Und schmeiße dementsprechend mal ein Video in diesen Punkt der Diskussion:
http://www.youtube.com/watch?v=37zZxmnRzQc
Man achte da besonders mal auf die Trabsequenzen: Energisches Vorwärts? Schwung? Aktive Hinterhand? Sorry, davon ist in meinen Augen rein gar nichts zu sehen. Und hier reitet nicht ein Schüler von, sondern BB selbst. Und zwar auf einem hoch ausgebildeten Pferd, mit dem er u.a.in dem Film ”Die Kunst der Könige" zu sehen war.
Für mich bedeutet das nichts anderes, als das genau dieses unterourige Reiten in der Akademischen Reitkunst erwünscht ist und kultiviert wird.
Mal abgesehen davon, dass du selbst schon festgestellt hast, dass dieses Pferd bereits über 20 ist, scheint es überdies auch noch blind zu sein...
Wenn das stimmt, finde ich es bemerkenswert, dass es überhaupt so vertrauensvoll unter dem Sattel geht, da noch in irgendeiner Weise mehr Vorwärts und Schwung zu fordern ist in meinen Augen doch sehr... befremdlich :?

Dann doch lieber Marius Schneider als Beispiel. Ich habe ihn auch schon live gesehen und fand das sehr positiv. Und dieses Pferd ist sehr losgelassen (auch in Showatmosphäre), sowie gut durchgymnastiziert! Schwung im herkömmlichen Sinne ist hier wirklich nicht Ziel (das wäre mir zumindest neu, auch wenn ich mich nie wirklich intensiv mit BB beschäftigt habe).
Dieses Pferd nun aufgrund seiner anderen Bewegungsmechanik (im Vergleich zu dem Iberer der Französin, der völlig anders gezüchtet ist, ich möchte das noch mal in Erinnerung rufen, hatte das "damals" schon angemerkt) als Schenkelgänger zu titulieren, finde ich nicht richtig. Man beachte, wie schön er ohne den kleinsten Taktverlust den Weg v.w.-a.w. sucht (ginge nicht, wenn er den Rücken nicht "aufmachen" würde).
Wie gesagt, dass muss "geschmacklich" nicht jedem gefallen, aber das ist nun wirklich weit weg von schlechtem Reiten...
Cubano hat geschrieben:Oder nehmen wir die französische Schule der Légèrèté: Schau Dir mal Ritte von PK an – der hat seine Pferde total am Kreuz.
*Achtung Ironie an* Ist der aber doof, dass er das selbst nicht weiß, gell? Oder es ist wahrscheinlich alles Taktik, à la "ich sage meinen Schülern, die "Kreuzhilfe" macht keinen Sinn, dann haben sie ein Problem weniger und glauben auch noch, sie könnten irgendwann auch nur annähernd so reiten wie ich" *Ironiewiederaus*

Niemand streitet ab, dass Muskeln arbeiten, wenn man auf dem Pferd sitzt. Aber gezielt MuskelKRAFT als Hilfe einsetzen möchte ich nicht. Wenn dann jemand meint, ich reite keine Dressur (eine Aussage, die ich auch schon wieder herrlich finde), dann kann ich damit leben. Reite ich halt einfach nur so. Reicht ja angeblich auch :wink:
Gast

Beitrag von Gast »

Janina hat geschrieben: *Achtung Ironie an* Ist der aber doof, dass er das selbst nicht weiß, gell? Oder es ist wahrscheinlich alles Taktik, à la "ich sage meinen Schülern, die "Kreuzhilfe" macht keinen Sinn, dann haben sie ein Problem weniger und glauben auch noch, sie könnten irgendwann auch nur annähernd so reiten wie ich" *Ironiewiederaus*
Lass' den Ironiemodus weg, streich' die ".. gell?"-Frage und das "Oder.." danach ... dann kommt das vermutlich genau so hin :)
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

@Janina: Entschuldige bitte, aber PK hat seine Pferde nun so etwas von exzellent am Sitz (also am Kreuz), wie kaum ein anderer Reiter, den ich kenne. Der könnte, wie schon mehrfach an anderer Stelle geschrieben, die Zügel seinen Pferden auch an die Ohren hängen, das würde keinen Unterschied machen – übrigens finde ich den Mann vom Sitz her wirklich erstklassig. Und ich wage sehr ernsthaft zu bezweifeln, dass zu seiner Schule nicht auch eine Sitz-Schulung gehört.
Und zu Mariusz Schneider: Zwanglos kann ein Pferd durchaus auch als Schenkelgänger sein. Warum auch nicht. Dass er aber in der Tat ein Schenkelgänger ist, sieht man deutlich an den Bewegungen, die definitiv nicht durch den Körper gehen. Gut zu sehen ist das bei Orfeo in der Piaffe, die "geplatscht" aussieht. Ach ja: Korrektes v/a sehe ich da nicht. Was ich sehe, ist das Fallenlassen des Halses. Aber das nur am Rande. Zweifelsfrei kann das Pferd mit dieser Art zu reiten, steinalt werden. Dafür hat es nämlich genug Muskulatur. Nur: Mein Ding ist das halt aus o.g. Gründen nicht.
und auch an Dich abschließend die Frage: WIE versammelst Du ein Pferd über den Sitz, wenn nicht über den Einsatz der Bauchmuskulatur? Ich glaube, wir drehen uns hier nämlich munter im Kreis. Ich wage mal zu behaupten, das weder Sab, noch Max, noch meine Wenigkeit, gezieltes Bauchmuskeltraining betreiben, um reiten zu können.
Und noch mal abschließend zu BB: Mir ist bekannt, dass das Pferd blind ist. Aber: WAS hat das bitte mit dem Mangel an HH-Aktivität zu tun? Oder anders gefragt: Warum kommt eigentlich immer, wenn man einen Klassiker kritisiert, die Argumentation der gesundheitlichen/charakterlichen Mängel. Ganz offenbar ist Filur bis in die hohen Klassen ausgebildet. Ganz offenbar hat seine Blindheit ihn daran nicht gehindet (was vom Ausbilder übrigens eine erstklassige Leistung ist, keine Frage). Aber das hat in meinen Augen mit dem Gesamtbild nichts zu tun.
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

@Cubano: um Deine Frage zu beantworten: nein, ich mache kein Bauchmuskeltraining. Mein Fitnesstrainer döst vermutlich gerade auf seinen 4 Beinen in der Sonne. :wink:

Nuno Oliveira hatte vermutlich den beeindruckensten Sitz, den ich jemals gesehen habe. Er hat Hände und Beine wirklich kaum gebraucht, er hat alles über sein Kreuz gemacht. Und auch Klimke, dessen Sitz ja auch nicht zu verachten ist, hat sich von NO sehr beeindruckt gezeigt und angeblich sinngemäß nach einem Besuch gesagt, dass der Sitz alles ist.

Aber ich stimme zu, dass es wirklich sehr sehr wenige lebende Reiter gibt, die ihre Pferde so exzellent am Sitz haben wie PK. Genau aus diesem Grund kann er es sich auch erlauben, solche Sachen mit der Hand zu machen. :wink:
Viele Grüße
Sabine
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horsman
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Beitrag von horsman »

Natürlich haben gute Reiter ihre Pferde am Kreuz. Wie sonst würden sie sonst Hand- und Beinhilfen stark reduzieren können und dennoch das Pferd rund und energetisch bei sich halten können. Die Frage ist aber doch, was dies bedeutet "am Kreuz". Und da sag ich mal, gehört keine absolute Kraft dazu. Natürlich braucht man genug Muskulatur und vor allem auch Körperbewusstsein für die Kontrolle seines eigenen Körpers um nicht wie ein Mehlsack zusammen zu sacken, sondern bei allen Bewegungen des Pferdes seinen Körper nach belieben und bewusst kontrolliert im Sattel placieren zu können. Aber man braucht keine absolute Kraft die man womöglich gg. das Pferd wirken lassen muss.

Um mal einen Vergleich anzustellen: man muss ein paar Liegestütz schaffen (rel. Kraft ggü. seinem eigenen Körper) und auf einem Bein die Schultern drehen können ohne zu wackeln (Körperbewusstsein) aber nicht unbedingt große Gewichte stemmen können (absolute Kraft ggü. einem anderem Körper).

Das Pferd am Kreuz, oder am Sitz zu haben bedeutet dann, vorausgesetzt die Körperkontrolle gibt das her, dass man mit Gefühl, Können und Wissen dem Pferd nach und nach vermittelt, bestimmte Sitzhilfen als Ersatz für Hand und Bein (vor allem aber Hand) zu verstehen. Mit Kraft hat das nichts zu tun, allenfalls mit Geisteskraft (Konzentration) und Präzision bzgl. seines Sitzes, der bei aller Körperkontrolle und Präsenz niemals festgehalten sein darf. Darin liegt die Kunst. Nicht im Einsatz irgendeiner Körperkraft gg. das Perd, auch nicht vom Rücken (mal abgesehen davon, wie das physikalisch gehen soll.)

Ich denke auch, dass es die "Sitzhilfe" bei der Bodenarbeit auch gibt. Nämlich in der Körpesprache, die das Pferd mit den Augen wahr nimmt. Auch hier vermittelt man nach und nach mit der Körpersprache, die Hand und Gertenhilfe zu ersetzen. Demnach ist Sitzhilfe im Sattel dann nichts anderes, als für das Pferd gefühlte Körpersprache.
Zuletzt geändert von horsman am So, 13. Mai 2012 19:57, insgesamt 2-mal geändert.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
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