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Untertreten = Takt? = Losgelassenheit? oder = Schwung?
Verfasst: Mo, 09. Jul 2007 22:44
von Wolke
Ich mache mir momentan viele Gedanken übers Untertreten und kanns in der Ausbildung nicht so recht einordnen. Mein neuer Reitlehrer (konventionelle Reitweise) achtet sehr auf den Takt und lässt mich das Pferd immer wieder vorwärts treiben, damit sie besser untertritt. Allerdings haperte es bisher im Unterricht immer sehr an ihrer Losgelassenheit. Sie rennt nur davon und statt weiter unterzutreten kommt sie auf die Vorhand. Gehört denn nun Untertreten eigentlich zum Takt? Kann das Pferd nicht auch im Takt gehen, wenn es kurz tritt? Bei der Arbeit an der Longe sehe ich deutlich, dass es keinen Sinn hat, von ihr vermehrtes Untertreten zu fordern, so lange sie den Rücken festhält. Ist auch verständlich, die Muskulatur des Rückens ist ja für die Bewegung der Hinterbeine verantwortlich. Also dünkt es mich, Losgelassenheit müsste VOR dem Untertreten kommen und konzentriere mich bei der selbständigen Arbeit zuerst darauf, sie zu biegen, damit sie locker wird. Ist die Losgelassenheit erreicht, tritt sie auch schon einigermassen unter. Gehört das Untertreten denn nun eher zum Ausbildungspunkt Schwung? Oder kann man es mit der Losgelassenheit zusammenfassen? Natürlich hängt das alles recht eng zusammen, aber es wäre schon hilfreich zu wissen, wo ich das denn nun reihenfolgemässig einzuordnen habe. Worauf legt ihr zuerst euer Augenmerk? Gerade beim jungen bzw. verrittenen Pferd, das mit dem Zusammenspiel von treibenden und verhaltenden Hilfen nicht viel anfangen kann, sprich: es versteht die treibenden Hilfen als Aufforderung zum Schnellerwerden, nicht zum Weiter-Untertreten, und reagiert auf verhaltende Hilfen zögerlich bis schlecht.
Verfasst: Di, 10. Jul 2007 08:11
von Larry
Die Trittlänge der Hinterhand hat nichts mit dem Takt zu tun. Im Gegenteil, Ziel der Reiterei ist es ja auch u.a. (je nach Ausbildungsstand) die HH vom Raumgriff her Verändern zu können. Starker Trab ist so ein Beispiel- es bedeutet ja nicht schneller reiten...
Tritte verkürzen und verlängern gehört zur guten Ausbildung dazu. ABER es kann natürlich sein, d. sich die Aussage von Deinem RL auf Euren Momentzustand bezogen ist.
Das ist aus dem Forum hier ja nicht zu seen. Warum fragst Du ihn nicht einfach selber noch mal dazu?
Dann ist es auch teilw. Rasseabhängig.
Während viele Friesen und Tinker weit am Anfang einer Ausbildung nach "Hinten raus" treten- können Sie trotzdem nach Vorn "untertreten"-ohne, d. ein wirklicher Versammlungsgrad schon in der Ausbildung erreicht ist.
Schwer zu erklären. Hoffe sehr, es kommt richtig rüber.
Wichtig: Die Beine sollten sozusagen sich harmonisch miteinander bewegen... und nicht einzeln jedes für sich-um mal einen alten Reitmeister zu zitieren!
Verfasst: Di, 10. Jul 2007 08:31
von Josatianma
Was sagt denn der RL, wenn sie losrennt und auf die Vorhand kommt?
Kann das Pferd nicht auch im Takt gehen, wenn es kurz tritt?
Tut es das nicht auch in einer Passage/Piaffe - im Takt gehen?? Oder im versammelten Trab? Damit ergibt sich die Antwort von selbst.
Ich kann die Anweisung des RL´s insofern verstehen, dass er die HH eventuell aktiver möchte. Allerdings ohne das Wegrennen. Das bekommst du aber normalerweise über viele Übergänge viel besser hin als duch ständiges nachtreiben, bzw. "schneller" reiten.
Das Untertreten gehört für mich zu keinem Ausbildungspunkt, da es von den Möglichkeiten des Pferdes abhängt und sich durch korrektes Erarbeiten der Ausbildungsskala von alleine ergibt, bzw. genau wie die Punkte der Ausbildungsskala nicht allein stehen kann.
Worauf lege ich mein Augenmerk: Auf den Takt bei einer aktiven Hinterhand. Das möchte wahrscheinlich auch dein RL. Wobei ich den Takt so wähle, daß das Pferd nicht wegrennt oder auf der VH läuft. Ich versuche auch zwischendurch durch Treiben die HH zu aktivieren. Dabei ändert sich aber der Takt und die Geschwindigkeit des Pferdes nicht, da die Balance im Vordergrund steht. Das Pferd soll größere, freiere Tritte machen. Geht auch schon im Schritt. Versuch im Schritt mal Tempounterschiede zu reiten - nicht mit der Hand, nur mit dem Sitz. Ist verdammt schwer. Wenn du verlängerst stell dir vor, dein Pferd hat Siebenmeilenstiefel an und macht gaaaanz große und weite Schritte.
Verfasst: Di, 10. Jul 2007 08:42
von Yve9979
Hi!
Sehe das wie J. Für mich steht der Takt und die Losgelassenheit im Vordergrund und das bei aktiver HH.
Wenn ein Pferd jedoch nicht im Takt (in seinem Takt) geht, wie soll es dann locker und vor allem mit aktiver HH gehen? Auf jeden Fall sollte es nicht weg rennen, denn dann klappt keines von den gewünschten Punkten, weder Takt noch Losgelassenheit und schon gar nicht die aktive HH, denn es würde durch das Wegrennen auf die VH fallen.
Hat dir dein RL erklärt, was er beabsichtigt und worauf er hinaus möchte?
Verfasst: Di, 10. Jul 2007 08:51
von Jen
Hallo
ich bin etwas anderer ansicht. "untertreten" hat für mich v.a. mit dem Vorschwingen der Hinterbeine zu tun und weniger mit dem "Schub" also dem schiebenden Teil des Bewegungsablaufes (wenn das Bein am boden ist). Das Vorschwingen hat für mich v.a. mit der Geschmeidigkeit und der Dehnungsfähigkeit zu tun, v.a. auch der Kruppen und Oberschenkelmuskulatur der Hinterbeine, aber auch der Fähigkeit das Becken so abzukippen, dass es nicht flach hinten raussteht. Dies ist schon eine erste Form der Versammlung und Voraussetzung des Beugegangs. DAbei federn die Gelenke (Hanken) auch im Arbeitstempo durch und der Gang wird so elastischer folglich schwungvoller folglich kraftvoller (es braucht viel Kraft, die erst trainiert werden muss). Einfach mehr "treiben treiben treiben" um die HH zu aktivieren bringt m.E. rein gar nichts.
Um das freie vorschwingen des Hinterbeins zu erreichen arbeite ich zuerst an der Hand an der Longe am Kappzaum. Das Pferd wird so gebogen, dass es die äussere Oberlinie dehnt. Durch die Stellung des Genickes wird die innere Hüfte etwas weiter vorne platziert, optimal um das Hinterbein vorschwingen zu lassen. Dann arbeite ich als erstes im STand und im Schritt auf kleinem Kreis um mich herum (nur ganz wenig am anfang) in einem leichten Schultervor, um das innere Hinterbein eben vorschwingen zu lassen und unter den Schwerpunkt greifen zu lassen. Das trainiert in der langsamen Bewegung die Dehnfähigkeit, welche Voraussetzung für die Versammlungsfähigkeit ist.
Dann richte ich das Pferd auf dem Zirkel gebogen-gerade und achte dabei immer auf das freie vorschwingen des inneren Hinterbeins, das Pferd fängt sich an so zu tragen, dass es den Hals frei fallen lassen kann. V/A kommt von selber, ohne HZ. Hat das Pferd diesen Bewegungsablauf in seinem persönlichen Tempo/Takt gefunden, versuche ich diesen Bereich zu erweitern, indem ich ERST DANN etwas mehr Aktivität verlange, und ein energischeres Durchfedern fördern möchte. Das geht aber nur, wenn die Dehnfähigkeit soweit erreicht sit, dass das vorschwingen des Hinterbeins frei und mühelos gelingt. sonst wird es sofort zu einem nach hinten herausschaufeln und das Pferd läuft in schönster Manier auf der Vorhand.
Das selbe gilt dann auch unter dem Sattel. Der Knackpunkt ist die korrekte Stellung bei freiem Genick, welche über die Biegung die innere Hüfte etwas weiter vorne platzieren lässt. Deshalb sind (bei junger Remonte ev. weit gezogene) gebogene Linien am Anfang einfacher und gymnastisch wertvoller, als nur geradeaus.
In der Versammlung sollte das vorschwingen der Hinterbeine immer möglichst gleich angestrebt werden und nur der Schub nach hinten abgekürzt werden. Idealfall Piaffe: vorschwingen der Hinterbeine mit der Schubkraft auf einen Punkt (den Abfusspunkt) konzentriert. der Vorgriff der Hinterbeine erscheint kurz, weil das Pferd keinen Boden gewinnt, im Gegensatz zum starken Trab, wo die Schubkraft maximal ist und dadurch das Pferd an Boden gewinnt. Aber das Vorschwingen ist immer dem Schub angepasst. Die schubkraft darf das Vorschwingen niemals überwiegen, weil sonst das Pferd hinten rausschaufeln würde.
Verfasst: Di, 10. Jul 2007 17:09
von Wolke
Josatianma hat geschrieben:Was sagt denn der RL, wenn sie losrennt und auf die Vorhand kommt?
Ich soll sie vorne "auffangen" ... Wie gesagt, das haut nicht so recht hin.

Verfasst: Di, 10. Jul 2007 18:51
von Josatianma
Hört sich für mich nach typisch üblicher Reitunterricht an. Hat noch nie funktioniert, wird aber immer weiter durchgezogen.
Tja, ist jetzt sicher nicht die Hilfe, die du brauchst, aber gibt es bei euch noch andere RL?
Verfasst: Di, 10. Jul 2007 19:58
von smilla
Ich finde auch immer wieder interesannt, wie sich diese "Pseudo-Theorien" halten! Ich glaube fast, solche RL würden z.B. Jens Beitrag nicht mal verstehen

. Dieses Halbwissen macht micht verrückt (eben meistens bei FN-Leuten anzutreffen)!
Ich würde auch einen anderen RL suchen. Klar, das dauert, aber lohnt sich! Und manchmal geht es schneller, als man denkt..
Verfasst: Mi, 11. Jul 2007 13:31
von Wolke
Werd ich auch tun. Hab auch noch jemanden in Reserve, der vielleicht mehr taugt. Ich war jetzt vier Mal bei dem RL und hab mir Zeit gelassen mit der Entscheidung, weil ich unsicher war. Aber in der Zeit haben wir keine nennenswerten Fortschritte gemacht. Im Gegenteil, jedesmal, wenn ich nach der Reitstunde das erste Mal wieder zu Hause geritten bin, musste ich erst mein Pferd wieder locker und feinfühlig kriegen. Ich dachte, vielleicht muss der RL zuerst rausfinden, was bei Linda am besten wirkt, die ersten beiden Male war auch nicht recht an Arbeiten zu denken, weil sie aufgeregt war. Aber nach vier Mal dünkt es mich, dass ich nicht mehr so mit meinem Pferd kämpfen müssen sollte, wo es doch zu Hause recht gut zu reiten ist.
Gestern ist sie anfangs schön ruhig getrabt, aber der RL hats geschafft, dass sie Ende der Stunde wieder ständig davonrannte. Sein Rat: "Zügel kürzer!"

Ne, das bringt uns nix so.
Verfasst: Mi, 11. Jul 2007 18:51
von smilla
Gut, dass du das so schnell gemerkt hast!!! Ich habe bei meiner letzten RL (noch FN-Zeit) leider länger dafür gebraucht und so ne Menge Geld in den Wind geschossen. Damit könnte man so viel Schönes machen: Klassik-Bücher kaufen, Eis essen, Schabracken kaufen, Kurse besuchen, Pizza essen gehen, vielleicht sogar in den Urlaub fahren

Verfasst: Sa, 14. Jul 2007 21:23
von Wolke
smilla hat geschrieben:Gut, dass du das so schnell gemerkt hast!!!
Ich wünschte, ich hätte es eine Woche früher richtig gemerkt!

Jetzt rennt sie mir im Trab nur noch davon und ist nicht wieder ruhig zu kriegen. Zuvor konnt ichs nach der Reitstunde jeweils wieder hinbiegen, aber diese Woche habe ich sie schon 3 Mal geritten und es wird nicht mehr besser. *heul* An der Longe läuft sie tipptopp!

Verfasst: Mi, 03. Okt 2007 11:29
von Steffen
Hast Du den Reitlehrer mal auf die Resultate seiner Anweisungen angesprochen? Konnte er denn sein Konzept einmal vorreiten? In jedem Fall hat es wenig Sinn, wenn Du den Eindruck hast, dass sich die Reiterei nicht verbessert.
Aber zu deiner Frage: Vermehtes Untertreten der Hinterhand ist das Ziel der reiterlichen Ausbildung, damit das Pferd unter dem Reiter mehr Gewicht mit der Hinterhand aufnimmt, als dies ohne Reiter der Fall wäre. D.h. es muss sein Gleichgewicht unter dem Reiter bzw. ein gemeinsames Gleichgewicht neu finden und dieses in den geforderten Übungen erhalten. Dazu wird es im Rahmen der Dressurausbildung "umgeformt". Diese Umformung erfolgt in mehreren Schritten, die jedoch alle einander bedingen und nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können.
Zunächst muss das Pferd unter dem Reiter zu einem klaren Takt kommen. Dazu benötigt es hier und da vermehrt reiterliche Hilfen. Wenn das Pferd seinen Takt unter dem Reiter gefunden hat, wird der Reiter die Hilfengebung reduzieren und anstreben, dass das Pferd losgelassen und ohne Spannung taktrein in den Grundgangarten geht. Dazu ist eine korrekte Anlehnung unbedingt erforderlich, damit der Spannungsbogen von der Hinterhand bis zum Gebiss erhalten bleibt. Dies ist die Grundlage jeder Kommunikation. Ohne Anlehnung kann der Spannungsbogen abreißen. Die Hilfen des Reiters kommen nicht mehr durch und wirken nur auf einzelne Stellen des Pferdes, nicht aber mehr auf das ganze "System Reitpferd". Jede Ausbildnung im klassischen Sinne wäre dann gescheitert.
Im nächsten Schritt wird man - insbesondere durch Übergänge - versuchen, das Pferd zu einem schwungvolleren Treten zu veranlassen, wobei man drauf achten muss, dass Takt und Losgelassenheit nicht verloren gehen. Die richtige Anlehnung ist dabei häufig ein Indiz, ob man sich auf dem richtigen Weg befindet. Das Pferd darf eben auf keinen Fall wegrennen. Hat es diese Tendenz, so muss man immer wieder durh halbe Paraden das Reiten der Übergänge üben üben üben. Oliveira hat einmal von 7 verschiedenen Trabtempi gesprochen, die man gezielt reiten können sollte. Das wesentliche hier ist, dass man "zum Treiben kommt". Das bedeutet, dass man treibt, wenn das Pferd zurückkommt, sich also versammelt und keinesfalls, wenn es den Rahmen erweitert. Eine Rahmenerweiterung entsteht dagegen durch das "Herauslassen" der Bewegung, während ein Verkürzen durch ein "Treiben unter den Schwerpunkt" erzielt wird und keinesfalls durch das Ziehen von vorn.
Neben der Schwungentfaltung ist nun auch vermehrt darauf zu achten, dass das Pferd nicht an der Kraftlinie (Schwerpunkt) vorbei tritt. Die Geraderichtung (insbesondere durch Schultervor-Reiten) ist nun der nächste Punkt. Tritt das Pferd schwungvoll und taktrein gerade unter den Schwerpunkt und stimmt die Kommunikation durch eine korrekte Anlehnung wird sich mit zunehmender Steigerung der Anforderung auch mehr Versammlung einstellen. Das Pferd findet schrittweise ein neues Gleichgewicht, indem es vermehrt mit der Hinterhand untertritt. Es kommt "vor den Reiter", es beginnt sich selbst zu tragen und bedarf nun immer weniger reiterlicher Hilfen. Die Kommunikation wird "leiser", weil das Pferd gelernt hat, den Reiter in einer Weise zu tragen, dass es dessen Aufforderungen leicht und ohne Anstrengungen umsetzen kann. Im Idealfall führt dies zum "Aussetzen der Hilfen". Reiter und Pferd sind im perfekten Gleichgewicht. Das ist aber das Ergebnis und nicht der Beginn der Dressurausbildung.
Vermehrtes Untertreten ist also das Ergebnis eines systematischen Ausbildungsprozesses und nicht einer bestimmten Reittechnik.