Bestandbuch/Stallbuch
Nach Therapienotstand, Pferdepass und MKS-Zwangsmaßnahmen droht den Pferdehaltern von einer neuen Gesetzesinitiative schon wieder Ungemach: Seit dem 24. 2006 September müssen nach dem Willen des Gesetzgebers nutztierhaltende Betriebe ein sogenanntes Stallbuch führen, in welches jede medikamentöse Behandlung einzutragen ist.
Zum Sachverhalt ein Kommentar von Thomas Hartwig, Leiter der FN-Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Probleme und Missstände in der Haltung von Nutztieren, die zur Lebensmittelgewinnung dienen, sind seit Jahren bekannt. Von Seiten der Gesetzgeber und der Bürokratie wurden in der Vergangenheit sinnvolle oder weniger erfolgreiche Methoden ersonnen, um dies zu verhindern. Bereits seit rund zehn Jahren etwa existiert die Möglichkeit, Landwirte, die wegen Arzneimittelmissbrauch in der Nutztierhaltung auffällig geworden sind, zum Führen eines sogenannten Stallbuches zu zwingen. In dieses Stallbuch müssen dann sämtliche Behandlungen der Tiere eingetragen werden. Aufgrund der jüngsten Arzneimittelskandale in der Nutztierhaltung hat der Gesetzgeber nun beschlossen, dass alle nutztierhaltenden Betriebe ein solches Stallbuch zu führen haben.
Im Sinne des Verbraucherschutzes, und nur um den geht es hier, prinzipiell keine schlechte Sache. Denn so hat der Landwirt selbst einen genauen Überblick, welche seiner Tiere, wann mit welchen Medikamenten behandelt worden sind. Auch für die Kontrollbehörden, die mit der Überwachung des Lebensmittels "Tier" befasst sind, bietet ein solches Stallbuch die Möglichkeit, nachzuvollziehen, ob lebensmittelliefernde Tiere mit Medikamentenrückständen belastet sind oder nicht. So weit die gute Nachricht.
Die schlechte Nachricht hingegen: Mal wieder haben die Experten, die sich mit der Gesetzgebung zu dieser Thematik beschäftigten, nicht erkannt, dass zwischen Hühnern, Schweinen und Rindern auf der einen Seite und den Pferden auf der anderen Seite ein kleiner Unterschied besteht. Denn da das Pferd im Sinne des Gesetzes ebenfalls Lebensmitteltier ist, sollen nun nach dem Willen der Gesetzgeber auch alle pferdehaltenden Betriebe ab dem 24. September dieses Jahres dazu verpflichtet werden, ebenfalls solche Stallbücher für alle Pferde in ihrem Bestand zu führen.
"Wir sind schon wieder Opfer derjenigen Fachleute geworden, die nicht fähig sind, zwischen Schweinen und Pferden und zwischen der Führung einer Hühnerfarm und eines Pferdebetriebes zu unterscheide", kommentiert Dr. Hanfried Haring, Generalsekretär und Vorsitzender des Geschäftsführenden Vorstandes der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN, die Situation mit einer gehörigen Portion Sarkasmus.
Und dieser Sarkasmus scheint angebracht, denn die Interessenvertretung der Betroffenen, die FN, wurde vorab weder informiert, noch wurden die zahlreichen vernünftigen Argumente gegen die Einbeziehung der Pferde in dieses Gesetz gehört. Auf die Idee, dass die Einzeltierhaltung eines Pferdes auf einem Pferdebetrieb und die Massentierhaltung in einer Schweinemästerei zwei gänzlich unterschiedliche Sachverhalte darstellen, sind die Experten mit ihrem geballten Verstand erst gar nicht gekommen. Denn wie schon bei den Themen Therapienotstand oder unlängst MKS werden Schweine, Rinder, Hühner und Pferde im wahrsten Sinne des Wortes in einen Topf geworfen, wenn es um ihren rechtlichen Status geht.
Wieder einmal wird vergessen, dass zwischen der Leitung eines Schweinemastbetriebes und eines Pensionsstalles für Pferde einige gravierende Unterschiede bestehen. Während der Schweinemäster sehr wohl überblicken kann, wann seine Tiere welches Präparat verabreicht bekommen haben, ist der Leiter eines Pferdebetriebes schon praktisch dazu nicht in der Lage. Wie ein Pferdebetriebsinhaber mit beispielsweise 40 Pensionspferden überhaupt erfahren soll, wann welcher Pferdebesitzer, welches Pferd von welchem Tierarzt mit welchem Präparat hat behandeln lassen, darüber haben sich die populistisch und politisch motivierten, keinesfalls aber realistisch und praktisch denkenden Verantwortlichen anscheinend wieder mal keine Gedanken gemacht.
Und auch auf andere Personengruppen ist die Pflicht zur Führung des Stallbuches nicht so einfach abzuwälzen. Denn der Pferdebesitzer beispielsweise kann frühestens bei Rechnungsstellung durch den Tierarzt erfahren, mit welchem Medikament sein Pferd behandelt wurde, da er selbst bei der Behandlung häufig nicht anwesend ist. Der Tierarzt wiederum ist bei der Behandlung oft mit einer Vielzahl unterschiedlicher Menschen wie Pfleger, Bereiter oder Ausbilder konfrontiert.
Die Einführung des Medikamenten-Stallbuches auch für Pferdebetriebe erinnert doch sehr an ähnliche Schnellschüsse, die wohl mehr aus populistischen und politisch motivierten Gründen, mehr oder weniger über Nacht losgetreten wurden. Vergessen haben anscheinend die geistigen Urheber des neuen Gesetzes auch, dass der mit vielen Mühen ins Leben gerufene Pferdepass gerade aus dem Grund von der EU eingeführt wurde, um die Behandlung von Pferden mit bestimmten, für den menschlichen Verzehr problematischen Substanzen zu kontrollieren. Insofern also speziell für die Pferdehaltung kein Grund für die Einführung solcher Stallbücher existiert. Vergessen haben Theoretiker und Politiker jedoch anscheinend ebenfalls, dass man keine Normen aufstellen darf, die selbst für den gutwilligsten Betroffenen, sprich den Pferdebetriebesleiter, nicht erfüllbar sind. Mit der Einbeziehung der vollkommen falschen Zielgruppe Pferdebetriebe werden jedenfalls die tatsächlichen Probleme nicht gelöst, sondern lediglich neue geschaffen.
Wann wird wohl endlich einmal ein Gesetz verabschiedet, das uns vor unnötigen, dummen und undurchführbaren Gesetzen und deren Urhebern schützt?" Obwohl sich die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) eindeutig gegen die Einführung des sogenannten Stallbuches durch den Gesetzgeber ausspricht und sich weiterhin dafür einsetzt, dass Pferdehalter und -besitzer von der Führung des Stallbuches ausgenommen werden, bieten wir an dieser Stelle eine Verlinkung zum Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft von dessen Internetangebot unter
www.verbraucherministerium.de ein Formblatt heruntergeladen werden kann, das von den Behörden als Stallbuch anerkannt wird.