Springen- warum?

Rund um die klassische Reitkunst

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geolina
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Beitrag von geolina »

hallo,

und bei 2:22 gleich ne anregung für charona *g*.

alex
irgendwann wird`s schon nach reiten aussehen - irgendwann ...
charona
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Beitrag von charona »

Hab ne ausrede, Geo: gelber schein fürs pferd, leider
hilahola
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Beitrag von hilahola »

Ich finde springen dem Grunde nach für beide (Reiter und Pferd) wichtig und vor allem können beide durch die Hüpfer sehr viel lernen, wenn man es sinnvoll angeht.

Als ich meine erste Springstunde hatte auf einem Schulpferd vor ca. 5 Jahren war da ein Parcour aufgestellt und da hieß es dann einfach drüber. Es hat sich für mich sehr nach "Schirennen aus der Kindheit" angefühlt, also volle Action - und einfach irgendwie, Hauptsache drüber. Ich habe da dann noch zwei Mal solchen Springunterricht genommen (bin halt doch manchmal ein kleiner Adrenalinjunky), dann hat aber jemand aus dem Stall einen Abgang gemacht und ab da hab ich dann meine Springversuche wieder etwas hinangestellt.

Als bein eigenes Pferd dann einigermaßen reitbar war und ich schon ein Jahr lang regelmäßig RU genommen hatte, äußerte ich voll motiviert den Vorschlag, dass ich mit meinem Pferd springen wollte. Ich bekam dann eine sehr ernüchternde Antwort, "was, mit einem Araber?!" und ja, das hat mich damals (und auch heute noch) schon etwas gekränkt, vor allem, da ich meine damalige RL sehr schätze. Heute würde ich sagen, gerade zum Trotz, habe ich dann angefangen mein Pferd zuerst über Cavaletti an der Longe und dann Freispringen zu lassen und als dann meine RL zufällig mal im Stall war und uns über die Cavaletti hüpfen sah, meinte sie, dass es vielleicht doch gehen würden mit dem Springen.

Also hatte ich dann vor ca. 2 Jahren meine erste Springstunde mit meinem Pferd. Nunja, das erste Kreuz gleich aus dem Galopp hat schon funktioniert und das hat sich für mich auch noch ok angefühlt, als sie dann aber nach ein paar mal gleich einen Steilsprung aufbaute von ca. 60 cm und beim Anreiten forderte, dass ich "mal mehr Tempo machen sollte" und sich das ganze für mich schon völlig außer Kontrolle anfühlte, habe ich mich dem Springen wieder abgewendet, das war mir alles etwas zu viel, obwohl Pferdi das suuper machte und ich laut RL auch durchaus "Talent" für Springen hatte (entgegen ihrer früheren Mutmaßung...). Im letzten Jahr habe ich dann in unregelmäßigen Abständen Cavaletti oder mal ein Hindernis aufgebaut, alles in einer Höhe, die für mich noch ok war und das hat so als Abwechslung mir und Pferdi schon viel Spaß gemacht.

Vor ca. zwei Monaten habe ich dann neuerlich beschlossen, das Springen systematisch in Angriff zu nehmen und hatte bislang folgende Erkenntnisse: 1. Einen Parcours springen ist das "Ziel" das Endergebnis. Dieses Ergebnis besteht aus a) dem Weg zwischen den Hinternissen, den man im Idealfall im Galopp zurücklegt und b) dem Sprung an sich.
Beim Sprung an sich hat das Pferd zwei Möglichkeiten: a) entweder es macht einen "längeren" Galoppsprung - springt also flach oder b) es drückt gemeinsam mit beiden Hinterbeinen (zwar in leicht versezter Hufstellung, dann sieht man von Hinten beide Hufe/Hufeisen beim Absprung) ab - dann gehts in die Höhe. Damit das Pferd aber mit beiden HB gleichzeitig abspringen kann, muss es fast sowas wie eine klitzekleine Pause direkt vor dem Sprung machen.

Nachdem Galopp über Cavaletti funktioniert hat habe ich mir ein Minikreuz (30 bis 40 cm) auf dem Zirkel bei X aufgestellt (sodass ich einen konkrete Linie habe, die ich reiten will), über das das Pferd zur Not auch aus dem Stand drüberkommt. Ich bin dann im Trab auf das Kreuz zu und Pferd ist gefühlt kurz sehen geblieben und hat dann einen Mordssatz darüber gemacht. Ich hab das dann ein paar mal weiter aus dem Trab probiert (vor dem Sprung aussitzen, dann kommt man nicht so leicht vor die Bewegung und man fühlt den "Kick" beim Abheben im Gesäß) und es wurde immer besser und flüssiger. Zum Schluss konnte ich auf beiden Händen das Kreuz im Galopp überwinden (bin im Aussitzen geblieben, also kein leichter Sitz) und es war so kontrolliert und im Fluss - ich war echt selbst absolut überrascht. Und ich hatte wirklich auch selbst ausreichend Zeit alles zu koordinieren, sodass es nicht alles "so schnell" abläuft, sodass man gar nicht weiß was eigentlich passiert. Und der Galopp dazwischen und davor war auch so ruhig und nicht so hektisch "auf das Hinternis kopflos hinziehend" wie bei manchen Versuchen davor.

Ich stelle mir ca. 3 mal die Woche zwei Hinternisse in die Bahn, auf eine konkrete Linie (meistens auf der Mittellinie, parallel zur langen Seite, sodass sie von beiden Seiten gut zum Antreiten gehen, keine langen geraden Linien davor, weil da wird mir das Pony dann zuweil zu hektisch) und reite zunächst einfach ganz normal Aufwärmübungen im Schritt und Trab und dann die Hinterdnisse aus dem Galopp, dann steige ich meistens ab und mache ein Hinderniss etwas höher (max. 60 cm) oder baue sie optisch um und dann wieder aus dem Trab und dann wieder Galopp. Und das alles läuft so ruhig ab, wie beim normalen Dressurreiten, ich bleibe jeweils auch im Aussitzen (zumindest vor dem Sprung und schnalle mir für diese geringe Höhe auch die Bügel nicht kürzer), damit ich eben auf den "Kick" vom Pferd warte und nicht meinen Oberkörper vor dem Pferd nach vorne schmeiße und der Hintern hochkommt. Und ich kann danach vor allem ganz "normal" weiterreiten (davor hab ich praktisch immer während dem Sprung aufgehört zu "reiten", weil wir ja den Absprung geschafft haben). Und dieses Springen macht mir derzeit so unglaublich viel Spaß und dem Pferd auch.

Ich glaube beim Springen muss man (ebenso wie beim Dressurreiten) die Dinge einzeln Üben und erst dann zusammenbauen. Ich hab absolut kein Problem mit Tempo - wir können im Gelände sooooo schnell galoppieren, dass es mir die Tränen in die Augen treibt und ich genieße das Tempo auch, wenn es kontrolliert ist, also ich der Kopf der ganzen Angelegenheit bleibe.

Und jetzt zu meinen Überlegungen zum Tempo beim Springen und das was indirekt zu den meisten Problemen und der "Angst" der Reiter vorm Springen führt:

Für das Pferd ist es körperlich anstrengend vor dem Sprung eine "Pause" zu machen "in die Knie zu gehen" und dann abzudrücken. Wenn das Pferd mehr Tempo hat, kann es sein Körpergewicht praktisch durch die Bewegungsenergie nach vorne über das Hindernis werfen und so den anstengenden Part etwas abkürzen, vermeiden. Das Problem bekommt das Pferd bei der Landung, weil es dann sein Gleichgewicht noch mehr nach vorne und dann - je nach Temperament davonstürmt oder buckelt. Und beides verhindert, dass man als Reiter nach der Landung dann "normal" seine Linie weiterreiten kann und muss zuerst wieder schauen, dass man das Pferd im Galopp ins Gleichgewicht bekommt, möglichst zeitig vor dem nächsten Hindernis, weil sonst wiederholt sich die Spirale und das Pferd wird immer noch schneller und aufgeheizter (oder verhält sich immer noch mehr - da merkt es der Reiter halt nicht so fürs eigene Leben bedrohlich).

Zum Kontrolle aufgeben und das Pferd machen lassen: Bei einem routinierten Pferd, das wirklich gelernt hat zu springen, sich zwischen den Hindernissen auch wirklich leicht beeinflussen lässt, mag das einen gute Idee sein. Wenn beide eher unerfahren sind, dann würde ich doch die Kontrolle vorziehen und damit mein ich nicht gleich Kontrolle im vollen Galopp, sondern halt zunächst einfach mal nur Gehorsam, dass das Pferd über das Hinternis springt, wenn auch zunächst mal aus dem Stand - dass es also lernt, dass es da keinen Weg rum gibt und dann eben nach und nach ausbauen. Immer nur soviel wie man selbst als Reiter noch mit selbstbewusstem Gefühl machen kann und man auch emotional "Chef" sein kann.

Aufgrund meiner bisherigen Beobachtungen ergibt sich für mich der Nutzen des Springens. Es verbessert - wenn das Pferd lernt richtig zu springen - ungemein die Balance und vor allem der schnelle wechsel zwischen "Belastung der HH" und "Belastung der VH" scheint hier förderlich zu sein. Der Sprung ist im Prinzip nur ein sehr großer und zerrissener Galoppsprung im 4 Takt (im Idealfall) und daraus ergibt sich gleichzeitig der Nutzen für die Dressur.

Wenn ich z.B. rechte Hand auf dem Zirkel galoppiere und springe, dann fusst zuerst linkes HB, dann ganz schnell und nah daneben, das rechte HB, dann geht der Körper in die Luft, dann landet das linke Vorderbein, dann das rechte Vorderbein und dann das rechte linke Hinterbein, dann das Rechte HB und Linke VB und wir sind wieder im rechts Galopp. Und wenns Pferdi umspringt, dann ist eben irgendwo der Haken drin :D und man hat was zum Üben.
Und das zerreißen der Diagonale macht im Endeffekt den versammelten 4 Takt Galopp wie in den Galopppirouetten aus und das verbessert natürlich auch den "normalen" 3 Galopp, die unterschiedlichen Tempos usw.

Auch denke ich, dass es nicht so schlecht für den Kopf der Pferde ist, das zunächst mal in ganz ruhigem Tempo, vielleicht sogar erst im Schritt und dann im Trab über das HIndernis zu bringen. Ich glaube, dass die Pferde deshalb anfangs teils so hoch springen (und man dann meint, man muss höher Bauen, weil das Pferd ja so viel "Luft" nach oben hat...) , weil sie schon etwas "Angst" haben und dann mal lieber auf der sicheren Seite sein wollen und deshalb mehr Einsatz reinstecken, als erforderlich. Wenn sie aber dann merken, dass sie über so ein bedrohliches Minikreuz, auch aus dem Stand (Motto: egal wie) und dann aus dem Trab drüberkommen, legt sich das meiner Meinung nach, weil sie lernen die Höhe abschätzen und vor allem in dem langsamen Tempo erst mal Zeit haben sich eine Strategie zurecht zu legen, wie man denn da jetzt am besten drüberkommt mit Mensch oben drauf. Und wenn man dann nach und nach mehr Tempo hinzufügt, wirds eben "einfacher" für die Pferde und trotzdem bleibt man der Kopf bei der ganzen Geschichte und wird nicht zum Beifahrer degradiert.

Und für den Reiter oben drauf ist es auch heilsam, es wirklich erst mal langsam angehen zu lassen. Ich hatte vorher immer das Problem, dass ich praktisch vor dem Pferd abgesprungen bin und dann der ganze Sitz instabil wurde, mit Unterschenkel nach hinten, Oberkörper zuviel nach vorne und Hintern hinten raus. Ich habe dann immer lange gebraucht, bis ich mich nach dem Sprung wieder halbwegs sortiert hatte (Pferdi war gottseidank immer so brav und hat nach dem Sprung von selbst einen Gang runtergeschaltet). Wenn man es langsam macht und wirklich vor dem Absprung auf seinem Hintern sitzen bleibt und auf den "Kick" vom Pferd wartet und dann erst seinen Oberkörper nach vorne bringt, kommt man nicht so einfach vor die Bewegung und man fängt an "weniger" zu machen und mehr den Bewegungen einfach zu folgen. und man fängt sich schneller wieder nach dem Sprung.

Man kann natürlich auch den umgekehrten Weg gehen und das Pferd erstmal mit mehr Tempo drüberschicken, und dann nach und nach die Koordination entwickeln. Aber mir persönlich liegt andersrum mehr, auch wenns zunächst nicht so cool aussieht.

Also springen macht nicht nur Spaß und sorgt für Abwechslung, sondern man kann damit dem Pferd auch sehr gut Ideen geben, wie es sonst noch gehen könnte und man braucht zum sinnvollen Üben nicht gleich am Anfang den ganzen Parcours, sondern es genügt, wenn man sich einen oder zwei Hindernisse aufstellt (da lässt sich der innere Schweinehund leichter überreden, den Kram auf den Reitplatz zu karren :D )

lg hilahola
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