Aktive Hinterhand ohne "Kauen"

Rund um die klassische Reitkunst

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Big Mama
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Beitrag von Big Mama »

Tja, Manfred: Wie schon in einem anderen Thread geschrieben, Lucky hat ein Westerngebiß, Sweetireon, nützt gar nichts!!! Und ganz zufällig hatte er auch schon diese Linda-Kandare drin: nüscht!!
Soviel zu den tricksy Gebissen.
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

Jen hat geschrieben: Aber ich versuche mich trotzdem nicht aufs Kauen zu versteifen, sondern die Situation so zu schaffen, dass das Pferd von sich aus abkaut. Meist muss man dabei mehr an sich als am Pferd arbeiten... ;)
Ein wahres Wort! Sobald ich mich aufs Kauen konzentriere (oder aufs Abschnauben), geht nix mehr! Falls ich aber auf den grandiosen Gedanken verfalle, mein Pferd mal so richtig zu ärgern mit ganz viel Übergängen kombiniert mit RR, kann ich drauf warten, dass er kaut und abschnaubt.

Das LTJ-Bit halte ich übrigens für ein zimelich gefährliches Teil, trotz der das Kauen angeblich anregenden Kupferrolle. Man sollte halt nie vergesen, dass es ein Korrekturgebiss ist und für den Dauergebrauch eher ungeeignet :twisted:
Manfred

Beitrag von Manfred »

Big Mama hat geschrieben:Tja, Manfred: Wie schon in einem anderen Thread geschrieben, Lucky hat ein Westerngebiß, Sweetireon, nützt gar nichts!!! Und ganz zufällig hatte er auch schon diese Linda-Kandare drin: nüscht!!
Soviel zu den tricksy Gebissen.
Echt nicht, da bin ich aber überrascht! :shock: Kannst du mal sehen!

Und so ganz ohne ein Gebiss? Das dürfte doch dann noch weniger in diese Richtung gehen, oder?

Allerdings habe ich auch schon Pferde gesehen, die dennoch kauten, wenn sie gerade eine Lektion verstanden hatten und völlig "nackig" waren.

Für mich ist das Abschnauben schon eher ein deutliches Zeichen für die körperliche Lösung des Pferdes. Der Kopf kommt runter und es streckt sich dabei nach vorne. Zusammen ergibt das dann ein vorwärts / abwärts. :wink:

Das Kauen jedoch erfolgt eher unter einer gewissen Anspannung. Der Kopf steht vor der Senkrechten und der Hals ist etwas eingerollt. In einer gestreckter Haltung, so wie beim Abschnauben habe ich das jedenfalls noch nicht gesehen. :roll:

Aber dennoch scheint sich das Tier auch darin und dadurch von eben dieser Anspannung zu lösen. Zumindest habe ich diesen Eindruck gewonnen.

LG
Manfred
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

Manfred hat geschrieben: Und so ganz ohne ein Gebiss? Das dürfte doch dann noch weniger in diese Richtung gehen, oder?
Allerdings habe ich auch schon Pferde gesehen, die dennoch kauten, wenn sie gerade eine Lektion verstanden hatten und völlig "nackig" waren.
Warum denn nicht? Mein Tier kaut ohne Gebiss wunderbar, immer mal, nicht ständig. Mit Gebiss ist es unterschiedlich, wie schon gesagt, erzwingen lässt es sich nicht wirklich :(
Für mich ist das Abschnauben schon eher ein deutliches Zeichen für die körperliche Lösung des Pferdes. Der Kopf kommt runter und es streckt sich dabei nach vorne. Zusammen ergibt das dann ein vorwärts / abwärts.
Dynamit schnaubt in verschiedenen Situationen ab, zb, wenn er seinen Hafereimer kriegt :P Bei leichterer Arbeit seltsamerweise nicht, aber wenns dann richtig anstrengend wird, schon :? Man könnte fast auf den Gedanken kommen, erst mit körperlich anstrengender Arbeit fühlt er sich wohl ;) Gestern waren es z.B. Übergänge Trab-RR-Trab, nicht formvollendet (Gottbewahre, weit davon entfernt). Ziel war, dass er beim Durchparieren vom Trab in den Schritt nicht so extrem nach vorne fällt. Ziemlich anstrengend, völlig klar! Kannte er auch nicht. Und plötzlich schnaubt der Gaul ab!
Nicht auszuschließen ist natürlich immer die Frage der Losgelassenheit des Reiters: Solange ich versuche, Losgelassenheit zu erreichen und mich darauf versteife, habe ich schlechte Karten :P Konzentriere ich mich auf anderes - voilá.
Das Kauen jedoch erfolgt eher unter einer gewissen Anspannung. Der Kopf steht vor der Senkrechten und der Hals ist etwas eingerollt. In einer gestreckter Haltung, so wie beim Abschnauben habe ich das jedenfalls noch nicht gesehen.
Doch, gibts auch, bei uns z.B. nach der Arbeit!

Auch wenn das Kauen generell den Unterkerfer lockert und somit prinzipiell die Entsapnung fördert, so gibt es doch m.E. nach zwei deutlich unterscheidbare Varianten:
1.) Das von Dir beobachtete Kauen, eher etwas nervös, als Zeichen von innerer Anspannung, oft auch im Zusammenhang mit zuviel Handeinsatz: P und
2.) ruhiges, gelassenes Abkauen, immer mal wieder, aus dem sich oft auch Abschnauben ergibt. Letzteres ist das Ziel (zumindest für mich) - ein entspannt kauendes Pferd, das sich auch nicht auf den Zügel packt und locker und fröhlich in die Piaffe geht ;) Darauf warten wir dann noch mal ein Menschen- und Pferdeleben lang :P
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Larry
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Beitrag von Larry »

Hallo,
nicht in der neuen Cavalo die jetzt aktuell kommt, sondern in der danach, gibt es über das Kauen einen Artikel!
Habe ich heute in der Cavallovorschau gelesen.
LG Larry
Big Mama
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Beitrag von Big Mama »

Das mit dem Kauen hat mich nu doch nicht in Ruhe gelassen, und so wurde mein Dicker am So zum Versuchstier. Und was kam raus: Wenn ich meinte er ist jetzt schön VA und locker kam gar nichts, als ich aber etwas mehr Aufrichtung und Versammlung vorderte und ein bisschen Druck mit dem Schenkel machte fing er plötzlich an mit dem Gebiss zu spielen???! Eigentlich hatte ich damit nicht gerechnet weil ich immer denke wenn ich meinem Pferd Druck mache kann es gar nirgens entspannt sein. Da kommt mein bescheidener Pferdeverstand nicht mit und ich erkläre offiziell meine Versuchsreihe als beendet. Im Ernst: Wieso kaut der wenn er " ran" muß und nicht wenn er entspannt VA gehen darf?
Wer löst den Knoten in meinem Hirn, bitte???
Big Mama
Manfred

Beitrag von Manfred »

Big Mama hat geschrieben:Wieso kaut der wenn er " ran" muß und nicht wenn er entspannt VA gehen darf? Wer löst den Knoten in meinem Hirn, bitte???
Hallo Big Mama,

das wurde doch bereits erwähnt. Die Anspannung fordert das Tier nicht nur körperlich sondern auch geistig. Es setzt sich intensiv damit auseinander und beginnt je nach Veranlagung mehr oder weniger stark zu kauen.

Die NH-Leute sagen auch, wenn es sich die Lippen leckt, dann hat es eine Lektion verstanden. Zumindest soll dann gerade etwas in seinem Hirn abgespeichert werden. :wink:

Kaut es jedoch in völliger Entspannung, sehen viele Leute darin einen von der Natur bedingten Reflex, der in Verbindung mit der Nahrungsaufnahme zu sehen ist. Das Tier fühlt sich wohl und denkt instinktiv an Fressen und nicht an Arbeit oder etwas Lernen.

Was davon nun richtig ist, weiß ich auch nicht. Aber ich habe genau die selbe Beobachtung gemacht, wie Du. Kauen und Abspeicheln findet nur bei angestrengter Arbeit statt und nicht bei Entspannung. In einer entspannten Dehnungshaltung habe ich das jedenfalls auch noch nicht beobachtet. :roll:

Allerdings muss ich auch zugeben, dass wenn die Anspannung zu hoch wird, das Tier die Lippen eher fest zusammenkneift und auch nicht kaut. Insofern muss es auch mit einer gewissen Entspannung bei der konzentrierten Arbeit zu tun haben. Das Tier muss also in der Lage sein, das Verlangte bewusst zu verarbeiten und darf eben nicht nur dem Druck weichen. Das könnte meines Erachtens eine Erklärung dafür sein.

Liebe Grüße
Manfred
Sefton
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Beitrag von Sefton »

Hallo Ihr Lieben,

also ich habe auch ein eher kaufaules Pferd, dass zudem noch gerne die Flucht nach vorne sucht (aber bloß nicht ans Gebiß herantreten).

Jetzt ist es aber so, dass der aktive Reiterschenkel beim Pferd einen Reflexpunkt aktiviert, der die Ohrspeicheldrüse anregt und damit das kauen.

Mein Tipp daher: nicht zuviel Hand - mehr Bein. Ich reite bei meinem Fluchttier in der Lösungsphase im Schritt schulterherein, travers, schulterherein, travers. Immer im Wechsel, drei Schritte vorwärts, drei Schritte seitwärts, durch die ganze Diagonale. Durch den Wechsel von vorwärts-und seitwärtstreibendem Schenkel und der Tatsache, dass ich hier einfach mit mehr Bein arbeiten muss, fängt er an zu kauen und läßt im Genick los (spätestens nach der zweiten Diagonalen auf einer Hand).

Probier es doch einfach mal aus.

Liebe Grüße

Bettina
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pepe
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Beitrag von pepe »

Big Mama hat nicht zuviel Hand, Lucky wird am Seidenfaden gefuehrt (Ausnahmen bestaetigen die Regel). :wink: Dies hat sie sich gerade durch die Seitengaenge und das Loesen im Schritt mit Seitengaengen erarbeitet.
"Reiten Sie Ihr Pferd teuer!" -Richard Hinrichs
kallisto
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Beitrag von kallisto »

Also ich stelle immer wieder fest, wenn ich ein Pferd an der Longe locker mit Halfter kriege, dann schäumt es leicht an der Lippe (nicht tropfend, kleine Bläschen) und kaut ein wenig (kaum sichtbar, wenn man nicht genau hinschaut). Also scheint bei diesem Beispiel kauen auch unabhängig vom Gebiß zu sein. Irgendwie vermute ich sogar, dass das Gebiß das lockere Kauen erstmal verhindert. Weil dasselbe Pferd mit wirklosen Gebiß und lockerem vorwärts-abwärts mit aktiver Hinterhand beim Longieren nicht gekaut/geschäumt hat.

Überall wo man die Zähne sieht oder das Maul direkt aufgemacht, ist für mich falsches kauen bzw. Verspannung oder zu starke Handeinwirkung. Ich sollte mal ein Pferd nach langer Lahmheit reiten. Hätte ich gewußt, wie schlimm verspannt und falsch bemuskelt er ist, hätte ich es sein gelassen. Das Ergebnis war einrollen und extrem lautes Kauen, fast schon zorniges beißen.
Gutes Kauen mit mäßiger Schaumbildung ist für mich eher ein Schmatzen, wobei die Lippen eher geschlossen bleiben. Ein trockenes Maul und offene Ganasche, aktive Hinterhand mit schwingenden Rücken habe ich bisher noch nicht erlebt (wobei ich mir sicher bin, dass es auch da Ausnahmefälle gibt). Aber ich denke, wenn außer dem Kauen die restlichen Anzeichen vorhanden sind, dann finde ich das nicht so dramatisch.

Für mich erscheint die logischste Lösung das Kauen immer aus dem schwingenden Rücken und der freien Ganasche zu resultieren. Dass dieser Prozess auch noch bei vermehrter Hinterhandtätigkeit stattfindet, hängt sehr vom Körperbau ab. Gerade die hohe Aufrichtung quetscht viele Pferde und ein schwingender Rücken bei guter Versammlung ist ein weites Ziel.

Falls das Pferd in Dehnung entspannt kaut und leicht schäumt, dies aber bei versammelnden Übungen weniger tut, wäre ich etwas vorsichtiger.

Lg kallisto
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bea
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Beitrag von bea »

Ich möchte dieses Thema nochmals kurz aufgreifen, auch wenn meine Frage leicht in eine andere Richtung weist als die Ausgangsfrage.
Es geht um Folgendes: Ich war am WoE an einem Reitkurs bei Bea Borelle beim Zuschauen. Frau Borelle ist ja eine Ausbilderin, die das aktive Kauen fordert als Voraussetzung, dass das Pferd auch den Rücken hergibt und von hinten läuft - Kauen also als Mittel zur Arbeit und nicht als Ergebnis davon. Schön und gut - ich habe auf dem Kurs gesehen, dass dieser Weg tatsächlich funktionieren kann. Mir sind nun aber die Zusammenhänge von Kauen resp. dem dadurch offenen Genick und der Aktivierung der Hinterhand noch nicht klar. :roll: Meine erste Frage wäre daher folgende:
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit dieses "von vorne nach hinten" funktionieren kann? (denn das konnte man in dem Kurs bei manchen Pferden sehr schön beobachten...) Wie hängt das offene Genick mit der Aktivität der HH zusammen?

Und dann habe ich noch eine weitere Frage, die in dieselbe Richtung läuft: Das Kauen soll ja durch eine hohe Kopfposition erarbeitet werden, weil das Pferd da am Leichtesten ist und das Genick öffnet. Wie schafft man es aber bei dieser hohen Kopfposition, den Rücken doch als Brücke zu halten? Sitzt der Reiter in den Anfängen dieser Arbeit nicht völlig unphysiologisch auf einem hängenden Rücken?

LG, Bea
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Beitrag von horsman »

Hallo Bea,
mit den Fragen zu diesem Thema setzt sich recht gut und umfassend das Buch von Jean Claude Racinet auseinander: "Racinet erklärt Baucher..., Genie oder enfant terrible"

Gruß
horsmän
Zuletzt geändert von horsman am Di, 28. Nov 2006 15:09, insgesamt 1-mal geändert.
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bea
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Beitrag von bea »

horsmän hat geschrieben:mit den Fragen zu diesem Thema setzt sich recht gut und umfassend das Buch von Jean Claude Racinet auseinander: "Racinet erklärt Baucher..., Genie oder enfant terrible"
Das habe ich mir vor rund einer Woche bestellt; es wurde aber noch nicht geliefert. Dann habe ich jetzt ja doppelt Grund, mich darauf zu freuen. :wink: Danke für deine Antwort.

LG, Bea
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

bea hat geschrieben:
horsmän hat geschrieben:mit den Fragen zu diesem Thema setzt sich recht gut und umfassend das Buch von Jean Claude Racinet auseinander: "Racinet erklärt Baucher..., Genie oder enfant terrible"
Das habe ich mir vor rund einer Woche bestellt; es wurde aber noch nicht geliefert. Dann habe ich jetzt ja doppelt Grund, mich darauf zu freuen.
Du Arme, überleg Dir gut, ob Du das wirklich willst. Es ist ein sehr gutes Buch, aber es macht nix einfacher, im Gegenteil! Vor allem, wenn man nicht schon frankophil reitet ;) Dann stellt es so unendlich viel in Frage...

LG André
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Larry
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Beitrag von Larry »

Zur Frage:
Wenn mein Pferd ein Gebiss im Maul hat, schäumt sie und kaut.
Wenn mein Pferd auf Hackemore geritten wird, möchte ich vorsichtig ausgedrückt sagen, dass sie rüsselt.Sie verdreht dabei die Oberlippe und macht merkwürdige Mimiken..
Beides ist jedoch AUCH bei ihr der Fall, wenn sie sehr konzentriert und angagiert mitarbeitet.

Ob das Pferd gesamt locker ist und aus der Hinterhand tritt, wird bei meiner nicht nur durch das Kauen bestimmt. Da fließen viel Faktoren mehr ein.Ein Haufen mehr!
Z.B. u.a. Muskelgruppen, Bewegungsablauf usw.
Deswegen ist das Kauen aus meiner Sicht kein alleiniger Garant für aktive und aus unserer Sicht richtige Mitarbeit.
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
Helmar Nahr (*1931)
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