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Wieviel Stellung beim Longieren?

Verfasst: So, 01. Feb 2009 12:14
von Susanne
Hallo,

da hier ja gerade sehr viel übers Longieren diskutiert wird würde mich nun Folgendes interessieren:
Wieviel Stellung und Biegung ist Eurer Meinung nach gut, wann ist das Pferd zu gerade und wann ist die Abstellung zuviel?
Ich würde ja sagen, mal sollte wie beim Reiten soviel Biegung haben, daß man von oben leicht das innere Auge sehen würde aber nicht so viel, daß das Pferd im Widerrist "knickt".

Verfasst: So, 01. Feb 2009 12:19
von LordFado
Der Ausdruck Stellung bezieht sich nur auf das Genick des Pferdes?!
Biegung vollzieht sich durch die gesamte Längsachse des Pferdes.

Daher hat meiner Meinung nach ein "Abknicken am Widerrist" nichts mehr mit Stellung oder Biegung zu tun sondern ist eine "Schonhaltung" oder ein Ausweichen des Pferdes, ergo indiskutabel für die Arbeit (egal ob an der Longe oder unterm Reiter).

Verfasst: So, 01. Feb 2009 12:21
von smilla
Ich wünsche mir dazu Bilder! Hat wer welche?

Re: Wieviel Stellung beim Longieren?

Verfasst: So, 01. Feb 2009 13:45
von kallisto
Susanne hat geschrieben:aber nicht so viel, daß das Pferd im Widerrist "knickt".
Knickt das Pferd, weil es zu stark gestellt ist, oder weil es im Hals und Genick die Stellung verweigert sich nur aus dem Widerrist stellt?

Stellung bezieht sich für mich auf den gesamte Halsbiegung. Ist das irgendwo definiert?

Es gibt keine Pauschalisierungen. Das Pferd sollte sich relativ gleichmäßig stellen und das ist schon schwer genug. Feste und steife Pferde lockern sich besser, wenn man sie etwas mehr stellt (kein Dauerzustand, sondern nur Korrektur), sehr lockere Pferde (Schlangenhals) stelle ich lieber weniger, dafür aber korrekt und gleichmäßig im Hals.
Prinzipiell ist das für das Pferd richtig, was zum Ziel (spuriges Laufen mit aktiver HH und gute und gleichmäßige Stellung mit gedehnter Oberlinie) führt. Ein zuviel an Stellung bringt gar nichts, wenn das Pferd mit der äußeren Schulter ausbricht. Dann lieber im Stand die Stellung erarbeiten und korrigieren.

LG Susi

Verfasst: Mo, 02. Feb 2009 09:06
von louise
Hallo,

die FN schreibt dazu:
"Unter Stellung wird das seitliche Wenden des Pferdekopfes im Gelenk zwischen Kopf und Hals, dem Genick, verstanden. Bei einem losgelassenen Pferd wird der Mähnenkamm leicht zu der Seite kippen, zu der das Pferd gestellt ist. Der Hals ist bei der Stellung nur geringfügig gebogen. Die Längsachse (Wirbelbrücke) des Pferdes ist an der Stellung nicht beteiligt, sie bleibt in sich gerade."
Zuviel Abstellung beinhaltet schon wieder Biegung, weil sie über die Stellung hinausgeht.

Du kannst ein Pferd nur stellen, also nur in der Ganasche nachgeben lassen (geringste seitliche Biegung/seitliches Nachgeben) oder in Kopf und Hals in unterschiedlichem Maße biegen, was aber die gleichseitige Stellung mit beinhaltet.

Man kann also im Grunde zur Stellung auch Biegung sagen, da es ja eine Bewegung (seitlich) zwischen Kopf und Hals ist.
Aber eine Biegung bleibt eine Biegung und kann nicht als Stellung bezeichnet werden. Das ist m.E. fehlerhaft.

Kurt Albrecht und Podhajsky schreiben dazu sehr gut, für sie gibt es den Begriff der Stellung (scheinbar) nicht. Ich stell es später rein, bin eilig.

Louise

Verfasst: Mo, 02. Feb 2009 20:31
von louise
hier nun ein Zitat:

Podhajsky, "die klassische Reitkunst - das Biegen":

Zitat: "Die seitliche Biegung besteht in einer gleichmäßigen Biegung des Pferdes vom Genick bis zum Schweifansatz. Die Rippen der inneren Seite werden dabei etwas zusammengedrückt, und der Rumpf wölbt sich nach der äußeren Seite.
Diese Biegung ist in verschiedenen Graden beim Reiten von großen Touren (Zirkeln), bei Wendungen, Volten etc. erforderlich, damit das Pferd diese Übungen nicht nur geschmeidig und mit richtig unterstütztem Schwerpunkt, sondern auch im vollkommenen Gleichgewicht und mit Regelmäßigkeit ausführen kann. Von einem Schul- oder Dressurpferd wird aber auch auf der Geraden eine leichte Biegung nach der inneren Seite verlangt, so daß das Pferd richtig "Gebogen gerade" auf der Reitbahn gehen muss."

Letzteres bezeichnet das, was wir heute Stellung nennen - das Nachgeben und Biegen in den Ganaschen.

"Die seitliche Biegung ist erst dann vollkommen, wenn der Hals nicht mehr als der ganze Körper gebogen wird und das Pferd vor allem hinter den Ganaschen nachgibt."

Ich denke, dieser Satz klärt auch die Eingangsfrage nach zuviel Biegung?!

Wie auch beim Reiten muß die Biegung (außer im Stand) den gesamten Pferdekörper einbeziehen und gemäß der zu longierenden Linie verlaufen.
Ein vermehrtes Abkippen des Pferdehalses verhindert ja nur die weitere Biegung im Körper. Das, was das Pferd im Hals zuviel macht, macht es im restlichen Körper zu wenig bis gar nicht.

@kallisto: Du kannst statt Stellung Biegung sagen, aber nicht umgekehrt.

Louise

Verfasst: Mo, 02. Feb 2009 20:38
von LordFado
louise: nicht statt! da gibt es gravierende Unterschiede!

Stellung ist Stellung bleibt Stellung (Genick des Pferdes).

Biegung setzt Stellung voraus, Stellung ist also eine Teilmenge der Biegung.

Biegung ohne Stellung gibts nicht, während es Stellung ohne Biegung gibt.

Verfasst: Mi, 04. Feb 2009 18:19
von louise
hallo LordFado.

Ich stimme ja mit Dir überein.
Aber: Stellung ist Nachgeben und Biegen, das feinste überhaupt, in den Ganaschen, nicht im Genick...
Steinbrecht bezeichnet es als das vollkommenste Biegen überhaupt auf höchstem Niveau, so weit ich das im Kopf habe, Podhajsky auch.

Früher, siehe meine Zitate oben, gab es den Begriff Stellung nicht, so wie wir ihn heute haben. Und deshalb meine ich, dass man statt Stellung auch Biegung sagen kann. Eben Biegung "nur" in den Ganaschen, nicht im Genick...

Ich selber würde es auch nicht so sagen, weil es mir zu lang ist und in dem Moment zu ungenau, aber möglich wäre es.

Wohingegen man Biegung nie mit Stellung bezeichnen darf, da stimme ich absolut mit dir überein.

Louise

Verfasst: Mi, 04. Feb 2009 19:46
von LordFado
das Gelenk, das bewegt wird, ist das genick, die Ganaschen sind kein Gelenk... Ich weiß, was du meinst aber physikalisch gesehen bewegt sich nunmal das Gelenk (was sich auf das drumrum, nämlich die Ganaschen) auswirkt.

Ich glaube das "Problem" hier ist, dass "im Genick nachgeben" meist im Umgangsjargon eine Achse quer (horizontal und im rechten Winkel) zur Pferdewirbelsäule meint, während die Stellung zwar am selben Gelenk aber eben senkrecht zur Längsachse des Pferdes stattfindet. Meinen tun wir dasselbe, so wie ich dich verstanden habe :-)

Verfasst: Mi, 04. Feb 2009 21:52
von Ajac
Wenn ich mich korrekt erinnere, habe ich von Heuschmann auf einem Seminar gelernt, dass sowohl die Stellung im GENICK AN SICH für das Pferd strenggenommen anatomisch unmöglich ist, ebenso wie die Biegung der Brustwirbelsäule (ich weiß nicht mehr, bis zu welchem Wirbel ganz genau, zumindest wohl im Bereich der echten Rippen).

Die seitliche Bewegung ist erst ab dem Wirbelgelenk zwischen dem 1.+2. Halswirbel möglich, Brustwirbel s.o. und in der Lendenwirbelsäule ist Biegung möglich. Die Kreuzwirbel sind wieder ziemlich unbeweglich bis zur Schweifrübe.

Das ist bei uns Menschen übrigens auch so: Mehr und weniger bewegliche Bereiche wechseln sich ab. Wir können ja z.B. unsere Wirbelsäule zwischen unseren Schulterblättern auch nicht seitlich krümmen, das geht nur drüber und drunter.

So gesehen ist das mit der Biegung so eine Sache...
Ich finde es aber trotzdem hilfreich, von "Stellung" zu sprechen, wenn eben eine seitliche Krümmung im ersten beweglichen Gelenk des Halses gemeint ist. Entlang dieses Bereiches gibt es Muskeln, die als seitliches Gegenspielerpaar das Verwerfen versursachen. Ich erinnere auswendig gerade nicht die Namen. Aber deshalb scheint es mir sinnvoll, über diesen Bereich gesondert zu sprechen und ihn ggf. auch gesondert zu behandeln (wenn's hier schon klemmt, kann's weiter hinten nicht locker sein).

Und Biegung, wäre für mich dann logischerweise, wenn zusätzlich auch die "restlichen" seitlich beweglichen Bereiche einbezogen werden - wobei ich nicht sicher bin, ob sich das anatomisch am lebenden Objekt wirklich trennen lässt :?

Soweit meine freie Erinnerung zur Anatomie, Fachleute bitte vor zum Präzisieren :wink:

Verfasst: Do, 05. Feb 2009 07:44
von sinsa
Bei einer Biegung rotiert die WS (zusätzlich) um ihre Längsachse. Dies bewirkt das Gefühl, das man bei einer Biegung innen sitzt (der Bereich der Rippen rotiert auf der gebogenen Seite in Richtung Boden).
Bei einer Stellung hat man eine Bewegung in/ab Höhe des Atlas (und abwärts).
Eine Biegung findet also sehr stark vereinfacht gesagt, in der gesamten Wirbelsäule mit zusätzl. Rotation statt, während eine Stellung nur den Bereich der Halswirbelsäule ohne zusätzliche Rotation betrifft.
Wie gesagt: sehr stark vereinfacht und nach aktuellen Definitionen.
Was irgendwer mal früher anders definierte ist nicht berücksichtigt.

Verfasst: Do, 05. Feb 2009 07:48
von LordFado
sinsa hat geschrieben:Bei einer Biegung rotiert die WS um ihre Längsachse. Dies bewirkt das Gefühl, das man bei einer Biegung innen sitzt (der Bereich der Rippen rotiert auf der gebogenen Seite in Richtung Boden).
Rotiert die WS ausschließlich um die Längsachse oder auch?
(dass sie das tut ist auch aus meiner Sicht unbestritten, würde ja dann aber zum "Verwerfen" beim Stellen führen)

EDIT: hab grade gesehen dass in sinsas Text nun ein (zusätzlich) steht, das in meinem zitierten Text nicht drin ist. sorgfältiger lesen... trotzdem die Frage: wieviel ist es denn tatsächlich?

Verfasst: Do, 05. Feb 2009 07:52
von sinsa
@Lord Fado ich habe es gerade editiert :D
Es ist eine zusätzliche Rotation

Verfasst: Do, 05. Feb 2009 08:18
von Josatianma
Setzen wir mal an anderer Stelle an. Wir haben hier im Forum einmal eine sehr schöne Einführung zum Longieren am Kappzaum von Jen: hier

Das Pferd geht am Schluß in einer tollen DH ohne allzu starke Innenstellung.

Und wir haben die Diskussion um den Longenkurs.

Vergleiche ich die geforderten Stellungen beim Pferd, so sehe ich da doch große Unterschiede.

Verfasst: Do, 05. Feb 2009 08:39
von Medora
@Sabine: Sooo groß finde ich die Unterschiede eigentlich gar nicht. Die stärkere Stellung dient ja eigentlich nur dazu, dem Pferd zu verdeutlichen, was wir wollen. Bei einem stärker gestellten Pferd ist es leichter, ihnen das Prinzip der Balanceverschiebung weg von der inneren Schulter zu vermitteln. Bei Jens Beschreibung gibt es auch Bilder, wo die Pferde stärker gestellt sind (wo sie schreibt, dass man zunächst nahe am Pferd arbeitet, z.B.). Das Endziel ist natürlich eine Dehnungshaltung mit nur noch einer leichten Stellung auf gebogener Linie und ohne Stellung auf der Geraden.

Ich setze das Locken am Kappzaum, um mehr Stellung zu erreichen, immer dann ein, wenn das Pferd mir wieder nach innen zu kippen droht, quasi als Erinnerung, nicht auf die innere Schulter zu fallen.

Medora