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Vom Zügel abstossen

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 20:35
von Filzi
Ich habe hier zu keinen eigenen Thread gefunden.

Wie schon der Titel sagt: WAS ist damit eigentlich genau gemeint?

Ich habe letztens ein wenig beim Unterricht meiner Freundin mit gelauscht und hätte da schon wieder 100 mal nachhaken können.

Der Wallach wird mit Halsverlängerer geritten. Richtig dehnen kann er sich nicht, nicht gelernt und er wird immer eng und geht tendenziell immer hinter der Senkrechten. Allerdings nicht leicht, sondern sehr deutlich. Ansatz falscher Knick.

Dass der RL das nicht korrigiert wunderte mich immer schon, ist mir aber schnuppe, es ist nicht mein Pferd.

Nun sollte sie im Trab die Hand stehen lassen und treiben. Die Zügel waren kurz. Würde der Wallach sich nun dehnen wollen, müsste die Reiterin ganz wenig mit der Hand mitgehen, das verneinte der RL aber.
Mit dem Argument, er muss sich vom Gebiss abstossen.

Das fand ich interessant.

Mich würde Eure Meinung aber vor allem die Aufklärung zum Knopf in meinem Hirn interessieren.

Was meint der RL damit?

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 20:41
von Stef
seltsamer Reitlehrer :?: :!:

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 21:10
von maurits
wie soll das gehen, wenn das Gebiss mit einem Halsverlängerer versehen ist, der dem Pferd den Kopf runter drückt?

lg
maurits

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 21:17
von Filzi
Das habe ich mich auch schon gefragt!

Alleine die Zügelführung ermöglicht es dem Pferd nicht sich reell zu dehnen und endlich mal an das Gebiss heran zu treten.

Daher interessiert mich generell mal WAS der RL mit "vom Gebiss abstossen" meint? Ich kenne diesen Begriff zwar aber er sagt mir eigentlich nichts. Ich kenne es nur in Zusammenhang mit Reitern die das Nachgeben des Genicks durch links rechts Durchstellen mehr oder minder erzwingen, man hat dann nichts mehr in der Hand. Aber ich verwechsle das sicher....mir wurde das vor langer Zeit so beigebracht und das Gefühl ähnelt dem Begriff. Wenn das Pferd sich plötzlich abstosst.

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 21:23
von Stef
vielleicht meint er ja, daß das Pferd in der Position bleiben soll, auch ohne Gebiss... :?: :!: :?

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 21:30
von Filzi
Dann wäre er aber hinter der Senkrechten und aufgerollt. Das kann er unmöglich meinen.

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 21:31
von Stef
frag ihn doch mal ganz frech :wink:

was sagt deine Freundin dazu? ist sie zufrieden?

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 21:33
von Filzi
Ja sie ist zufrieden :?: :?: :?: :?: :?: :roll:

Wie gesagt nicht mein Pferd, jeder soll machen wie er glaubt. Aber mich interessiert einfach die Tatsache, WAS eigentlich mit diesem Begriff gemeint ist.

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 21:42
von Stef
für das vom Gebiss abstoßen, müsste das Pferd ja dann noch weiter nach hinten kommen?!

ich weiß es auch nicht...vielleicht interprettiere ich das auch falsch :?:

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 21:47
von padruga
Ich denk da läuft ein Rießenirrtum mit diesem Zügel abstoßen. Das impliziert wohl die Vorstellung als müsse sich das Pferd da physisch abstoßen und erst mal richtig schön viel Gewicht und Zug ins Maul bekommen. So wird das aber nichts. So bekommt man das Pferd nur eingerollt und hinter oder auf den Zügel.
Ich empfinde das Abstoßem vom Zügel so: Pferd läuft locker, ist durchlässig, ist achtsam, sucht von sich aus ganz leicht Kontakt zum Zügel (Der Begriff Anlehnung ist da eigentlich schon zu viel). Wenn man jetzt durchatmet, mit den Zügeln gar nichts macht aber das Pferd von hinten her mehr aktiviert, merkt man wie das Pferd etwas mehr Kontakt zum Maul sucht um zu sehen ob ich die Zügel mehr hingebe damit sich der Rahmen mehr erweitern kann oder das Pferd sich dehnen kann. Wenn die Zügel jedoch nichts machen (aber auch nicht aktiv dagegen halten) passiert erst mal gar nichts (der Druck auf das Gebiss ist jedoch kurzzeitig dadurch etwas stärker), dann plötzlich kommt einem vorne vorm Sattel "viel Pferd entgegen", der Hals wölbt sich nach oben auf, das Pferd erscheint vorne höher, man sitzt tiefer im Pferd. Der Zügelkontakt ist plötzlich wieder genauso leicht wie vorher auch, die leichte Dehnung zum Gebiss hin bleibt erhalten, das Pferd verkriecht sich also nicht hinter den Zügel. Das Meiste geht dabei jedoch vom Pferd aus, die einzige Hilfe des Reiters ist (außer dem Herantreiben der HH) darauf zu achten dass sich das Maul/der Hals dabei nicht versteift. Das Pferd kommt so von allein in eine wunderschöne Aufrichtung, ohne dass man irgendwas mit den Zügeln machen muss. Ich weiß nicht ob das dieses Abstoßen ist, wie es dieser Reitlehrer meint, aber ich denke schon dass es in die Richtung geht.

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 21:52
von Stef
das wäre ja dann theoretisch das was wir meinen, aber der Reitlehrer lässt Filzi's Frendin ja die Zügel kurz und starr halten...da passiert doch dann mal garnichts :?

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 22:07
von Filzi
Ich glaube, dass der Begriff an sich irgendwie irreführend ist. Finde ich.

Der RL meinte explizit, dass sie die Hand stehen lassen soll. Da sie immer ein wenig mit der Hand mitgegangen ist (was meiner Meinung nach auch korrekt war). Er korrigierte das mit dem Argument, dass ihr Pferd sich nicht vom Zügel abstossen kann wenn sie mit der Hand da immer nachgibt.

Und DAS ist der Punkt den ich nicht verstehe. An eine starre unnachgiebige Hand wird sich der Wallach niemals dehnen. Denke ich.

Das Pferd an die anstehende Hand treiben bis es vielleicht irgendwann mal nachgibt kann nicht Sinn vom Zügel abstossen sein.

Auf die Entwicklung des Pferdes bin ich gespannt.

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 22:38
von horsman
Oh, dies ist ein ganz spannender Punkt, weil er mE die klass. franz. Reiterei und die dt. klass. Reiterei verbindet. Nur, wenn das Abstossen am Gebiss falsch verstanden wird, wie es leider heute vielfach vorzufinden ist, spaltet es die beiden Reitstile.

Woher kommt der Begriff "Abstossen am Gebiss" und was meint er ? Das hab ich mich auch lange gefragt, zumal die abteuerlichsten Definitionen von diesem "Abstossen am Gebiss" durch die dt. Reithallen geistern.

Steinbrecht verwendet den Begriff "Abstossen am Gebiss" auch schon. U.a. in seinem Kapitel 2b) über die verhaltenen Hilfen (sprich die Zügelhand). In meiner Auflage (13. Aufl. 1986) steht dazu auch Seite 26:
"Die Anlehnung ist richtig,..., solange es (das Pferd) auf die Wirkung der Hand eingeht oder antwortet. Wirken also beide Zügel gleichmäßig zurück, so soll das Pferd seine Bewegung abkürzen; wird dies durch Vortreiben der Schenkel gehindert, so soll es sich zusammenschieben, am Gebiss abstossen und von der zu fest gewordenen Anlehnung zur leichteren zurück kehren."

Ein kleines Stückchen weiter schreibt er übrigens auch noch, dass eine gute Anlehnung immer mit einem guten Maul verbunden sein muss, und dass ein gutes Maul, ein lebendiges Maul ist, was speichelt und auf dem Gebiss kaut !! Damit das Maul stets gefühlvoll und rege ist, empfiehlt Steinbrecht, Pferde deren Maul wenig rege ist, dies desöfteren durch leichte Arrets zum kauen zu veranlassen !!

Noch etwas weiter schreibt er:
"...um stets das Maul gefühlvoll und lebendig zu erhalten, bewirkt man in feiner Weise durch wiederholtes öffnen und schließen, durch sanftes Heben (!!!) und senken der Hand, ...."

Also: Ich halte mal fest:
Abstossen am Gebiss bedeutet, dass das Pferd von einer festeren zu einer leichteren Anlehnung kommt. Außerdem soll das Maul stets lebendig sein und auf dem Gebiss kauen. Um dies zu erhalten, sind auch feine Aufwärfsarrets das Mittel der Wahl, desweiteren, das schließen und öffnen der Finger.


Für mich zeigt sich hier ganz klar, dass Steinbrecht da nichts anderes beschreibt, als die Kieferflexion. Ergo: das Nachgeben im Unterkiefer ist das selbe wie das Abstossen am Gebiss. Das ganz aus einer "main fixe", die lediglich durch öffnen und schließen der Finger hantiert oder seine Position hebt (Hand hoch) oder senkt und mit der steten Sorge, das Maul gefühlvoll und lebendig zu erhalten. (PK resp. Baucher läßt grüßen).

Hat man diesen Zusammenhang erst mal verinnerlicht, kommen Baucher und Steinbrecht, die klass. dt. und die klass. franz. Reiterei einen Meilenstein zusammen.

Um es noch mal in Worte zu fassen:
Ohne ein lebendig kauendes Maul keine gute Anlehnng und ohne Abstossen am Gebiss (=Kieferflexion) ebenso keine gute Anlehnung.

Noch mal in Kurzfrom:
Abstossen am Gebiss bedeutet, dass das Pferd durch ein Nachgeben im Unterkiefer von einer festeren zu einer leichteren Anlehnung kommt.

Verfasst: Do, 13. Mai 2010 22:52
von Cubano
horsmän hat geschrieben: Noch mal in Kurzfrom:
Abstossen am Gebiss bedeutet, dass das Pferd durch ein Nachgeben im Unterkiefer von einer festeren zu einer leichteren Anlehnung kommt.
Moins,
und da unterscheiden sich die Sichtweisen wieder: das Pferd kommt – nach alter FN-Lehre – von einer festeren zu einer leichteren Anlehung, wenn es die HH mehr aktiviert, den Rücken aufwölbt und dadurch leichter wird…

Verfasst: Fr, 14. Mai 2010 00:04
von horsman
nun, im Steinbrecht steht es so erst mal nicht. Da steht, dass die Anlehnung durch das Abstossen am Gebiss von einer festeren zu einer leichteren kommt.

Natürlich gibt es Zusammenhänge zw. Nachgeben im Unterkiefer, Aufwölben des Rückens und Hinterhandsengagement. Genau hierauf fusst die Lehre Bauchers ja auch.

Wie dem auch sei: Abstossen am Gebiss bedeutet nunmal, dass das Pferd leichter in der Anlehnung wird. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Und dass es leichter wird, ist mE mit einem unnachgiebigen Unterkiefer nicht zu bekommen. Wie auch.