Alexander oder Feldenkrais... oder Pilates...?

Rund um die klassische Reitkunst

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Fortissimo
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Beitrag von Fortissimo »

Du wohnst aber auch in der so ziemlich teuersten Ecke Deutschlands :lol: :wink:

Ich warte mal ab.
hilahola
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Beitrag von hilahola »

Ich hab im Herbst 2015 mit Feldenkrais angefangen - Einzelsitzungen im wöchentlichen Abstand. Nach ca. einem halben Jahr im Frühjahr 2016 habe ich Alexandertechnik dazugenommen, ca 1 bis 2 mal im Monat. Im Dezember 2016 habe ich dann mit beidem aufgehört. Ist ziemlich ins Geld gegangen, aber hat unglaublich was gebracht - nicht nur körperlich sondern auch fürs "Denken". Aktuell hab ich im erreichbaren Umkreis leider weder das eine noch das andere, aber mache an zwei Tagen die Woche Feldenkreis-Übungen bewusst im Liegen.

Ich bin eher ein analytischer Mensch. Das Feldenkrais-Zeug in den Einzelsitzungen hab ich am Anfang einfach nur entspannend gefunden. Viel sanfter als die handelsübliche Massage. Nur ganz leichte und feine Bewegungen. Und danach war ich immer einfach nur tiefenentspannt. Die ganzen Kleinigkeiten sind mir nicht wirklich aufgefallen, aber mir war das egal - ich habs dann halt einfach zu Entspannungszwecken gemacht. Nach ca. einem Monat war mir persönlich die Entspannung nicht mehr so sehr im Vordergrund, sondern mehr das "was hat sich verändert". Dann kam die Phase von "welcher Körperteil funktoniert nicht richtig" Und als diese Phase eingesetzt hat und ich nicht wirklich draufgekommen bin "welcher Körperteil nicht richtig funktioniert", weil es jedesmal irgendwie ein anderer Teil war, habe ich mit Alexandertechnik begonnen und wollte auf diese Weise herausfinden, welcher Körperteil jetzt der eigentliche Übeltäter ist - damit man eben das Problem an der "Wurzel" packen kann. Das Alexandertechnik-System hat mir als analytischem Menschen vom Verstand her extrem gut gefallen. Allerdings bin ich dann so eine Person, die den "Fehler im System" ausmerzen will - um jeden Preis - es perfekt machen will - auch wenn mir 100tausendmal gesagt wird, dass das "normal" ist und nichts zu 100% funktonieren kann usw.. Ich will und wollte nie "normal" sein - immer pferfekt. Und das Problem an diesem Gedanken ist, dass man sein "Selbstbewusstsein" eigentlich verliert, weil man sich selbst ja für nicht "gut genug" hält um es endlich einmal "richtig" zu machen oder im Fall von Alexandertechnik es eben - nicht zu machen.

Deshalb ist für mich als über analytische, perfektionistische, selbstkritische Person die Feldenkrais-Methode eher geeignet, weil ich dabei nicht soviel Denken muss (was ich ohnehin schon zuviel mache), sondern ich einfach eine "Aufgabe" bekomme und diese Versuchen muss bestmöglich am leichtesten oder am schwierigsten oder auf unterschiedliche Arten zu lösen. Damit ich nicht nur den Kopf/Verstand hernehme, sondern, dass ich praktisch den Körper und den Verstand wieder "zusammenbringe".

Der Erfinder der Alexandertechnik war glaublich Schauspieler oder Redner - jedenfalls etwas, das eher "künstlerisch" veranlagt ist. Sozusagen also eine Mensch, der mehr Zugang zu seinre rechten Gehirnhälfte hatte. Ihm hat daher vermutlich ein "analytischerer" technischerer Zugang mehr geholfen um seine beiden Gehirnhälften und damit auch den ganzen Körper "zusammenzubringen" - also zu lernen als "Ganzes" zu funktionieren.

Der Erfinder der Feldenkreis-Methode war ursprünglich Techniker oder Physiker, jedenfalls sehr analytisch und naturwissenschafftlich veranlagt - hatte daher vermutlich mehr Zugang zu seiner linken Gehirnhälfte und der spielerische und körperbewegungsmäßige Zugang hat ihm wahrscheinlich geholfen, seine beiden Gehirnhälften zu aktivieren und so auch den Körper zu einem Ganzen funktioinierenden Organismus zu bringen.

Daher glaube ich, dass jemand der aktuell sehr analytsich denkt/oft denken muss, vermutlich mehr ganzheitlichen Output mit der Feldenkraismethode haben wird.

Wenn jemand allerdings ohnehin schon sehr gefühlsbetont und emotional ist und soviel spürt und wahrnimmt, dass er selbst sich schon gar nicht mehr auskennt, dann wir ihm vermutlich ein etwas "rationaler" Zugang über die Alexandertechnik mit Hebeln und Muskelschlingen mehr ganzheitlich weiterhelfen.
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Fortissimo
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Beitrag von Fortissimo »

Das ist ja mal eine ganz neue Betrachtungsweise. Wahrscheinlich werde ich dann eher mit Feldenkrais zurecht kommen. Das gefühlsbetonte Handeln liegt mir nämlich nicht. Bin eher ein analytischer Mensch.

Ich werde es ausprobieren. Entspannung ist auf jeden Fall gut!

Da ich derzeit versuche, meinen Sitz komplett umzustellen, verkrampfe ich mich ziemlich und die Reiterei wird dadurch nicht wirklich besser :roll:
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

Alexander war Schauspieler, dem oft die Stimme versagte. Ärzte konnten nichts feststellen, er solle sich einfach schonen. Doch das Problem trat immer wieder auf. Irgendwann hat er sich dann ein Spiegelkabinett gebastelt, da er davon ausging, daß das Problem etwas damit zu tun hatte, wie er etwas machte. Hierbei hat er festgestellt, dass er immer beim Rezitieren den Kopf leicht ins Genick warf und Luft einzog. Als er das unterliess, war das Problem beseitigt. Er hat das dann ausgebaut und die Alexander Technik entwickelt.
lg, Tanja

Reiten ist nicht weiter schwierig, solange man nichts davon versteht.
Aus: "Vollendete Reitkunst", Dr. Udo Bürger, 1959
hilahola
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Beitrag von hilahola »

@ fortissimo: naja, wenn du eher Kopfmensch bist, tutst dich am Anfang mit Feldenkrais, wennst eine "Gruppenstunde" machst vermutlich etwas schwerer, weil man da ja was "machen" muss. Ich glaub ich hätte Feldenkrais nicht so intensiv gemacht, wenn ich da am Anfang nicht wirklich "nichts" machen hätte müssen, außer da liegen. Und jemand anderer bewegt mich. Wenn ich da gleich "Übungen" hätte machen sollen, dann hätte ich wohl aus den feinen leichten Bewegungen eher eine "aktive Gymnasitkstunde" gemacht a la "ich bin eh so beweglich und kann das und das schon... oder ich muss mich plagen" Und wenn man die "Übungen" auf diese Weise ausführt, dann hat vergibt man den eigentlich Output.

Also wenn du eher analytisch bist und dir das Feldenkrais nach ein paar Einheit nicht so sehr zusagt, würde ich Alexandertechnik-Einzelsitzungen machen, wenn du einen "schnelleren Erfolg" willst, weil das ja dann eher schon deinem gewohnten "Muster" entspricht und nach einiger Zeit nochmal Feldenkrais probieren, wenn du noch lust dazu hast.

Meiner bescheidenen Meinung nach bezwecken beide Methoden im Endeffekt nämlich das selbe - nähmlich mehr Körperbewusstsein. Sie fangen nur jeweils am anderen Ende an. Der eine machts halt übers Denken und der andere über die Bewegungen. Und mehr Körperbewusstsein kann ich auf beiden Wegen erreichen. Und weil der Mensch gerne bei seiner gewohnte Art zu funktionieren bleibt, werden sich analytische Menschen vielleicht erstmal mit Alexandertechnik leichter tun und schneller vorankommen und gefühlsbedonte Menschen mit Feldenkrais und dadurch schneller und angenehmer zu mehr Körperbewusstsein kommen.

Aber "Ganzheitlich" betrachtet (also nicht nur fürs reiten, sondern generell fürs leben), wird man erst den vollen Output meiner Meinung nach dann haben, wenn man sich (bewusst oder unbewusst) für die Methode entscheidet, zu der man am Anfang vielleicht nicht so den Zugang hat, weil man es nicht gewohnt ist und es erst lernen muss.

Ich kann mich an die erste Alexandertechnik-Einheit noch gut erinnern und das was mir wirklich hängen geblieben ist, war die Aussage der Trainerin, dass ich so unglaublich schnell im Denken bin - das Problem war nur: in jede Richtung. Aber ich war damals mächtig stolz, dass "ich so schnell im denken bin" - wie wenn ich einen Pokal gewonnen hätte! Habs ja immer schon gewusst, dass ich die beste bin. Ich verkanntes Genie!... Es viel mir relativ leicht gefallen, irgendwas zu machen und meine Körperteile zu entspannen oder zu "bewegen", wenn mir jemand erklären konnte, was ich genau zu tun habe. Und es hat mir Spaß gemacht und in diesem halben Jahr hatte ich gefühlt schneller einen "Fortschritt" gemacht als mit Feldenkrais, es war motivierender für mich, weil es "so gut klappte" und ich jedesmal etwas "mitnehmen" konnte für nach Hause, zum "Üben" usw (also zum "besser" werden), wohingegen, das Feldenkrais zwar entspannend war, aber es gab immer ein Körperteil das "nicht funktionierte", ich konnte nichts "mitnehmen" und auch die tolle Entspannung legt sich ja spätestens am nächsten Tag irgendwann, und ich konnte auch keine Übungen zu Hause üben um "besser zu werden", weil wir das nächste mal schon wieder was völlig anderes gemacht haben. Und trotzdem habe hatte ich irgendein Bedürfnis damit weiterzumachen und nach und nach war es mir auch nicht mehr wichtig, welcher konkrete Körperteil nicht "richtig" funktionierte. Aufgrund eines Umzugs habe ich dann mit beidem aufhören müssen. Das Feldenkrais fehlt mir ehrlich und deshalb mache ich jetzt zumindest alleine Übungen. Das Alexandertechnik fehlt mir nicht - es war interessant, hat mir geholfen, aber "abgehen" tuts mir nicht, weil ich jetzt auch nur im Büro daran denken muss, dass mein Hals lang wird und dann fühlt sich der Nacken schon viel besser und freier an. Alexandertechnik fühlt sich für mich an wie ein "Handwerk" das man durch Üben erlernen kann und je "einsatzbereiter" man ist, desto weiter kann man hier natürlich kommen. Aber mir fehlt dabei einfach etwas. Aus diesen Überlegungen heraus, daher auch meine Einschätzung zu den beiden Methoden.

Und off topic: Falls du dich gerade sehr plagst mit deinem "Sitzumstellen" - ich sammle zur Zeit meine ganzen Gedanken rund ums Reiten und Sattel, Reitlehrer, Reitweisen usw. Ich versuche es alles wieder unter einen "Hut für Pferd und Mensch" zu bringen, zu schauen, wie alles zusammenhängt - aus einer anderen Perspektive - ohne sich ins Detail zu verzetteln. Falls du interesse hast an der Rohversion, einfach pm.

LG hilahola
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Fortissimo
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Beitrag von Fortissimo »

Oh ja, gerne! Ich kann Dir per pn meine Email-Adresse schicken, wenn Du möchtest.
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Beitrag von hilahola »

jep, dann, kann ich dir die rohversion mal schicken per mail. lg
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Beitrag von Colloid »

Fortissimo hat geschrieben:...

Da ich derzeit versuche, meinen Sitz komplett umzustellen, verkrampfe ich mich ziemlich und die Reiterei wird dadurch nicht wirklich besser :roll:
Völlig OT:
Ich zitiere Desmond O'Brien:
"Wenn du das Gefühl hast du nimmst eine falsche Haltung ein, versuche nicht eine andere Haltung anzunehmen, mach eine andere Bewegung!"
Der Sitz ist keine Haltung, sondern eine Bewegung und selbst, wenn du eine völlig falsche Bewegung machst, ist das zielführender, als eine andere Haltung. Wenn du merkst, daß deine Bewegung falsch ist, probier einfach eine andere aus... :wink:
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Beitrag von Fortissimo »

Wenn das so einfach wäre.... :roll:
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Beitrag von Colloid »

Fortissimo hat geschrieben:Wenn das so einfach wäre.... :roll:
Das ist nicht einfach. Aber es hat mir sehr geholfen, wenn ich mal wieder auf dem Pferd verknotet habe...man verkrampft immer dann, wenn man versucht eine Haltung zu erzwingen. Wenn man bewusst eine Bewegung ausführt, verkrampft man nicht. Ich empfehle aber auch eine Ausritt dafür, das wird nämlich erst richtig schwierig, wenn man was bestimmtes reiten will und sei es nur ein Zirkel.
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Beitrag von Fortissimo »

@hilahola: Deine Gedanken zu dem Thema, die Du mir geschickt hast, waren sehr aufschlussreich! Vielen Dank für die umfangreiche Ausarbeitung!

@colloid: ich bin schon auf einem guten Weg, das zeigt mir das Pferd durch seine Bemuskelung. Aber es gibt noch genügend Momente, wo ich einfach nicht beweglich bin und eher statisch sitze. Ich arbeite weiter daran.
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Beitrag von hilahola »

@ fortissimo: freut mich :D :D vielleicht wird ja irgendwann ein Buch oder Blog daraus... Mal schauen, wieviel meine Zeit zulässt :roll:
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