Reitkunst vs. Handwerk

Rund um die klassische Reitkunst

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Jen
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Reitkunst vs. Handwerk

Beitrag von Jen »

Grundsatzdiskussion aus dem "Ritte, die gefallen"-Thread: Original-Link

Ich hab Ausschnittsartig die Storyline hierher kopiert, damit man die Entstehung der Diskussion nachverfolgen kann...
Yvonne hat geschrieben:Was haltet ihr davon?

http://www.youtube.com/watch?v=hnGAnaOu ... e=youtu.be
Die Diskussion "Hausmannskost vs. haute Cuisine" lass ich hier mal aussen vor)
saltandpepper hat geschrieben:
horsmän hat geschrieben:nunja, für mich beginnt Reitkunst da, wo man dem Pferd Ausdruck verleiht ohne es in Spanntritte zu bringen und ohne dass man gross oben drauf rum arbeitet ohne aber ins blosse nichts tun und nichts bewirken zu verfallen. Und Versammlung seh ich da nirgends (immerhin S-Niveau!) und dass "Schwung" nix mit hohem Tempo zu tun hat (sondern eher in, durch und mit Versammlung erwächst) sollte nun auch bald jeder wissen.
Horsemän, das ist keine Reitkunst, das ist einfach eine sehr schön gerittenene S-Dressur. Es ist nicht eine hochschwierige, aber es sind einige kleine Kniffeligkeiten dabei.

Es sind einige schöne Versammlungsmomente zu sehen. Eben dort, wo sie für diese Aufgabe erforderlich sind : die ganze Parade beim Einreiten und vor dem Schlußgruß( die btw. weitaus besser gelingen als bei sehr vielen GP-Starts, die ich in letzter Zeit sehen durfte) , Versammlung des Schrittes vor der Piruette, die Rückführung aus dem starken Galopp, das Versammeln vor der Galoppiruette.

Natürlich ist der starke Schritt keiner. Das Pferd sackt hier noch ab und tritt groß runter, statt hinauf zu tragen, natürlich sieht man die Schwachpunkte in den Piruetten selbst, wo die Gewichtsaufnahme und das Drehen, das Pferd noch sehr fordert und bei weitem noch nicht das Niveau hat, das erreichbar ist. Dennoch sieht man wie sauber die HH davor- also in der versammelnden Vorarbeit- Gewicht nimmt und transportiert- und da, wo es noch nicht so klappt, wie das Pferd sich bemüht und das breit Treten als Alternative anbietet. ( der Schatz !).

Augenschmaus ist das für mich nicht in dem Sinne, daß ich mit verklärtem Blick vor dem Clip sitze, ...

aber in soweit, daß es höchst erholsam ist, einmal einen Reiter und ein Pferd in so einer Prüfung zu sehen, bei dem weder der Reiten in Rückenlage das Pferd durch die Verstärkungen quetscht, noch das Pferd dazu zum Beugen der Hanke genötigt wird, daß der Sporn das Hinterbein "holt", also mißbräuchlich die Bauchheberreflexe hierzu mißbraucht und das Pferd dies mit unwohligem Schweifschlagen quittiert.

Einen Reiter, der eine korrekte Haltung des Pferdes anstrebt, der nicht mit den Händen im Vorderzwiesel des Sattels mit Pfefferstoßermaier den Kopf fixiert und das Pferd aktiv "zwischen die Hilfen spannt".

Die Versammlung gerade vor der Galoppiruette ist eine ehrliche ! Noch keine in höchster Qualität, aber ehrlich !

Für mich ist Augenschmaus auch ein guter Ritt auf noch niedrigerem Niveau, wenn man sieht, daß der Weg ein guter zu sein scheint.
Perfektion sieht man ohnehin fast nie- aber das ist Seelenbalsam.

Mehr Ausdruck- ja, der kommt noch, wenn das Pferd besser vorm Bein ist und beide Routine haben. Das Pferd mehr Spannfähigkeit und noch ein bisserl Zeit mit Versammlung verbracht hat. Diese Aufgabe ist eher eine "Einstiegs-S" . Ich kenne die Aufgaben heute nicht mehr alle auswendig- aber das könnte auch eine S 1 oder 2 sein...

Oder anders gesagt, es muß für mich nicht gleich "Reitkunst" sein, um ein Augenschmaus zu sein...

Gruß S&P
sabrell hat geschrieben:*s&prechtgeb*

:P
horsmän hat geschrieben:Passt scho.
Mir ging es in dieser Box halt ursprünglich mal um mehr als das blosse korrekte Abspulen von vorgegebenen Dressuraufgaben, was sicher keine Schande ist und wenn korrekt ausgeführt durchaus Lob verdient. Aber als Fan klassischer Reitkunst suche ich persönlich eben nach etwas anderem. Aber jeder wie er mag. (...)
horsmän hat geschrieben:
saltandpepper hat geschrieben: Reite die hier gezeigte Aufgabe einmal nach, du wirst sehen, es gibt da sehr viele Gelegenheiten, wo "Reiten" und zwar geschickt und präzise, sehr hilfreich ist :wink:

Die Reitkunst sehe ich als Steigerung zu dem, was dieser Reiter hier zeigt. ....
Diese nette kleine S-Dressur ist genau die Basis die man bewältigen können muß oder sollte, um hohe Kunst lernen zu können, und nicht nur immer irgendwelche Teilaspekte von "Kunst".

Nicht falsch verstehen, ich bin sehr oft bei dir, aber das kann ich nun echt nicht nachvollziehen. Das ist für mich "Schublade auf, Reiter rein, Schublade zu" und genau das werfe ich persönlich einigen Schreibern hier ja immer vor, dann muß ich selbst doch offener sein ?!
Man muß doch jenseits der Schubladen gutes Reiten erkennn und anerkennen ? !
Na das seh ich eben anders. Ich finde nicht, dass man erst diese S-Dressur reiten können muss um danach vielleicht irgendwann anzufangen sich mit "Reitkunst" zu beschäftigen. Selbstverständlich gehört zur Reitkunst ein solides Handwerk, also ein guter Sitz und eine daraus entspringende gute Einwirkung der Hilfen, sowie eine gewisse Präzision in den Dingen, die man tut. Die Suche nach Ausdruck (und das verstehe ich primär unter Reitkunst) kann aber doch auch jemand betreiben, der im Leben nie eine S-Dressur geritten hat. Bspw. würdest Du ja sonst Oliveira oder auch den ganzen früheren Wienern absprechen, sich seriös mit Reitkunst befasst zu haben, denn auch diese Leute haben wohl nie diese S-Dressur geritten und sich diesem Bewertungssystem gestellt. Warum nur glaubt alle Welt, dass das deutsche Turniersystem die Grundlage allen ordentlichen Reitens ist ? Und in der Zeit davor - gab es keine guten Reiter? Steinbrecht? Stensbeck? Haben diese Leute auch zuvor diese S-Dressur reiten müssen?

Nicht dass wir uns falsch verstehen: ein Reiter der schlampig auf dem Pferd rum fuhrwerkt ist auch in meinen Augen kein großer Künstler, nur weil er keine S-Dressur reitet und sich im Geiste als Abkömmling eines großen Meisters wähnt.

Aber ein Reiter, der kleine vermeintlich einfache Übungen oder Abfolge von Übungen, womöglichlich noch mit einem schwieirig gebauten, einfach gestrickten Tier präzise reitet und dem Pferd dabei einen schönen Ausdruck(1) entlockt, der hat meine Hochachtung und dies empfinde ich dann eher als Augenschmauss, als eine komplette korrekt gerittene S-Dressur mit einer sicherlich schwieirigen Abfolge von Übungen, wo aber das Pferd in jeder einzelnen Übung weit unter der möglichen Schönheit bleibt, die es uns geben könnte. Um noch mal konkret das Video anzusprechen: wo z.B. seht ihr da auch nur ansatzweise einen ausdrucksvollen versammelten Trab?

Und ich denke da auch nicht kategorisch in Schubladen: wenn ein Reiter in der ganzen Prüfung oder auch nur in Teilen einer Turnierdressur sein Pferd in schönem Ausdruck(1) vorstellt (wobei das jetzt vom Reiten her kommen sollte und nicht bloss vom angeborenen Bewegunstalent des Pferdes), ziehe ich auch vor dem den Hut, trotz dass es innerhalb einer Prüfungsaufgabe ist. Aber wenn nicht ... warum sollte ich ?

(1) mit schönem Ausdruck meine ich nicht spektakuläre Hyperbewegungen, sondern die klassichen Attribute: Selbsthaltung, Leichtheit, Fluss, Impulsion, Rundheit, Kraft, aber auch Konzentration in Ruhe .
saltandpepper hat geschrieben:Ich finde auch nicht, daß man eine S-Dressur reiten können muß um sich mit Reitkunst zu beschäftigen, aber ich denke, daß ein Reiter sich handwerklich auf diesem Niveau bewegen muß, um an diese heranreichen zu können oder um gar verstehen zu können.

Vorher hat der Popometer gar nicht genug Input bekommen um die heeren Ziele wie Kadenz u.ä. zu erkennen, wenn sie unter einem "passieren". Das sind dann immer nur theoretische Vorstellungen, wie es sein könnte.
Natürlich darf man danach streben, aber es bedarf einfach einer gewissen Grundfähigkeit.
Versammelter Trab ? Nun, er ist da, er ist noch nicht stark gesetzt, er ist noch nicht kadenziert, aber das Pferd zeigt gemäß der RL nach denen das Paar hier sich nunmal orientiert, ein gewisses Maß an Hankenbeugung, ein gewisses Maß an Spannungsbogen, ein gewisses Maß an Aufrichtung.
Daß dies noch nicht so ausgeprägt ist, wie du es dir als Optimum wünschst, ist doch ganz nachrangig.
Wenn diese Bewegungsabläufe dem Pferd nicht so schwer fallen, wie z.B. einem schwunglosen Spanier, ist es deswegen doch nicht falsch- weil, die Punkte, die versammelten Trab ausmachen hier ja bereits gezeigt werden. Wenn ich z.B. das weiter vorne eingestellte Video mit Hubertus Schmitt mit diesem hier vergleiche, gefällt mir dieses letzte hier weitaus besser.
Bei dem anderen, wäre ich im Bezug auf " wir Nutzen die Talente" bei dir, bei diesem hier nicht.
Tossi hat geschrieben:Hi horsmän,
ich glaube, ich habe Dich verstanden und kann Deinen Standpunkt auch gut nachvollziehen, aber Reiten ist für uns alle halt so etwas ungemein Emotionales und da zählen eben gerade bei Filmen nicht nur objektive Maßstäbe.

Ich habe schon viele Male wahre Augenschmaus-Momente bei den unterschiedlichsten Pferden/Reitern erleben dürfen - und deshalb gerate ich jetzt schon in der Erinnerung ins Schwärmen: Momente in denen einfach alles gepasst hat, Pferd und Reiter sich wie verschmolzen bewegten, eine Erhabenheit und Eleganz präsentierten, die selbst unkundigen Zuschauern Bewunderung entlockte, einfach ein WOW! So etwas lässt sich normaler Weise über einige Minuten aufrecht erhalten (und wer filmt da gerade und fängt die optimale Stimmung ein?), ich jedenfalls habe noch keinen Reiter beobachtet, der 30 Minuten lang nur "Reitkunst" zeigen kann.

Und wenn ich mir nun vorstelle, dass solche Erlebnisse doch im Film festgehalten worden wären, wäre der ganze Zauber sicher nach einigen Wiederholungen und etlichen kritischen Posts hinüber. Ich habe mir jedenfalls für diesen Thread angewöhnt, dass ich die eingestellten Filmchen ein einziges Mal ansehe und dann für mich klar ist, ob es mir gefällt oder nicht - und da ist mir eigentlich egal, ob die Fußfolge bei 1:41 taktklar ist oder bei 2:15 die Nase mal HdS kommt - mir geht es um das erste Gefühl, so wie wenn ich einen Reiter live und ohne Einzelbild erlebe.

LG Lisa
Fortsetzung folgt gleich...
Liebe Grüesslis, Jen
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Jen
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Beitrag von Jen »

esge hat geschrieben:Tossi, so handhabe ich das auch. und genauso kann ich mich deiner Darstellung anschließen, dass es ja! Ritte oder auch Ausschnitte aus Ritten gibt die definitiv das Herz aufgehen lassen. wo man tief durchatmet und denkt: WOW, auch wenn ich es nie selbst erreiche, aber DAFÜR reite ich (Dressur).
Unter diese Kategorie fällt der hier diskutierte Ritt (für mich) nicht. Aber ich kann mir das richtig gut anschauen. Das ist harmonisch, das ist sauber, das Pferd präsentiert sich konzentriert und zufrieden und der Reiter sitzt schön und wirkt dezent ein. Also ehrlich - wenn alle turnierdressuren so wären, würde ich wieder anfangen mir welche anzuschauen. Und nur weil das Pferd kein verbauter Krüppel ist, steckt doch sehr viel solide Arbeit und auch reiterliches Gefühl in diesem Ritt, resp. in der Ausbildung, die dazu geführt hat. Leider habe ich allmählich das Gefühl, Horsemän, dass du einen sauberen Ritt auf einem anständig gebauten Pferd gar nicht goutieren kannst, nur weil das Pferd halt kein Krüppelchen ist. Glaub mir, ich habe es auch überwiegend mit sehr durchschnittlichen Freizeitzauseln zu tun, mein eigener eingeschlossen und ich weiß, wieviel Arbeit drinsteckt, damit diese Viechers auch nur halbwegs anständig geradeaus laufen können. Aber man MUSS es sich ja nicht so schwer machen. Und wer ein talentiertes Pferd sauber, gefühlvoll und über Jahre hinweg aufbaut, hat genauso meinen Respekt. Dass meine eigene Liebe halt eher den kleinen dicken Zwockeln gehört, ist ja mein Problem. :roll:

Josatianma, ich finde es immer schade, wenn fruchtbare Diskussionen abgewürgt werden, weil sie nicht ganz in den Kontext der Box passen.
amara hat geschrieben:Ich sehe das so wie saltandpepper - und mein geschätzter Trainer hat immer und immer wieder gesagt (und für mich auch recht gehabt):

Es kann nur der ein Künstler werden, der sein Handwerkszeug absolut sicher beherrscht. Und es gibt gute Handwerker, die keine Künstler sind. Aber es gibt keine wahren Künstler, die schlechtes Handwerk bezeugen.

Wenn jemand bei gutem Handwerk bleibt - meinen größten Respekt - auch ohne die Kunst. Wer aber Künstler sein will ohne Handwerk, oh je...
Wer diese Aufgabe einmal nachgeritten hat, der weiss wie SCHWER es ist, soetwas im Ablauf zu reiten. Die Schwierigkeit dieser S Dressur liegt wirklich nicht unbedingt in ihrem Ausdruck (sonst würde man ggf. die Übungen anders kombinieren oder andere auswählen, siehe GP!) - sondern sie liegt wirklich in der Technik. Und da nochmal, wer die Technik nicht beherrscht, kann kein Künstler sein. Man kann die Technik nur hinter sich lassen, wenn man sie bereits inhaliert hat!
Und ich kann das nur jedem empfehlen: Macht das mal auf eurem Niveau. Reitet mal "so eben" eine A Dressur, oder eine L Dressur. Selbst eine E Dressur... von der vermutlich viele behaupten dass sie das technisch beherrschen. Eine Aufgabe durchzureiten ist aber ein GANZ anderer Anspruch. Nicht mal eben warten können, bis das Pferd so weit ist um eine Volte zu zeigen. Sondern schon so gut sein, dass man die Volte wirklich DANN reitet wenn die Aufgabe das vorschreibt.

Ich kann nur jedem nahelegen das Aufgabenreiten auch außerhalb des Turniersports regelmäßig zu machen, es ist ein Garant für das Aufdecken von Fehlern, die einem vorher vielleicht wirklich entgangen sind... :oops: und es macht Spaß! Auch ohne Richter und Note.
Und ich sehe mir sehr gerne gute Handwerker an, weil man immens viel lernen kann. uU sogar wesentlich mehr als von einem Künstler.
horsmän hat geschrieben:
amara hat geschrieben: Ich kann nur jedem nahelegen das Aufgabenreiten auch außerhalb des Turniersports regelmäßig zu machen, es ist ein Garant für das Aufdecken von Fehlern, die einem vorher vielleicht wirklich entgangen sind... .
auch das sehe ich nicht so. Fehler spürt man doch selbst ziemlich genau, ggf. sieht der Trainer das noch, wenn man mal zusammen arbeitet. Ob nu zB eine ganze Parade am Punkt oder 38,7cm danach kommt ist mir pers. völlig wurscht. Sie kommt dann wenn es passt und ob sie gerade nicht durchkommt, obwohl ich möchte, ob also die Durchlässikeit ev. im Moment nicht sehr gut ist, das merke ich doch und mache mir Gedanken darüber und wenn es mein Anliegen ist dies zu verändern dann tu ich das.
amara hat geschrieben:Ich bin mir sicher (natürlich für mich als Reiter gesprochen), dass du dann was verpasst horsmän. Und du glaubst gar nicht WIE VIELE Fehler einem durchrutschen können!
Fehler spürt man doch selbst ziemlich genau
DA muss ich deutlichst (!) widersprechen. Frag mal einen PK, einen Stahlecker, egal wen der wirklich sehr guten Reiter. KEINER käme auf die Idee zu sagen dass man Fehler doch so oder so ziemlich genau spürt - ja, 95% vielleicht wenn man brilliant ist (bist du das? Ich nicht, ich spüre vielleicht 60% höchstens...).
Für den Rest braucht man IMMER ein externes Auge (den Trainer) und eine Aufgabe die bestimmte Dinge überprüft.

Deine zitierte "Parade auf dem Punkt" ist im Übrigen Klassen L und aufwärts vorbehalten, nicht umsonst stehen in den Aufgaben darunter eher "zwischen X und E durchparieren zum Schritt" etc.
Die Aufgaben sind im Übrigen nicht wahlloses Würfel mit dem Lektionenwürfel gewesen, sie fragen ganz bestimmte Übergänge, Abläufe etc. ab. Das hat schon alles sehr seinen Sinn.
Darüber hinaus hat das Aufgabenreiten sehr häufig auch seinen Fokus auf einer GLEICHmäßigen Ausbildung, grade in den unteren Klassen. Wie viele Reiter (inkl. deren Trainer!) fokussieren Schokoladenübungen - oder im Gegenteil fokussieren nur noch die Probleme! Die Aufgaben sind ein ideales Feld um einmal abzuprüfen was passiert, wenn man nach MEHR gefragt wird als nur den Fokus-Sachen. Sie helfen wirklich, nicht bestimmte Gebiete zu vernachlässigen.

z.B. hatte mein WB eine echte Begabung für tolle Seitengänge. Je höher wir kamen umso mehr hat man natürlich die Problemstellungen (z.b. Galopp etc.) fokussiert. Trainer UND ich. Natürlich hat das - logischerweise - auch seine Berechtigung. Aber ab und an eine Aufgabe (im Unterricht z.B. !) geritten lenkt ab von der Fokussierung und führt hin zu einem größeren Bild. Und es tut wirklich gut, das größere Bild immer mal wieder vor Augen geführt zu bekommen... :D

Für mich ist es wie Cubano schon sagte - je weiter die Ausbildung, je enger und besser der Reiter mit seinem Pferd zusammenarbeitet und als Einheit funktioniert, umso durchlässiger ein Pferd ist, umso stabiler kann auf den Punkt geritten werden, umso brillianter ist eine Aufgabe.
Mir ist es _alles andere als wurscht_ wann eine Parade durchkommt, weil es eben eine deutliche Aussage darüber ist, wo ich gerade noch mehr als genug Baustellen habe. Und glaub mir, selbst der selbstkritischste Mensch neigt dazu, genau diese Abfragen zu verpassen.
Mal abgesehen davon dass in vielen Aufgaben Übergänge und Spielarten enthalten sind, die sich lohnen mal anzusehen.
esge hat geschrieben:Zu "am Punkt" versus "schön":
Für mich geht "gut" (das bedeutet im Gleichgewicht, durchlässig, losgelassen) vor "am Punkt.
Aber wenn es gut geht, sollte man sich danach bemühen, auch auf den Punkt zu kommen. Das wird u. U. mit einigen Pferden und je nach Lektion vielleicht niemals möglich sein. Und, ächz, stöhn, rotwerd, es wird auch, je nach Lektion, nicht jedem Reiter gelingen. In dem Fall halte ich es tatsächlich dann auch für besser, bei "gut" (s. Def. oben) zu bleiben und das "am Punkt nicht zu erzwingen auf Kosten des Pferdes.

Aber ja: mal ganze Aufgaben durchzureiten - auf einem Niveau, das Pferd und Reiter bereits im losen Ablauf leicht fällt - ist äußerst lehrreich und ein Augenöffner. Denn was man im losen Ablauf vielleicht noch eben so hinmogeln kann, wird in der Aufgabe in die Hose gehen. Garantiert. Dann nehme man noch Turnieratmosphäre usw. dazu (sehr interessant im Video, dass die Sprecherin sich mitten in der Aufgabe bemüsigt sah, eine Zuschauerin vom Herumrennen abzuhalten - also ehrlich, weder das eine noch das andere ist sehr konzentrationsfördernd) und dann sind wir life und in Farbe bei der alten Weisheit, dass man auf Turnier immer eine Klasse niedriger reiten sollte als der eigentliche Leistungsstand daheim ist.

ich persönlich weiß, warum ich keine Turniere reite. Weil ich nämlich im Zusammenhang der Aufgabe plus Turnieratmosphäre i.d.R. nicht mehr so reite, wie ich es eigentlich für gut und richtig halte. Die Ruhe und Souveränität, die der Reiter auf dem Video ausstrahlt zeigt mir, dass der sein Handwerkszeug sicher beherrscht und in der für ihn richtigen Klasse startet. Vielleicht isser daheim ja ein Künstler? 8)
Liebe Grüesslis, Jen
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Jen
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Beitrag von Jen »

Ich habe nicht ganz alle Beiträge kopiert, weil es einfach zu viele geworden wäre. DAs soll nicht heissen, dass die anderen Beiträge nicht wertvoll waren! GAr nicht! Aber ihr schreibt einfach zuviel *haarerauf* :P

so: Diskussion darf weitergehen!
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horsman
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Beitrag von horsman »

na dann schreib ich noch mal einen Vergleich:

Ein Zimmermann und ein Möbeltischler: beide arbeiten mit Holz und nutzen teilweise die selben Werkzeuge. Dennoch wird aus einem Zimmermann kein guter Möbeltischler allein dadurch, dass er die schwierigsten Dachstühle zusammen zimmert. Für das Möbeltischler-Handwerk braucht es noch andere Handwerkstechniken, die man nur lernt, wenn man sich mal länger und eingehend damit befasst und diese Techniken einübt. Und um ein guter Möbeltischler zu werden, der sehr schöne Stücke fertigen kann, braucht man nicht erst jahrelang das Zimmermannshandwerk auszuüben. Natürlich verdient ein gut gebauter Dachstuhl auch meinen Respekt, aber es wäre nichts was ich anstrebe zu erlernen.

Sicherlich haben beide Fertigkeiten eine gemeinsame Basis, sind dann aber doch recht schnell auch völlig anders gelagert.

Ich pers. mag halt lieber schöne Holz-Möbelstücke anschauen anstatt komplizierte Dachstühle, und selbst da ich nicht so einen Dachstuhl zusammen bringen würde, darf ich doch sagen, das mir das eine weniger gefällt als das andere und ein Dachstuhl für mich ggü. einem sauber gearbeiteten Tisch kein Augenschmauss ist. Ist der Tisch dagegen mit Spaxschrauben zusammen gefummelt, würde mir das auch nicht zusagen, bloss weil es ein Tisch ist und kein Dachstuhl.

So in Etwa :roll:
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Beitrag von Motte »

Horsmän -

es ist das Eine zu schreiben: "x gefällt mir persönlich, das mag ich, y ist einfach nicht so ganz mein Geschmack".
Darüber lässt sich nicht streiten - das muss man auch gar nicht. Ist halt "Geschmacksache".

Was anderes ist, zu schreiben: "x ist klasse, y ist... so naja - wem's reicht..".
Das ist ne Wertung. Und zwar nicht nur ne Wertung von x und y, sondern auch derjenigen, die y persönlich gut finden.
Und das ist eigentlich überflüssig.

Man sollte doch - als erwachsener Mensch - in der Lage sein, eine Beurteilung nicht nur von den persönlichen Vorlieben abhängig zu machen. Finde ich jedenfalls.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Motte hat geschrieben:Was anderes ist, zu schreiben: "x ist klasse, y ist... so naja - wem's reicht..".
Das ist ne Wertung. Und zwar nicht nur ne Wertung von x und y, sondern auch derjenigen, die y persönlich gut finden.
Und das ist eigentlich überflüssig.

.
Außer, dass es eine Wertung ist, ist es unter Umständen auch eine Bewertung - dann würde mich nur interessieren, was genau in dem konkreten Fall "nicht ausreicht", was das gezeigte Reiten abwertet!?

Horsemän, vielleicht kannst du in Stichworten/kurz auf den Punkt bringen, wieso das besagte Video in deinen Augen Reiten zeigt, mit dem man NICHT zufrieden sein sollte deiner Meinung nach ("wem´s reicht").

Ich denke alle hier schreibenden müssten doch schon hochgradig zufrieden sein einen solchen Ritt hinzulegen. Und jaaa, mir ist bewußt, dass es nicht darum geht selber können zu müssen, was man bewertet!

Dennoch liegt mir persönlich zwischen "korrekte und gute, solide Basis" und z.B. "ein WOW-Ritt" eine Menge, was aber nicht rechtfertigt relativ abfällig "wem´s reicht" zu kommentieren, wenn es an dem gezeigten fachlich, handwerklich etc nichts auszusetzen gibt.
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amara
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Beitrag von amara »

Ich war mal mit einem Zimmermann zusammen. Von niemandem habe ich so schöne selbstgemachte Intarsien-Holzkisten bekommen wie von ihm... :P

Nein - das sehe ich defintiv nicht so. Ein Picasso konnte nur ein Picasso werden, weil er das Grundwerkzeug so perfekt beherrschte, dass er sich vom Grundwerkzeug lösen konnte. Man kann sich nur von etwas lösen und sich darüber hinausbewegen, wenn man es mal HATTE. Vorher - geht das leider nicht.

Dazu brauche ich ja auch nur einen PK ansehen. WARUM kann er spielerisch reiten? Warum schaut das trotzdem 1a aus? Ja grade WEIL er die Technik der Einwirkung dermaßen inhaliert hat, dass er DARÜBER gar nicht nachdenken braucht. "Leider" ist er sicherlich ein von vorne herein sehr begabter Reiter, hat ein ausgesprochen hochfeines eigenes GGW und hat seine Beine, Becken und Arme, Hände, Finger 100% unter Kontrolle (dieses Glück hat ja wirklich nicht jeder von uns - und uU lernen wir in der Basis dann von einem, der sich das auch erarbeiten musste mehr, als von einer Hochbegabung). DESWEGEN ist er ein brillianter Reiter. Und nur DESWEGEN kann er z.B. die hohe Hand etc. korrekt einsetzen.

Für mich gilt: Man muss die Technik beherrschen, damit man die Technik hinter sich kann. Man kann nicht die Technik überwinden, wenn man sie nie beherrscht hat.
Ich kann halt keinen gemusterten Rollkragenpulli stricken, wenn ich noch nicht einmal einen einfarbigen quadratischen Topflappen hinbekomme.



Zum Aufgabenreiten:
Außerdem sehe ich persönlich das Aufgabenreiten NICHT als Technik - sondern eben als - AUFGABE. Es ist einfach ein Vorschlag für die nächsten 5 Minuten. Es ist gerade bei der Reiterei, weil wir heute so oder so alles zur Individual-Tätigkeit erklären, ein guter Moment um einmal einer Aufgabe von außen zu folgen. Im Übrigen nur auch fair - das ist das, was wir täglich von unserem Pferd erwarten. Sich einlassen auf eine Aufgabe.
Und sie gibt eben die Möglichkeit aufzuzeigen welche Schwächen man noch hat. Wenn ich L Niveau reite sollte ich eben eine A Dressur locker schaffen. Wenn das nicht funktioniert, dann weiss ich, dass ich nicht L aufwärts weitermachen brauche, sondern dass mir ganz offensichtlich etwas durchgerutscht ist, wenn ich z.B. von F nach B es nicht hinbekomme, eine saubere Parade zu reiten.
Zuletzt geändert von amara am Fr, 27. Jan 2012 07:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Junito »

Ich jetzt mal von einer anderen "Branche" aus. Jeder wird wohl mit mir konform gehen, dass Pablo Picasso ein großer Künstler war.

Dennoch hat er ganz schlicht und solide mit realistischen Arbeiten angefangen. Da gibt es zum Beispiel einen ganz exakt nachempfundenen Fuß. Ich würde das nur begrenzt als Kunst empfinden, sondern als schlichtes Handwerk. Solche Arbeiten dürfte manch "Künstler" noch als "naja, wems reicht" empfinden.

Als er diese Basis gefestigt hatte, konnte er zum Künstler werden. Umgekehrt wäre er ein Pfuscher geworden.

Ähnliche Entwicklung bei Franz Marc.

Auch behaupte ich, dass gutes Übersetzen eine Kunst ist. Bevor einem locker-flockig tolle Formulierungen ins Gehirn schießen, die man niedertippen kann, muss man erst einmal die Grundstruktur ergründen. Das dürre Handwerk eben, die Technik.

Ohne das keine Kunst. Dann wird es Dichtung, in diesem Fall also Pfusch.

Der gezeigte Film ist also Handwerk. Solide und ordentlich. Carl Hester z.B. hat bislang sein Handwerk ordentlich gemacht. Er und Utopia stehen an der Schwelle zur Kunst.

Das hat nichts mit "wems reicht" zu tun, sondern ist eine notwendige Voraussetzung für den Weg zur Kunst.
Pferde sind wie guter Sekt - es braucht Zeit und Erfahrung, damit sie perlen können.
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Beitrag von amara »

Junito: *ggg* *Handreich*

An Pablo Picasso und Franz Marc musste ich wie oben geschrieben auch sofort denken und lachen, denn Picasso hat sich hart durch ALLE Epochen durchgemalt und durchgezeichnet... er konnte nur wieder mal wie ein Kind, weil er ALLE Phasen der großen Malerei durchlebt und die jeweilige TECHNIK erlernt hat. Sehr schön auch in der Biographie drin...

(ps: Und deswegen bedeutet es für mich: Den Handwerker nicht schätzen ist Picasso nicht schätzen. :wink: )
Zuletzt geändert von amara am Fr, 27. Jan 2012 08:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Jen »

Definition von Kunst ist etwas, was ich sehr schwierig finde. (und mich immer wieder an entsprechendes Aufsatzthema in der Schule erinnert: Was ist Kunst? 8) )

Ich stimme Amara und Junito insofern zu, als dass für einen grossen Künstler die perfekte Technik unbedingt die Voraussetzung ist. Aber das "jonglieren" mit der Technik allein macht noch niemanden zum Künstler. Für mich ist der Unterschied von Handwerklicher oder sportlicher Leistung gegenüber Kunst eben auch ein geistiger Unterschied.

Die Gedanken, also die Botschaft hinter dem Kunstwerk ist dabei für mich entscheidend. Und deshalb möchte ich das Reiten für mich trotzdem als Kunst betiteln - im Gegensatz zu Sport - obwohl ich mich selber überhaupt nicht als Künstlerin sehe, sondern mich dem schlichten Handwerk widme. Kunst sehe ich für mich da also in erster Linie erstmal eine Einstellungssache.

Deshalb kann es für mich per Definition im Sport keine Künstler geben, weil hier die geistige Einstellung hinter der gezeigten Tätigkeit ein Leistungsmessen ist: schneller, höher, weiter, besser, exakter etc. Da können hervorragende Techniker dabei sein und diese Leistung respektiere ich in höchstem Masse. Aber es ist für mich trotzdem nicht Kunst.
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Beitrag von amara »

Nur Jen........was hat das mit der Diskussion Handwerk und Kunst zu tun??? GOTTSEIDANK kann man das Handwerk ja JENSEITS eines Turniers erlernen. :oops:
Und wie gesagt - auch die Aufgaben "darf" man reiten OHNE sich an einem A Turnier zu beteiligen.

Du bringst jetzt einen Dritten Begriff hier herein, nämlich Sport - aber genau darüber habe ich z.B. _nicht_ gesprochen. Sport und Technik gehören eben _nicht_ in einen Topf.
(Im übrigen gibt es deswegen ja ab höheren Klassen auch eine nicht-technische Note... ob man die jetzt gerecht oder gut findet sei mal dahingestellt)
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Beitrag von Jen »

Sport gehört in den Thread rein, weil das ursprüngliche Video einen Sportreiter zeigt, der sich gerade an einem Turnier befindet. Und beim Reiten ist das nun mal so, dass sich ein grosser Teil der Reiter in diesem Bereich bewegt. Das hat nichts mit "Aufgabe reiten" zu tun, sondern eben mit dem Messen von Leistung.

Die Frage ist ja schlussendlich, um zum Thema zu kommen, kann ein weniger guter Reiter auch ein Künstler sein?

Die Frage ist halt: wieviel weniger gut?

Ich bin absolut dafür, dass man "auf den Punkt" reiten kann, sonst ist das Pferd nicht durchlässig an den Hilfen.

Aber doch, für mich gehört diese geistige Ebene halt eben dazu. Wir alle werden wohl nie einen Picasso der Reitkunst werden. (Sorry, falls ich da jetzt gerade jemanden desillusioniert habe :P ) Und trotzdem können wir uns der "Kunst" widmen. Dazu gehört für mich zb. das Wissen darum, woher die Reitkunst kommt, warum wir etwas tun und mit welchem Zweck etc.

Und dann kommt es eben zusammen: die Technik und der Geist. Denn die Technik formt das aus, was der Geist vorgibt. Wenn man kein klares Bild davon hat, was man möchte, wird einem die beste Technik nichts nützen. Wenn man ein ideales Bild hat, aber keine Technik, wird man dieses Bild nie manifestieren können.

Wir alle bewegen uns im Graubereich. Die Frage, wo die Krone der Kunst ist, ist also für mich nicht so spannend. Interessanter finde ich: wo fängt sie an bzw. wo hört sie auf?
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Beitrag von horsman »

@Jen, natürlich kann ein "weinger guter" Reiter kein Künstler sein. Die Frage ist bloss ob ein erfolgreicher S-Dressur-Reiter nun schon ein guter Reiter ist, bloss weil er ne S-Dressur gewonnen hat und ein anderer Reiter, der niemals ein Turnier bestritten hat, immer gleich der schlechtere Reiter sein muss, weil er keinen Turniersieg vorweisen kann. Es wird von beiden "Sorten" solche und solche geben.

Insofern ist es auch eine Frage der klassifizierung von gut oder weniger gut. Woran macht man es fest?

Bei dem Ritt im Video fehlt mir aber vieles, was ich von einem Reiter, der nach Ausdruck sucht vielleicht eher finden könnte. Obs der Mann nu zuhause anders hinbringt keine Ahnnung, mag sein. Nur warum reitet er dann so in der Prüfung? Vielleicht liegts auch einfach an diesen Prüfungen. 4 1/2 Minuten - alles mögliche wird rein gepackt - für nichts ist Freiraum, nichts kann "zelebriert" werden, Ausdruck findet in der Bewertung nur sehr nachrangig Platz.
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Beitrag von Jen »

Ah, da haben wir ja noch ne neue Frage:

Ab wann ist ein Reiter ein guter Reiter?

Horsmän, wann ist denn für dich ein Reiter gut?

Und fängst du nicht langsam an, gewisse Bewertungskriterien zusammenschmeissen und etwas unpräzise werden? Warum sich ein Reiter dem Sport widmet ist ja eine andere Frage, ob er ein guter REiter ist und ob er zu Hause vielleicht auch mal "nur so" reitet oder ob er immer zielgerichtet für die Aufgabe trainert.

Ich mein, das sind persönliche Präferenzen und eben eine Einstellungssache und haben nichts damit zu tun, ob ein Reiter "gut" ist oder nicht. Und das hat auch absolut nichts mit der Qualität der Zucht zu tun bzw. der Qualität des Reitpferds.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
esge
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Beitrag von esge »

ich stelle mal Querfrage: Was mag denn dem Pferd wohl wichtig sein?

Ich verstehe, auf was Jen hinaus will. Mir geht das, soweit man das ergründen kann, wohl genauso. Da ist noch ein spielerisches Element, was Handwerk und Kunst trennt. Etwas, was sich nicht genau in Regeln und Norme fassen lässt. Weshalb Turnier und Kunst seltenst zusammen kommen können. Einigen ganz Großen ist es auf einigen ganz großen Ritten gelungen. Ich denke an Balkenhol in L.A. Grundgütiger! Welch Maßstab!

Aber ob unsere Pferde wirklich Künstler brauchen? ich schätze mal, dass die meisten mit guten Handwerkern hoch zufrieden wären. Was nicht heißen soll, dass wir keine Vision haben sollen. Mir hilft es, wenn ich Ritte sehe, die mein Herz berühren. Am besten, wenn diese Ritte im Schwierigkeitsgrad nicht so unendlich weit von dem, was ich vielleicht eventuell je erreichen kann, entfernt sind, wie zitierter Balkenholritt.
Insofern, es gibt auch auf kleinerem Niveau Momente und Darbietungen, die einfach mein Herz erreichen. Ob das immer Kunst ist? Hm. ehrlich gesagt: Egal. Mich berührt es immer dann, wenn ich das Gefühl habe, das fließt was zwischen Pferd und Reiter. wenn es nach "gemeinsam" aussieht. eine Zwisprache, ein gegenseitiges Versunkensein oder auch einfach großer gemeinsamer Spaß.

Handwerk, Kunsthandwerk, Kunst? Aller Vergleiche zu anderen Bereichen der bildenden Kunst hinken. Einfach weil nur die Reiterei es mit einem lebenden Wesen als zu bildendes Kunstwerk zu tun hat. Das sich immer in Entwicklung, immer in Bewegung findet, das fühlt, atmet, lebt, das nicht einfach ein Fleischberg ist, der geformt wird, sondern auch Sinne, Gehirn und Gedächtnis hat, das gute und schlechte Tage hat, wie wir auch.
Darum bleibt für mich der allgemeine Eindruck, ob da zwei was miteiander tun, oder ob einer nur herumgegegängelt wird, doch irgendwie das entscheidende Kriterium, ob es mich berührt oder nicht.
Trotzdem oder gerade deshalb kommt aber kein Reiter drumherum, sich immer wieder und wieder mit dem "handwerk" zu beschäftigen. Alles andere ist dem pferd gegenüber unfair.

Uff, was ein Sermon. ist so schwer in Worte zu fassen.
Loslassen hilft
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