Hm, eine wahrhaft schwierige Frage... Ich möchte versuchen, sie aus drei Sichtwinkeln - die sich aber gegenseitig bedingen - anzugehen... Ich persönlich glaube aber nicht, dass die Frage zu beantworten sein wird. Jeder muss sie im Grunde bis zu einem gewissen Grad für sich selber beantworten.
1. Meine eigene Meinung:
Ich mag den Begriff "Barock" nicht, da er für mich auch nach Kostümreiten, purer Show, mehr Schein als Sein klingt. Das ist aber einfach meine persönliche Meinung dazu. Viele "Englisch-Reiter" (auch so ein toller Begriff...

) bezeichnen uns "Klassiker" auch als "Barockreiter", da sie selber die "englische" Reitweise als die "klassische" ansehen...
(vgl. dazu auch Punkt 3 zur Semantik)
Eine Lösung im Begriffschaos ist also wohl nicht wirklich in Sicht

; ich denke, jeder muss die Begriffe für sich selber definieren, und zwar anhand dessen, was dahinter steht, und nicht anhand der Verpackung (also einem Oberbegriff). Ich selber bezeichne mich als "Klassikreiterin", weil... Wenn andere mich als "Barockreiterin" bezeichnen aus denselben Gründen, dann ist das für mich aber auch in Ordnung.
2. Historisch gesehen:
Von der Grundidee her beziehen sich die Begriffe "klassisch" und "barock" ja auf historische Epochen. Grob gesagt: Barock: 17, Jahrhundert; Klassik: 18. Jahrhundert.
Von den "alten Meistern" können wir Pluvinel also im Barock, Guérinière in der Klassik ansiedeln. Je nachdem, an welchem man sich mehr orientiert, könnte man sich also einer Epoche zuordnen. Da aber kaum jemand sich heute mehr total auf diese grossen Reiter berufen kann (und wird), ist auch diese Unterteilung schwammig. Das Ganze verkompliziert sich dadurch, dass Epochengrenzen nicht fix sind verschoben werden können und die heutigen "Barockreiter" sich auch auf Guérinière berufen

, auch wenn der im Zeitalter des Barock streng noch gar nicht gelebt hat.
3. Semantisches zu den Begriffen:
Was ich auch noch anmerken möchte zu der Wortbedeutung der Begriffe "Klassik" und "Barock" selber: Eine "klassische Epoche" in der Geschichte - sei das nun in der Geschichte der Reiterei, der Literatur, der Malerei, etc. - ist immer eine Epoche, die durch die Orientierung an der Vergangenheit aussergewöhnlich Grosses leisten will. "Klassik" verweist auf Altes, ist gleichsam zeitlos und immer positiv konnotiert. Vielleicht sehen wir uns deshalb gerne als "Klassiker"?
Barock hingegen - der Begriff bedeutet: "ungerundete Perle" - verweist schon in sich auf Prunk, auf Äusserlichkeiten, auf Wirkung. Er hat eigentlich nichts Innerliches in sich - etwas, das von uns "Klassikreitern" ja aber immer betont wird, weil wir das für wichtig erachten. Vielleicht lehnen viele auch darum den Begriff "Barock" für ihre eigene Reiterei ab? (Die Wirkung nach aussen ist dann wieder etwas anderes: Selbstbild und Fremdbild differieren ja leider nur zu oft, und die Vorführung so manchen Reiters ist wohl nur der eigenen Überzeugung nach "klassisch", aber nicht in der Ausführung...)
LG, Bea