Grundausbildung für bereits 9-jährige Stute?

Rund um die klassische Reitkunst

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Merlin
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Grundausbildung für bereits 9-jährige Stute?

Beitrag von Merlin »

Ich möchte meine Frage vor allem an die „Ausbildungsexperten“ in diesem Forum richten, da ich wirklich ein wenig ratlos bin.

Ausgangssituation ist die folgende: Mir wird zum Kauf eine 9-jährige Lipizzanerstute angeboten. Vom Typ, Gebäude, Gangwerk und Größe genau das richtige für mich. Gesucht und gefunden. Der Haken: Das Pferd hat nie eine richtige Grundausbildung erhalten. Sie wurde 3-jährig in Ungarn gekauft (war eingeritten und eingefahren) und hat seitdem 3 Fohlen bekommen, aber wurde nie mehr sinnvoll und mit System gearbeitet. „Die wird ab und zu im Gelände geritten und 2-spännig gefahren. Ansonsten ist sie Mama und Herdenchef“

Die Stute ist sehr dominant und braucht einen Alpha-Menschen. Ich möchte die Stute als Reitpferd kaufen. Mir ist vollkommen klar, dass da viel Zeit und Arbeit drin steckt. Das ich sehr langsam anfangen muss und die ersten zwei Jahre mind. Aufbauarbeit habe.

Jetzt wird mir von vielen Freunden und Bekannten abgeraten. Viele sind der Meinung, dass man ein so „altes“ Tier nicht mehr plötzlich arbeiten könne. Die würde sich wehren, gar nicht erst mitmachen. Unmöglich! So die Kommentare.

Ich weiß, dass Lipizzaner Charakterpferde sind. Ich bilde gemeinsam mit einer Freundin ihren mittlerweile 8-jährigen Lipi-Wallach aus. Aber mit so viel Ablehnung hatte ich gar nicht gerechnet.

Meine Frage: Ist das wirklich so unmöglich, ein 9-jähriges Pferd an die „Arbeit“ zu gewöhnen? Welche Hindernisse in der Ausbildung stehen mir noch bevor, von denen ich möglicherweise nichts ahne? Gibt es irgendwelche ähnlichen Erfahrungsberichte?

Lieben Dank für Eure Antworten. Dunja
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

Also ich sehe da eigentlich keine Bedenken. Mein Pferd (Trakehner) habe ich mit 16 Jahren nochmal komplett umgestrickt und ihm eine Grundausbildung verpaßt, die er bis dahin noch nicht hatte, weil ich es einfach falsch gemacht habe und er hat sich weder dagegen gewehrt, noch irgendwelche anderen Sachen abgezogen. Im Gegenteil. Er wurde immer besser..

Warum soll das also nicht auch mit Deiner Stute gehen.. Sicher ist sie mit 9 Jahren schon im Charakter gefestigter als ein Jungspund, aber mit Diplomatie sollte das eigentlich alles machbar sein.

LG Alix
"Erst gehen lernen, dann dressieren" (Udo Bürger)
Sheitana
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Re: Grundausbildung für bereits 9-jährige Stute?

Beitrag von Sheitana »

Merlin hat geschrieben: Jetzt wird mir von vielen Freunden und Bekannten abgeraten. Viele sind der Meinung, dass man ein so „altes“ Tier nicht mehr plötzlich arbeiten könne. Die würde sich wehren, gar nicht erst mitmachen. Unmöglich! So die Kommentare.
Das ist Quatsch. Hierbei kommt es nicht auf das Alter, sondern auf das Pferd an.

Da sie ja nicht sondernlich viel getan hat die letzten Jahre musst du ja so und so mit Aufbautraining anfangen, also warum nicht gleich auch von vorne beginnen?

Vielleicht wird die Stute es sehr gerne annehmen, dass endlich gut mit ihr gearbeitet wird. Natürlich könnte sie auch *widersetzlich* sein, aber das wäre sie dann wahrscheinlich auch, wenn du nicht von vorne beginnen würdest (meiner Meinung nach sogar viel eher), oder wenn sie noch jünger wäre.

Feendrache und ich haben mit ihrem Wallach letztes Jahr ganz von vorne angefangen, weil er einfach nur versaut war. Da war er sieben und es war überhaupt kein Problem. Abgesehen halt von den Problemen, die er aufgrund seiner Vergangenheit mit dem Menschen hat. Er hat unsere Arbeit aber trotzdem gerne angenommen.
LG
Sheitana
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Nora

Beitrag von Nora »

Hallo Merlin,

kann mich meinen Vorrednern nur anschließen! Ich denke, mit Können, Geduld und Liebe kann man Pferde jeden Alters ausbilden. Dass sich Dein neues Pferd "widersetzen" könnte, glaube ich nicht, im Gegenteil: Viele Pferde, die lange nur mehr oder weniger rumgestanden haben, sind äußerst dankbar dafür, wenn ihr Mensch ihnen mal Futter für den Kopf gibt :wink: ! Lass Dir Zeit bei der Ausbildung und bau erstmal ein Verhältnis zu dem Tier auf.

Übrigens: Meine Stute (Hafi) ist jetzt 13 und hat erst seit vier Jahren überhaupt Unterricht. Vorher war sie ein echter Sternengucker und mehr oder weniger Durchgänger. Sie hat in der Zeit irre viel gelernt und ist motivierter denn je!!

Viel Glück und hör auch ein bisschen auf Dein Gefühl, das Dir ja zu sagen scheint, dass das Pferd das richtige für Dich ist!!

LG, Iris
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Merlin
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Beitrag von Merlin »

Danke für Eure Antworten - so ähnlich habe ich es mir eigentlich auch gedacht. Es dürfte doch keinen Unterschied machen zwischen komplett fehlender Grundausbildung und "Umbildung" wegen schlechter Erfahrungen.

Ich freue mich über weitere Erfahrungsberichte. Insbesondere zu diesem speziellen Fall, nämlich ein Pferd erst sehr spät überhaupt in die Ausbildung nehmen.

Danke! :D
Yasca

Beitrag von Yasca »

weißt du was schon lange mein Motto ist?! Lass die Leute quaken, hör nicht hin und mache das was dir dein Bauchgefühl sagt. Wenn du meinst, dass ihr beiden zusammepaßt, dann ist das so! Basta!

Und was die Ausbildung betrifft - ich habe bereits mehrere "ältere" Pferde in die Grundausbildung geschickt. Hatte einige von der Rennbahn, die sozusagen auch "roh" waren was das dressurmäßige reiten betrifft. War überhaupt kein Problem!
Auch Pferde die vorher anders geritten waren haben wir problemlos umstellen können....

Behalte den Mut und die Motivation und es wird sicher klappen!

Viele Grüße,

Yasca
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Feendrache
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Beitrag von Feendrache »

Merlin hat geschrieben:Danke für Eure Antworten - so ähnlich habe ich es mir eigentlich auch gedacht. Es dürfte doch keinen Unterschied machen zwischen komplett fehlender Grundausbildung und "Umbildung" wegen schlechter Erfahrungen.
Also komplett fehlende Grundausbildung halte ich für einfacher als "umbildung" wie du das nennst ;).

Ich wüsste nicht, was dagegen spricht, dass du mit der Stute wieder von vorne anfängst.
Ich habe bei meinem auch immer wieder zurück geschraubt, bis ich wirklich wieder GANZ am Anfang war. Er hat es mir mehr als gedankt.

Sicherlich Ruhe und Geduld sind hierbei wichtig... aber es geht
In nur vier Zeilen was zu sagen
erscheint zwar leicht; doch es ist schwer!
Man braucht ja nur mal nachzuschlagen:
die meisten Dichter brauchen mehr ... (Heinz Erhard)
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Merlin
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Beitrag von Merlin »

Und was ist mit der Lipizzaner-Komponente? Gibt es hierzu noch Meinungen und Erfahrungen?

Ansonsten - Ruhe und Geduld sowie viel Zeit und den nötigen Respekt - das werde ich in jedem Fall hinbekommen. :wink:

In knapp zwei Wochen fahre ich dann nochmal zu Stuti und ich würde die Prinzessin dann am liebsten gleich mitnehmen. *schmacht*
esge
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Beitrag von esge »

Ich bekam vor etlichen Jahren eine 9-jährige Islandstute zum Anreiten. Diese Stute war noch gar nicht geritten, hatte mehrere Fohlen gehabt und war Herdenchefin.
Jeder einzelne Ausbildungsschritt gestaltete sich bei dieser Stute als extrem schwierig. Sie schien wirklich nicht einzusehen, warum sich ihr Leben jetzt ändern sollte. Oder weniger vermenschlichend ausgedrückt: Sie war aus einem Leben gerissen worden, das für sie klar überschaubar und somit unbedrohlich war und in ein komplett neues geschmissen worden, was ihre Existenz zu bedrohen schien. Sie wehrte sich gegen jeden Ausbildungsschritt. Anbinden, Putzen, Hufe geben, Führen, Longieren, Satteln - jeder einzelne Schritt geriet früher oder später zu einer Machtprobe.
Beim Reiten habe ich nach zwei Stürzen kapituliert. Die Stute ging lammfromm - bis sie plötzlich absolut unhaltbar (auch unhaltbar für eine Führperson vom Boden) losstartete und so lange buckelte bis ich unten lag). Ich wollte meine Gesundheit dann nicht länger riskieren.

Ich hatte vor ihr 3 Pferde angeritten. Ich war also zu diesem Zeitpunkt nicht super erfahren im Anreiten, aber auch nicht mehr gänzlich neu. Und es war nicht mein Pferd, wodurch einerseits die zur Verfügung stehende Zeit begrenzt war, andererseits auch das Verhältnis zwischen mir und Pferd nicht sonderlich tief.
ich denke, mit erheblich mehr Zeitinvestition kann man auch ein älteres Pferd noch ausbilden. Zumal ist die von dir beschriebene Stute ja nicht mehr gänzlich roh. Aber im Gegensatz zu einem Jungpferd ist so ein Pferd eben schon eine ganz fertige Persönlichkeit. Viele Konzepte, wie Pferde eingeritten werden, sind eben auf Jungpferde zugeschnitten. Man bringt erwachsenen Analphabeten ja das ABC auch auf anderem Wege bei als 6jährigen I-Dötzchen. Methodik und Didaktik müssen sich, sozusagen, unterscheiden und angepasst werden.
Heute würde ich mit der oben beschriebenen Isistute sicher anders vorgehen als damals.
Loslassen hilft
esge
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Beitrag von esge »

Nachtrag: Diese Stute war vom Typ ähnlcih unabhängig und selbstbewusst wie es wohl die Lipizzaner sind.

Und: Es ist nicht das Lernvermögen, das bei einem älteren Pferd begrenzter wäre. Auch erheblich ältere PFerde können noch Unmengen lernen. Aber Gewohnheiten umzuformen ist immer schwerer, als neue Gewohnheiten zu formen - wie wir von uns selbst sicher alle wissen.
Loslassen hilft
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Merlin
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Beitrag von Merlin »

@esge:
Danke für Deinen Beitrag! Was würdest Du denn heute anders machen? Mehr Beziehungsarbeit, mehr Zeit lassen?

Ich habe vor, der Stute mind. ein halbes Jahr Eingewöhnungszeit zu geben, bevor die "richtige" Arbeit anfängt. Ich möchte ja auch erst einmal Rücken, Zähne etc. kontrollieren und ggf. machen lassen.

Dh. jetzt erst mal Gewöhnung an das tagtägliche Putzen, Reinholen von der Koppel, mal im Stall lassen, Spazieren gehen an der Hand, alleine und mit anderen Pferden, Bodenarbeit, langsames Gewöhnen ans Longieren etc. Mit dem Reiten wollte ich erst loslegen, wenn ich das Gefühl habe, das sie ihr altes Leben hinter sich gelassen hat und sich richtig auf die neue Aufgabe einlassen kann.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Saludos aus Spanien,
möchte mich mal eben Esges Beitrag anschließen – auch wenn es bei mir ein Hengst war und ist. Das Kuriose bei der Ausbildung eines Pferdes in diesem Alter (meiner war auch neun, als ich ihn gekauft habe) ist ja, dass man sie eigentlich arbeiten muss wie eine Remonte, andererseits aber immer im Kopf haben muss, dass das ganz ausgereifte Persönlichkeiten mit eigenem Kopf sind. Wobei mein Herr einen wahren Charakterschädel sein eigen nennt. :D
Aktuell habe ich neben Cubano noch einen 3,5jährigen, der gerade auf das Anreiten im Winter vorbereitet wird – und das sind in der Tat zwei völlig verschiedene Dinge: Während der Lütte erst mal neugierig schaut, was denn jetzt gemacht werden soll, war Cubano oft erst mal dagegen. Schon aus Prinzip. Bei ihm äußerte sich Unmut übrigens durch Durchgehen. Von jetzt auf gleich und in allen Gangarten.
Heute ist der Herr 11 und mittlerweile bis auf Ausnahmen kooperativ. Aber man muss da wirklich am Ball bleiben (ich hab meine Hengste am Haus und reite eigentlich jeden Tag).

LG
Andrea
Carmen
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Beitrag von Carmen »

Meine Stute war mit 9 Jahren gerade angeritten. Die schwankte wie besoffen, wenn ein Reiter drauf saß.
Biegungen, geradeausgehen etc. fiel ihr ursprünglich alles viel schwerer als meinem damals 4jährigen, auch gerade angerittenen Wallach. Trotzdem hat sie sich gut entwickelt. Ich hätte keine Bedenken, ein älteres Pferd auszubilden. Besser als ein 4jähriges, das bereits "piaffiert". :roll:
"Es gibt schon viel zu viele Pferde, die Gefangene sind. Wenn wir unser Pferd lieben, müssen wir [...] ihm so viel wie möglich von seiner Freiheit zurückgeben." Sylvia Loch
Jolly
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Beitrag von Jolly »

Ich denke, man muss sich das jeweilige Pferd anschauen ... ich habe im Moment eine 8j. Stute zum reiten, die mit drei mal 8 Wochen eingeritten wurde und danach nur rumgestanden hat. Auch sie ist sehr ranghoch und unabhängig. Aber sie arbeitet gerne, ist sehr sensibel und lernt schneller, als die Jungen, die ich bisher geritten habe. Sie ist immer mit Feuereifer dabei und ist eher übermotiviert, die Arbeit mit ihr macht daher unheimlich Spaß, da sie von Haus aus sehr viel Gangpotential hat, fällt ihr vieles leicht.
Also ich würde das Pferd immer wieder nehmen ...
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Alasca
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Beitrag von Alasca »

Hallo,
ich habe meinen PRE Hengst erst mit 15 bekommen, er war vorher nur im Gelände geritten... Ich habe ihn (er ist jetzt 18 Jahre alt) mit viel Geduld und sehr fein bis zum Anfang Piaffe ausgebildet, er beherrscht alle Seitengänge und Traversalen in allen 3 Gangarten, spanischen Schritt und Knien!
Und - JA - klar kann man Pferde in dem Alter noch ausbilden und/oder umstellen! :D

LG Nadin
Dein Pferd ist Dein Spiegelbild
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