Dies hier war eine Frage, die keinen Smile beinhaltete:
sinsa hat geschrieben:Wie beugt denn die Kandare die Hanke? Oder anders gesagt: was ist alles erforderlich, um die Hanke zu beugen und welchen Teil davon bewirkt die Kandare?
Dies war Fiorellas Interpretation Deiner Aussage und hier sind dann smilies eingefügt.
Fiorella hat geschrieben:aber in erster Linie geht es darum, ob man die Hanken schon aktiv beugen kann oder nicht, DANN macht eine Kandare Sinn, denn genau das ist ihre Aufgabe.
Das ist Bernies Zitat.
Ich lese es so, dass sie damit sagen will, eine Kandare macht Sinn, wenn das Pferd die Hanken schon beugen kann.....nicht umgekehrt.
und nun meine Antwort an Fiorella MIT smilies
sinsa hat geschrieben:Fiorella hat geschrieben:Ich lese es so, dass sie damit sagen will, eine Kandare macht Sinn, wenn das Pferd die Hanken schon beugen kann.....nicht umgekehrt.
Aber streng genommen kann ein Pferd doch von Hause aus die Hanken beugen und ist somit grundsätzlich Kandarenreif

Daraus zu lesen, dass ich die Aussage mache, dass eine Remonte meines Erachtens nach die Kandarenreife tatsächlich hat, empfinde ich schon ein wenig sehr arglistig hineininterpretiert.
Daraus schließe ich mal ganz frech, dass es sich hier:
Bernie hat geschrieben:Da Du auf ein Zitat von mir geantwortet hast und auch kein Smilie Deine Aussage bzgl. Hankenbug bei jungen Pferden begleitet hat, konnte ich Dein "Spässeken" nicht als solchen erkennen. Deshalb ist es wichtig, sich im www präzise auszudrücken, da ansonsten Missverständnisse vorprogrammiert sind.
um ein Missverständnis handelt.
Nachdem nun hoffentlich klar ist, dass ich mir nicht anmaße zu postulieren, dass eine Remonte per se die Kandarenreife hat, möchte ich, da Du Dir die Mühe ja schon gemacht hast, Deine Zitate von Seuning dennoch mal ein wenig näher beleuchten und komme so zu den Schwierigkeiten der Interpretation von (alten) Texten.
Bekanntlich wirkt die Stange als Hebel der die Last (das geradegerichtete im erworbenenn Gleichgewicht befindliche Pferd), vom Angriffspunkt seiner Kraft (den Zügelringen der Anzüge) aus über Genick, Wirbelreihe, Kreuzbein, Hanken und Sprunggelenke bis zu den Fesselgelenken beherrschen will.
Hmm- Wenn das Pferd im Gleichgewicht ist, wozu dann der Hebel und warum muß ich dann die Last noch beherrschen? Die Stange liegt außerdem so im Pferd, dass sie rein technisch gesehen, nur schlecht vorstellbar etwas sein kann, dass als Hebel die Kraft beherrscht. Mal ab davon, ob es die Aufgabe eines Hebels überhaupt sein kann, Kraft zu beherrschen.
Ein reines Fortpflanzen der Kraft bis zu den Hufspitzen der Hinterbeine , also die ungehemmte Hebelwirkung, kann aber nur dann erfolgen, wenn Durchlässigkeit vorhanden, dh die Leitung nicht unterbrochen ist, somit die Kraft nirgends, weder nach vor- auf- ab- oder seitwärtsentweichen, noch irgendwo stecken bleiben kann.
Gut, dass Pferd soll also in der Lage sein, Kraft durch seinen Körper fließen zu lassen und nicht zu blockieren und vermutlich soll es auch so losgelassen sein, dass es Hilfen ohne sich zu wehren umsetzt. Danach aber wird es bei der Vorstellung von " sich fortpflanzender, ungehemmter Kraft bzw. Helbelwirkung " für einen Physiker vermutlich lustig,
Sollte eine Kraft nicht Arbeit verrichten? Nehmen wir also an, dass das Pferd Arbeit verrichttet - sprich das Pferd läuft geradeaus und trägt den Reiter.
Irgendwie will es mir erscheinen, dass man aus diesem Text leider keinen Versuchsaufbau logisch nachempfinden kann
Irgendwo wird vermutlich Energie ins Pferd gegeben, denn sonst könnte es nicht mittels Kraft eine Arbeit verrichten. die Arbeit an sich habe ich, mangels anderer Angaben, mal mit laufen und tragen definiert.
Nachdem nun eine Energie nicht verloren geht, sondern umgewandelt wird. kann man sich das Ergebnis ja mal versuchen vorzustellen.
Dummerweise sagt uns Seuning nichts zu dem Ergebnis, sondern nur, dass eine Kraft durch das Pferd bis zur Hufspitze gelangt und somit das Pferd läuft und trägt.
Der Rest bleibt mehr oder weniger unserer Phantasie überlassen.
Er beschreibt etwas, von dem wir vermutlich alle ein Bild vor Augen haben, dass aber mitnichten für alle gleich sein wird und das schon gar nicht mit Hilfe seiner Definition jemals wissenschaftlich belegt oder meßbar gemacht werden kann. Unklar bleibt für mich auch, was da nun genau die Kandare damit zu tun hat. Ich meine, dass Pferd kann das alles durchaus auch ohne Kandare.
So richtig kommen wir hier also einer Erklärung der Wirkungsweise der Kandare nicht näher. Schauen wir also, was Seuning als Grundvorraussetzungen für die "Kraftbeherrschung der Kandare" vorsieht.
Die erste Bedingung ist, dass sich das Pferd an die Zügel streckt und geradegerichtet ist. Ja, diese Begriffe kennen wir alle und wir alle wissen, dass ein gerades Pferd, das sich beständig an das Gebiss anlehnt, eher ein Ideal als ein Dauerzustand ist. Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder ist kaum ein Pferd je wirklich Kandarenreif, oder wir nehmen an, dass es sich um ein Pferd handeln soll, dass nicht mehr völlig schief, sondern eher gerade ist und sich schon über längere Zeit an die Hand anlehnt. Da sich das Pferd für die erste Bedingung an den Zügel strecken soll, ist es laut Seuning scheinbar vollkommen unerheblich, ob und mit welchem Gebiss ich es in diesen Zustand versetze.
Dies wird erst in der zweiten Bedingung genauer definiert, nämlich durch Trensenarbeit, die gemacht werden muß. Kein Wort hier von gebrochenen Trensen. Nur Trensenarbeit. Wie auch immer die aussehen soll, aber am Ende soll das Pferd sich so bewegen, dass Kraft über den Hebel durch das Pferd strömen kann.
Schwer zu sagen, wie das dem Pferd klar werden soll, wenn da nie ein Hebel vorher eingesetzt wurde. Entweder es ließt ein Buch, was es zu tun hat, oder wir gehen davon aus, dass damit gemeint ist, dass es gelernt hat sich mit reeler Aufrichtung selber zu tragen ohne dabei auf der Hand zu liegen.
Weitergehend wird es in der zweiten Bedingung so verschwurbelt, dass ich das nochmal komplett zitiere:
Der zweiten Bedingung wird entsprochen, wenn durch vorhergehende Trensenarbeit bereits ein reiterliches Gleichgewicht geschaffen ist, welches dem Pferd eine solche Haltung gegeben hat, dass der Anzug, die Kraft des Hebels, nicht in der Kreuzgegend stecken bleibt, sondern auf die durch Biegearbeit trag- und beugefähig gewordenen Hanken, die, vor die Senkrechte Hüftgelenk - Huf gegen den Schwerpunkt tretend, nicht widerstreben können, übergeht und so alle Gelenke der Hinterhand belasten kann.
Die Biegearbeit und die Tragkraft hattest Du ja schon hervorgehoben.
Ich hebe mal hervor, wie sich Seuning das Ergebnis dieser Arbeit nun genau vorstellt:
die durch Biegearbeit trag- und beugefähig gewordenen Hanken, die, vor die Senkrechte Hüftgelenk - Huf gegen den Schwerpunkt tretend, nicht widerstreben können, übergeht und so alle Gelenke der Hinterhand belasten kann.
Da endlich! Eine Aussage die wenig Interpretationsspielraum übrig läßt.
Man verbindet vom Hüftgelenk zum Huf. Kommt man nun mit der entstandenen Linie vor die Senkrechte, von der man annehmen kann, dass sie ein vom Hüfgelenk gefälltes Lot ist , ist die Bedingung erfüllt.
Na, das ist ja einfach! Hinterbein nach vorne gesetzt und schon hat man Hankenbeugung
Ok, Spaß beiseite. Man muß sich ja nicht blöder stellen, als man ist. Nehmen wir also an, dass ein Pferd, was sich zu biegen gelernt hat, in der Lage ist, mit der HH vermehrt Kraft aufzunehmen. Damit wäre es laut Seuning, dann Kandarenreif, wenn es die Losgelassenheit erreicht, sich biegen kann, nicht mehr völlig schief ist und ein Reiter draufsitzt, der nicht verhindert, das die Bewegungen des Pferdes behindert werden.
Meiner unmaßgeblichen Meinung nach, sind diese Bedingungen in den Anfängen relativ schnell erreicht. Über die Qualität dieses Zustandes wird hier nicht sehr viel geäußert und nichts davon besagt, ob und wie lange man dann die Kandare einsetzten kann, darf, muß oder soll. Es sagt ja nichtmal etwas darüber aus, was der Einsatz der Kandare denn dann bewirken soll, außer dass eine eher ominöse Kraft durchs Pferd schwirrt, die mittels Kandare beherrscht werden soll oder muß. Denn erarbeitet wird diese Kraft ja eigentlich laut Seuning vorher durch die Trensenarbeit. Entsteht also bei der Trensenarbeit eine Kraft? Und wenn ja, was macht diese Kraft, dass sie beherrscht werden muß? Was läuft da so falsch, dass es dazu kommt, dass man sie überhaupt beherrschen muß?
Hier läßt uns Seuning im Regen stehen. Interpretiert man seinen Text so, dass das Pferd, mit Hilfe der Arbeit mit Trense, die Grundschule eines Reitpferdes beherrscht, losgelassen mit dem Reiter schon geradeaus mit Reiter im Gleichgewicht laufen kann. Kann man davon ausgehen, dass das Pferd mehr Muskeln aufgebaut hat und nun eine Kandare eingesetzt werden kann oder soll, um (diese) Kraft zu beherrschen.
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Ups! Das klingt nun dummerweise so, als hätte man nun ein Pferd, bei dem man ohne Kandare womöglich alle Hände voll zu tun hat, um die Kräfte die man schuf, im Zaum zu halten. Das muß ein Irrtum sein
Ehrlich, ich finde diese alten Texte aus heutiger Sicht und mit meinem rudimentärem Wissen der damaligen Zeit, zum einen nervtötend merkwürdig formuliert und zum anderen bieten sie kaum wirklich nachvollziehbare Ansätze, die einem helfen, reale Vorgänge auch zu verstehen.
Ich habe ja keine Ahnung, wann Seuning so gelebt hat, aber ich schätze, dass zu seiner Zeit, die wissenschaftlichen Begriffe und Vorstellungen doch noch etwas anders mit Leben gefüllt waren, als heute.
Sie lassen einfach zu viel Interpretationsspielraum, als dass ich das nun als wirklich sinnvolle oder geschweige denn alleingültige Interpretation für Kandarenreife ansehe. Nichtmal die Hankenbeugung wird in diesem Text definiert, so dass man mit seiner Senkrechten auch so einige Dinge anfangen kann, die womöglich nicht im Sinne des Erfinders lagen.
Wenn ich mir nun andere Reitweisen und auch einige Klassiker, wie z.B. Branderup vor Augen halte, dann komme ich sogar zu dem Schluß, dass auch diese so einiges anders sehen könnten, als Seuning und das es daher sehr viel mehr Interpretationsspielraum für den Begriff Kandarenreife gibt.