Losgelassenheit

Rund um die klassische Reitkunst

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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

ottilie hat geschrieben:Ich möchte daran erinnern, daß die Eingangsfragen wie folgt lauteten:
Aber wie bringt man ein Pferd zur Losgelassenheit? Welche Übungen erleichtern den Weg dorthin?
Warum erreichen einige Pferde die Losgelassenheit nur schwer, bei anderen dagegen ist das ganz schnell "abgefrühstückt"?
Und was könnte die Losgelassenheit stören?
Bitte sachlich beim Thema bleiben.
Ich bin früher für das Lösen viel v/a auf großen Linien geritten, und habe trotzdem am nächsten Tag oft meine Ansprüche etwas zurücknehmen müssen, weil das Pferd - besonders im Winter - etwas klamm war. Mein Anspruch an ein "losgelassenes" Pferd ist auch, dass es eben von Beginn der Arbeit locker und entspannt ist.
Mein persönlicher Durchbruch kam durch Bodenarbeit zum Lösen. Jetzt steige ich auf ein aufmerksames, lockeres Pferd auf, dass von Beginn an Fleiß und eine "losgelassene Spannung" (Lieblingswort meines RL) zeigt.

Früher war er anfangs faul und schwierig in Gang zu bekommen, was ich durch verstärktes Treiben auszugleichen versucht habe. Das Bohren mit Sporen stört das Loslassen des Pferdes enorm, weil sie aus Angst vor weiteren Stichen ihre Bauchmuskulatur angespannt halten.

Zum Thema Sitzen: ich habe mich von einem extrem schlechten Sitz in den letzten fünf Jahren zu einem ganz annehmbaren Sitz durchgekämpft, was der Losgelassenheit unsere Pferde nur zuträglich war. Wer sitzen kann, kann reiten. Und unsere Pferde haben RICHTIG Schwung. Wer es nicht glaubt ist hiermit zu einem Proberitt eingeladen.
Ich finde auf dem viel diskutierten Video Pferde und Reiterin gut und den Umständen entsprechend gut herausgebracht. Allerdings denke ich auch, dass die Reiterin für ihre Leistungsklasse nicht losgelassen genug sitzt. Sie sitzt gut und wirkt gut auf das Pferd ein, aber eine Lösung ihrer eigenen Blockaden im Bereich Becken/LWS und Schultergürtel dürfte hier wahre Wunder wirken. Ich habe leider viele Berufsreiter gesehen, die durch die starke körperliche Belastung zuviele Spannungen mit aufs Pferd bringen. Wir haben bei uns eine Bereiterin, die nach einem Bandscheibenvorfall nur noch mit Hocker aufs Pferd kommt. Wie soll denn dann ein Pferd zur Losgelassenheit kommen, wenn der Reiter ab LWS nicht mehr beweglich ist? (Nuno Oliveira mal ausgenommen) Das Motto von E. Meyners ist ja, dass man sich für jede Sportart aufwärmt, nur nicht vorm Reiten. Leider ist man auch heute immer noch der Meinung, dass man durchs durch die Gegend getragen werden ausreichend aufgewärmt wird. Das ist nicht der Fall!
P.S. Bitte jetzt keine Diskussion über Aufsteigen mit/ohne Hocker. Mit Hocker aufsteigen ist super, aber diese Dame könnte ohne Hocker mangels Beweglichkeit gar nicht rauf.
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Meg
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Beitrag von Meg »

Medusa888 hat geschrieben: Wer sitzen kann, kann reiten. Und unsere Pferde haben RICHTIG Schwung. Wer es nicht glaubt ist hiermit zu einem Proberitt eingeladen.
Da komme ich mal drauf zurück *schonmalvorwarne* :twisted: :D 8)

LG
Meg
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Nilspferd
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Beitrag von Nilspferd »

Mimi hat geschrieben:Ich würde gern für mich persönlich zur Theorie übergehen. Wie ist es bei Euch. Ich z.B habe immer wieder das Problem, dass meine Stute Probleme hat die Losgelassenheit zu halten. An manchen Tagen klappt alles prima, dann es gibt es Tage wo Sie plötzlich beim reiten hektisch wird. Es fühlt sich so ein bischen an, als ob Sie einem unterm Hintern wegrennt, auf die Gewichtshilfen wird auch nicht mehr reagiert. Das Schlimmste, Sie hängt sich aufs Gebiss.
Ich pariere Sie dann sofort durch und fordere rückwärts, um Sie wieder leicht zu kriegen und zur Besinnung. Habt Ihr mit Euren Pferden ähnliche Erfahrungen und wie meistert Ihr die Situation :?:
Hallo Mimi, das hatte ich gerade vorgestern im Unterricht. Mein Pony hat momentan witterungsbedingt bissl viel aufgestaute Energie und wollte auch immer losflitzen. Ich musste eine zeitlang ganz untertourig traben, an der Grenze zum Schritt, dabei immer wieder den Zirkel verkleinern, die innere Hand etwas seitwärts führen, auf dem verkleinerten Zirkel etwas schulterhereinartig reiten und nur eine ganz leichte Verbindung halten. Jeden Ansatz zum Losstürmen sofort unterbinden, hauptsächlich durch den Sitz (verzögert aufstehen beim Leichttraben). Das ist für das Pferd mega anstrengend und meiner wurde auch ganz schön sauer dass er nicht das Tempo bestimmen durfte, aber nachdem der "Zorn" abgeklungen war, fing er an loszulassen. Dann darf man nur den Absprung nicht verpassen und muss wieder "normal" reiten.
Durch Rückwärtsrichten, besonders bei fehlender Losgelassenheit, bringst du meiner Meinung nach einfach nur wieder viel zu viel (negative) Spannung in das Pferd. Ich glaube aber auch nicht, dass o. g. Methode für jedes Pferd geeignet ist und ich war froh die RL an der Bande stehen zu haben. Und schön sah das vor dem Loslassen sicher auch alles nicht aus :P
Theorie ist, wenn man alles weiß und nichts klappt. Praxis ist, wenn alles klappt und keiner weiß warum. Oft sind Theorie und Praxis vereint: nichts klappt und und keiner weiß, warum.
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Losgelassenheit als Resultat der Erziehung, des Trainings und der Gymnastik ist etwas Beständiges, ist eine Fähigkeit, die - einmal erlernt und zur Gewohnheit geworden
In dem Zusammenhang möchte ich nochmal das Zitat von Bürger aufgreifen. (Quelle siehe zwei Seiten weiter vorne) Danach wäre doch die Losgelassenheit etwas, daß man irgendwann erreicht hat und nicht immer neu erarbeiten müßte.
Liebe Grüße, Sabine

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Mimi
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Beitrag von Mimi »

@Nilspferd: Danke. Das hatte ich auch unterbewusst gemerkt. Im Schulterherein hab ich Sie vom Tempo her besser unter Kontrolle. Rückwärts bringt Sie tatsächlich zur Besinnung, vorausgesetzt Sie hat 2 ,3 Sek Pause bevor ich wieder vorwärts verlange. Aber beruhigend, dass ich mit meinem Problem nicht alleine bin.
Reiten: Das Zwiegespräch zweier Körper und zweier Seelen, das dahin zielt, den vollkommenen Einklang zwischen Ihnen herzustellen.
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Ein von unseren - das ist der den Meg dann reiten "darf" (bitte Kamera und Gelkissen für danach mitbringen!! :jump1: ) - hat einen extrem hohen Muskeltonus und büffelt auch gerne mal.
Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, dass wir statt RR immer wieder anhalten und ihn abkauen lassen, damit er lernt, auf uns Reiter zu warten. Im wieder RR ist für ihn eine Strafe und er macht es dann auch nur mit weggedrücktem Rücken und hochgereckter Nase, damit ist dann keinem geholfen.
Und wenn die ersten 10 Minuten aus diesem Anhalten, Abkauen, Anreiten bestehen, dann ist es eben so, aber anschließend haben wir ein Pferd was uns zuhört und mit dem wir dann an der Losgelassenheit arbeiten können.
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Mimi
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Beitrag von Mimi »

Und hat hier Jemand diese dauerhafte Losgelassenheit schon erreicht :?:
Wir stehen da noch ziemlich am Anfang. Na ja gut Ding will Weile :wink:
Reiten: Das Zwiegespräch zweier Körper und zweier Seelen, das dahin zielt, den vollkommenen Einklang zwischen Ihnen herzustellen.
lalala

Beitrag von lalala »

Josatianma hat geschrieben:
Losgelassenheit als Resultat der Erziehung, des Trainings und der Gymnastik ist etwas Beständiges, ist eine Fähigkeit, die - einmal erlernt und zur Gewohnheit geworden
In dem Zusammenhang möchte ich nochmal das Zitat von Bürger aufgreifen. (Quelle siehe zwei Seiten weiter vorne) Danach wäre doch die Losgelassenheit etwas, daß man irgendwann erreicht hat und nicht immer neu erarbeiten müßte.
Hm...ich interpretiere das anders...dazu muss man aber das vollständige Zitat betrachten
Losgelassenheit als Resultat der Erziehung, des Trainings und der Gymnastik ist etwas Beständiges, ist eine Fähigkeit, die - einmal erlernt und zur Gewohnheit geworden - immer da ist, aber auch immer noch vollkommener und geschmeidiger werden kann.
Für mich heisst es, dass man mit fortgeschrittener Ausbildung immer schneller und leichter zur Losgelassenheit kommt, also quasi eine Art "Grundlosgelassenheit" erreicht. Bürger sagt ja auch, dass man diese Losgelassenheit immer weiter verbessern kann - > also das man natürlich auch immer weiter an der Losgelassenheit arbeiten sollte.
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Josatianma hat geschrieben:
Losgelassenheit als Resultat der Erziehung, des Trainings und der Gymnastik ist etwas Beständiges, ist eine Fähigkeit, die - einmal erlernt und zur Gewohnheit geworden
In dem Zusammenhang möchte ich nochmal das Zitat von Bürger aufgreifen. (Quelle siehe zwei Seiten weiter vorne) Danach wäre doch die Losgelassenheit etwas, daß man irgendwann erreicht hat und nicht immer neu erarbeiten müßte.
Mmmmh, ich bin ein großer Fan von Udo Bürger, aber ich denke, dass zur Erreichung der Losgelassenheit auch gehört, dass man individuell für jedes Pferd einen eigenen Weg findet es zur Losgelassenheit zu bringen. Arbeit an der Losgelassenheit ist ja in dem Sinne keine Grundausbildung, sondern - wie er schreibt - ein Resultat und da sich die Pferde ihr Leben lang in Ausbildung befindet, ist man eben immer nur auf dem Weg dahin.
Ergo habe ich bei einem eher nervösen und hoch im Blut stehenden Pferd schon viel erreicht, wenn ich ihn nicht eine Stude müde machen muss, sondern ihn durch ganz individuellen Umgang (z.B. Anhalten, Abkauen, Anreiten) je nach Tagesform schneller zum loslassen bringe. Interessant wird es dann, wenn ein anderer Reiter auf das Pferd kommt, der eben nicht "die richtigen Knöpfe" kennt, die er bedienen muss, damit ein solches Pferd auch bei ihm zur Ruhe kommt. Es berühmtes Beispiel sei hier mal Shutterfly von Meredith Beerbaum genannt. Auf den sind die Fremdreiter teilweise nicht mal draufgekommen.
Für mich ist Losgelassenheit auch ganz viel "Pferdetyp". Der eine ist immer locker, der andere ist es nie.
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Durch Rückwärtsrichten, besonders bei fehlender Losgelassenheit, bringst du meiner Meinung nach einfach nur wieder viel zu viel (negative) Spannung in das Pferd
Da möchte ich einfach nochmal widersprechen.
Zumindest bei uns ist es so, daß beim Rückwärtsrichten oft ein zufriedenes Abschnauben und Lösen entsteht. Vielleicht muß ich aber dazu sagen, daß ich ca. 10 bis 15 m rückwärts richte - langsam, auch mal mit Stand zwischendrin. Das mache ich 2 oder 3 Mal. Ich achte drauf, daß Otto möglichst rund bleibt und versuche, sowenig wie möglich mit dem Zügel einzuwirken.
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
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