Nach einer doch recht langen Anfahrt landeten wir (mein lieber Mann begleitete mich) spät abends bei Sabine. Diese begrüßte uns herzlich und nach einem Gläschen Wein und einem Schwätzchen verabschiedeten wir uns zur Nachtruhe. Am nächsten Morgen waren wir etwa gegen 8:00 Uhr im Stall und sammelten die Pferde ein. Silver ging fast reibungslos auf den Hänger (nur kurze Bedenkpausen) und Pico stieg allein in den Hänger.
Etwa 180 km waren es bis zum Hessenwaldhof und so trafen wir gegen 10:45 Uhr auf dem Hof ein. Kurz begrüßten wir die Anderen und unterliefen dann dem Irrtum, dass eine von uns schon auf dem Pferd sitzen müsse, aber die Hektik war umsonst:
12.05.2009 / 11:30 Uhr – 1. Einheit
So nun war es soweit. Silver und ich betraten die Halle, suchten uns ein Plätzchen und Sabine hielt mir gegen, damit ich aufsteigen konnte. Sachte ritt ich etwas am langen Zügel rum und versuchte Silver etwas in die Tiefe zu locken – mit mäßigem Erfolg. Aber er war trotz allem super zuverlässig und zog seine Bahnen. Und schwupps war ich an der Reihe und Desmond kam zu mir. Ich stellte mich und das Pferdchen vor. Er schaute ganz kurz und sagte dann „Ah, das Tandempony!“ Ein wirklich gutes Gedächtnis. „Ja, genau. Aber mit anderer Reiterin und es ist auch nicht mein Pferd.“ Dann fragte er noch mal nach dem Alter meines reitbaren Untersatzes. „Öhm!“ Kurzer Blick zu Sabine „7 Jahre ist er jetzt.“ Desmond notierte sich alles und schaute mich dann wieder an: „Was mochen woar?“ Kurzes Überlegen meinerseits, da wir darüber nicht vorab gesprochen hatten. „Nachgeben, das ist unser Thema“ warf ich in den Raum. Er schaute noch etwas verwirrt. „Es hirscht!“ sagte ich, und ergänzte ein „Zumindest bei mir“ in Gedanken. „Und auch mein Pferd daheim gibt nicht so gut nach!“ Er sah mich leicht schmunzelnd an „2 Ponys und das gleiche Problem – woran liegt es dann wohl?“ Ich nickte wissend. Zuerst sollte ich die Grundgangarten reiten wie immer. Er sagte mir die Gangart an und dann ging es los. Als der Galopp dran war, pochte mein Herz kurz hoch. „ICH? Ein fremdes Pferd? Hier? Was wenn er….“ Ich schob alle Gedanken bei Seite und gab die Galopphilfe. Huiii, Silver hat ordentlich Tempo. An den Trab muss ich mich auch noch gewöhnen und schön wäre es, wenn er mal den Hals etwas tiefer nehmen würde. In mir ratterte es wie verrückt, ich wollte alles richtig machen. Lange Seite sollte ich zulegen. Gesagt, getan und Silver reagierte korrekt. Ich hatte nämlich erst nur den Druck mit dem inneren Bein erhöht, woraufhin er normal weiter sprang. Erst als ich auch meine Hüfte etwas losließ und den Takt bestimmte, legte er zu. Desmond ließ mich anhalten. „Bist du nervös?“ Ich nickte mit Blick auf die Zuschauer. „Also. Alle, die da sitzen, waren entweder da, wo du jetzt bist und können es nachvollziehen oder sie waren noch nicht an dem Punkt, dann sind sie eh ganz ruhig. Und wegen mir mach dir keinen Kopf – ich bin nur wegen Dir hier.“ Ein gequältes Lächeln meinerseits. „Und atmen!“ Dann bemängelte er meine Hand und wie ich ihn versuchte zum Nachgeben zu bewegen. Den Dauerkontakt mochte er wohl nicht und drückte dagegen. Wenn er doch mal nachgeben wollte, nahm ich die Hände zu tief und kippte nach vorne. Außerdem hatte ich viiel zu viel Druck im Bügel, was für das Pferd auch nicht angenehm war. Also bequem hinsetzen und durchatmen. Danach erklärte er mir im Stand, Schritt und Trab seine „Paraden“, mit denen ich das Pferd zum Nachgeben bringen sollte. Die ich dann mit zunächst mäßigem Erfolg einsetzte. Zweiter Punkt war Hinterhand aktivieren und Zügel bewusst nachgeben. Das ließ er mich dann auch machen. Ich sollte aber darauf achten die Hände NICHT runter zu nehmen, sondern eher betont hoch tragen und auch oben lassen, wenn er im Genick nachgäbe. Der nächste Punkt war Zügel durchrutschen lassen und aufnehmen. Nach Desmonds Geschmack war ich dabei viiiel zu langsam. Er erklärte mir seine schnellere Methode und ich sollte es in der Zwischenzeit üben. Nächste Einheit sollte ich das Zügel durchrutschen lassen im Galopp machen. „Danke!“ sagte er lächelnd.

Nach dieser Einheit war ich körperlich und emotional total am Ende. Ich kam mir mal wieder vor wie ein totaler Anfänger. Jan und ich liefen gemeinsam eine Runde um die Halle, nachdem Silver abgesattelt war. Erst dann setzte ich mich auf die Zuschauerbank und machte ein paar Fotos.
Mittagspause
Und danach startete das, wovon man hier im Forum nur per Hörensagen etwas mitbekam. Wir mussten uns an der Bande aufstellen und zur anderen Seite schreiten und traben! Mal im Mitteltrab und mal mit mehr Kadenz. Er erklärte, dass - genau wie beim Pferd - der Bewegungsablauf je nach Mensch anders ist. Dann durften wir noch einmal ein Kurzkehrt selber laufen und zwar so, wie es das Pferd mit den Hinterbeinen macht. Und dann kam die Piaffe im Wechsel mit „Angst auf der Stelle“ (O-Ton DoB) - also einfach auf der Stelle traben. Wir sollten den Unterschied fühlen, wie es ist, wenn das Knie höher kommt während das andere Knie nachgab und einknickte – ein Riesenunterschied zum „Traben auf der Stelle“. DAS fand ich wirklich anstrengend und fiel ständig aus. Mein Pferd und ich sind uns auch da ähnlich, dachte ich noch bei mir.
Später übte ich noch das Zügel aufnehmen und ließ es mir noch gefühlte 20 Mal von Sabine erklären – mein einziger Fehler bestand darin die Schlaufe immer noch rumschleudern zu wollen. Einfach fallen lassen war die Kunst.
12.05.2009 / 16:00 Uhr – 2. Einheit
Rasch verging die Zeit beim Zuschauen und ich machte Silver für meine nächste Einheit bereit. Diesmal machte ich die Bügel ein Loch länger, nachdem mir in der ersten Einheit auch die Füße eingeschlafen waren. Desmond stellte gleich fest, dass ich weniger Druck im Bügel hatte. Trotzdem passte mir der Sattel nicht – Sitzfläche zu klein und zu viel Pauschen. Ich kippte etwas nach vorn und die Beine nach hinten. Desmond versuchte mich mit etwas vorn und nach hinten lehnen auf die Senkrechte einzupendeln. Außerdem sollte ich bequemer Platz nehmen und die Beine baumeln lassen. Angehen lassen – wie er so schön sagte – und Schritt reiten und dann die Schrittlänge verlängern nur über die Hüfte. Das klappte wunderbar! „Du kannst es doch!“ sagte er. Meine Hüfte war viiiel lockerer als am Vormittag und überhaupt war ich wieder aufgeschlossener. Auch an Silvers Trab hatte ich mich etwas gewöhnt (wenn ich auch den ganzen Kurs lang eine Macke mit dem Leichttraben hatte).
Weiter ging es damit Zügel aufnehmen und wegwerfen zu perfektionieren; zunächst in Schritt und Trab bis er sagte „Ja soo ist gut! Danke!“. Danach ging es an die dritte Gangart – auch hier war ich nicht mehr ganz so baff über Silvers Tempo. Im Galopp hatte ich aber ein echtes Problem damit, die Zügel wegzuwerfen und auch mit dem Warten bis er sagte „Aufnehmen!“ Ich hörte laut Desmond in dem Moment einfach auf zu galoppieren und dann drohte Silver auszufallen. Das sei eine Kopfsache. Die Zügel wären nur das Letzte in der Kette der Reiterhilfen und trotzdem hätte man ein Problem, wenn man sie aufgäbe. Wenn man lange an der Longe ausgebildet worden wäre, wäre das nicht so ein Thema, weil man es gewohnt wäre.
Danach ging es daran Silver mit vielen Handwechseln zum Nachgeben zu bewegen. Dazu nutzte er Kehrtvolten im Trab auf dem Zirkel. Also auf dem Zirkel reiten, Kehrtvolte und wenn man rum ist gleich wieder zur Kehrtvolte ansetzen. Silver fand auch das nicht einladend genug sich fallen zu lassen. Und ein neues Problem tat sich auf. Ich sollte Silver nicht mehr loben, bevor er nicht ehrlich nachgegeben hat und Desmond sein Okay gab. Und was machte ich? Zügel lang lassen und LOBEN, wie ein Roboter! Das war mir echt noch nie aufgefallen. Und ich wiederholte es jedes Mal! Erst in dem Moment als mich Desmond mit großen Augen ansah hatte ich es erst bemerkt. Ich sollte damit sparsamer umgehen, meinte er schmunzelnd.
Dann wieder die Taktik Parade (Finger schließen) – Nachgeben (Kleinen- und Ringfinger öffnen) und das im Takt der Gangart, um das Pferd zum Nachgeben zu bewegen. Desmond half mir dabei nochmal und ich stellte fest: ICH bin zu langsam. Ich sollte den Druck kurz erhöhen und wegnehmen und dann wieder erhöhen und wegnehmen und das Pferd damit einfach nerven. Hatte ich so noch nicht gemacht und war eben auch dabei viel zu unentschlossen. Desmond erklärte mir noch, dass Silver - „warum auch immer“ - nicht nachgeben mag, kaum kaut und mit dem Unterkiefer gegen den Oberkiefer drückt. Man sähe es auch daran, dass Silver der Speichel in langen Fäden aus dem Maul lief. Gegen Ende bekam ich etwas Gefühl dafür und wir beendeten.
Theorie
Am Abend ging es noch für ein gemeinsames Essen und Theorie ins nahe gelegene Hotel, wo die Kursteilnehmer übernachteten. Thema: Seitengänge
Auch das erklärte Desmond O´Brien sehr anschaulich und machte daraus eine kleine Diskussion. Nach dem Essen gab es noch ein paar Anekdoten und einen kleinen Anstoß, die Theorie ernst zu nehmen und möglichst viel zu lesen. Das galt besonders für die Reitlehrer. Und Schüler sollten ihre Reitlehrer ruhig fragen „Warum“ – ein Reitlehrer muss erklären können und dabei hilft ihm auch wieder die Theorie. Auch ein kurzer Abriss zum Thema Reitweisen gab es: Seiner Meinung nach gibt es auch nur eine Reitweise: „Gutes und Schlechtes Reiten“. Und die Reitweisen wären sich alle sehr ähnlich – der Hauptunterschied läge meist nur in der Verwendung des Pferdes. Das war alles sehr interessant und man hörte ihm gerne zu.
Am nächsten Morgen erwachte ich mit einer fiesen Erkältung. Na das nenne ich Timing. Nach einem gemeinsamen Frühstück mit Desmond und einem Abstecher zur Apotheke trafen wir erst eine Weile nach den Anderen am Hof ein.
13.05.2009 / 9:30 Uhr – 3. Einheit
An diese Einheit kann ich mich am schlechtesten erinnern. Ich glaube, daran sind die Medis schuld oder dass wir nicht so viel Verschiedenes gemacht haben. Ich ritt wieder allein warm und versuchte Silver wie gelernt nachgeben zu lassen. Es klappte und er dehnte sich phasenweise in die Tiefe. Desmond rief mir immer mal ein „Gut machst du das mit dem Hafi“ zu. Dann war ich dran. Desmond ließ mich - wie die meiste Zeit der anderen Einheiten auch - auf dem Zirkel reiten. Erst übten wir wieder das Nachgeben im Stand. Mein Timing hatte sich noch mal verbessert, danach im Schritt und später im Trab und auch Galopp. Da musste ich natürlich immer schneller werden mit den Paraden. Und ab und an auch das Tempo über den äußeren Zügel und eine halbe Parade abfangen. Zwischendurch bekam ich mal wieder ein „Du bist viel zu nett!“ zu hören.

Allerdings unterlief ich dem Irrtum, Desmond wolle nun ein Dehnen. Nein, ich sollte das Genick oben behalten, Hände tragen und dann Silver nachgeben lassen. Daran probierten wir uns ein paar Zirkelrunden lang bis Desmond uns mit ein paar guten Tritten entließ. „Danke!“ Vor der nächsten Einheit sollte ich wieder allein üben und im Spiegel überprüfen, dass das Genick oben und Silver nachgiebig war.
Mittagspause
Nachdem wir alle unsere Pizza verschlungen hatten, ging es wieder an die Selbstversuche. Heute standen Galoppwechsel auf dem Plan. Erst allein und 2er Wechsel, dann à Tempi und dann in Zweiergruppen 3er Wechsel springen. Ich bin kein geborener Galoppwechsler, vor allem der Linksgalopp fällt mir schwer. Das Ganze war mal wieder sehr lustig und anstrengend.
Beim Sitzen auf der Zuschauerbank musste man zudem darauf achten, dass man die Beine nicht überschlägt und krumm da sitzt. Beim Stehen darauf, den Daumen nach hinten zu nehmen, wenn man die Hände auf die Hüften stützt. Das verlangt Selbstbeherrschung, aber er hat ja Recht.


(DIE Fotos will Desmond auch)
13.05.2009 / 14:30 Uhr – 4. Einheit
Da Sabine noch auf Pico saß, half mir diesmal Jan. Ich ritt warm und versuchte Gelerntes umzusetzen. In dieser Einheit wurde geübt, die Gerte richtig einzusetzen. Ich machte eine ungünstige Bewegung mit der Hand und peilte immer den Pferdehintern an. Desmonds Verbesserung: Nur den Unterarm bewegen und hinter dem Schenkel treffen, also sich tendenziell selber schlagen. So sollte ich Silver im Trabtakt treiben, also beim Aufstehen die Gerte an den Reflexpunkt. Damit zogen wir ihn schön auf, dass er fleißig trat und versuchten nun wieder etwas Nachgeben zu provozieren. Ich bekam mal wieder erklärt, dass ich da entschlossener sein sollte und ihn sonst in Gedanken als Wurstrohmaterial bereitstellen müsse. Er muss mitmachen in der einen Stunde, in der man was von ihm will. „Hast du Angst um das Pferd oder warum? Keine Sorge, die halten das aus!“ verriet mir Desmond augenzwinkernd.

Dann nahmen wir wieder die Paraden dazu und ich sollte dabei die Hände tragen und mir vorstellen, dass SilverRADO – der wilde Hengst – unter dem Sattel wäre und ihn nicht mit dem Genick abtauchen lassen. Nachgeben ja, Genick bleibt aber oben. Das Ganze fühlte sich, wenn Silver nachgab, ganz rund an. Nun hatten wir ein neues Problem: In dem Moment, wo er das tat, hörte ich auf zu reiten – ähnlich wie beim Galopp am losen Zügel. Ich hielt innerlich die Luft an. Er ließ mich wieder anhalten: „Du reitest so engagiert und wenn er dann nachgibt, hörst du auf damit!“ Irgendwie scheine ich da „das Aussetzen der Hilfen“ auch sehr verinnerlicht zu haben. Noch ein paar Runden und dann ist die letzte Einheit zu Ende – genau wie Silver und ich. Er prustete richtig und ich war mittlerweile auch endgültig platt. Und trotzdem mental in einer Phase von „Nun würde ich weitermachen wollen!“. Ich sollte Silver noch ein wenig ausprusten lassen und bekam noch Desmonds „Danke!“
Nein ich habe zu danken.
- Und zwar Sabine & Timo für die Bereitstellung von Silver und die Übernachtung
- natürlich Silver für seine Beständigkeit und dass er trotz Anspannung keine reiterunfreundlichen Aktionen gestartet hat und sich
trotz aller Ablenkung bemüht hat
- dem lieben Rinchen für die tolle Organisation des Kurses
- Jan fürs Fahren, Fotografieren und Nerven beruhigen
- und natürlich Desmond für seinen Einsatz und seine Höflichkeit
Mein Fazit: Desmond O´Brien ist ein ausgesprochen höflicher und natürlich gebliebener Mensch mit einer hervorragenden Gabe, auch relativ talentfreien Menschen wie mir etwas Komplexes wie Reiten & Fühlen nahe zu bringen. Ich habe gelernt auf Dinge und Zusammenhänge zu achten, die mir vorher nie sooo klar waren.
Und ich habe mir einige Gewohnheiten zugelegt, das hätte ich nie für möglich gehalten. Klar automatisiert man Dinge, aber es sollten wohl die Richtigen sein und trotzdem immer wieder überprüft werden. Ich denke auch, ich habe "unser Thema" sehr realistisch gewählt. Gern hätte ich wie die Anderen auch an "anspruchsvolleren" Sachen geübt, aber die Grundlagen sind das A und O und wenn es da nunmal hapert, dann muss halt daran gearbeitet werden. Ich hoffe Silver hat auch etwas mitnehmen können.
Ich behalte das Zügel aufnehmen (es ist einfach viel schneller) und viele, viele andere Kleinigkeiten bei.
Danke!
Autor: Kosmonova