Heuschmann und Phillipe Karl in Verden

Rund um die klassische Reitkunst

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Bernie
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Beitrag von Bernie »

Jen, sehr guter Beitrag, das nenne ich mal "auf den Punkt gebracht". Da kann man sich tatsächlich zig Seiten Diskussion sparen.
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cinnamon
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Beitrag von cinnamon »

michanschließ...
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

@Jen - ich finde Deinen Beitrag grundsätzlich auch in Ordnung und richtig, hier aber trotzdem teilweise fehl am Platz.
Ich weiss eigentlich gar nicht, warum da immer noch so gross diskutiert wird. Reiter, die keinen zügelunabhängigen sitz haben und gar nicht merken, was ihre hände so alles unwillkürlich machen, sind gar nicht in der lage zielgenaue und präzise einwirkungen mit der hand zu machen, so wie es eine pk- lehre fordert. Sie ist also von den allermeisten (freizeit)reitern gar nie umzusetzen.
Zwei Punkte - ich gehe schwer davon aus, daß gerade DIE Leute, die hier mitdiskutieren, schon über einen (überwiegend) zügelunabhängigen Sitz verfügen und sich daher interessieren, wie genau nun eine etwas andere Art des Reitens funktioniert.
Und - jedes wie auch immer gerittenes Pferd wird mit dem zügelabhängig sitzenden Reiter nicht glücklich werden. Bestenfalls hängt er im Maul und übt konstanten Druck aus, den das Pferd irgendwann ignorieren kann, schlechterenfalls ruckt und zuckt es ständig. Mir ist die Brücke zu PK jetzt nicht ganz klar, denn das ist wie Du sagst ein allgemeines Manko und gilt es immer zu verbessern.
Oder wie reiten Freizeit-Reter denn normal (davon abgesehen, daß Feizeitreiter, die sich nicht mit der Reitkunst und der Reiterei an sich auseinandersetzen, hier auch nicht vertreten sind und es daher völlig legitim ist, daß es zu solchen - oft auch bereichernden - Diskussionen kommt).
Dieses ständige (sorry) rumgehample auf dem pferd hilft doch nicht wirklich.
Mal abgesehen davon, daß die Hand rauf- und runtergeht, wurde hier nicht von weiteren Sitzproblemen sprich Rumgehampel gesprochen, oder hab ich was überlesen? Rumgehampel impliziert für mich sehr viel mehr aus aktiv mit der Hand zu agieren.
Oder beziehst Du das jetzt direkt auf PK? Da könnte ich Dir jedoch auch nicht zustimmen, zumindest nicht generell.
Pk hätte solche korrekturen gar nicht nötig, die er so showmässig produziert
DAS ist sicherlich ein ganz interessanter Punkt - wie reiter er, wenn keine 3000 Leuts um ihn herumsitzen? Wirkt er dann wirklich weniger deutlich ein? Vielleicht können hier nochmal andere zu Wort kommen, die dies aus eigener Anschauung berichten können.
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
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Jen
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Beitrag von Jen »

ottilie hat geschrieben:@Jen - ich finde Deinen Beitrag grundsätzlich auch in Ordnung und richtig, hier aber trotzdem teilweise fehl am Platz.
Ich weiss eigentlich gar nicht, warum da immer noch so gross diskutiert wird. Reiter, die keinen zügelunabhängigen sitz haben und gar nicht merken, was ihre hände so alles unwillkürlich machen, sind gar nicht in der lage zielgenaue und präzise einwirkungen mit der hand zu machen, so wie es eine pk- lehre fordert. Sie ist also von den allermeisten (freizeit)reitern gar nie umzusetzen.
Zwei Punkte - ich gehe schwer davon aus, daß gerade DIE Leute, die hier mitdiskutieren, schon über einen (überwiegend) zügelunabhängigen Sitz verfügen und sich daher interessieren, wie genau nun eine etwas andere Art des Reitens funktioniert.
Und - jedes wie auch immer gerittenes Pferd wird mit dem zügelabhängig sitzenden Reiter nicht glücklich werden. Bestenfalls hängt er im Maul und übt konstanten Druck aus, den das Pferd irgendwann ignorieren kann, schlechterenfalls ruckt und zuckt es ständig. Mir ist die Brücke zu PK jetzt nicht ganz klar, denn das ist wie Du sagst ein allgemeines Manko und gilt es immer zu verbessern.

nein, das ist ja genau der punkt. Viele reiter, die das gefühl haben, sie hätten einen zügelunabhängigen sitz haben ihn nicht wirklich! Achte dich doch nur mal darauf wie viele leichtreiten und wie stark die hände mit hochkommen beim aufstehen. Das fällt einem erst gar nicht so auf, aber wenn man sich mal drauf achtet... Auch bei den reitkursen, an denen ich teilgenommen habe, wo wirklich keine schlechten reiter dabei waren: der sitz ist das allergrösste manko. Frag doch mal, wieviele reiter tatsächlich spüren, wann welcher huf tritt oder so. Die meisten haben sich noch nie wirklich gedanken gemacht, geschweige denn punktgenaue einwirkung. Wie soll da ein system überhaupt umgesetzt werden, wenn die grundlagen bei den meisten reitern fehlen? Wer behauptet von sich einen tadellosen sitz zu haben? Ich nicht! Ich arbeite hauptsächlich an mir und meinem sitz. Und siehe da: die pferde reagieren extrem darauf. Vorlastige, ihrem schwerpunkt nacheilende pferde nehmen sich plötzlich zurück. Triebige pferde gehen flüssiger voran, etc. Mich nervt es, das ständig an den pferden rumgewerkelt wird, statt am reiter. Und das system pk konzentriert sich nun mal äusserst stark auf das pferd und die reiterhand. Mir ist es aber 100mal lieber, der reiter versucht sein pferd erstmal weniger zu stören! Das heisst weich mit der hand mitgehen. Viele reiter können ja nicht mal im schritt in der nickbewegung mit der hand mitgehen, der rhythmus und die koordination fehlt, geschweige denn dass der oberkörper nicht mitschaukelt. Wie um alles in der welt will man da noch einigermassen gefühlvolle aufwärtsarrets geben, wenn die erforderliche koordination fehlt? Weisst du wievielen muss ich erst mal abgewöhnen ständig mit den händen rumzufuchteln, weil sie ihre hand gar nicht mehr wirklich kontrollieren können? Es wird sehr schnell zu einem automatismus und damit zu einer gewohnheit. Gewohnheiten passieren unwillkürlich und unbewusst. Und das stört die pferde mehr als dass es hilft. Ich bin der überzeugung, dass die meisten reiter nicht in der lage sind derart starke hilfengebungen zu kontrollieren und wenn doch so ist es in den allermeisten fällen gar nicht nötig. Es gibt immer ausnahmefälle, aber das sind dann wirklich korrekturpferde.


P.s. Sorry, kann momentan nicht gross formatieren, da ich gerade nur vom iphone aus surfen kann. Etwas mühsam zum schreiben ;)
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
sinsa
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Beitrag von sinsa »

Jen hat geschrieben:Mich nervt es, das ständig an den pferden rumgewerkelt wird, statt am reiter.
Hier unterschreibe ich mal!
Caleb
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Beitrag von Caleb »

@ Jen
Du hast ja in vielen Punkten recht was die Sitzkorrektur anbelangt, aber was die Einwirkung der Hand anbelangt neigen Reiter, die unerfahrener sind, aus Reflex dazu die Zügel nach hinten zu ziehen. Und wenn man diesen antrainiert, die Einwirkung nach oben zu geben, statt auf die Zunge, ist dem Pferd glaube ich arg gedient. Die Einwirkung in die Maulwinkel, auch wenn sie stark ist, ist für das Pferd weniger dramatisch, als die Einwirkung mit Kraft auf die Zunge. Ich habe inzwischen einige Pferde gesehen, die schnell auf diese Hilfe mit einem Absenken des Kopfes reagieren. Und dann hast du recht muss mit der Sitzkorrektur gearbeitet werden, um diese Position zu halten. Deine Meinung, dass viele Reiter zuviel versuchen am Pferd herum zu doktern, als an sich zu arbeiten unterstreiche ich. Das Problem ist nur, wenn das Pferd nicht in einer einigermaßenen Form läuft, sprich ständig den Kopf hoch reißt, den Rücken durch drückt, verspannt läuft, dann ist es auch schwierig am Sitz zu arbeiten. Viele Pferde haben dieses Muster so konditioniert, dass sie auch so laufen wenn ein guter Reiter sich drauf setzt. Und dann ist die Einwirkung als Impuls nach oben ein gutes Mittel.
Meine Erfahrung ist, dass Pferde auf die nach oben gegebene Parade weniger wehrhaft reagieren, als auf die Parade, die auf die Zunge wirkt. Und in den FN Richtlinien gibt es doch auch die durchhaltende Zügelhilfe, die solange gehalten werden soll bis das Pferd sich vom Gebiss abstösst und leicht wird. Und dabei sieht man dann häufig auch, dass die Pferde den Kopf hoch nehmen oder aber sich einrollen um dem Druck auf die Zunge auszuweichen. Es handelt sich dabei auch um unschöne Bilder. Sprich, warum wird PK hier ständig kritisiert, wenn die Hilfe länger einwirkt.
Eigendlich geht es doch nur darum, ob man nach oben über die Maulwinkel oder nach hinten über die Zunge einwirken will. Und das nach hinten ist doch von der FN auch nicht gewollt. Nur leider setzen viele Reiter die Theorie nach hinten um, da ihnen zu Beginn die leichte Hand und der unabhängige Sitz fehlen.
Dann doch lieber zu Beginn den oben genannten Reflex zum Wohle des Pferdes abtrainieren.
Und wenn dann das Motto, was im Schritt nicht klappt, wird im Trab/Galopp nicht geritten, wieder mehr Gewicht erhält, werden viele Pferde glücklicher werden.
Motte
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Beitrag von Motte »

Caleb -

Veto.

PK selber setzt ja für seine Reitweise ein hohes reiterliches Können voraus (was in der Praxis eben selten gegeben ist).

Ich weiss nicht, wie PK einen Reitanfänger ausbilden würde. Da habe ich noch nie Informationen drüber gefunden.

Ich habe aber selber schon Seminare bei ihm besucht, bei denen die Hälfte der Teilnehmer eben nicht zügelunabhängig auf dem Pferd sitzen konnten. De fakto hätten diese Hälfte nochmal an die Longe für Sitzübungen gehört. Da wurde von PK aber nix zum Sitz gesagt. Überhaupt nix. Die wurden genauso angewiesen ihre Aufwärtsparaden zu reiten, wie die besseren Reiter auch - und das sah dann so aus, dass die sich eben mit hoher Hand am Zügel festhielten. Und der Effekt auf die Pferd ist dann, dass die zwar den Kopp hochnehmen, den Rücken dann aber mal so richtig hängen lassen und die Hinterbeine noch irgendwo in Timbuktu weilen. PK schien das relativ egal zu sein, hauptsache das Genick war oben. Ich fand das damals höchst unverständlich.

Man darf auch nicht vergessen: die Einwirkung über die Maulwinkel nach oben ist höchst effektiv (sagt PK ja in dem Video mit seinem Ritt in Verden selber). Effektiv von daher, dass ich als Reiter wenig Energie einsetzen muss um das Resultat zu erhalten. Das Frage ist doch: ist Effektivität des Reiters wirklich alles? Impliziert das nicht ganz leicht, dass ich als Reiter mich nicht mal mehr anstrengen muss?
Ich seh das ja wie Jen - das anstrengendste beim Reiten ist doch, seinen eigenen Körper gezielt im richtigen Mass einzusetzen, zu beherrschen und zu koordinieren und dies mit dem Körper und der Bewegung des Pferdes in Einklang zu bringen. An den Tagen, wo man das mal richtig gut schafft, merkt man doch selber, wie "einfach" reiten sein kann. Man macht dummerweise oft viel zu viel im falschen Moment und an den falschen Stellen.
Und deswegen finde ich, solch ein "mächtiges Instrument" wie die Aufwärtsparade, gehört einfach nicht in "Anfängerhände". Da mache ich in dem Stadium der Reiterei mehr kaputt mit, als ich gut machen kann.

Gruß
Motte
sinsa
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Beitrag von sinsa »

Die Frage, die man sich stellen muss, ist warum das Einwirken nach aufwärts wohl so effektiv ist. :roll:
Motte
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Beitrag von Motte »

sinsa hat geschrieben:Die Frage, die man sich stellen muss, ist warum das Einwirken nach aufwärts wohl so effektiv ist. :roll:

Ähh...ja! Gute Frage 8)
Bernie
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Beitrag von Bernie »

puuh, jetzt kommt also nach der ersten Befürwortung für Korrekturpferde, und ja, es gibt scheinbar immer nur Korrekturpferde, da es keine Pferde gibt, die nur nach dieser Methode ausgebildet werden, auch noch der zweite Befürwortungsgrund, Anfänger könnten mit einer Hohen Hand mehr anfangen und würden davon profitieren.

Ich habe Racinet gelesen, ich habe Baucher gelesen, ich habe PK gelesen, ich bin durchaus bereit, dazuzulernen. Aber wenn ein System nichts hervorbringt, was PRAKTISCH überzeugt, dann ist es einfach ein theoretisches Hirngesprinst. Denn eine Reitweise kann in der Theorie noch so fein und umsetzbar wirken, aber wir reiten doch alle in der Realität, oder?

Und ein gutes Beispiel wurde eben auch in Verden wieder nicht gezeigt, gerade dort wäre die geeignete Bühne gewesen, mit 3000 Zuschauern und soviel Resonanz in Printmedien und Netz. PK hatte also die grandiose Gelegenheit, immense Werbung für sein System zu machen.

Es tut mir wirklich leid, dass ich zu diesem Schluss komme. Denn das, was ich in der Theorie über die Legerete gelesen habe, habe ich noch nie praktisch gesehen.

Und Ausreden gelten nicht (Exterieur, Umgebung etc.), denn das wird bei allen anderen auch nicht berücksichtigt.
Mary
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Beitrag von Mary »

Hallo Bernie
da muss ich ein Veto einlegen ich habe schon viele pferde gesehen die sehr gut in der Legerete ausgebildet waren und auch entsprechend liefen.
Die Masse der Korrekturreiter und Korrekturpferde kommen meines wissens aus den FN Reihen manche von den Pferden galten sogar als unreitbar als sie zur Legerete kamen. Wenn du Baucher Racinet und Karl gelesen hast weisst du um das Potenzial der Methode, die Methode kann nichts dafür wenn sie falsch angewendet wird. Was fehlt sind die wirklich guten Lehrer, die es gibt aber eben sehr selten sind. Hier möchte ich jetzt keine Namen nennen,denn ich will nicht den Eindruck erwecken das ich Werbung mach. Aber es gibt Sie!
mfg mary
Schulterherein ist das Aspirin der Reitkunst.
Nuno Oliviera
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

Bernie hat geschrieben: Ich habe Racinet gelesen, ich habe Baucher gelesen, ich habe PK gelesen, ich bin durchaus bereit, dazuzulernen. Aber wenn ein System nichts hervorbringt, was PRAKTISCH überzeugt, dann ist es einfach ein theoretisches Hirngesprinst. ( ) Das, was ich in der Theorie über die Legerete gelesen habe, habe ich noch nie praktisch gesehen.
Jep. Leider! Denn die Theorie finde ich auch höchst einleuchtend und überzeugend.

Und ja, ich glaube auch, dass die wenigsten Reiter gut genug reiten können, um dieses System praktisch umsetzen zu können. Und bei den allermeisten hakts am Sitz (wie Jen schon schrieb). Ich persönlich komme arg ins Grübeln, wenn ich (in älterer Literatur zumeist) lese, man solle einwirken, wenn das Hinter-, Vorderbein oder was auch immer vom Pferd an dem und dem Punkt innerhalb seiner Bewegung sei. Dafür bin ich immer noch zu langsam. Immerhin merke ich inzwischen in Schritt und Trab, welcher Hinterfuß gerade abfußt und auf welchem Fuß ich leichttrabe. Aber auch dafür bin ich einige Jahre lang unzählige Stunden durchs Gelände gehirscht. Sitzkorrekturen hatte ich im bisherigen Unterricht dagegen sehr selten (auch wenn der eine oder andere RL immerhin drauf aufmerksam macht, dass es Unterschiede zu fühlen gibt).

Zum Anfängerunterricht á la PK habe ich mal von ihm gehört, dass er anfänglich das Pferd ausbinden würde, damit der Reiter sitzen lernen könne, ohne dem Pferd im Maul zu hängen. Insofern scheint ihm der Sitz nicht unwichtig zu sein, aber ich vermute mal, dass er ihn einfach voraussetzt, sofern jemand nicht totaler Anfänger ist. Soweit ich weiß, gibt es in der Ecole de Legerete keine Sitzschulung, darum hat sich jeder Schüler in eigener Verantwortung zu kümmern (das Programm ist ja eh schon recht voll).
„Hast Du nie auf einem Schimmel gesessen, hast Du nie ein gutes Pferd geritten.“ - Altpolnisches Sprichwort
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Jen
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Beitrag von Jen »

ich kann euch schon sagen, warum die aufwärtsparade so ein mächtiges Instrument ist: Der "Witz" der Aufwärtsparade ist nicht, dass sie etwa feiner wäre, oder dass sie dem Pferd "weniger Schmerzen" bereitet oder gar angenehmer ist. Das wissen wir alles nicht, wie es das Pferd tatsächlich empfindet. Die Lippen und die Zunge haben nämlich auch extrem viele Nerven und es ist überhaupt nicht so, dass das Pferd dort so viel unempfindlicher wäre. Das sind ja alles nur Mutmassungen, die einfach zum "Verkauf" der Methode dienen, aber nicht wirklich belegbar sind. Dass Pferde bei harter Hand die Zunge herausstrecken oder die zunge ja übers Gebiss legen spricht gegen die Theorie, dass die Laden so viel empfindlicher sind, als die Zunge, da das Pferd ja dann mit der Zunge ausweicht und den Druck voll auf die Laden abbekommt.

Die Macht der Aufwärtsparade liegt einzig und alleine in dem Öffnen des Maules. Jeder der ein Pferd schon mal zäumen musste, welches nicht freiwillig das Maul für die Trense geöffnet hatte, hat den Trick schon angewendet: mit dem Finger in die Maulecken, etwas nach oben drücken und voilà schon ist das Maul offen. Die Macht in dem Maulöffnen liegt darin, dass das Pferd in dem Moment nicht auf den Zügel liegen kann, sprich nicht gegen die Hand gehen kann. Wenn ein Pferd zb. sich auf der Trense festbeisst (zb. wenn es durchgehen will), dann ist das ein sehr wirksames Instrument. Da dieses Maulöffnen ein unwillkürlicher Reflex ist, kann man nicht sagen, dass das Pferd weniger wehrhaft ist. Es hat weniger Chancen sich zu wehren. Wie es diese Korrektur aber auch psychisch tatsächlich empfindet, bleibt uns wiederum Mutmassungen überlassen.

Ich habe oben bei meinen Beispielen auch Reiter gemeint, die mit hoher Hand reiten, diese aber völlig unwillkürlich und falsch einsetzen. Das richtet mehr Schaden an, als wenn sie die Hand einfach still und am Ort lassen (was ihnen dann auch sichtlich schwer fällt). Als Reaktion auf die unwillkürliche Hohe Hand reagieren viele Pferde mit verwerfen bis hin zu schlangenartigen verdrehungen des Halses, weil es eben gar nicht so sanft ist, sondern sehr unruhig und damit auch für die Pferde sichtlich unangenehm (abwehrverhalten).

Meine persönliche Meinung, die ich mir in den letzten Jahren so gemacht habe (kann sich vielleicht auch wieder mal ändern, wer weiss): Ich habe übrigens auch eigene Erfahrungen mit der PK-Methode gemacht (schon vor Jahren) und kann es für das "Normalpferd" mit dem "Normalreiter" mit den "normalen Problemen", die Reiter und Pferd halt so haben, nicht befürworten. Ich glaube erst ein sehr guter Reiter, mit sehr viel Gefühl und Wissen und Können kann mit dem Verbinden gewisser "Techniken" noch mehr aus einem bereits solide und gut ausgebildeten Pferd herausholen, als es vielleicht mit nur einem System möglich wäre. Aber ich persönlich würde niemals ein unbelastetes Jungpferd nach dieser Methode anreiten und grundausbilden.
Liebe Grüesslis, Jen
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Beitrag von knowi »

Ich war nicht in Verden und kann das Video leider nicht öffnen, daher kann ich nichts dazu sagen, aber eine Sache liegt mir doch auf dem Herzen: Das System der EdL ist kein Schema F, welches bei allen Pferden gleich angewandt wird - und daher lässt es sich auch nicht auf arrêts und demi-arrêts reduzieren. Ich bin verschiedene Pferde bei M. Karl geritten, die alle sowohl vom Ausbildungsstand als auch vom Exterieur sehr unterschiedlich waren. Der Unterricht war immer auf das jeweilige Pferd mit seinen persönlichen Eigenheiten ausgerichtet.
Übrigens war da einer dabei- nämlich meiner - den ich wegen seines schwachen Rückens nur in DH arbeiten durfte. Selbst in den Vorbereitungen für die Piaffe wurde sehr viel Wert darauf gelegt, dass er sich nicht zu sehr anhebt. Er wird dann nämlich tatsächlich fest im Rücken. Das wurde von Herrn Karl so gesehen und ganz klar angesprochen - er legte in den Unterrichtseinheiten sehr großen Wert darauf.
Generell hörte ich während meines Unterrichts die Aufforderung zum Absenken der Hände und zum Aussetzen der Hilfen weitaus öfter als die zu einem Aufwärtsarrêt. Heißt nicht, dass das nicht gemacht wurde, aber es war immer damit verbunden, gleich zu einem descend de main zu kommen und dann still zu sein. "Hören sie ihrem Pferd zu wenn es spricht", habe ich sehr oft zu hören bekommen und wurde gerügt, wenn ich wieder zu viel "rumrührte". Daher kann ich - aus meiner eigenen Erfahrung - nicht wirklich zustimmen, wenn ihr ihm unterstellt wildes Rumgefuchtel zu fördern.
Übrigens gab es in meinen Einheiten durchaus Sitzkorrekturen. Ist vielleicht keine gute Werbung für mich - vlt. war mein Sitz so katastrophal, dass ihm gar nichts anderes übrig blieb ;) - aber sie fanden auf jeden Fall statt. Und ich habe das auch bei anderen Reitern mitbekommen.
Gut, es gibt durchaus Lehrer, die noch mehr und noch gezielter an den Sitz herangehen, aber ehrlich gesagt liegt für mich die Verantwortung sich das zu suchen was man braucht bei jedem selbst. Ich erwarte nicht von einer einzigen Person das Rundumpaket. Wenn ich mehr am Sitz arbeiten will, dann suche ich mir eben jemanden, der mir parallel genau da hilft. So viel Selbstständigkeit kann man doch erwarten, oder?

Liebe Grüße!
Anna
Zuletzt geändert von knowi am So, 29. Nov 2009 21:28, insgesamt 1-mal geändert.
Jedes Werden in der Natur, im Menschen, in der Liebe muss abwarten, geduldig sein, bis seine Zeit zum Blühen kommt.
Dietrich Bonhoeffer
orest
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Beitrag von orest »

Hallo,

ich habe die Veranstaltung in Verden nicht besucht und kann daher dazu nichts schreiben. Nach den letzten paar Äußerungen fühle ich mich aber doch einmal dazu hingerissen zu antworten.

Ich bin eine "ganz normale Freizeitreiterin" mit einem Pony. Ich kam nachdem ich vom üblichen Unterricht im FN- Reitverein total gefrustet war nach einigen Jahren zu einer RL, die zunächst nach Penquitt unterrichtete und dann bei P. Karl die Ausbildung mache. Meine RL unterrichtet vorwiegend "ganz normale Freizeitreiter", darunter auch Anfänger und Kinder.

Herrn Karl kenne ich nicht persönlich und live, nur vom seinem Buch und den Videos.

Den letzten Posts kann ich insofern überhaupt nicht zustimmen, da die Schule der Légèreté allein auf die sogenannte "Hohe Hand" reduziert wird. Das ist meiner Erfahrung nach nicht richtig.

Die Abkauübungen bzw. Handeinwirkungen haben zuersteinmal den Zweck, den Unterkiefer des Pferdes zu lösen (schlecken am Gebiss). Ein gelöster Unterkiefer ist Voraussetzung für ein überhaupt korrekt unter dem Reiter gehendes Pferd. Wenn der Unterkiefer verspannt ist, kann ein Pferd nicht reell im Genick nachgeben und wird auch insgesamt z.B. im Rücken fest bleiben. Zum zweiten wird dem Pferd (zunächst am Boden, im Stand oder im Schritt) beigebracht, auf bestimmte Signale der Zügel, sich zu biegen, in Dehnungshaltung zu gehen und im Genick nachgeben. Es wird also zunächst eine gemeinsame "Sprache" installiert.

Diese Sprache der Zügelhilfen kann später unter dem Reiter angewendet werden. Nach einer Lernphase ist es nicht nötig die Hände deutlich anzuheben! Ein leichtes schließen der Hand ist dann z.B. völlig ausreichend um eine Reaktion vom Pferd zu erhalten. Generell muss und soll man nicht ständig am Pferd herumfummeln. Wer dauernd mit "hohen Händen" herumreitet, hat etwas ganz grundsätzlich missverstanden!
(Meine RL sagt übrigens recht häufg: Hände ruhig und tief ;-) )


In der Lernphase muss man wie wohl bei jeder Technik, noch recht deutliche Hilfen anwenden. Das sieht für das "normale FN- Bild" (nicht abwertend gemeint) gewohnte Augen ungewoht und grob aus. Dabei muss man aber berücksichtigen, welcher Zweck mit dieser Einwirkung verfolgt wird. Nehmen wir als Beispiel z.B. ein Pferd, dass sich ein Stückchen hinter der Senkrechten ziemlich schwer auf den Zügel legt. Beim Zuschauen sieht das meist ja "ganz nett" aus. Es wird häufig gesagt, der Reiter müsse lediglich ein wenig mit der Hand vorgehen. Das zugehörige Bild ist man gewohnt, es sieht normal und üblich aus. Dass der Reiter häufig 20 kg in jeder Hand trägt, sieht man nicht sofort.
Nach der Philosophie der Légèreté ist die die Sprache der Zügelhilfen mit diesem Pferd grundsätzlich nicht in Ordnung. Es wird also die Sprache der Zügelhilfen "neu installiert". Um ein Pferd wie oben in eine leichten Zügelkontakt zu führen, muss man es zunächst von der bisher bekannte Idee abbringen, dass der Reiter gerne 20 kg tragen möchte. Dazu muss man in der Regel in einer hohen Halsposition bei deutlich geöffnetem Genick den Unterkiefer öffnen. Sobald das Pferd eine richtige Reaktion gezeigt hat, wird sofort und vollständig nachgegeben. Wird es richtig gemacht, hat man nach kurzer Zeit einen leichten und korrekten Zügelkontakt. Ich denke man muss sich weniger Sorgen machen, wenn ein Pferd ein paar Minuten im Stand oder Schritt nicht über den Rücken geht durch den zu hohen Hals, als wenn man jahrelang inkorrekt weiter reitet. Wie bereits gesagt handelt es sich hierbei um eine kurzfristige Korrekturmaßnahme, die erstmal für den Betrachter hässlicher aussieht als das Bild zuvor - weil der Fehler, der die ganze Zeit bestand, nun offensichtlich ist.

Nehmen wir ein anderes Beispiel, z.B. ein Pferd das stumpf am Schenkel ist. In der Regel kann man ein etwas oberflächliches Publikum täuschen, wenn man 'unauffällig' ziemlich stark treibt. Setzt man sich nun auf das Pferd und möchte es zurück zu einer feinen Reaktion auf den Schenkel führen ("Neuinstallation der Schenkelhilfen"), kann das in der Reithalle schonmal zum Vorwurf führen, man würde sein Pferd schlagen. In diesem Fall würde man bei hingegebenem Zügel eine leichte Beinhilfe geben, bei nichtreaktion eine sich steigernde Gertenhilfe, die bei Reaktion ins Vorwärts sofort aufhört. Dabei kann das Pferd z.B. auch erstmal in völlig ungeordneter Haltung durch die Halle schiessen. Auch hier das selbe Phänomen - eine eigentlich effektive Maßnahme sieht für den Betrachter vielleicht erstmal hässlicher aus als der Zustand vorher.

Zurück zum Ausgangspunkt meiner Argumentation. Die Schule der Légèreté enthält ja beileibe nicht nur die Handeinwirkungen! Hier sei z.B. das Prinzip Hand ohne Schenkel- Schenkel ohne Hand, dass das Pferd sich nicht um den inneren Schenkel wie eine Banane biegen kann, oder das System der Gewichtshilfen genannt.

Ich ganz persönlich habe (als Jugendliche) beim FN- Unterricht an Dingen festgehangen, die mir absolut unlogisch vorkamen. Dazu zählte z.B. die Frage, wie sich mein Pferd "um meinen Schenkel" biegen soll und wie ich mein Pferd "an den Zügel reiten soll". Mein RL warf mir ob meiner kritischen Fragen vor, ich wolle die Reitlehre neu erfinden - wirkliche Argumente hatte er allerdings nicht. Ich ritt gefrustet nur noch ins Gelände.

PK hat mir persönlich hier sehr weitergeholfen. Mir sind reihenweise Lichter aufgegangen und Dinge bestätigt worden, die ich intuitiv als Jugendliche bereits angezweifelt hatte. Ich bin mit meinem Pony so weit gekommen, wie ich es mir niemals hätte träumen lassen. Ich hätte niemals gedacht, dass ich einmal an den Punkt kommen würde, mit meinem Pony fliegende Wechsel zu erarbeiten - (Dressur)reiten macht uns beiden (wieder) unheimlich Spaß und wir wollen noch weiter kommen.

PK geht bei seinen Ausführungen davon aus, dass ein gewisses reiterliches Grundniveau besteht. Er beschäftigt sich in einem Buch nicht mit allen Themen. Auch ich halte Sitzschulung für enorm wichtig, diese ist aber völlig unabhängig z.B. von der Reitweise und es gibt zahlreiche gute Bücher darüber, ein guter RL sollte daran arbeiten. Ich habe es schon von mehreren Kursen erlebt, dass auch namhafte Ausbilder (egal welcher Schule) anstatt am offensichtlichen Sitzfehlern des Reiters an irgendwelchen Lektionen arbeiten. Hier hat man wohl Angst vor Unzufriedenheit des Kurskunden. Ich habe auch schon das Gegenteil erlebt, nämlich eine Kursteilnehmerin, die nur Sitzschulung (und Gymnastik ohne Pferd) machen durfte, bevor die RL irgendetwas anderes für sinnvoll hielt. Das ist ehrlich, aber wirklich unbequem. Dazu gehört für einen RL Mut, den ich persönlich sehr schätze.

Zum Schluss beobachte ich seit Jahren auch die anderen Schüler meiner RL und deren Pferden (überwiegend "Freizeitzausels"). Ich sehe harmonisches Reiten vom Basisniveau bishin zu weit Fortgeschrittenen. Meiner Erfahrung nach kann das System auch und gerade von normalen Freizeitreitern erfolgreich angewendet werden. Anfänger unterrichtet meine RL übrigens erstmal an der Longe, später hängen die Zügel erstmal an einem weichen Kappzaum. Wenn man zuviel "fummelt" oder grobe Zügelhilfe gibt kann man ganz schnell die Trense seines Schulpferdes verlieren und einen Halsring in der Hand haben :D

Ein Mädchen (ca. 15) hat von Anfang an nach der Schule der Légèreté reiten gelernt und reitet jetzt extrem fein mit einem wunderbaren Sitz. Herrlich (ich wünschte, ich hätte auch von Anfang an richtig guten Unterricht gehabt).

Um Gottes willen, die Schule der Légèreté ist sicher nicht die einzige Wahrheit. Es wäre auch völlig vermessen, das zu behaupten.

Ich habe den Eindruck, dass PK ist seiner häufig sicher berechtigten Kritik am modernen Dressursport über das Ziel hinausschießt und den Punkt versäumt, Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Das schafft beim Gegenüber eine "Mauer". Das finde ich schade.

Gruß Tina
Antworten