Dehnungshaltung bei Philippe Karl

Rund um die klassische Reitkunst

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Cubano
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Beitrag von Cubano »

…so sieht es aus Max. Darüber hinaus: Genau dazu sind die äußeren Hilfen ja da – um das Pferd zu veranlassen, nicht auszufallen
padruga
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Beitrag von padruga »

Seunig äußert sich zu diesem Thema sehr passend (S.141, 5.Auflage):
"Mit nichts ist vielleicht in der Reiterei so viel Mystik getrieben worden wie mit der Schiefe, und ich glaube fast, daß über dieses Thema mehr Tinte verspritzt wurde als über das parallele Problem beim Menschen.... Tatsache ist, daß sie einmal da ist und daß wir uns, so gut es geht, mit ihr abfinden müssen. ... Um von der Schiefe gar nicht oder nur sehr wenig gestört zu werden, muß man ein sehr schlechter oder ein sehr guter Reiter sein. Ersterer schiebt auf seinem schlängelnden Pferdchen nichtsahnend und unbefangen in der Geographie einher... Letzterer wieder grübelt auch nicht zu viel, denkt bei symmetrisch auf beide Körperhälften des Pferdes verteiltem, in geschmeidiger Passivität verharrendem Sitz nur ans Vorwärtsreiten (was mit Jagen oder Schnellreiten nichts zu tun hat), entwickelt Schwung und läßt die Widerstände nach vorwärts entweichen, indem er geradegerichtet den Hinterfuß der schwierigen Seite unter die Last treibt, ohne sich festzuziehen, und läßt bei dieser Arbeit im Vorwärts weder sich noch sein Pferd die Laune verlieren."
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

padruga hat geschrieben:Seunig äußert sich zu diesem Thema sehr passend (S.141, 5.Auflage):
"Mit nichts ist vielleicht in der Reiterei so viel Mystik getrieben worden wie mit der Schiefe, und ich glaube fast, daß über dieses Thema mehr Tinte verspritzt wurde als über das parallele Problem beim Menschen.... Tatsache ist, daß sie einmal da ist und daß wir uns, so gut es geht, mit ihr abfinden müssen. ... Um von der Schiefe gar nicht oder nur sehr wenig gestört zu werden, muß man ein sehr schlechter oder ein sehr guter Reiter sein. Ersterer schiebt auf seinem schlängelnden Pferdchen nichtsahnend und unbefangen in der Geographie einher... Letzterer wieder grübelt auch nicht zu viel, denkt bei symmetrisch auf beide Körperhälften des Pferdes verteiltem, in geschmeidiger Passivität verharrendem Sitz nur ans Vorwärtsreiten (was mit Jagen oder Schnellreiten nichts zu tun hat), entwickelt Schwung und läßt die Widerstände nach vorwärts entweichen, indem er geradegerichtet den Hinterfuß der schwierigen Seite unter die Last treibt, ohne sich festzuziehen, und läßt bei dieser Arbeit im Vorwärts weder sich noch sein Pferd die Laune verlieren."
Yep, schön.
esge
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Beitrag von esge »

Ich würde es nun aber als Trugschluss ansehen, sich nur deshalb als guten Reiter anzusehen, weil man auf gezielt geraderichtende Arbeit verzichtet...

Schwungvolles Vorwärtsreiten hilft entschieden beim Geraderichten, ja.
Andererseits kann allzugroße Schiefe ein Pferd daran hindern, überhaupt schwungvoll vorwärts gehen zu können.
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

Hm, also ich kenne es auch so, dass die "Zwangsseite" die der hohlen Seite gegenüberliegende Seite ist... Vielleicht gab es da mal irgendwann eine Verwechslung und seither werden die Begriffe so verwendet?


Ha, jetzt habe ich beim googeln was gefunden:

Nochmal zu der Begriffsverwirrung bei Zwangsseite und hohler Seite (ich hab die Stelle im Steinbrecht jetzt doch gefunden; 18. aufl. Seite 107).

Plinzer ist angeblich schuld, so steht es hier in den Fußnoten, weil er in der bearbeiteten Auflage von Steinbrecht den ursprünglichen Wortlaut geändert hat und an der Stelle der rechten Seite die linke als die schwierigere erklärt hat, ohne sich bewusst zu sein, dass zwischen schwieriger und Zwangsseite ein Unterscheid ist.

Steinbrecht hatte ursprünglich die rechte Hand als schwierige und gleichzeitig Zwangsseite bezeichnet. Meiner Ansicht nach kommt der Fehler und die Zweideutigkeiten oft zustande, weil in den Texten oft nicht klar zwischen der Hand (die Hand auf der ich reite) und der Seite (die Körperhälfte des Pferde) unterschieden wird.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

esge hat geschrieben:Ich würde es nun aber als Trugschluss ansehen, sich nur deshalb als guten Reiter anzusehen, weil man auf gezielt geraderichtende Arbeit verzichtet...
Np, ich auch nicht. Allerdings lese ich Dergleichen bei Seunig auch nicht. Im Gegenteil: Man muss eben schon ein sehr guter Reiter sein, um die geraderichtende Arbeit sozusagen nur durch schwungvolles Vorwärts "erledigen" zu können. Ob es allerdings sehr viele Reiter gibt, die diese Geraderichtung mit den hochgelobten Seitengängen erreiten können, sei mal dahingestellt…
moreno
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Beitrag von moreno »

Schade...alles umsonst!

Vor über 50 Jahren lernt ich nämlich:
Wie richtet man ein Pferd gerade?
Durch Biegen und Seitengänge!

Naja. Dörr
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Dummerweise wurde ich auf der Suche nach dem ursächlichen Zusammenhang gerade auch nicht fündig. Von daher trifft es schade ziemlich genau… :wink:
moreno
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Beitrag von moreno »

Hallo Cubano,

richtig und danke! Asche über mein Haupt! Ich habe den vorherigen Beitrag irgendwie falsch gelesen, verstanden, betont. Weiß der Geier. Jedenfalls war's falsch und die Antwort im Kontext auch.

Dörr
Reiten sie ihr Pferd glücklich. (N. Oliveira)
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Zentaure hat geschrieben:bin ebenfalls verwirrt, habe bei Heuschmann im Buch Finger in der Wunde folgendes gefunden:"
Unter ihrem ständigen Reiter
• die oben beschriebenen Symptome verstärken sich
• die natürliche Schiefe, die mit fortschreitendem Gerittensein weniger
werden- oder verschwinden sollte, tritt deutlicher zutage.
Es geht sogar soweit, dass die Lahmheit auf einer Hand deutlich
verstärkt ist (Zwangsseite) und auf der anderen Hand (hohle Seite)

ganz verschwindet
• die Pferde sind meist sehr triebig oder rennen"

fnde aber die Beschreibung von Seunig durchaus logisch.Überlegte mir gerade wer da irrt.
@saltenpepper, auf welcher Seite war das denn gestanden?
Zentaure, es steht in Kapitel 11 "Grundlegende Ausbildung in der Gebrauchs..."
unter "G . : "erste Stellung, Zeite Stellung....." etwa nach 4 Seiten. In der Ausgabe von 1980 auf Seite 140, in der von 1973 auf S. 131, die Ausgabe von 1949 habe ich gerade verliehen, das kann ich dir nicht sagen, in der neusten steht es irgendwo deutlich weiter vorn...
horsman
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Beitrag von horsman »

hmm Linkshänder, Rechtshänder, Zwangseite...,
wie so oft entstehen Missverständnisse wegen unklarer Begriffe. Deshalb finde ich die Begriffe konkave Seite für die hohle Seite und konvexe Seite für die nach außen gewölbte Seite am besten, weil sie das beschreiben, was man fühlt und die Begriffe eindeutig und bekannt sind (zB aus dem Mathe-Unterricht). Übrigens kennt und nutzt man diese Begriffe wohl auch in der engl. Reitlehrersprache.

Missverständnisse selbst bei geprüften Reitlehrern. Es soll sogar Leute geben, die sagen, dass das Hinterbein der konvexen Seite außen am Vorderbein vorbei spurt, weil es stärker ist. Dies macht aber aus zwei Gründen keinen Sinn: erstens ist die Last für das Hinterbein umso leichter, wenn es außen vom Schwerpunkt tritt. Das starke Hinterbein wird deshalb eher unter die Last treten und das schwache Hinterbein wird außen treten. Zweitens wird ja das konvex sein gerade dadurch herbei geführt, dass die Kruppe etwas zur hohlen (konkaven) Seite hin gestellt ist, was das Hinterbein der konvexen Seite eher unter den Bauch als nach außen bringt.

Dass Pferde deren rechte Seite die hohle Seite ist (m.E. die Mehrzahl) über die linke Schulter fliehen/schieben (also eher immer nach links fallen) liegt m.E. auch daran, dass das rechte Hinterbein, weil es außen tritt, den Körper zur gegenüberliegende Seite wegschiebt. Die Bewegung geht ja doch vermehrt vom Hinterbein aus, weshalb ich der Theorie, es läge an den Vorderbeinen nicht ganz folgen will. Dennoch folge ich der Vermutung, dass dann auch die linke Schulter und insofern auch das linke Vorderbein mehr belastet ist.

Jedoch ist der Bewegungsablauf des Pferdes insgesamt nicht ganz so simple und wahrscheinlich haben wir ihn ohnehin noch nicht völlig erforscht und begriffen.

Solange man beim Reiten auf einem Hufschlag immer darauf achtet, die Schultern des Pferdes exakt vor die Hinterhand zu placieren, macht man mE keinen Fehler. Dass man die Schultern des Pferdes überhaupt und möglichst leicht bewegen kann, dazu muss man dies zuvor durch Übungen wie SH erarbeiten. Und da die äußere Hand die Schultern zur gegenünerliegenden Seite führt ist auch erklärt, warum es immer heißt, dass die äußere Hand das Pferd führt. Und je besser das balancieren der Schultern, je leichter damit fast gespielt werden kann, umso besser steht es um die Geraderichtung des Pferdes.

Das "biegen" des Pferdes hat mE hauptsächlich gymnastiziernde Wirkung und löst über die Dehnung die äußere Seite. Deshalb entfaltet es seine Wirkung auch (!) in Biegungen im halten oder im langsamen Schritt. Jeder der ein Pferd schon mal im Halten mit Flexionen (richtig) gelöst hat oder im langsamen Schritt auf kleinem Kreis hat übertreten lassen, kann die lösende Wirkung schnell erfühlen. Natürlich ist damit nicht die Ausbildung und alle Schiefe in allen Bewegungen für immer gelöst. Dies wird von der Kritikern dieser Übungen oft vergessen.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
LordFado

Beitrag von LordFado »

schön (ab)geschrieben... nur was hat das mit PK und der Dehnungshaltung bei jungen Pferden zu tun?
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

LordFado hat geschrieben:schön (ab)geschrieben... nur was hat das mit PK und der Dehnungshaltung bei jungen Pferden zu tun?
Eigentlich nix, aber hier in diesem Thread kam doch die Frage auf, was mit Zwangseite gemeint ist, und in Folge dessen das Thema Schiefe, wozu sich ja auch schon andere geäußert haben. Eigentlich hätte man dafür natürlich einen eigenen Thread aufmachen müssen...
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chica
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Beitrag von chica »

Nicht unbedingt, ist ja jetzt geklärt. Und damit bitte elegant zurück zum Thema. Danke :D
LG Ines
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esge
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Beitrag von esge »

Da alles Reden immer nur graue Theorie bleibt, steuere ich hier grad mal ein Bild bei, wie eine Dehnungshaltung a la Karl nach relativ vielen Jahren Arbeit aussehen kann. Vielleicht führts ja zum Thema zurück.
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