Steffen hat geschrieben:
Ich würde sagen, eine "Stütze" braucht ein Pferd gar nicht. Der Unterschied zwischen einer Stütze und einer Anlehnung wie sie in der Dressur gefordert ist, besteht darin, dass die Stütze nach hinten wirkt, also festhält, während die Anlehnung immer die Tendenz nach vorn hat.
Ich habe ganz bewusst dieses Wort gewählt

diese Stütze geht allerdings vom Pferd aus und hat in sofern immer eine Tendenz nach vorne.
Die Aktivität der Hinterhand soll ja mit dem Zügel nicht zerstört werden, sondern, wie horsemän es so schön beschrieben hat, das Pferd soll sich abstoßen. Es geht doch "nur" darum, dass der Schwung von der Hinterhand durch den Körper des Pferdes bis nach vorn geht.
Und genau das ist die Stütze, ein in sich balancierter Körper muss sich nirgend "abstoßen".
Dieser Isi hat bei mir eine Stütze gesucht, solange ich diese nicht gewährt habe, hatte er deutlich Probleme mit der Balance.
Der Reiter hat eher das Gefühl er schiebt sein Pferd mit dem Zügel nach vorne, allerdings ohne dass die Verbindung verloren geht. Eine Stütze dagegen bedeutet, der Reiter hält das Pferd am Zügel fest, wirkt also zurück.
Nein. Eine Stütze ist doch nicht gleichbedeutend mit Halten...das ging vom Pferd aus;)
Beim Aussetzen der Hilfen (damit sind alle Hilfen gemeint) dagegen wird die Verbindung
tatsächlich aufgegeben, indem man die Hände sinken (odr nach vorne überstreichen) läßt, wobei die Zügel völlig durchhängen. Dies sind immer nur kurze Momente, in denen das Pferd eine Übung ohne Einwirkung in Selbsthaltung fortsetzt (schießlich piaffiert man nicht 20 Minuten

)
Und warum sollte dieses Aussetzen der Hilfen nicht länger andauern-solange man nichts anderes vom Pferd fordert? Wie ich schon sagte, warum der Impuls-Gedanke nur am Schenkel?
Etwas anderes ist es aus meiner Sicht, wenn die Anlehnung am duchhängenden Zügel vor allem auf dem Respekt des Pferdes vor dem Gebiß beruht (sieht man häufig bei früh auf Kandare gerittenen Pferden). Auch das funktioniert. Das Pferd reagiert dann bereits auf die Andeutung einer Zügelbewegung, weil es die Wirkung der Stange fürchtet. Diese Art der Anlehnung hat den Nachteil, dass sie auch ohne Schwung also ohne Aktivität von hinten funktioniert - anders als bei der dressurmäßigen Anlehnung. Auch diese Art der Anlehnung am durchhängenden Zügel kann als Stütze wirken, wenn die Tendenz nach hinten und nicht nach vorn gerichtet ist, was schnell passiert, da man den Druck, den man ausübt nicht in der Hand spürt.
Jedes Pferd hat Respekt(allerdings möglichst keine Angst) vor dem Gebiss, spätestens wenn man einmal zugelangt hat (was sich leider in Ausnahmesituationen manchmal nicht vermeiden lässt

), was eine Grundlage der Reiterei darstellt. Das Pferd, bei dem ich das erleben durfte, hatte noch nie eine Stange im Maul. Bei durchhängendem Zügel reicht ein leichtes Heben und wieder Senken der Hand als Parade (wohlgemerkt auf Snaffle: einfach gebrochenes Gebiss ohne Anzüge), da diese hauptsächlich über Sitz und Schenkel geritten wird.
Das ein hängender Zügel ein Rückwärtstendenz haben soll, halte ich für ausgemachten Blödsinn *sorry, ist doch so*
Dieses weit verbreitete Verständnis von Anlehnung am durchhängenden Zügel hat zu dem Image geführt, dass spanische Pferde "vorne hui und hinten pfui" gehen und die Bewegung nicht durch den Körper geht.
In der Tat sieht man sowohl in Spanien als auch hier sehr viele Pferde, die auf diese Weise ausgebildet sind. Ich glaube auch nicht, dass diese Art zu reiten schädlich ist, vielleicht ist sie sogar für bestimmte Reitweisen, bei denen das Pferd lange Zeit Leistung bringen muss (z.B. Arbeitsreitweisen) viel sinnvoller, als die extrem kraftraubende Dressurreiterei. Insofern ist das absolut keine Wertung, aber man sollte die beiden Formen der Anlehnung zu unterscheiden wissen, sonst argumentiert man aneinander vorbei.
Das das Pferd aktiv über den Rücken geht und der Schub aus der HH kommt ist bei mir Grundlage und zentrales Element einer jeden Reiterei. Und bester Prüfstein überhaupt. Geht das verloren, läuft etwas ganz gewaltig schief. Vielleicht ist es einfach menschlich, daß man immer meint, was man hinten an Dampf erzeugt, vorne abfangen zu müssen, anstatt das Pferd sein Gleichgewicht selbst finden zu lassen.
Schade finde ich immer, wenn Leute (wie du auch) eines als das einzig Wahre und Echte ansehen und alles andere als "kann ja gar nicht reell sein" abstempeln (soviel Toleranz sie dabei auch an den Tag legen), anstatt sich eingehend und ohne Scheuklappen damit zu beschäftigen. Es gibt doch so viel mehr...
Der Sitz des Reiters (Kreuz und Gewichtshilfen) ist seine Stimme. Die anderen Hilfen sind aber die Mimik und Gestik. Eine Beziehung, die nur über das Telefon - also ohne Mimik und Gestik - geführt wird, kann nur selten die Qualität einer persönlichen Beziehung erreichen. Also warum soll ich auf einige reiterliche Hilfen verzichten? Weil Reiten sooo einfach ist, dass man auf einige Hilfen verzichten kann oder sogar sollte?
Warum nicht? Ist es nicht die konsequente Weiterführung des immer feiner werdens? Einfach ist das überhaupt nicht-im Gegenteil. Keiner von uns möchte sein Pferd mit physikalischen Mitteln zu etwas "zwingen", sondern fein und leicht kommunizieren. So hören die Hilfen irgendwann auf Hilfen zu sein und werden zur Konditionierung. Fein kann man erst sein, wenn ein Pferd verstanden hat, was man möchte und willens und in der Lage ist, das gewünschte auch auszuführen.
LG
Colloid
Das Pferd lehnt sich an den Reiter an. Wenn die Abstimmung zwischen Pferd und Reiter ideal ist, wird das Mittel der Anlehnung, der Zügel, fast entbehrlich.
Richard Hinrichs