Lebendiges Maul

Rund um die klassische Reitkunst

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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
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Colloid
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Beitrag von Colloid »

horsmän hat geschrieben: Das Ganze ist für mich eine wirkliche Grundsatzfrage, die m.E. falsch verstandene Anlehnung (Pferd gg. das Gebiss spannen wie zB M.Rath das im Totilas Video so "gekonnt" macht) und korrekte Anlehnung mit ABSTOSSEN AM GEBISS (so wie das Mädel mit Hafi es praktiziert) unterscheidet.
In meinen Augen ein sehr schlechter Vergleich, da der Hafi die meiste Zeit (bis auf wenige kurze Augenblicke) hinter dem Gebiss ist, sich also nicht abstößt. Deswegen finde ich die "Anlehnung" die Herr Rath nimmt (ich verwende bewußt diese Formulierung ;)) nicht besser.
P.S.
Deshalb ist es für mich nur logische Konsequenz, dass ein gutes Reiter/Pferd-Paar nach einiger Zeit der Ausbildung (NICHT unbedingt der Anfangszeit) einen Nasenriemen an Trense und besonders Kandare nicht mehr wirklich braucht, sondern zur blossen Zierde sehr locker verschnallen kann. Insofern hätte ich es gerne, wenn man den Nasenriemen ab S-Dressur abschaffen würde. Das würde vieles an mieser Reiterei aufdecken und damit nach und nach verschwinden lassen.
Das fänd ich auch erstrebenswert... :wink:
Mir kommt das sehr lebendige Maul dieses Hafis wie eine Übersprungshandlung vor, er konzentriert sich sehr stark "jetzt wirds aber knifflig", die von mir angestrebte Maulaktivität wäre das nicht.
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

horsmän hat geschrieben:zum Thema "Fixed hand vs. following hand" von Thomas Ritter:

http://www.animalholistichealth.com/hcl ... ING%20HAND
Ui, das ist ja wieder mal ein interessanter Artikel. Und auf der Seite gibts ja noch einiges Spannendes - danke für den Link!

Inhaltlich: Wie seht und praktiziert ihr das - vor allem im Schritt: Ich war bisher immer der Ansicht, dass man die Nickbewegung des Pferdes mit der Hand begleiten sollte, vor allem beim jungen Pferd, auch um den Schritt nicht kaputt zu machen. Die ruhigere Handhaltung im fortgeschritteneren Stadium habe ich mir immer mit der zunehmenden Versammlung und der damit einhergehenden weniger werdenden Nickbewegung erklärt... :?:

Nun kommt der Ritter daher und sagt, die Hand soll IMMER fix stehen und nicht mit der Bewegung mitgehen (zumindest nicht mehr, als es die Hüfte des Reiters tut). Hm. Wenn ich mein Pferd jetzt so im lockeren Schritt dahergehen lasse (mit Anlehnung!) und die Hand feststelle, dann springt doch der Zügel oder das Pferd muss seinen Kopf (krampfhaft?) ruhig stellen, oder nicht?
Kann mir da wer weiterhelfen?
Da ich Ritter in allem anderen total überzeugend finde, gibt mir das jetzt echt zu denken :shock:

Ich hoffe, das führt jetzt nicht zu weit vom eigentlichen Thema ab, aber sonst kann man ja auch ein neues Thema damit anfangen.
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horsman
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Beitrag von horsman »

Den Hafi seh ich nicht hinter dem Gebiss (bis auf vielleicht an einer kurzen Stelle nach einem Übergang Passage-Trab). Es ist ein großer Trugschluss zu sagen, nur weil ein Zügel locker ist, sei ein Pferd hinter dem Gebiss. Der Hafi ist vor dem Bein (sonst tät er nicht so leicht reagieren für die Anfrage auf Piaffe und Passage und aus Passage heraus), also ist er auch nicht hinter dem Gebiss. Ein Pferd hinter dem Gebiss ist auch hinter dem Bein.

Zum Hafl Video noch mal. Muss etwas relativieren: In der zweiten Hälfte auf der linken Hand (um bzw, nach Minute 3) bewegt die Reiterin die Hand in der Tat zu viel, das Pferd ist (wahrscheinlich deswegen ?) weniger gut in Balance als in der ersten Hälfte auf der rechten Hand. Es kommt zu oft auf die VH und kommt demzufolge auch öfter, als in der ersten Hälfte und zu lange leicht hinter die Senkrechte. Möglicherweise will sie zu aktiv mehr "Aktivität" erzeugen, erreicht aber genau das Gegenteil. So ist das eben mit der Leichtheit, will man nach ihr greifen ist sie futsch ;-). Ev. bzw. zusätzlich verläßt das Pferd auch die Kraft. Trotzdem ist die Arbeit nicht grundsätzlich schlecht.

@Rosana
die Lösung auf deine durchaus berechtigen Frage/Zweifel ist:
Das Pferd muss schon gelernt haben, sich in die Hand zu stellen (mise en main), damit die main fixe es nicht blockiert, was sie anderen falls tut. Es muss sich deshalb auch schon versammeln und muss die Maulreaktionen kennen gelernt haben, ggf. auch eingeübt durch Abkauübungen (m.E. aber nicht zwingend). Mit einem jungen Pferd ist es dann eine Frage, mit welchen Zügelmass ich die main-fixe ansetzte. Nicht mehr, als das Pferd an Beizäumung aufgrund HH-Engagement von selbst gibt. Niemals die Nase mit den Zügeln heran ziehen wollen, denn das wäre keine main fixe, sondern eine rückwärts ziehende Hand.
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Rinchen
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Beitrag von Rinchen »

Ich habe den Eindruck, der Hafi macht dann das Maul richtig weit auf, wenn die Ellbogen der Reiterin nach hinten springen, also erscheint mir das eher eine Schutzfunktion zu sein.
Grundsätzlich bin ich aber auch der Meinung: lieber ein aktives Maul als ein starres. Und ich würde mich Jens Meinung anschließen, dass ich den Eindruck habe, dass bei versammelnden Lektionen wie hier Passage mehr geklappert und bewegt wird als z.B. bei Verstärkungen.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Also Leute, in der Klasse muss man sich erst mal behaupten können, und dann noch mit einem Haflinger: http://www.youtube.com/watch?v=0u86D78t ... re=related
Klar sind dem Pferd vom Bewegungspotential Grenzen gesetzt, auch durch einen nicht optimalen Körperbau. Und klar kann man an jedem Ritt herummäkeln, und ich hätte auch so einige Kritikpunkte an dem Ritt.
Ich frage mich nur, warum eigentlich an Ritten mit weniger talentierten Pferden viel mehr kritisiert wird als an denen mit sehr talentierten Pferden ... warum freuen sich nicht die Haflingerfreunde, dass es ein Hafi erfolgreich bis InterI geschafft hat?
Mir nötigt die Leistung der beiden Respekt ab.

Zum Thema Maul: Nicht jeder durchhängende Zügel bedeutet, dass sich das Pferd einrollt oder die Anlehnung verloren gegangen ist. Und ein Zügel, der nicht schlackert, ist nicht zwangsweise angenehmer für das Pferd. Solange ein Pferd sich leicht stellen lässt und aufwärts sowie abwärts formen lässt, solange man die Intensität der Anlehnung verändern kann, ohne dass das Pferd sich dagegen wehrt, ist eine gute Anlehnung vorhanden.
Ein zu ruhiges Maul muss lebhaft gemacht werden, ein zu lebhaftes ruhiger. Beides erfordert unterschiedliche Techniken.
Viele Grüße
Sabine
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Es geht mir übrigens nicht dadrum auch hier noch das Video des Haflingers zu bewerten!

Ich habe ein Video von NO im Kopf auf einem Iberer mit einem immer wieder relativ weit geöffenteten Maul. Ich weiß, daß es von manchen als optimal lebendiges Maul bezeichnet wurde, während wieder andere es einfach als Klappern auf dem Gebiß im negativen Sinne bezeichneten. Auch ich habe lieber ein auf dem Gebiß schleckendes und lutschendes Pferd.

Deshalb mal bitte von dem Video mit dem Haflinger weggkommen!
Liebe Grüße, Sabine

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Rosana
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Beitrag von Rosana »

horsmän hat geschrieben: @Rosana
die Lösung auf deine durchaus berechtigen Frage/Zweifel ist:
Das Pferd muss schon gelernt haben, sich in die Hand zu stellen (mise en main), damit die main fixe es nicht blockiert, was sie anderen falls tut. Es muss sich deshalb auch schon versammeln und muss die Maulreaktionen kennen gelernt haben, ggf. auch eingeübt durch Abkauübungen (m.E. aber nicht zwingend). Mit einem jungen Pferd ist es dann eine Frage, mit welchen Zügelmass ich die main-fixe ansetzte. Nicht mehr, als das Pferd an Beizäumung aufgrund HH-Engagement von selbst gibt. Niemals die Nase mit den Zügeln heran ziehen wollen, denn das wäre keine main fixe, sondern eine rückwärts ziehende Hand.
Danke für die Erklärung. Ich habe selber auch noch mal drüber nachgedacht und Videos von meinem Gereit angeschaut. Dabei ist mir augefallen, dass ich auf einem weiter ausgebildeten Pferd durchaus auch im Schritt mit einer ruhig am Platz stehende Hand reite (War mit gar nciht so bewusst). (http://www.youtube.com/watch?v=zNuQ2fANvgM)

Bei Rosana weiß ich vom Zugucken bei meinem Mann, der die Nickbewegung nicht so begleitet wie ich und die Zügel dabei aber eher durchhängen lässt, dass sie dann den Hals eher oben feststellt und in so einer ungünstigen Aufrichtung daherläuft.
Das Mitgehen - mit konstanter Anlehnung - führt bei ihr dagegen dazu, dass sie den Hals mit der Zeit fallen lässt und die Oberlinie länger wird. Also zunindest für die Lösungsphase denke ich, dass dies auf jeden Fall das richtige Vorgehen ist. Wenn sie dann locker schreitet werde ich beim Reiten mal experimentieren und beobachten!
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Beitrag von Rosana »

So, inzwischen habe ich mal experimentiert mit der stillen und der mitgehenden Hand und es war für mich sehr aufschlussreich. :idea:

Nachdem im Schritt ein einigermaßen losgelassenes Schreiten erreicht war, habe ich die Hände ganz bewusst still gehalten. Rosana fing sofort an sich zu verhalten, wurde kurz im Hals und trippelig.
Dann fing ich wieder an mit dem mitgehen und schwupp - wurde auch der Schritt wieder normal. Dabei ist mir allerdings aufgefallen, dass dieses Mitgehen viel geringer ist, als ich es in meinem Selbstbild bisher hatte. Es ist eigentlich eher eine gewisse gummiartige Elastizität, die Hände bewegen sich dabei nur um Millimeter bis wenige Zentimeter. :idea:

Ich habe auch mal versucht, die Ellbogen an die Hüfte zu legen, das empfand ich dann aber wieder als zu starr.

Bei dem Feststellen der Hand hatte ich übrigens gleich den Begriff "durchhaltende Zügelhilfe" vor Augen: Letztlich ist es das ja auch, aber dann halt nur für Momente und nicht ständig.
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Beitrag von horsman »

probieren geht über studieren ;-)

dass der Schritt kürzer wird ist durchaus erwünscht, denn wenn man die Hand als main fixe hinstellt, fragt/bewirkt man automatisch ein versammeln.

ABER (!):
damit es auch versammlen und nicht blockieren wird, ist es UNABDINGBAR, dass das Pferd im Maul losläßt und mit nachgiebigem U-kiefer kaut. Das so locker tätige Maul wirkt dann wie die "Kupplung" des Autos (ist natürlich bloß ein Bild - aber auch nachzulesen bei Bürger), die den Vorwärtsimpuls von der Hand leicht abtrennt und deshalb nicht blockierend wirkt

Bleibt das Maul mit der main fixe stumm, blockiert die Hand bloss. In dem Fall kann es tatsächlich zum Passgang kommen. So funktioniert die main fixe eben nicht ;-)

kannst mal Folgendes probieren:
im Schritt anhalten. Das Pferd muss im Übergang zum halten und im Halten bei völlig fest und unbeweglich stehender Hand weiter abkauen und leicht bleiben! Wenn es im Halten kaut und leicht in der Hand ist (nicht hinter dem Zügel, aber auch nicht am Zügel ziehend und nicht und nicht stumm) dann vorsichtig in den Schritt "tropfen lassen" aber so, dass es ebenso leicht und kauend weiter läuft, wie es gestanden hat. Das ist aber dann durchaus schon "Baucher" für fortgeschrittene. Könnte aber zum Schlüsselerlebnis werden, falls es gelingt.
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

Danke horsmän, das klingt einleuchtend - da ist jetzt nur wieder die große Frage: Geht das auch gebisslos... Das ist jetzt wieder so ein Punkt wo ich mich frage, ob es mit Gebiss nicht vielleicht doch noch feiner gehen würde... Kauen tut sie zwar auch ohne Gebiss, aber das hat ja keine Verbindung zum Zügel und kann deshalb wohl auch nicht diesen Kupplungseffekt haben :? :?:

Die Übung mit dem Anhalten klingt sehr spannend. Vorstellen kann ich mir das, aber in der Praxis... Ich muss mal gucken, ob wir überhaupt so anhalten können :?
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horsman
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Beitrag von horsman »

also gebissloses Reiten und Baucher schließen sich m.E. aus. Dazu ist das Thema Kieferflexion zu bedeutend, was nicht heißt, dass man nach Baucher nun ständig wie wild im Maul rum fuchtelt. Ganz im Gegenteil!

Anhalten mit tätigem Maul ohne rückwärts wirkende Hand ist eine essentielle Grundübung.
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