Pferd tritt, wer ist schuld?

Allgemeines rund ums Pferd

Moderatoren: Julia, dshengis

Antworten
Belfigor
User
Beiträge: 434
Registriert: Sa, 13. Feb 2010 16:40
Wohnort: Bayern

Pferd tritt, wer ist schuld?

Beitrag von Belfigor »

Neulich hat mein Pferd nach jemandem getreten, der sich von hinten genähert hat. Zwar nicht getroffen, gottseidank, aber voll durchgezogen.
Das ganze passierte in der Halle, während ich aufstieg. Die andere Person kam von schräg hinten mit ihrem (geführten) Pferd ganz nah an mich ran, ist nun bleidigt, weil sie der Meinung ist, dass das eine Unart meines Pferdes war. Ich bin der Meinung, dass es eine saudumme Idee war, sich von der Position her zu nähern (von schräg hinten direkt auf ein Pferd zuzugehen, welches eh grad schon zappelig ist), denn das "sagt" dem Pferd ja etwas, wogegen es sich letztlich zur Wehr setzte, kenne das auch von der Bodenarbeit, dass diese Position sehr "dominant" ist und ggf. mit solch einer Reaktion zu rechnen ist. Ich hatte die Person sogar noch gebeten, mich mit dem Pferd in Ruhe zu lassen...

Trotzdem beschäftigt mich seitdem die Frage, wer denn für so ne Reaktion (des Pferdes) die Verantwortung trägt, also im Falle einer Verletzung haftbar gemacht wird.

Kennt sich jemand damit aus?
"Die Wahrheit kann man nicht verbrennen, denn sie ist das Feuer."
Yvonne

Beitrag von Yvonne »

Von einem Pferd geht grundsätzlich eine Gefahr aus - dies bedingt die sogenannte "Gefährdungshaftung" die besagt, dass der Halter eines Pferdes (ebenso wie ein Hundehalter z.B.) grundsätzlich für Schäden haftet, die sein Pferd anrichtet, sofern diese nicht grob fahrlässig herbeigeführt werden durch den Halter.

Insofern bist Du in der Haftung, auch wenn sich die andere Person von hinten Deinem Pferd angenähert hat und hätte wissen müssen, dass man dies bei Pferden nicht tut.

Üblicherweise wird der geschädigten Person (in diesem Fall gibt es ja keinen Geschädigten - zum Glück) eine Teilschuld / Mitschuld an dem Vorfall angelastet werden - wegen der Annäherung von hinten mit dem eigenen Pferd. Ein Reiter muss wissen, dass man sich nicht von schräg hinten an ein Pferd annähert - insofern wird man eben eine entsprechende Teilschuld anlasten. Wie die ausfällt - keine Ahnung. 50/50 oder 60/40 - das ist abhängig von der jeweiligen Situation. Es gibt dazu sicher einiges an Präzedensfällen mit einschlägigen Entscheidungen.
carolin
User
Beiträge: 39
Registriert: Mo, 25. Jan 2010 15:19
Wohnort: Irfersdorf
Kontaktdaten:

Beitrag von carolin »

Da stimme ich mit Yvonne völlig überein!
Belfigor
User
Beiträge: 434
Registriert: Sa, 13. Feb 2010 16:40
Wohnort: Bayern

Beitrag von Belfigor »

Danke für Eure Antworten!

Und wie verhält es sich, wenn ich ausdrücklich darum bitte bzw. regelrecht auffordere, sich nicht (von hinten) an das Pferd zu nähern? Bin ich damit aus der Haftung "draußen"?
"Die Wahrheit kann man nicht verbrennen, denn sie ist das Feuer."
Benutzeravatar
Finchen
User
Beiträge: 8526
Registriert: Di, 19. Apr 2011 22:30
Wohnort: im Norden zwischen HB und HH

Beitrag von Finchen »

Yvonne hat geschrieben:Von einem Pferd geht grundsätzlich eine Gefahr aus - dies bedingt die sogenannte "Gefährdungshaftung" die besagt, dass der Halter eines Pferdes (ebenso wie ein Hundehalter z.B.) grundsätzlich für Schäden haftet, die sein Pferd anrichtet, sofern diese nicht grob fahrlässig herbeigeführt werden durch den Halter.

.
Hallo Yvonne,

ich nehme an du meinst die Haftpflicht zahlt, wenn nicht grob fahrlässig gehandelt wird, weil der Halter immer verantwortlich ist, denn das ist er grade, wenn er grob fahrlässig handelt!?
Oder meinst du wenn die Geschädigte Person grob fahrlässig gehandelt hat?

Gruß,

Silke
sab
User
Beiträge: 548
Registriert: Do, 19. Aug 2010 05:36
Wohnort: Bremen

Beitrag von sab »

Hallo,


die Gefährdungshaftung - die hier ja schon erklärt worden ist - besagt, dass der Eigentümer / Halter (das kann im Einzelfall auch kompliziert werden) die Haftung für das Verhalten seines Pferdes, ganz grundsätzlich. Diese Gefährdungshaftung gilt grundsätzlich in dieser Form für Luxuspferde. Eingeschränkt ist diese Haftung grundsätzlich für Nutzpferde, hier kann der Eigentümer einen Entlastungsbeweis führen (dass er z.B. die erforderliche Sorgfalt hat walten lassen und der Unfall trotzdem passiert ist).

Der Unterschied zwischen Nutz-und Luxuspferden besteht, ganz grob gesagt darin, dass mit Nutzpferden Geld verdient wird bzw werden kann (platt gesagt). Im Einzelfall sind da die Abgrenzungen nicht unbedingt einfach aber sehr wichtig weil sie unterschiedliche Formen der Haftung nach sich ziehen.

Als Pferdebesitzer, der seinen Esel zum Spass hält, dürfte man davon ausgehen, dass es sich um ein Luxuspferd handelt, für dass die Gefährungshaftung gilt. D.h., dass man grundsätzlich in dieser Situation erst einmal voll haftet. Man muss dann allerdings prüfen, ob der Verletzte einen Teil an Mitschuld trägt. In dem hiergeschilderten Fall müsste man sich dann genau den Einzelfall anschauen; ist das Pferd z.B. dafür bekannt, dass es schlägt ? Wie lang bzw. kurz war der Abstand ? Daraus können sich dann im Einzelfall Einschränkungen in der Haftung ergeben.

Ich empfehle , dass man in so einem Fall sich auch dadurch absichert, dass man in Gegenwart von Zeugen noch einmal erklärt, warum ein derartiges Vorbeigehen zu Ausschlagreaktionen führen kann. Im Zweifel kann man soetwas auch auf einem schwarzen Brett etc schriftlich erklären. Und falls man ein Pferd hat, das gerne mal schlägt, gehört eine rote Schleife um die Schweifrübe gebunden.

Ach ja, und natürlich empfehle ich unbedingt, eine Haftpflichtversicherung abzuschliessen. Man glaubt gar nicht, wieviele Reiter das NICHT haben. Die Haftpflichtversicherung wird im Schadensfalle einen freihalten; d.h. dass die Versicherung - hoffentlich - sich um den Schadensfall kümmert.

LG

Sabine
Belfigor
User
Beiträge: 434
Registriert: Sa, 13. Feb 2010 16:40
Wohnort: Bayern

Beitrag von Belfigor »

Was mich nun beschäftigt ist die Frage nach der "groben Fahrlässigkeit".

Wenn ich es richtig versteht, muss ich "grob fahrlässig" handeln, damit die Versicherung bezahlt. Das dürfte ja wohl so gut wie ausgeschlossen sein... Kenne das aber auch von anderen Haftpflichtversicherungen (z.B. Verlust von fremden Schlüsseln oder Diensthaftpflicht), die nur im Falle einer "groben Fahrlässigkeit" den Schaden übernehmen. Kann mir das aber im Falle einer Pferdehalterhaftpflicht nicht vorstellen...

Daher nochmal die Frage an die Versicherungsspezialisten hier:
Was meint eine Halterhaftpflicht mit "grober Fahrlässigkeit"? Aus meiner Sicht ist schon grob fahrlässig, wenn ich mir überhaupt ein "Luxuspferd" aneigne, von dem grundlegend schon mal aufgrund der größeren Kraft (gegenüber dem Menschen) eine prinzipielle Gefahr ausgeht.
"Die Wahrheit kann man nicht verbrennen, denn sie ist das Feuer."
sab
User
Beiträge: 548
Registriert: Do, 19. Aug 2010 05:36
Wohnort: Bremen

Beitrag von sab »

Hi,


ähem, so ganz verstehe ich die Frage nicht ...Beziehst Du Dich auf eine Formulierung in Deiner Versicherungspolice ? Ist da das Handeln aus grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen ? Oder hast Du einen konkreten Fall vor Deinem Auge ?

Die Anschaffung eines Pferdes an sich stellt natürlich keine grobe Fahrlässigkeit dar. Im Einzelnen muss man immer sich den konkreten Fall genau anschauen.


LG

Sabine
Maria Orange
User
Beiträge: 76
Registriert: Mo, 31. Jan 2011 15:33
Wohnort: Erzgebirge

Re: Pferd tritt, wer ist schuld?

Beitrag von Maria Orange »

Hallo Belfigor,

generell wird von einer sogenannten Tiergefahr ausgegangen - das Tier als Gefahrenquelle ansich. Das heißt, dass man als Besitzer immer eine Teilschuld (50%) trägt auch wenn sich das Tier objetiv betrachtet nicht "falsch" verhält.
Der Tatbestand alleine genügt mir um eine Tierhalterhaftpflicht abzuschließen.

In dem von dir beschriebenen Fall, wäre aus meiner Sicht strittig, wem welcher Schuldanteil zufällt, da sich die fast geschädigte Person trotz deiner Warnung/deines Hinweises deinem Pferd zu dicht genähert hat. Da sie selbst mit einem Pferd in die Halle kam, kann davon ausgegangen werden, dass sie im Umgang mit Pferden geübt ist und ihr ein gefahrvermeidendes Verhalten im Umgang im Pferden (Pferd ansprechen, wenn man sich nähert ect.) geläufig ist.
Belfigor
User
Beiträge: 434
Registriert: Sa, 13. Feb 2010 16:40
Wohnort: Bayern

Beitrag von Belfigor »

@Sab, ja da habe ich mich total vertan in meiner "Fragestellung", habe das aber jetzt begriffen. Ich ging fälschlicherweise davon aus, dass nur im Falle einer "groben Fahrlässigkeit" ein Versicherungsschutz besteht (wie dies z.B. bei ner Diensthaftpflicht der Fall ist...).

@Marie Orange, danke für deine Antwort! Wie den anderen auch, die mir sonst noch den Sachverhalt näher gebracht haben.

Ich werde die "Aufforderung" gegenüber dieser Person nun vor Zeugen nochmal wiederholen, denn es ist mir wirklich wichtig, dass da nicht noch was passiert, sollte sich so ne Situation wiederholen! "Normalerweise" tritt das Pferd nicht nach Menschen (ist noch nie vorgekommen), aber irgendwie ist diese Person ein rotes Tuch sowohl für mich als auch das Pferd...
"Die Wahrheit kann man nicht verbrennen, denn sie ist das Feuer."
sab
User
Beiträge: 548
Registriert: Do, 19. Aug 2010 05:36
Wohnort: Bremen

Beitrag von sab »

Hallo,


noch mal zur Klarstellung; als Halter eines Luxuspferdes trägt man grundsätzlich erst einmal die gesamte Haftung, ganz egal, wie sich der Gaul verhält. Im Einzelfall kann es dann natürlich sein, dass den Geschädigten eine Teilschuld trifft , dass hängt dann aber wirklich von den einzelnen Umständen ab. Wichtig ist für uns als Luxuspferdehalter zu verstehen, dass wir dem Grundsatz nach voll haften. Und genau das sollte auch die Haftpflichtversicherung abdecken.

LG

Sabine
Belfigor
User
Beiträge: 434
Registriert: Sa, 13. Feb 2010 16:40
Wohnort: Bayern

Beitrag von Belfigor »

@Sab, ja, danke für die Wiederholung, ich für meinen Teil habe das jetzt verstanden. Kompliziert wird es wahrscheinlich erst, wenn das Pferd einen Schaden anrichtet wofür (möglicherweise) der Stallbesitzer Schuld trägt, z.B. wenn es durch defekten Koppelzaun zu einem Ausbruch der Herde kommt etc.pp.

Wie gesagt, in meinem Falle ist nichts passiert und so soll es auch bleiben. Ärgerlich ist halt, wenn ein gefährliches Verhalten provoziert wird... Dagegen möchte ich mich nur absichern, so weit dies halt im Vorfeld überhaupt möglich ist.
"Die Wahrheit kann man nicht verbrennen, denn sie ist das Feuer."
sab
User
Beiträge: 548
Registriert: Do, 19. Aug 2010 05:36
Wohnort: Bremen

Beitrag von sab »

Na ja, es sind natürlich noch alle möglichen Konstellationen denkbar; was Du schon gesagt hast, die Frage nach der möglichen Haftung der Stallbesitzer. Oder auch die Haftung der Reitbeteiligung oder des Reitlehrers- auch da kann es im Einzelfall kompliziert werden. na ja , Juristen müssen ja auch leben...


Du machst das schon richtig. Und natürlich kann man sich nicht gegen alle Eventualitäten absichern, man kann halt nur so vorsichtig wie möglich sein.

LG

Sabine
Antworten