Reiten nach Biomechanik (Thomas Ritter): Umsetzbarkeit??

Rund um die klassische Reitkunst

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esge
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Beitrag von esge »

Na das finde ich ja prima, dass der Autor sich hier jetzt selbst meldet und "nacherklärt"! Vielen Dank dafür!
Doch, aus Büchern kann man insoweit lernen, als sie mir Hinweise geben, auf was ich das nächste mal im Sattel mal achten könnte, was ich ausprobieren könnte und welche Fragen ich meinem Pferd mal (wieder) stellen könnte - und sehe, ob ich jetzt seine Antworten verstehe. Echter Unterricht ist zwar nicht ersetzbar, aber in Zeiten der Dürre geben sie mir schon Impulse die sehr hilfreich sein können.
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Danke an Dr. Ritter für die ausführlichen Antworten!

Ich bin auch der Typ Reiter, der nach Gefühl reitet, aber ich denke nach dem Reiten oft darüber nach, warum manche Probleme auftreten und wie sie zu lösen sind. Und dabei helfen mir immer wieder die Bücher. Mich haben die eigenen Gedanken und die Suche in der Literatur erheblich weiter gebracht, als es ein Lehrer allein vermocht hätte. Man neigt nämlich oft beim Unterricht dazu, sich zu sehr auf den Lehrer zu verlassen und nicht mehr selbst an der Problemlösung zu arbeiten. Mir passiert das immer, wenn ich zu oft Unterricht habe. :wink: Bitte nicht falsch verstehen: ich lege sehr viel Wert auf Unterricht, den ich auch regelmäßig habe. Trotzdem benötige ich immer mal wieder Phasen, in denen ich alleine reite und mich voll auf das Fühlen konzentrieren kann.
Viele Grüße
Sabine
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Auch von mir einen Dank an Dr. Ritter, der so schnell auf meinen Hinweis reagiert hat! Toll!
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" Mahatma Gandhi
Thomas Ritter
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Beitrag von Thomas Ritter »

Josatianma hat geschrieben:Auch von mir einen Dank an Dr. Ritter, der so schnell auf meinen Hinweis reagiert hat! Toll!
Gerne geschehen. Es ist fuer mich interessant zu sehen, was die Leser fuer Fragen haben, worueber sie stolpern, usw. Wenn man sehr in einer Materie drinsteckt, kommt es sehr leicht vor, dass man bestimmte Dinge zu knapp behandelt oder auch ganz weglaesst, weil man annimmt, dass der Leser mit ihnen genauso vertraut ist, wie man selbst.

Thomas Ritter
Chapizco
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Beitrag von Chapizco »

Ich arbeite mich auch gerade durch das anspruchsvolle Buch. Ich denke, es entsteht genau diese Art beschreibender Sprache, wenn man erklärt, was man wann genau auf dem Pferd tut um diesen oder jenen Effekt zu erzielen. Mir persönlich hilft dabei, mir Notizen zu machen, was ich wann und wie anwenden könnte. Ich stelle mir das theoretisch Geschriebene vor und versuche es erst gedanklich und dann praktisch nachzureiten. Bei jeder Reiteinheit klappt ein bisschen mehr.
Und selbst wenn ich Dinge, die ich unbedingt probieren wollte, vergesse, reite ich bewusster und mit feineren Hilfen, auch wenn es nicht immer exakt die beschriebenen sind. Ich fühle das Abfußen nicht immer, aber "immer öfter". Mein Reitbeteiligungspferd war heute, nach dem Versuch des genauem Einhaltens der Bahnfigurlinien, Vorhandwendung in der Bewegung und dreimal gegeben bzw. vorbereitenden Paraden kürzer und wacher als gewöhnlich. Und zum ersten!!! mal klappten die Problemlektionen Rückwärtsrichten und Ganze Parade aus dem Trab wirklich ausgesprochen gut.
Natürlich klappte ganz viel nach wie vor noch nicht wunschgemäß, aber ich denke, der Weg ist richtig. Ermutigend finde ich, dass nach eigener Aussage des Autors noch kein Meister vom Himmel gefallen ist...Da hilft wohl nur dranbleiben, durchdenken und durchbeißen.
Thomas Ritter
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Beitrag von Thomas Ritter »

Ich gratuliere! Das ist genau die richtige Einstellung. Ich habe das frueher genauso gemacht. Bei der Lektuere der Literatur habe ich immer versucht, mir genau vorzustellen, was der Autor beschreibt, so als ob ich auf dem Pferd sitzen wuerde. Und beim naechsten Ritt habe ich versucht, das anzuwenden, was ich gelesen hatte. Man kann solche Dinge natuerlich nicht auf Anhieb perfekt umsetzen, sondern man macht viele Fehler und erlebt auch oefter Rueckschlaege, aber wenn man nicht aufgibt, dann macht man langsam aber sicher Fortschritte. Das ist ja das Beruhigende. Wenn man die Grundlagen fleissig jeden Tag uebt, kommt man irgendwann zwangslaeufig beim Grand Prix an.

Thomas Ritter
esge
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Beitrag von esge »

Thomas Ritter hat geschrieben:Das ist ja das Beruhigende. Wenn man die Grundlagen fleissig jeden Tag uebt, kommt man irgendwann zwangslaeufig beim Grand Prix an.

Thomas Ritter
Darf ich das meinem Pferd so bestellen? :D

Ja, ich reite beim Lesen auch immer mit. Aber oftmals ergibt das Nachreiten in der Praxis dann, dass es sich im Sattel doch anders anfühlt. Schadet aber auch nichts. Der wiederholte Abgleich zwischen Theorie und Praxis führt dann mittelfristig zu neuen Erkenntnissen. Noch spannender, wenn man es auf verschiedenen Pferden nachreitet. Was bei dem einen ein "ach na ja" ergibt, kann bei dem anderen ein " uuii, endlich!" bringen.
Manchmal frage ich mich allerdings, ob mein eigenes Pferd gelegentlich denkt: "Uff, was liest sie JETZT schon wieder?!" :wink:
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ninischi
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Beitrag von ninischi »

Paula hat geschrieben: Was ich auch erlebe ist dass Reitern nicht bewußt ist , dass sie zum Beipiel die Ferse beim Treiben hochziehen oder sogar das ganze Bein.
Auf einem Video würden sie das selbst sehen können und hätten den Aha Effekt.
Wenn man ihnen sagt du ziehst das Bein hoch, ist es ihnen nicht bewußt, sie wirken ungläubig, weil der Bewegunsablauf als richtig abgespeichert ist, vermute ich.
Genau mit dieser Aussage unterstreichst du doch, dass der eigene Körper die Menschen beim Reiten belügt! Es ist sichtbar, dass sie die Ferse hochziehen und dennoch sagt ihr Körpergefühl, dass dem nicht so sei!
"Reiten ist die Suche nach Schönheit, Geradlinigkeit und Wahrheit."
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Thomas Ritter hat geschrieben:Es ist richtig, dass das Koerperbewusstsein des Reiters oft luegt und dass der Koerper nicht so reagiert, wie der Reiter das moechte. Das sind ganz eigene Schwierigkeiten, die jeder Reiter ueberwinden muss. Deswegen mussten die Reiter in Wien frueher 5 Jahre lang taeglich Longenstunden nehmen. Dadurch macht man die schnellsten Fortschritte.

Thomas Ritter
Dr. Ritter, diese genannten 5 Jahre in Verbindung mit "Dadurch macht man die schnellsten Fortschritte" hat mich kurzzeitig verzweifeln lassen. Meine Wahl: weil das für mich nicht umsetzbar ist, muß ich das Reiten aufgeben, oder damit leben, dass ich eben wesentlich länger, mühseliger, und weniger fort-schrittlich üben muß. Klar, nur letzteres war die wirkliche Alternative. :wink:

Das Buch hat mich gleichermaßen fasziniert wie eingeschüchtert, ich vertraue auf die sehr positiven Ermunterungen von Reitern, die bereits Ihren Unterricht erleben durften, und traue mich deshalb auch mit Freude in den Septemberkurs.

Unter anderem ein besonderes Aha-Erlebnis hat mir deutlich gemacht, dass die Inhalte des Buches logisch, nachvollziehbar und umsetzbar sind, jeder einzelne Punkt für sich vielleicht erst später als früher, absichtlich oder eher "zufällig" erlebt, aber dennoch dann sicher hilfreich:

das gelegentlich im Trab zu Beginn der Einheit zu flott eilende Pony wußte ich nie so recht über den Sitz "einzufangen", hatte aber doch immer früher oder später eine fast abrupte Bremse ohne zu wissen, wie ich die installiert habe. Kürzlich ist mir aufgefallen, dass es unwissentlich angebrachte Bügeltritte wohl sind, die das Pony auf die Hinterbeine gestoppt haben.

Nicht nur deshalb bin ich von der grundsätzlichen Umsetzbarkeit des Buchinhaltes überzeugt - die jedoch vom unterschiedlichen Reitervermögen beeinflußt mehr oder weniger gut gelingt. Und immer steigerbar sein wird. :) Solange ich gelegentlich kleine Steigerungen erlebe ist mein eigenes reiterliches Ziel erreicht. Ich bin sehr gespannt, ob der Kurs dann die eine oder andere größere Steigerung ermöglicht.

Vielen Dank für die aus meiner Sicht überwiegend nachvollziehbaren Erklärungen im Buch und vor allem hier im Thema, beides macht Lust auf Reiten-Lernen!
Zuletzt geändert von Finchen am Fr, 17. Jun 2011 06:42, insgesamt 1-mal geändert.
esge
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Beitrag von esge »

Die Sache mit den Bügeltritten ist geradezu magisch! Ich experimentiere jetzt seit 3 Wochen bei verschiedenen Pferden damit rum und es ist einfach verblüffend. Eigentlich so einfach!! man könnte sich pausenlos vor die Stirn hauen. Klar habe ich auch schon vorher versucht, pferde am Sitz runterzutakten. Der Erfolg war wechselhaft, manchmal eher bescheiden. Aber diese Bügeltritte...

Ich hatte ein Pferd (junger Trakehner mit Karpfenrücken und empfindlichen Maul) im Unterricht, das ich mal so interpretieren möchte:
Großhirn an Hinterbeine: Die da oben will bremsen. Das ist in jedem Fall zu verhindern!
Hinterbeine an Großhirn: Sorry Chef, zu spät, schon geschehen, ging nicht anders.

Und wenn man die Pferde danach wieder vorlässt, kriegt man Rücken! Auch bei Pferden, die bis dato nicht wussten, was sie mit dem Ding anfangen sollen.

Ich staune und staune.
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amante
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Beitrag von amante »

So und wer das gerne in der Praxis erleben möchte, kann das gerne beim Lehrgang als Reiter oder Zuschauer machen:
16.-18. September in Trebur (Nähe Groß-Gerau)

Infos gibt es bei mir per email: info@cavalo-lusitano.net

VG Sonja
feuernelke
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Beitrag von feuernelke »

Ich hab einige Jahre Westernreitunterricht genossen. Im Westernreiten ist der Bügeltritt durchaus üblich. Ich kann natürlich jetzt nicht sagen ob das der gleiche Zusammenhang ist.

Den Bügeltritt habe ich hier überwiegend zum Aufnehmen des Pferdes- ganz leicht meistens einseitig- oder aber in unmittelbarem Wechsel rechts-links (und umgekehrt) zum Durchparieren erlernt. Allerdings haut mein Pony dann voll die Bremse rein, blockiert also hinten eher als das er Last aufnimmt.

Ist mein Pony sehr aufgeregt- und das geht schnell :D hilft der Bügeltritt das Eilen abzustellen, in das er dann meist verfällt. Insofern hatte ich beim Lesen des Buches gewisse Deja-vu Einsichten :D.

Ich bin auch eher der Praktiker und entdecke dann beim Lesen meist ein "Aha, deswegen funktioniert das also"
"Ein Pferd auszubilden bedeutet nicht nur, dass man es zum Gehorsam erzieht, wie viele es meinen. Genauso wichtig ist es, dass das Pferd mit Freude macht, was man von ihm verlangt."”
von Nuno Oliveira
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

Wer mehr über Herrn Ritter erfahren will: Im aktuellen Pferdemarkt (Heft Juli/August 2011) ist ein schöner Artikel über ihn...
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Pferdialog.de
Thomas Ritter
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Beitrag von Thomas Ritter »

esge hat geschrieben:Die Sache mit den Bügeltritten ist geradezu magisch! Ich experimentiere jetzt seit 3 Wochen bei verschiedenen Pferden damit rum und es ist einfach verblüffend. Eigentlich so einfach!! man könnte sich pausenlos vor die Stirn hauen.
Das ist richtig. Der Buegeltritt ist eigentlich allen Pferden auf Anhieb verstaendlich, weil er einfach die Gesetze der Physik ausnuetzt. Auch Korrekturpferde, die Hand und Schenkel hassen und nicht am Kreuz sind, reagieren meist positiv auf den Buegeltritt. Pferde, die einen empfindlichen Ruecken haben, bei denen man mit Kreuz und Hand sehr vorsichtig sein muss, koennen ueber den Buegeltritt sehr gut im Tempo reguliert und ins Gleichgewicht gebracht werden. Man kann den Ruecken damit auch sehr gut zum Schwingen bringen.
Es ist im Prinzip wirklich sehr einfach und logisch, aber man kommt nicht unbedingt von alleine drauf, wenn man es nicht erklaert bekommt.
Viele Reiter nuetzen den Buegeltritt intuitiv, kratzen aber meist nur an der Oberflaeche der Spitze des Eisbergs. Die Moeglichkeiten sind unendlich.
Was die urspruengliche Frage zur Umsetzbarkeit angeht, kann ich nur sagen, dass ich etliche Schueler habe, die Amateure sind und damit sehr gut zurecht kommen, auch wenn sie keine GP Reiter sind.
Diese Methode ist auch ein sehr gangbarer Weg, sich ueber theoretisches Wissen und das Ueben der Technik Gefuehl anzueignen. Manche Reiter haben das Glueck, mit viel Gefuehl geboren zu sein. Die koennen einfach intuitiv reiten und machen Vieles automatisch richtig. Andere haben nicht so viel Glueck und muessen sich das Gefuehl muehsam aneignen (entgegen der populaeren Ansicht bin ich der Meinung, dass man Gefuehl bis zu einem sehr hohen Grad lernen kann). Fuer solche Reiter ist es oft notwendig, dass sie alle Sachverhalte gruendlich analysieren und durchdenken, und wenn sie genau verstehen, was sie tun sollen, wie sie es tun sollen, wann sie es tun sollen und warum, dann koennen sie sich die Praxis erarbeiten. Diese Reiter brauchen u.U. etwas laenger, aber sie werden langfristig gesehen die besseren Lehrer werden, weil sie das Was, Wie, Wann und Warum genau erklaeren koennen.
Naturtalente koennen diese Dinge dagegen oft nicht sehr gut erklaeren, weil sie sich nie darueber Gedanken machen mussten.
Ilustre
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Beitrag von Ilustre »

Danke für diesen Thread.. Ich weiß jetzt genau, was ich bei meinem nächsten Deutschland Aufenthalt kaufen werde :D
Leider habe ich hier niemanden, der mir bei der Umsetzung behilflich sein kann..
Daher werde ich erst vermutlich das Buch auswendig lernen um später in Deutschland das gelernte mit Hilfe eines guten Trainers umsetzen zu können :lol:
Pferde-Dental-Praktikerin
-IGFP Mitglied-
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