Anlehnung gebisslos ?

Rund um die klassische Reitkunst

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Phanja

Beitrag von Phanja »

Es ist mir ehrlich gesagt egal, "wer angefangen hat". Bemüht euch einfach beide um einen sachlichen Austausch. Danke!
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

horsmän hat geschrieben: Apropos Stangen als Zügel ... Man kan ja jetzt auch mal weiter spinnen, (Gedanken sind ja frei), warum, wenn man doch in FN-Kreisen eine gummiartig federnde Anlehnung haben will, warum man dann nicht elastische Gummizügel benutzt ....
Seufz… :wink:
Weil die elastisch-federnde Anlehnung rein gar nix mit dem Material der Zügel zu tun hat, sondern das Ergebnis einer aktiven HH und eines über den Rücken gehenden Pferdes ist. Nochmalseufz :wink:
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Ach Horsmän, auch ich habe schon Pferde mit schwierigem Exterieur und flachen Nähmaschinengängen geritten. Auch schon Korrekturpferde. Auf ALLE ließen sich bestimmte Prinzipien anwenden. Bei den einen war es leichter, bei anderen schwerer, das liegt in der Natur der Sache. Wenn die Grundausbildung korrekt erfolgt, lässt sich das genau so wie beschrieben lösen. Wenn nicht, bin ich in der Ausbildung zu schnell oder zu schludrig vorgegangen oder habe zu einem bestimmten Zeitpunkt einen falschen Weg eingeschlagen. Bitte sieh das nicht als persönlichen Angriff, das ist völlig wertneutral gemeint.

PS @ Cubano: "hochatmen" - super tolle Umschreibung, mich spricht das an! :D
Viele Grüße
Sabine
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

horsmän hat geschrieben: Apropos Stangen als Zügel ... Man kan ja jetzt auch mal weiter spinnen, (Gedanken sind ja frei), warum, wenn man doch in FN-Kreisen eine gummiartig federnde Anlehnung haben will, warum man dann nicht elastische Gummizügel benutzt ....
Seufz… :wink:
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skywalker

Beitrag von skywalker »

Danke max für die genaue Erklärung, kann ich alles nachvollziehen.

Bisschen schwer tu ich mir nur mit diesem Begriff "Gramm-Bereich". Ich weiß nicht wie weit der geht, mir kommt es einfach schon immer sehr viel Kraft vor, den Zügel einfach nur zu spannen (grad soviel sodass er halt nicht durchhängt).

Was du mit verklemmen und wieder vorwärts reiten meinst, verstehe ich - kenn ich sehr gut, weil kaum hab ich bei meinem irgendwie zu viel Kontakt oder verlange etwas schwieriges, da blockiert völlig das Vorwärts, das ganze Pferd klemmt - und dann hilft wirklich nur noch "Notstopp"-Taste und (in meinem Fall dann mit völlig hingegebenem Zügel) wieder erklären, dass man Bewegung möchte.
Versteh ich gut.

Und tut's nicht streiten hier ;-). Ich finde alle Blickwinkel interessant und find die Diskussion hier dochwirklich toll :-)

Edit: "hochatmen" kenne ich auch. Stammt vermutlich eh aus CR. ich kenne wirklich viele viele Leute die ganz begeistert sind davon und damit wirklcih gut weiterkommen. Man scheint eher die Ausnahme zu sein, wenn man damit nicht kann. Leute, die sehr sehr sehr starke "Kopf"menschen sind, also wie ich immr alles durchanalysieren müssen, denen fällt es glaub ich schwer, sich auf so Bilder einfach spontan einzulassen und quasi zu warten was passiert. Mir gehts immer so, dass ich beginne, diese Bilder für mich wieder "rückzuübersetzen" in Muskelbewegungen. Also wenn mir wer das Bild vom "hochatmen" nennt, fange ich an zu überlegen: "welche Muskeln könnten die damit meinen, welche Bewegung, welche Körperposition". Wenn ichs dann durchanalysiert hab, kann ich versuchen es umzusetzen, indem ich dann eben versuche, die richtigen Muskeln anzusprechen.
Ich find diese unterschiedlichen Lerntypen sehr interessant. Ich merk mir generell Audiovisuelles ganz ganz schlecht - weshalb ich von DVDs kaum was lerne - außer ich mache mir Notizen. Aus geschriebenem lerne ich dafür gut, und am besten, wenn ich es selbst aufschreibe.
Zuletzt geändert von skywalker am Fr, 12. Aug 2011 10:39, insgesamt 1-mal geändert.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Skywalker, hast Du eine Küchenwaage? Ich habe gerade meine Kaffeekapsel draufgelegt, wiegt genau 10 Gramm. Wieg das mal in Deiner Hand. Findest Du das viel? Wahrscheinlich empfindest Du das als sehr leicht.
Viele Grüße
Sabine
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skywalker

Beitrag von skywalker »

Ja klar hab ich eine Küchenwaage. 10g sind leicht, aber es ist auch viel zu wenig, um einen Lederzügel zu spannen, oder? Allein weil das Material sich leicht dehnt, z.B.
Meinst du man kann sich mit Anlehnung im 10-g-Bereich bewegen?
Jolly
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Beitrag von Jolly »

ja, ich glaube schon, dass die Anlehnung sehr leicht sein kann, wenn das Pferd sehr sensibel ist und der Reiter eine sehr gute Zügelführung. Wenn man nachgibt und das Pferd folgt, dann hat man Anlehnung. Das kann auch bei einem Zügel sein, der aussieht als wenn er durchhängt. Die Gefahr eines springenden Zügels ist dabei aber sehr viel größer als bei mehr Kontakt...
horsman
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Beitrag von horsman »

@skywalker
mal eine weitere Übung:
binde die Zügel man irgendwo fest (also nicht am Pferd ;-) und dann nimm sie so auf, dass sie gerade nicht hängen. So stelltst Du einen leichten "Grundkontakt" her.

Aber richtig: die eigene Hand muss immer auch Sensor sein und Rückmeldung über die Kraft geben, die da grad auf das Maul wirkt. Diesen Sensor muss man im Kopf immer realisieren, abchecken und überlegen ob noch im "grünen Bereich", sowohl was zu lange zu locker, als auch zu lange zu stramm.
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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

horsmän hat geschrieben: Ach, ja, wenn das mal alles immer so simpel wäre. Es gibt da durchaus Pferde, die so vorhandlastig laufen und auf der Hand liegen, wenn Du die dann "schwungvoll nach vorne"
Horsemän, das hat Max ja auch nicht so simpel geschrieben. Sie hat einzelne, unterschiedliche Fälle aufgeführt und Lösungsansätze aufgeführt.
auch steht nirgendwo "schwungvoll" vorwärts, sondern nur "Vorwärts".
Vorwärts aber bedeutet nicht unbedingt Tempo oder Schnelligkeit oder massive Schubentfaltung, sondern umschreibt eher eine innere Haltung des Pferdes.
Gerade Pferde, die sich aufrollen sind gedanklich eben nicht im "vorwärts " sondern im "rückwärts" begriffen . Sie nehmen das angebotene Zügelmaß nicht nach vorne - was der Grundidee einer reelllen Dehnungsbereitschaft und dem Gedanken von Anlehnung- wie sie Max sehr schön beschrieben hat- entspricht, sondern halten sich im wahrsten Sinne "zurück" und zwar körperlich optisch erkennbar in Haltung und Vorwärtsdrang.
Pferde, die die Stütze in der Hand suchen sind hingegen nicht ausbalanciert, also zwar u.U. willens, "vorwärts zu denken" ober nicht fähig, dies in einem eigenen angemessenen Gleichgewicht auszuführen, sie stützen sich somit ab. Hier ist es wichtig, den Willen zum "Vorwärts " nicht zu nehmen, ABER diesen in eine Form zu leiten, die das Pferd für sich umsetzen kann. Also ganz klar - wie Max ja auch schrieb- im gemäßigteren Tempo- aber mit innerer "Vorwärtsbereitschaft" .

Der Ansatz im deutschen System ist hierbei, dem Pferd ein Bewegungsmaß abzuverlangen, die es veranlassen, seinen Hals zum Zwecke der Balance ein wenig anzuheben. Sich also selbst auszubalancieren und somit die -im Grunde ja unwirksame- Stütze der Reiterhand aufzugeben und dafür wieder seinen Hals einzusetzen. Das klappt auch bei sehr vielen dieser Pferde, wenn der Vorwärtsimpuls angemessen eingesetzt wird und das Pferd nicht so gescheucht wird, das es in echte Schwierigkeiten gerät und damit verkrampft und rennt.
Bei Pferden, die als Reaktion eine noch deutlicher Stütze auf dem Zügel nehmen wird das schwieriger.

Ein Pferd kann auch in ganz, ganz langsamen Tempo - im Sinne von Gewinn von Metern, hochgradig aktiv und "Vorwärts" sein. Auch in der Piaffe, die ja nahezu am Platz vonstatten geht, ist die Idee des "Vorwärts" mit das Wichtigste. ( denn nur durch sie bleibt das Pferd "vorne" an der Hand und lang in der Oberline). Deswegen funktioniert ja auch hierbei die Schulung in den Sequenzen Vorwärts-Rückwärts- Vorwärts, nur dann, wenn das Pferd in den diagonalisierten Ablauf der Rückwärtsbewegung, bereits die "Vorwärtsidee" mitnimmt. Es denkt schon "Vorwärts", ist schon in diesem begriffen, noch wärend es rückwärts tritt.

Die einzelnen Ansätze der einzelnen Systeme wie z.B. "Balance vor Bewegung" oder "Balancekorrektur über Bewegung" funktionieren beide, so sie einfühlsam, und angemessen angewandt werden. Funktionieren sie im einzelnen nicht, gilt das Ausbildungsprinzip " das Pferd bestimmt den Ausbildungsweg" und es ist nach meiner Auffassung sinnig, als Ausbilder eine Alternative zu kennen. Eben z.B. den Weg des jeweils anderen Systems. :wink:

Am schwierigsten im Umgang sind nach meiner Erfahrung immer Pferde, die in sich nicht eindeutig sind : also Pferde, die hinter dem Zügel rennen und Pferde, die auf dem Zügel sich verhalten.
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Beitrag von Max1404 »

Sicherlich wird eine arbeitsmäßige Anlehnung auch im Idealfall eher im Bereich des Gewichts einer großen Zitrone (200 g) oder einer großen Orange liegen (370 g). Manchmal durchaus auch mehr.

Ich habe den Küchenwaagentest mal ganz bewusst geschrieben, weil viele gleich empört aufschreien, wenn man bemerkt, dass man auch mal mehr Anlehnung benötigt. Weil wir uns im Kopf einfach kein reelles Bild davon machen können, wie schwer 10 g wirklich sind. Deshalb kann ich nur jedem, der leicht reiten möchte, empfehlen, mal Dinge auf die Küchenwaage zu legen und damit zu testen, wie viel er beim Reiten wirklich in der Hand hat. Wenn ich allerdings meine Schlagbohrmaschine aus den 80er Jahren auf die Waage legen muss, um das Gewicht, das ich auf dem Zügel habe, zu imitieren, sollte ich dringend was an meiner Reiterei ändern :wink:

Anlehnung im 10g-Bereich: vielleicht, auf einem sehr fein abgestimmten Pferd, und nur für wenige Sekunden ...

Das da verstehe ich übrigens unter einer wirklich guten Anlehnung:
http://www.youtube.com/watch?v=fBq5rJM4XvI
Viele Grüße
Sabine
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horsman
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Beitrag von horsman »

[quote="saltandpepper"]
auch steht nirgendwo "schwungvoll" vorwärts, sondern nur "Vorwärts".
[quote]

sorry, aber das stimmt so auch nicht, denn sie schrieb: " ...hilft nur, die Lektion abbrechen, Schwung nach vorne holen und neu ansetzen..."
Zuletzt geändert von horsman am Fr, 12. Aug 2011 11:04, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Cubano »

skywalker hat geschrieben: Meinst du man kann sich mit Anlehnung im 10-g-Bereich bewegen?
Zwar bin ich nicht Max, aber diese Grammzahl halte ich schlicht für illusorisch. Schon allein wegen des Gewichts der Zügel und deshalb, weil das Pferd – zumindest in meiner Reitweise :wink: – eben ans Gebiss "ziehen" soll. 10 Gramm klingt für mich ein wenig so, wie die Forderung "man darf nur das Zügelgewicht in der Hand spüren", die für ein weit ausgebildetes Pferd in definitiver Selbsthaltung gilt – für die meisten Pferde, die ich kenne, aber definitiv nicht…
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Beitrag von Max1404 »

Horsmän: bei einem Pferd, das komplett klemmt, muss man zur Korrektur Schwung nach vorne holen. Auf gar keinen Fall auch noch vorne aufrichten und zoppeln.

Schwung bedeutet nicht vorwärtsschrubben.

Schwungvoll kann auch ein Pferd in hoher Versammlung sein. Dann nämlich, wenn die Hinterbeine fleißig und energisch unter den Schwerpunkt treten und dieser Schwung von hinten durch das gesamte Pferd fließt.

@Saltandpepper: genau so habe ich es gemeint! :trink1:
Viele Grüße
Sabine
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Beitrag von Cubano »

Max1404 hat geschrieben:Horsmän: bei einem Pferd, das komplett klemmt, muss man zur Korrektur Schwung nach vorne holen.
Definitiv und kompromisslos. Denn sonst wird das leider nie was mit der vernünftigen Anlehnung. Die beginnt nun mal hinten. Ich kenne jedoch auch eine ganze Reihe Reiter, die genau das von Dir beschriebene "zuppeln" machen, anstatt das Pferd, lapidar ausgedrückt, von hinten ranzureiten. Das ist in meinen Augen pure Trickreiterei.
Ach ja: und in Deinem Satz über die Versammlung würde ich mal das KANN schwungvoll sein, durch ein MUSS schwungvoll sein ersetzen wollen :wink:
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