Die Schiefe des Pferdes

Rund um die klassische Reitkunst

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Kiwi
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Die Schiefe des Pferdes

Beitrag von Kiwi »

Wie arbeitet ihr gegen die Schiefe eurer Pferde an? Nur unter dem Sattel oder auch vom Boden?

Benutzt ihr "Hilfsmittel"? Müssen ja nicht unbedingt Ausbinder sein, sondern z.B. Stangen etc.?

Seht ihr einen Zusammenhang der Pferdeschiefe zur Reiterschiefe? Inwiefern ist da ein angepasstes Equipment für euch wichtig? Oder gleicht ihr das "nur" durch´s Reiten selbst aus?

Hat jemand Erfahrungen mit extrem schiefen Pferden gemacht im Zusammenhang mit baumlosen Sätteln? Ist das eurer Meinung nach eine gute Alternative, auch wenn das für den Reiter unter Umständen schwieriger oder anstrengender ist?
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Medusa888
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Re: Die Schiefe des Pferdes

Beitrag von Medusa888 »

Fragen über Fragen! :wink:
Kiwi hat geschrieben:Wie arbeitet ihr gegen die Schiefe eurer Pferde an? Nur unter dem Sattel oder auch vom Boden?

Benutzt ihr "Hilfsmittel"? Müssen ja nicht unbedingt Ausbinder sein, sondern z.B. Stangen etc.?
Ich bin ein Longier- und Bodenarbeitsmuffel und reite dagegen an. Mit meinen ehemaligen Reitlehrern habe ich immer gedacht, ich müsste einfach nur lange genug im SH daherkommen, dann wird das schon. In Wahrheit habe ich innen gezogen und aussen losgelassen, von SH keine Spur.
Kiwi hat geschrieben:Seht ihr einen Zusammenhang der Pferdeschiefe zur Reiterschiefe? Inwiefern ist da ein angepasstes Equipment für euch wichtig? Oder gleicht ihr das "nur" durch´s Reiten selbst aus?
Der Mensch ist genauso schief wie das Pferd. Das heißt, wir haben eine stärkere und eine schwächere Seite, genau wie das Pferd. Unsere schwache Seite wird durch verbiegen nicht besser, genauso beim Pferd.
Kein Equipment der Welt macht ein schiefes Pferd gerade. Da hilft einfach nur die klassische Arbeit an der Geraderichtung, also die schwache Seite kräftigen und in die Lage versetzen überhaupt Last aufnehmen zu können.
Einfach ehrliches Reiten ohne Selbstbetrug. Man darf nicht außer Acht lassen, dass man durch seine eigene Schiefe vieles verschlimmert - daher sollte man zunächst an sich selber arbeiten.
Kiwi hat geschrieben:Hat jemand Erfahrungen mit extrem schiefen Pferden gemacht im Zusammenhang mit baumlosen Sätteln? Ist das eurer Meinung nach eine gute Alternative, auch wenn das für den Reiter unter Umständen schwieriger oder anstrengender ist?
Mit baumlosen Sätteln habe ich gar keine Erfahrung, halte es aber mit meiner obigen Aussage: das Material muss passen und der Reiter muss im Gleichgewicht sitzen können.

http://www.klassikreiten.de/viewtopic.p ... ht=schiefe
Hier findest Du vielleicht weitere Anregungen zum Thema. Alternativ auch über die Suchfunktion.
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horsman
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Beitrag von horsman »

An der Longe lässt sich da mE (außer durch spezielle Techniken a la Schöneich u.ä.) nur die "Grobarbeit" erledigen. Sprich Longenarbeit mit Ausbinder auf beiden Händen, ggf. die Länge der Ausbinder auf der einen Hand anders als auf der anderen Hand versschnallt. Das Problem hier ist, dass das Ausfallen der Kruppe kaum (höchsten ev. mit Doppellonge) aber das traverstellen der Kruppe so gut wie gar nicht korrigiert werden kann.

Handarbeit vom Boden geht da schon einen Schritt weiter, geht aber über das Schritttempo kaum hinaus ( ausser man ist Marathonman :wink: ). Ev. mit Langzügelarbeiten von hinter dem Pferd - Vorteil hier: man sieht sehr gut die Schiefenauswirkungen?

Letztlich geht es deshalb nur über korrektes Reiten und das als Lebensaufgabe. Die Probleme, die die nat. Schiefe mit sich bringen sind ja nie ganz weg, sondern bestenfalls leichter und seltener zu korrigieren.

Mit baumlosen Sätteln habe ich keine Erfahrung, sehe aber jetzt nicht, wie diese die Arbeit an der nat. Schiefe mehr oder weniger pos. beeinflussen könnten. Hier mal ein link zu einem aufwendigen Test baumloser Sättel in der Cavallo
http://www.cavallo.de/test/pferde-equip ... 233219.htm
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Rioja
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Beitrag von Rioja »

Ich arbeite vom Boden und vom Sattel aus und an mir selbst :lol:

Vom Boden aus Longieren am Kappzaum. Im Gegensatz zu Horsmän glaube ich schon, dass man da über die Grobarbeit hinauskommt. Schöneich hat er ja schon erwähnt, aber ich glaube, mit einem guten Blick dafür und entsprechender Hilfengebung kann man sich da auch selbst schulen und das Pferd gymnastizieren. Handarbeit ist noch etwas effektiver. Selbst im Schritt kann man da schon sehr viel erreichen, wenn es einem gelingt, das Pferd sauber die Seitengänge gehen zu lassen.
Unter dem Sattel war ich anfangs selbst ein wenig der Störfaktor, da selber schief. Da das dann bei meiner Stute mit der gleichen Seite zusammenfiel, haben wir uns wunderbar ergänzt :roll: :lol: Seit ich einen Ausgleichssport treibe, hat sich meine Händigkeit stark gebessert und kann positiv Einfluß nehmen. Ich reite einen baumlosen Sattel, aber eigentlich nur, um besser am Pferd zu sein und mehr fühlen zu können.
Fleur18
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Beitrag von Fleur18 »

Hallo Foris,

ich würde hier gerne ein bisschen nachhaken.
Und zwar reite ich zz eine 9-jährige Thüringerstute.
Leider wird bzw wurde sie nur sehr wenig geritten.
Ihr Problem ist die rechte Seite. Hier ist es je nach Tagesform meistens schon extrem schwierig einen ordentlichen Zirkel zu reiten.
Auf der linken Hand ist alles kein Problem, sie nimmt Paraden und Schenkel sehr gut an. Geht auch "perfektes" Schulterherein. In allen 3 Gangarten, gerade und gebogen wunderwar zu reiten.
Aber rechts ist eine Katastrophe. Sie verweigert Schenkelhilfen und Paraden so weit, dass sie sogar steigt.
Allein Außenstellung in den Ecken bzw an der langen Seite ist ein Kampf.

Ich versuche wirklich nur wenig zu verlangen und lieber einen Schritt zurückzugehen.
Komischerweise ist das bei der Arbeit an der Hand überhaupt nicht so.
Sie stellt und biegt sich wunderbar, tritt gut unter und über. (sowohl mit mehr, als auch mit weniger Abstellung)
auch im Trab an der Hand, kein Problem.
Aber im Sattel ist sie wie ausgewechselt.

Ich dachte anfangs schon an ein gesundheitliches Problem, aber dann dürfte sie ja vom boden aus auch blockieren...
davon abgesehen, die Ausrüstung passt.

Habt ihr vllt Tips für Lösungsansätze, oder hattet ihr sowas schon mal?
Bin ja leider nicht der Besitzer, sonst würde ich sie mal durchchecken lassen.
liebe Grüße aus Bayern :)
Julia

”Wer immer mit dem Strom schwimmt, wird die Quelle nie erreichen!"
Celia
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Beitrag von Celia »

Hallo Julia,

zu deinen allg. Fragen kann ich mich einigen Vorrednern anschließen, ich glaube auch, dass es im Normalfall (Reiter geschickt, Pferd gesund) vom Sattel aus am effektivsten ist und sehe wenig Möglichkeit das Ausfallen der HH an der Longe zu verhindern.

Wenn deine Stute aber die Probleme nur beim Reiten hat, sehe ich zwei Möglichkeiten. Entweder du bist das Problem oder allgemein das Reitergewicht.
Das kannst du ja vielleicht durch einen (guten) Fremdreiter oder den Besitzer testen lassen, bzw. auch dadurch, dass du selbst ein anderes Pferd reitest, um zu sehen, ob die Probleme dort auch auftauchen. Wenn du das ausschließen kannst, also bei einem anderen Reiter die Probleme deiner Stute ähnlich stark auftreten, kann es schon auch ein gesundheitliches Thema sein. Ohne Gewicht im Rücken mag ja einiges gehen, was mit Reiter Schmerzen verursacht. Da gibt es vieles und ich will dich jetzt nicht verunsichern.

Es kann aber auch ein völliges Unverständnis des Pferdes für eine bestimmte Übung sein, also heftige Widersetzlichkeit auf der rechten Hand, weil du (oder jemand vor dir) die Biege- und Stellungsübungen auf der rechten Hand am Anfang einfach falsch vermittelt hast. Dann sträuben sich Pferde manchmal einfach aus der Erinnerung heraus, dass "jetzt etwas ganz schlimmes" droht. Ich habe so eine Situation nach einem Lehrgang gehabt, Schenkelweichen ging in eine Richtung überhaupt nicht mehr, ich durfte meinen Hengst nicht mal mehr nach außen stellen, er versuchte sofort, sich durch Steigen zu entziehen. Durch die Hinweise des RL, ich solle mich durchsetzen, wurde alles nur noch schlimmer. Erst viele Wochen später konnte ich das ganz unauffällig reinschummeln, mal ein Tritt, dann zwei, usw., aber bis heute nicht an der Bande entlang, nur auf der Diagonale.
Zusätzlich habe ich an der Hand geübt und dort immer ein bestimmtes Kommando gegeben, viel gelobt und versucht, dass dann aufs Reiten zu übertragen. Das hilft dem 'Pferd bei unklarer Hilfengebung, die mir ja oft passiert, trotzdem zu wissen, was ich will.
Manchmal reitet man auch einfach zu viel auf den Fehlern des Pferdes herum, übt die schlechtere Hand zu lange, ist dabei selbst vor lauter Erwartung verspannt, etc.

Was genau übst du denn, wie lange, wie oft und wie fängt das Widersetzen an, rennt deine Stute eher, oder blockiert sie?

Gruß Celia
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Hi Julia,

mein erster Gedanke war auch "gesundheitliche Ursache" - weil du schreibst an der Hand biegt sie sich gut, bzw grade deshalb, da kann der Sattel in Kombi mit Reitergewicht doch noch mal einiges ausmachen.

Hast du eine Gelegenheit sie mal osteopathisch/chíropraktisch durchsehen zu lassen? Es können ja schon "einfache" Verspannungen reichen...
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Julia, das könnte eine Blockade in der BWS sein, die nur mit Gewicht auf dem Rücken zum tragen kommt. Wenn sich ein Brustwirbel leicht verstellt und es kommt Druck von oben und die BWS sackt dadurch ab, kann die WS nicht mehr sauber durchrotieren und das Pferd kann sich u.U. nicht mehr nach einer oder auch beiden Seiten biegen.
Ich würde einen Osteopathen hinzuziehen.
Yvonne

Beitrag von Yvonne »

Ich reite, mache Bodenarbeit (Longe und Doppellonge sowie Tellington) und ich selbst mache selbst Feldenkrais-Training.

Bei meinem Kleinen klappt das super, er wird mehrmals die Woche Dressur geritten, longiert oder mit der Doppellonge gearbeitet und ansonsten für Distanzritte trainiert im Gelände. Natürlich arbeite ich auch im Gelände an der Schiefe, es ist gerade auf langen Strecken wichtig, dass das Pferd gerade läuft.

Allerdings ist das viel Arbeit und ich merke auch bei ihm immer wieder, dass die natürliche Schiefe zum Tragen kommt, wenn ich das im Training vernachlässige...

Bei meinem Alten (22) stoße ich inzwischen an die Grenze, was man noch korrigieren kann und was nicht. Er hat Arthrose im Huf- und Fesselgelenk, daher reite ich ihn nur noch ca. 3-4 x die Woche, meistens im Gelände. Auf dem Platz kann ich mit ihm keine engen Wendungen mehr reiten, was natürlich die Arbeit gegen die Schiefe erschwert. Ich arbeite ihn hauptsächlich im Schritt auf dem Platz, aber ich komme gegen seine sehr stark ausgeprägte Schiefe nicht mehr an. Daher arbeite ich zusätzlich mit Tellington Touches, er bekommt Ostheopathie und Akkupunktur-Behandlungen.

Bei dem von Dir beschriebenen Pferd würde ich als erstes auf eine gesundheitliche Ursache tippen und dies abklären lassen. Ich würde dafür als erstes einen Physiotherapeuten oder Ostheopathen kommen lassen. Wenn ein Pferd sich so sehr wehrt, dann gehe ich mal davon aus, dass es einfach nicht kann. Der Tip mit dem Fremdreiter ist gut - wenn der Fremdreiter dasselbe Problem hat, dann solltest Du an eine gesundheitliche Ursache denken.
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Bino
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Beitrag von Bino »

Ich finde bei dei der Geraderichtung die Schulterkontrolle sehr wichtig. Daher reite ich mein Pferd zu Beginn der Stunde in Innen- und Konterstellung und achte darauf, dass ich die Schulter in die Richtung verschieben kann mit dem anliegenden Zügel, in die ich möchte. Dann kann ich auf der geraden Linie die Vorhand des Pferdes auf die Hinterhand ausrichten (ähnlich wie beim Westernreiten das "Neckreining").
Über die Schulung der Seitengänge bekomme ich ebenfalls mehr Kontrolle über Vor- und Hinterhand des Pferdes und kann beides aufeinander ausrichten, die Hinterbeine auch einzeln kräftigen.
Gelände und Longenarbeit nach Schöneich bzw. B. Teschen ergänzen das Programm.
Der Tanz ist der Käfig, in dem man fliegen lernt. (Claude Nougaro)
Fleur18
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Beitrag von Fleur18 »

Danke für eure Antworten. Klar kann das Ganze auch an mir liegen. Genau deshalb lasse ich mir die nächsten Male vom Besitzer auf die Finger schauen. Er ist sonst der Einzige der die Stute reitet.
Auf das mit dem dass sie ein Problem mit dem Reitergewicht an sich hat, bzw i-ein Problem im Rücken läge glaub ich wirklich nahe. Einmal hat mich der Besitzer schon darauf angesprochen ob sie bei mir auch oft so davonstürmt, grade beim angaloppieren oder beim Biegen. Dabei hatte ich mir erst gar nichts gedacht, aber seit dem einem Mal reiten weiß ich was er meint. Er hat schon öfter die vermutung geäußert ob er ihr nicht zu schwer ist.

Ich bin die Stute am Mittwoch erneut geritten, hab ganz wenig verlangt, viel Schritt und Trab auf großen Linien. War sehr ordentlich und wesentlich williger. Kann natürlich auch sein, dass ich für das, dass sie die letzten Jahre kaum geritten wurde, einfach zu viel verlangt habe.
Jedenfalls konnte ich sie zum Schluss relativ gut links in Außenstellung reiten. Fällt ihr aber sichtlich schwer.

Ich werde mal mit dem Besi reden, was er dazu meint und ob es vllt nicht doch gut wäre mal jemanden drauf schauen zu lassen :)
liebe Grüße aus Bayern :)
Julia

”Wer immer mit dem Strom schwimmt, wird die Quelle nie erreichen!"
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