Phanja hat geschrieben:Ich persönlich glaube ja, dass wir den Pferden mehr "Test" anhängen, als sie eigentlich tun.
(...)
Testen ist finde ich, eine sehr vermenschlichtes Wort für Anfragen von Pferden an z.B. den Menschen, die eigentlich überflüssig sind. Beispiel: Das Pferd ist dazu erzogen, nicht zu grasen, wenn der Mensch es nicht vorher erlaubt hat. Man hat also das Pferd bereits darauf konditioniert, dass vorher die Erlaubnis des Menschen kommen muss. Aus Sicht eines Menschen ist also eine klare Regelung vorhanden - und an der Stelle geht der Mensch ja gerne dazu über, dass er glaubt, dass sei damit bis in alle Ewigkeit geklärt. Das Pferd ist da denke ich anders gestrickt und fragt immer wieder von Zeit zu Zeit an, ob nicht doch Grasen drin wäre.
Zum Beispiel Grasen wollen: Bei uns im Stall muss jeder Besitzer sein Pferd angrasen, bevor sie alle etwa ab Mitte April gemeinsam auf die Weide kommen, daher sieht man ab Mitte März die Leute mit ihren Pferden am Halfter an den Wegrändern rumstehen. Mein Pferdl hat schon ganz am Anfang bei den Führübungen im Gelände gelernt, dass Grasen mit Kappzaum nicht drin ist, das Angrasen mit dem Halfter aber möglich ist. Das hat zur Folge, dass er in der Zeit, wo das frische Gras im Frühling rauskommt, er sowieso ganz versessen aufs Gras ist, aber noch nicht auf die Weide kann, bei jeder Gelegenheit versucht, an ein Büschel Gras zu kommen, interessanterweise aber vor allem dann, wenn er ein Halfter an hat (Halfter = Grasen erlaubt), viel seltener wenn er den Kappzaum anhat. Das heisst für mich, wenn ich ihn am Halter vom Putzplatz zum Offenstall führen will, muss ich extrem aufmerksam sein (ihn “zwischen den Hilfen haben”), damit er erst dort frisst, wo ich ihn auch fressen lassen will. Dieses Verhalten verschwindet wieder, sobald die Pferde auf die Weide kommen.
Meine Interpretation ist nun nicht, der will mich testen, sondern dass
- das Bedürfnis zu Grasen in dem Moment (Frühling) sehr gross ist,
- es nur befriedigt werden kann, wenn er bei mir ist (im Offenstall hat er keinen Zugang zu Gras, da die Weiden zu sind),
- er weiss, dass er immer wieder mal grasen darf, während er das Halfter trägt,
- und ich nicht immer so aufmerksam bin wie ich sein sollte.
Da er sich sonst ganz manierlich benimmt (kommt im Offenstall zu mir, sogar vom Futterplatz weg, lässt sich putzen, longieren, reiten etc.) sehe ich hier auch kein Infragestellen unseres Verhältnisses.
Phanja hat geschrieben:Übrigens sind Pferde durchaus in der Lage abstrakte Konzepte zu entwickeln

Dass Pferde z.B. lernen können, eine gefüllte Fläche von einer umrahmten Fläche zu unterscheiden, ist mir bekannt. Überlegungen im Stil “Ich will doch mal herausfinden, ob Mensch reagiert, wenn ich meine Nase Richtung Gras bewege” (Motiv: Erkenntnisgewinn zum Verhalten des Menschen) scheinen mir dagegen etwas weit hergeholt, das Pferd bewegt seine Nase nicht Richtung Gras, weil es herausfinden will, was Mensch tut, sondern weil es, ganz banal, Gras fressen will (Motiv Gras fressen); aus der Reaktion des Menschen lernt es dann eventuell (wenn der Mensch einigermassen klar in seinen Reaktionen und Signalen ist), dass das keine so gute Idee war, bzw. das dass Kopf-Richtung-Gras-senken unangenehme Folgen haben kann.
Tanja Xezal