Natürlich berufen wir uns gerade auf die alten Meister - aber deshalb longierst du doch trotzdem nicht um einen Pilaren oder?claustim hat geschrieben:Nicht alles, was seit Alters her genutzt wird, ist veraltet!
Dafür ist doch gerade der Bereich der "klassischen Reitweise" ein sehr gutes Beispiel. Die Ausbildung beruht doch in wesentlichen Teilen auf Reitlehren, deren Urheber ihre Werke bereits vor Jahrhunderten verfasst haben. Selbst die HDV 12 liest sich in manchen Teilen ungemein modern. Bereits die Einleitung läßt vergessen, daß diese Heeresdienstvorschrift noch zu Zeiten des deutschen Kaiserreiches verfasst wurde.
In Bezug auf das Longieren heißt das, daß jeder, der einmal von einem Pferd quer durch die Halle gezogen wurde, weiß, wovon ich spreche. Wenn ich verlange, größtmögliche Sicherheit zu schaffen! Ebenso, wie jeder Reiter, der das "Vergnügen" hatte, in der Bahn auf eine "Pferdezentrifuge" zu treffen.
Beim Longieren ohne Ausbinder ist es lediglich möglich, dem Pferd den Kopf herum zu ziehen. Eine korrekte Stellung oder gar (Längs-) Biegung zu erarbeiten, ist so unmöglich. Es fehlt an der äußeren Begrenzung. So ist es nahezu unvermeidlich, daß das jeweilige Pferd über die äußere Schulter ausbrechen wird. Vor allem dann, wenn keine äußere Begrenzung durch bauliche Einrichtungen in Form von Zäunen oder Mauern existieren. Es soll ja auch heute noch Reitanlagen geben, die über keinen Roundpen oder eine Longierhalle verfügen.
Ich kenn auch bereits die Bilder des "Longenkurses". Alle dort gezeigten Pferd "driften" über die äußere Schulter nach außen. Hinzu kommt, daß diese Pferde nur auseinander fallen. Von einem Untertreten der Hinterbeine ist dort nichts zu sehen. Die Pferde sind lang. Ausschließlich lang! Auch auf den Bildern der offiziellen HP gibt es keine Ausnahmen zu dieser Aussage. Mit vorwärts- abwärts hat das nichts zu tun. Auch dann nicht, wenn diese "den Hals so schön fallen lassen". Diese Pferde "latschen" einfach nur poesielos auf der Vorhand herum. Eine gymnastizierende Wirkung hat solches "Longiieren" nicht. Damit genügt man allenfalls dem Bewegungsdrang. Mehr nicht.
Die einzige Longe, bei der auf die Verwendung von Hilfszügeln verzichtet werden kann, ist die Doppellonge. Die bietet alle Möglichkeiten, das Pferd vorne und seitlich nach außen zu begrenzen.
Die Forderung nach Ausbindern ist auch kein Selbstzweck. Vielmehr beruht diese darauf, das Pferd gesund zu erhalten. Das Wegdriften über die äußere Schulter führt aber zu einem erhöhten Verschleiß der Gelenke des äußeren Vorderbeines. Der eigentliche Zweck des Longierens besteht aber darin, das Pferd auf die Arbeit unter dem Sattel vorzubereiten. Das Pferd soll durch die gymnastizierende Arbeit zum vermehrten Untertreten mit der Hinterhand gebracht werden. Zum einen wird damit die Muskulatur gestärkt, so daß es dem Pferd leichter fällt, das Reitergewicht überhaupt erst tragen zu können. Auch wird durch dieses Untertreten die Vorderhand entlastet. Wodurch der Verschleiß verringert wird.
Das aber ist nur möglich, wenn das Pferd vorne begrenzt wird. Andernfalls dürfte es mehr als nur schwer fallen, das Pferd dazu zu veranlassen, den Rücken aufzuwölben. Daß eine solche Begrenzung nur allmählich vorgenommen werden darf, ist dabei selbstredend. Schließlich sollen die Ausbinder nicht dazu dienen, das Pferd "zusammen zu schnüren". Wer das macht, hat den Sinn der Longenarbeit nicht begriffen. Wer aus diesem Grund auf die Verwendung von Ausbindern (mit Ausnahme mit der Arbeit an der Doppellonge) verzichtet, eigentlich auch nicht.
Ich finde es sehr vermessen, dass du im Prinzip Jedem, der ohne Ausbinder longiert, die Fähigkeit absprichst, sinnvoll und gymnastizierend zu longieren.
Ich kann dazu nur sagen - ich arbeite grundsätzlich ohne Hilfszügel mit meinen Pferden. Beim Reiten, an der Hand und an der Longe und es funktioniert hervorragend. Ein Pferd das völlig falsch bemuskelt und als Bewegungschaot zu mir kam, hat sich über diesen Weg sehr gut entwickelt. Das ist für mich der beste Beweis, dass es nicht auf das Werkzeug ankommt - es kommt drauf an, ob man sein Werzeug bedienen kann ...
Und zum Thema Begrenzung durch den Zügel: Ich wünsch dir wirklich, dass du noch entdeckst, dass man mit Pferden vom Boden sehr fein kommunzieren kann. Warum sollte ich ein äußeres Hinterbein oder eine äußere Schulter nur durch eine äußere Begrenzung kotrollieren können? Für solche Dinge kann man genauso Signale nutzen - dafür ist es aber nötig, dass man mit seinem Pferd kommuniziert und das man das Pferd auch so arbeitet, dass es kommunizieren WILL.
Ich finde deine Einstellung leider sehr eng gesteckt und bevorzuge eine sehr viel individuellere Arbeit mit dem Pferd. Insofern werden wir in dieser Diskussion wohl eher nicht auf einen Nenner kommen
