Eines meiner Pferde spiegelt und bestraft Reiterfehler sofort. Er verzeiht gar keine Fehler, im Gegenteil, er zeigt einem nicht nur die Fehler auf, sondern gibt oft genug noch eine saftige Quittung hinterher.
Da ich ihn als Fohlen gekauft und selbst angeritten und ausgebildet habe, denke ich, dass das einfach Teil seines Charakters ist, denn meine anderen Pferde sind (und waren) in dieser Beziehung völlig anders.
Er ist sehr stark, dabei aber hochsensibel, gleichzeitig schreckhaft, geräuschempfindlich und total verwöhnt, sehr ranghoch, und er fordert eine sorgsame Behandlung sehr deutlich ein. Er stellt vieles in Frage und erwartet Antworten von mir, er ist absolut kein Ja-Sager. Er sagt nur ja, wenn ich ihn überzeugt habe. Das ist sein gutes Recht, und ich habe mich darauf einzustellen, um ihm gerecht zu werden.
Wann immer etwas nicht funktioniert, versuche ich auf verschiedenstem Wege, durch verwandte oder vorbereitende Lektionen, das zu erreichen, was ich erreichen möchte. Ich kontrolliere dabei auch immer sehr intensiv meine Hilfengebung und meinen Sitz, denn manchmal sind es einfach winzige Veränderungen, die benötigt werden. Manchmal muss ich auch einfach abbrechen, etwas völlig anderes machen und es 5 Minuten später erneut versuchen. Oder eben am nächsten Tag, oder sogar erst in der nächsten Woche, weil ich spüre, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist und er noch nicht bereit dafür ist. Oft genug grüble ich tagelang oder nächtelang herum und lese Literatur, auf der Suche nach einem möglichen Lösungsweg.
Wann immer möglich (und ich alleine in der Halle oder auf dem Platz bin), versuche ich mich intensiv einzufühlen und reite mit ganz oder halb geschlossenen Augen, um mich nur auf das Fühlen zu konzentrieren.
Er hat mir unglaubliche Momente geschenkt, Sekunden und Minuten, in denen ich gedacht habe, dass dies die absolute Perfektion ist, dass selbst Schweben nicht schöner sein kann. Er hat mich sehr zum Nachdenken und Forschen gebracht, und er hat mich gezwungen Wege zu gehen, die ich vor ihm niemals hätte beschreiten wollen. Ich verdanke ihm sehr viel, weil er mich immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück holt und mich dazu zwingt, mich zu verbessern. Das ist echt hart und auch oft frustrierend. Aber es lohnt sich! Ich versuche, nichts zu erwarten, wenn ich ihn reite, sondern manchmal nur das dankend anzunehmen, was er bereit ist, mir zu schenken. Natürlich müssen gewisse Grundlagen sitzen und "funktionieren", und das tun sie auch (bin ja schließlich kein Wendy-Träumer, sondern absoluter Realist

). Ich habe von ihm gelernt, dass ich manchmal eingefahrene Wege verlassen muss, weil sie nicht funktionieren. An unserer grundsätzlichen Richtung hat das jedoch nie etwas geändert. Er bewirkt, dass ich viel über mich selbst lerne, als Reiter und als Mensch. Er schenkt mir dafür tiefes Vertrauen und wundervolle Momente.
Die vermutlich größte Erkenntnis ist, dass sich auch "High-End-Zuchtprodukte" aus der deutschen Warmblutzucht nicht von alleine reiten, sondern manchmal einen sehr hohen Anspruch an ihre Reiter stellen können.
Ach, und jetzt noch was ganz pragmatisches: wenn ich den Motor hinten richtig anwerfe, ist fast nichts mehr ein reiterliches Problem, ganz besonders nicht die Anlehnung.
(Deshalb verstehe ich auch gar nicht, warum manche hier eine Staatsaffaire daraus machen.) 
Sehr viele Anlehnungsprobleme haben ihren Ursprung schlicht und ergreifend hinten.
Ich habe keinen Spaß an Handarbeit, ich arbeite am liebsten aus dem Sattel heraus, denn hier habe ich die besten und zahlreichsten Möglichkeiten, auf das Pferd einzuwirken und unmittelbar zu fühlen, wie die Reaktion ist und es so optimal unterstützen zu können. Das gilt für meine erwachsenen Pferde, als sie noch Remonten waren, war das Programm selbstverständlich anders.