Spielnase hat geschrieben:
1. Einige schreiben, dass Korrektur- oder sensilble Pferden hdS kommen und es vom Reiter keineswegs gewünscht ist. Diese Reiter finden es aber ok, über Wochen und Monate hdS zu reiten, weil sie ja daran arbeiten, den Fehler zu beheben und sich als Idealbild ein Pferd mit Nase vor wünschen.
-> Auf diesen Fall bin ich in meinem Longier-Exkurs eingegangen, denn ich denke, dass durch die richtige Vorarbeit der Fehler schneller und pferdeverständlicher behoben werden kann.
2. Andere schreiben, dass sie gezielt hdS reiten, um den Rücken zu wölben/öffnen/schwingen zu lassen. Aus diesem Lager wüsste ich gerne, wie lange ihr hdS reitet (einmal im Monat eine lange Seite?, 3 Tage lang je 30 min aber danach ein Jahr lang gar nicht ...) und hätte dazu gerne Literaturverweise und bitte aus dem 21. Jahrhundert. Stimmt es, dass euer Idealbild am Ende aber immer Nase vor/Genick höchster Punkt sein sollte? Oder ist einfach nicht so wichtig?
3. Dann gibt es diejenigen, die hdS ok finden, wenn (angeblich) "alles andere" stimmt: schwingender Rücken, Losgelassenheit und so weiter und so fort. Auch hier hätte ich gerne gewusst, wie euer Idealbild am Ende aussieht (Piaffe?) und hier wären Literaturverweise aus diesem Jahrhundert ebenfalls spannend.
4. hdS absolutes NO GO (siehe maulfreis Plädoyer ganz am Anfang) gemäß klassischer Grundprinzipien
So, zu welcher "Gruppe" ich mich zähle ist ja klar
Allerdings muss ich gestehen, dass ich mit Nr. 2 keine Erfahrung gemacht habe und hier einfach gerne mehr von wüsste, auch wenn es mich ein wenig sträubt, aber man lernt ja schließlich nicht aus.
Und bitte fühlt euch durch meine Einteilung nicht auf den Schlips getreten. Ich möchte niemanden in eine Schublade stecken, ich versuche nur sachlich zu diskutieren und möchte etwas daraus mitnehmen.
Diesen Beitrag würde ich mir gerne als Aufhänger herauspicken, aus den gefühlten 12 Seiten Beitragen, die ich ( zugegeben) nicht alle bis ins letzte Detail gelesen habe - teil nur angelesen und teils auch nur überflogen.
Ich möchte hiermit gerne anregen, daß diejenigen, die HdS tolerieren bzw. in gewissen Situationen tolerieren, einmal erläutern, was bei HdS genau passiert, bzw. wie genau sich entsprechend der unterschiedlichen Pferdetypen ein HdS ergibt- im Sinne von beteiligten Muskeln und Hebeln und Band-/Faszienzügen.
Ebenso möchte ich die "HdS-never-ever-Front" bitten, zu begründen, WAS GENAU- also auch beschrieben wie bei "der anderen Seite" - sie bei einer Haltung HdS sehr schlimm finden.
Für mich ist das alles zu pauschal/ zu indifferent.
Um mit gutem Beispiel voran zu gehen, ein Beispiel :
Kleines, kompaktes Pferd, kurzer Rücken, kaum Wiederrist, massiv überbaut, sehr gute HH-Winkelung, tief angesetzter, kräftiger, kurzer, breiter Hals, starkes Genick, schmaler Unterkiefer- mit daraus resultierender nicht vorhandener Ganaschenfreiheit.
Ein Pferd, welches, aufgrund des Überbaut-seins, bereits eine große Beugefähigkeit der Hanke aufweisen muß, um eine Hinterhandfunktion zu erwirken, die den Schwungmoment im Sinne der reiterlichen Fachsprache ermöglicht.
Dieses Pferd hat nahezu keine Möglichkeit, den Hebel des Halses passiv zu nutzen, um das Nackenband zu spannen, da es über nahezu keinen Wiederristhebel verfügt und aufgrund der Kürze des Halses auch kaum über einen Zugmoment. Will sagen, möchte so ein Pferd passiv tragen, muß seine Nase quasi am Boden sein.
Hinzu kommt das Genick, welches einmal über einen massiv starken ( breiten, kurzen) Genickmuskel verfügt, als auch über rein mechanische Einschränkungen in der Beugefähigkeit des Genicks.
Darüberhinaus eine Gott-gegebenes Grundgleichgewicht eines Maulwurfes im Hinblick auf die Grund-Lastenverteilung auf Vor und Nachhand in der Bewegung.
Wenn sich bei so einem Pferd ein HdS ergiebt, so passiert das, weil es in dem Moment, in dem es bewerkstelligt, den Genickmuskel loszulassen und somit die sehr beschränkte Möglichkeit, mechanisch sein Genick zu beugen zulässt, es gleichzeitig eine kleine Entlastung im Halshebel sucht und den Hals damit absenkt.
So entlastet es die Nachhand ein wenig und ermöglicht dieser "leichter" im wahrsten Sinne zu beugen und durchzuschwingen und somit bedingt des Auftrieb durch das Hinterbein zu nutzen.
In so einem Fall z.B. würde ich das Absenken des Halses über eine bestimmte Zeit tolerieren und damit in Kauf nehmen, daß das Pferd damit Stirnlinie Hds kommt, WENN ich in
der Phase der Arbeit bin, in der ich das Pferd beginne, an die Hand zu stellen / durch´s Genick zu stellen.
Warum ? Zum einen, weil ich mit zunehmendend stärkerer Hinterhand den vermehrt sich ergebenden Auftrieb nutzen kann, um durch den Schwungmoment den Wiederrist besser auf zu bekommen und damit die Tragkraft des Halses sich ebenfalls verbessert und das Pferd den Hals läger oben halten kann.
Zum zweiten, weil bei so einem Pferd keinerlei Gefahr besteht, daß es sich selbstständig im Genick beugt und ich somit keine Problem mit einem sich verkriechenden Pferd jemals bekommen werde:
Im dem Moment, in dem ich die Bitte sich im Genick zu beugen einstelle, wird das Pferd dankend den gebotenen Zügel nach vorne nehmen.
Welches Nachteile habe ich durch das kurzfristige Tolerieren, daß das Pferd den Hals absenkt, wärend ich es um Genickrundung frage und es daher leicht HdS kommt ?
U.U. ist das Gleichgewicht nachhaltig gestört. die Gefahr, daß das Pferd solpert und stürzt gegeben. U.U. wird das Pferd aufgrund dessen versuchen, das Tempo herauszunehmen- wer rennt schon gerne, wenn er dabei in Gefahr läuft, zu stolpern.
Hier benötigt man viel Reitertakt/ Gefühl, um das genau passende Gangmaß anzufragen, welches noch genug Hinterbeinauftrieb liefert, aber nicht zu viel Schub, damit das Pferd in Schwierigkeiten bringt und die Losgelassenheit verhindert.
Dann muß ich sehr genau einschätzen können, wann die Dehnung im Genickmuskel das Pferd an seine Grenzen führt, was dann in Folge bewirken würde, daß das Pferd sich festmacht, das Hinterbein nicht mehr nutzen kann, in die völlige Vorlastigkeit fiele und gegen den Zügel gehend wie ein Bulldoser losrast, oder aber das Vorwärts völlig verweigert- je nach Charakter.
Wie lange wäre ich bereit, diesen Zustand des HdS-gehens über kurze Phasen innerhalb der Arbeit zu tolerieren ?
So lange, wie ich merke, daß das Pferd noch nicht genug Tragkraft im Hinterbein und Hals hat, um eine Korrekte Haltung zu zeigen. Das kann durchaus über einige Wochen sein.
Allerdings, und das möchte ich betonen, immer nur in kurzen Sequenzen innerhalb einer Arbeitseinheit, in denen ich eben besagte Genickrundung sanft erarbeite.
Das kann zu Beginn möglicherweise 3xeine lange Seite im Trab sein- nur damit eine Größenordnung klar wird- innerhalb einer 40-minütigen Einheit.
Je nach Dehnfähigkeit des Genicks - auch bis zu gschätzen 20 Min. innerhalb dieser Arbeitseinheit -in kurzen Abschnitten immer unterbrochen von Haltungen, die keine Genickdehnung erfordern.
Mit zunehmender Geschicklichkeit, Dehnfähigkeit und Kraft, werden die Phasen innerhalb der Arbeit mit gerundetem Genick, in denen der
Hals tiefer getragen wierden muß/darf kürzer.
Warum erarbeite ich die Genickrundung, wenn diese dem Pferd doch so schwer fällt ? Weil die Nachgiebigkeit des Genicks der Schlüssel zur Hinterhand ist und ich eine echte Schwungentfaltung nur erhalten kann, wenn diese verfügbar ist.
Gruß S&P