Hallo zusammen,
vielen Dank für eure Rückmeldungen!
Ich meinte schon, dass Rusty mit 6,5 Jahren noch als Jungpferd durchgeht- oder nicht?
Natürlich kommt im Renvers nicht nur die Schulter rein, sondern auch die Hinterhand raus, das Pferd muss ja sein altes inneres/ neues äußeres Hinterbein zum Schwerpunkt bringen, darum geht’s doch. Wenn eine Schulter stützt liegt das oft am zu wenig aktiven diagonal liegenden Hinterbein. Bei Rusty sieht man das zeitweise extrem deutlich, vor allem wenn man keinen Einfluss darauf nimmt, d.h. das linke Hinterbein ist teilweise so langsam und bleibt so lang hinten raus stehen, dass daraus ein Taktfehler bis hin zum „lahmen“ entsteht. Renvers macht das Hinterbein mobil, weil es einen maximal weiten Weg in Richtung Schwerpunkt zurück legen muss. Genau das das will ich hier- unter anderem- erreichen. Das biegen nach außen (inkl. Hüfte) sowie das mitführen des Hinterbeins sehe ich hier also nicht als „Fehler“ , sondern es ist ein absolut bewusst herbei geführter Bewegungsablauf- der ihm übrigens alles andere als leicht fällt, auch wenns nach langer Übung vielleicht so aussieht. Entzogen hat er sich durch ständiges Kruppeherein, und dahin geht die Tendenz nach wie vor. Mit Schulterherein haben wir auch zuvor schon gearbeitet, aber zur Korrektur des überbiegens/ der starken Stellung muss ich ihm erklären sich um die Hilfen an seiner von mir abgewandten Seite zu biegen. Das heißt ich erkläre ihm zuerst „bieg dich andersrum“ um im weiteren Verlauf „bieg dich weniger“ abrufen zu können. Ziel ist es langfristig natürlich die innere Hüfte vorn zu behalten und wieder mehr in Richtung SH zu formen. Ich kann die Hinterhand egal ob SH oder KH problemlos innen behalten und ich kann problemlos innen biegen- aber genau das Gegenteil konnte ich bisher nicht. Nun erarbeite ich das Gegenteil (Renvers) um irgendwann wieder bei einem besseren (weniger überbogenen) SH zu landen.
Nächster Schritt ist es- wie schon beschrieben- die Oberlinie in der Versammlung gedehnt zu halten, aber dafür möchte ich eigentlich erst noch sicherere Kontrolle über Schulter, HH und Biegung- denn zur Zeit führt ein Impuls am Kappzaum noch tendenziell zum abbiegen des Halses. Da hätte ich gerne erst etwas mehr Stabilität, bevor ich wieder mit einem Impuls (zwangsläufig nach innen) agiere. Im Video sehe ich allerdings auch dass ich ihn nach dem versammeln nach wie vor immer wieder zu plötzlich vor und tief lasse. Ich glaube also ich weise ihm diese Form so (unsinnig) an, denke dass er schon steter in einem gesünderen Rahmen bleiben könnte wenn ich es konsequenter einfordern würde. Eine Idee vom Zielbild (rundere Oberlinie, mehr Bereitschaft zur Hand hin zu suchen bei vorgreifender Hinterhand) habe ich, aber die Umsetzung fällt mir schwer. Man sieht es auch sehr gut in MEINEM Körper wie ich ihn nach dem versammeln wieder volle Kanne nach vorn unten schleudern lasse.
Ich habe gelernt: zuerst HH hinter der Schulter arbeiten, im nächsten Schritt Schulter vor der HH bewegen. Hier muss ich definitiv aufpassen bewusster eine feste Linie einzuhalten und vorher zu entscheiden was ich möchte, zu oft entscheidet er an der Longe was leichter geht. Aufgrund der großen Entfernung zum Pferd ist es auch wirklich sehr schwer hier präzise anzuweisen. Ich registriere es dann aber spätestens beim reiten oder in der Handarbeit, denn da spürt man sehr viel schneller wo man bereits Leichtigkeit hat und wo man vielleicht etwas nachlässig war.
Zum Thema Vorwärts und Geraderichten habe ich doch schon im anderen Thread umfassend ausgeführt was ich darunter verstehe und was nicht. Hier ist es besser erklärt als ich es in Worte packen könnte:
http://annaeichinger.com/reite-dein-pferd-vorwaerts/
Eine konstantere Arbeit in der neuen, angestrebten Form ist das Ziel- vorausgesetzt die Schulung der Hilfen sowie die Gymnastizierung sind so weit voran gebracht, dass das Pferd die gewünschte Haltung überhaupt erst mal einnehmen kann. Erst die richtige Form anweisen können, dann immer wieder dahin korrigieren bis irgendwann keine Korrektur mehr erforderlich ist und das Pferd konstant in der gewünschten Form arbeiten kann.
Eine äußere Begrenzung durch eine Bande kommt für uns nicht in Frage, weil die Pferdeschulter schmaler ist als die Hüfte, wodurch jedes Pferd wenn es an der Bande anlehnt automatisch vermehrt mit Kruppeherein-Tendenz mit Gewicht auf der äußeren Schulter gehen wird. Dies entspricht genau dem Gegenteil von dem was ich hier eigentlich verbessern möchte.
Eine intensive Arbeit mit DL kommt für uns nicht in Frage, weil ich die Pferdeschulter durch den Zügel am Pferdehals führen möchte- und nicht durch Handeinwirkung an Kopf oder Gebiss. Das würde bedeuten ich müsste neben der Dopellonge in der im Video gezeigten Art meinen Körper einsetzen und per Peitsche die Schulter führen- das ist quasi unmöglich. Als Fahrpferd wurde er selbstverständlich auch eine Zeit an der DL gearbeitet, aber das lässt sich einfach nicht/ nur bedingt mit unserem Weg vereinbaren. Der Vorteil der sich daraus ergeben hat (besseres begrenzen können des Rahmens nach unten) überwog hier nicht gegenüber den Nachteilen.
Weiterhin lehne ich einen steten Zügelkontakt- auch in Form von Ausbindern- ab, Ziel und Weg führt für uns nur über die lose Verbindung zum Pferdekopf. Unter anderem auch, weil ich in der ausschließlich gebisslosen Ausbildung auf einen maximal sensiblen und extrem dosierten Einsatz der Hand angewiesen bin wenn ich mein Pferd hier maximal fein halten möchte. Ich wünsche mir, dass Kontakt (!) über den eisenlosen Kappzaum ausreicht um das Pferd auf die Hinterhand zu parieren - das lässt sich mit ausgebundenem longieren (und damit der fehlenden Chance einer nachgebenden Hand) keinesfalls vereinbaren.
Die Arbeit am langen Zügel ist natürlich – genauso wie die Handarbeit- eine Möglichkeit die Schulter per Zügel am Hals zu führen, aber dieses Werkzeug lässt sich nur im Schritt bzw. sehr stark versammelten Tempi anwenden. Da nutze ich es gerne und mit Erfolg.
Ziele, Definitionen und Ausbildungsweg in der AR unterscheiden sich von dem anderer Ausbildungssysteme teilweise erheblich. Insbesondere die Lehre der klassisch-deutschen Schule lässt sich mit den Zielen der AR in sehr vielen Punkten absolut nicht vereinbaren. Diesen Unterschied kann man sehen, man muss ihn aber nicht unbedingt bewerten. Viel spannender ist es ohnehin die Gemeinsamkeiten zu finden und zu überlegen: was kann ich davon lernen und für meine Arbeit übernehmen?
Nun reichts aber!
Viele Grüße