Mein 15-jähriger Anglo-Araber ist ein erstklassiges Geländepferd. Wir waren gerade 4 Tage in Holland auf einem Wanderritt und er lief immer vorne voraus, an Traktoren vorbei, Motorrädern, Fahrrädern, Autos, Müllcontainern, kleffenden Hunden etc. Manchmal macht er einen kleinen Bogen um wirklich erschreckende Dinge, manchmal bleibt er auch kurz stehen. Aber es gibt eigentlich nie die Situation, daß er irgendwo gar nicht vorbei gehen mag oder sogar umdreht. Wegspringen macht er im Gelände fast nie - und wenn doch mal, dann nur ein kurzer Hüpfer. Kein Durchgehen, kein Buckeln. Aber Temperament genug vorhanden, um auch mal eben 4 oder 5 km zu galoppieren. Was er nicht mag ist, wenn ich mir die Wegekarte ansehen möchte und er soll dabei stehen bleiben. Im Schritt kein Problem, aber ruhig stehen bleiben ist nicht so seins.
Und nun das selbe Pferd auf dem Reitplatz

Reite ich auf dem Reitplatz, erschreckt er sich permanent! Und zwar immer an der Seite, wo die Bäume sind (an einer langen Seite ist eine Wallhecke). In die hintere Ecke am Ende des Reitplatzes komme ich nur mit energischem Einsatz des inneren Schenkels und mit stehender äußerer Hand. Auf der linken Hand ist es deutlich schlimmer als auf der rechten Hand. Teilweise geht es nur im Schulterherein. Er geht dann zwar durch die Ecke, aber in totaler Anspannung und macht sich, wenn möglich, nach oben frei. Wir haben nun so ziemlich alles probiert: die Ecke gar nicht mehr durchreiten, bis er "locker" ist. Die Ecke vermehrt durchreiten, um ihn damit zu konfrontieren. Das Pferd mit endlos wechselnden Bahnfiguren so beschäftigen, daß er die Ecke "vergisst". Versuchen, im lockeren Schritt mit durchhängenden Zügeln die Ecke zu durchreiten und eventuell dort kurz stehen bleiben und Leckerchen geben. Vermehrt in der Ecke longieren. Im Schulterherein durch die Ecke etc. etc. etc.
Ich kann das Pferd 1 Stunde lang stramm arbeiten und in der Stunde 40 x durch die Ecke reiten. Das 41. Mal springt er wieder weg.
Ich habe ihm noch nie einen Klaps dafür gegeben, weil ich immer denke, er hat einen Grund dafür. Es ist ihm auch noch nie dort etwas passiert. Er zeigt das gleiche Verhalten, wenn er alleine oder mit 5 anderen Pferden auf dem Platz ist.
Natürlich hat meine innere Einstellung langsam aber sicher gelitten und wahrscheinlich verkrampfe ich mich immer mehr, wenn es wieder in die Richtung geht, aber es muss doch eine Möglichkeit geben, ein Pferd so auf sich zu konzentrieren, daß er die Ecke nicht weiter beachtet, oder? Auch meine Reitlehrerin weiß sich keinen Rat mehr. Am besten klappt es halt, ihn im Schulterherein durch die Ecke zu reiten, aber mit locker und entspannt hat das nichts zu tun!
Was mich frustriert ist halt: ich denke, ich habe ihn schön konzentriert und locker unter dem Sattel - schwups, Ecke, Konzentration weg. Und ich muss ihn wieder neu lösen (auf jeden Fall für 5 - 10 Meter).
Ich lese gerade "Feine Hilfen - was motiviert Pferde" und wünschte mir, ich könnte dem Pferd die Ecke so richtig sympatisch machen - mit "Freude, Lob, Motivation etc.". Aber ich bekomme es nicht umgesetzt. Wäre er jetzt im Gelände auch hoch schreckhaft, würde ich das ja verstehen, aber so?