Ich weiß nicht, ob das Thema noch aktuell ist, aber hätte folgende Gedanken dazu:
Ich habe jetzt keine Erfahrung mit Kinderreitstunden, aber mit Kinder-Schiunterricht. Üblicherweise macht man beim Schifahrenlernen mit Kindern am Anfang Koordinationsübungen (wie beim Kinderreiten an der Longe), dann fängt man an mit Schneepflug und dann kommen Kurven dazu. Kinder lernen das normalerweise relativ schnell, weil sie noch ihre angeborene intuitive Lernmethode durch Versuch und Irrtum anwenden und selbstmotiviert herausfindne wollen, wie es funktioniert oder wie es besser funktioniert. Wenn sie hinfallen, gibts je nach Charakter ein paar Krokodilstränen, die man beschwichtigend einstellen kann, aber üblicherweise lernen die Kinder sehr schnell neue Bewegungsabläufe. Es ist aber häufig vorgekommen, dass die Kinder selbst in absolut flachem Gelände Angst hatten auf nur einem Schi zu stehen - und ich konnte das damals absolut nicht nachvollziehen, weil ja aus meiner Sicht absolut nichts passieren konnte. Auf die Frage warum sie weinen, kamen dann meistens irgendwelche Ausflüchte (Eltern nicht da, Schischuh drückt und zu schwer usw..). Als ich dann einmal von den plärrenden Kindern echt die Schnauze voll hatte, habe ich eine „Pause“ gemacht und mich auf meine Schistöcke gestützt und angefangen so hin und her zu schaukeln. Jedenfalls hat ein Schistock dann im tiefen Schnee unvermutet nach unten nachgegeben und ich bin aus dem Stand seitlich einfach umgefallen. Und das war Anlass für die weinenden Kinder mit dem Tränen vergießen aufzuhören, während die anderen Kinder mich natürlich lautstark ausgelacht haben. Ich glaube diese weinenden Kinder dann erstmals gesehen haben, dass es offensichtlich nicht schlimm oder blöd oder voll dramatisch ist, wenn sogar der Schilehrer umfällt und man dann einfach wieder aufsteht.
Ich habe dann mit diesen Kindern meist einen ganzen Vormittag geübt, mit einem Schi aufstehen und sich wieder hinfallen lassen, und wieder aufstehen und wieder hinfallen lassen, das ganze in verschiedenen Positionen und teils auch in etwas ganz leicht abschüssigerem Gelände. Dann das ganze mit zwei Schiern - auf und wieder nieder (und es war soooo langweilig dabei motiviert zu bleiben). Aber diese Kinder heulten nicht mehr herum (ganz wichtig für die Eltern, die zuschauen), hatten Spaß und sind nach und nach sicherer geworden, sodass sie dann auch relativ schnell die Phase der ersten Koordinationsübungen durchlaufen haben und auch das Schneepflug- und Kurvenfahren (fast schneller als die anderen) erlernt haben. Außerdem haben diese Kinder gelernt, dass sie auf dies Weise, nämlich durch das Niederfallen auch Bremsen können. Sie haben sich dann, wenn sie einen Kontrollverlust erlitten haben (es zu schnell ging), einfach fallen lassen um zu bremsen und dann aufgestanden und wieder weitergefahren. Der nächste Schritt wäre wohl gewesen, die Technik der Kinder zu verbessern, um das absichtliche Fallenlassen beheben zu können. Aber wenn ich die Wahl habe zwischen einem Kind, dass auf steifen Beinen auf seinen Schiern bergab völlig unkontrolliert fahrend wird und einem Kind, das sich - sobald es ihm zu schnell geht - kontrolliert fallen lässt, ist mir die zweite Variante wohl vorübergehend lieber, bis sie die Technik/Kraft haben, auch schnelleren Geschwindigkeiten/Steilheiten zu bewältigen.
Ich weiß, dass beim Reiten die Strategie mit dem Fallenlassen eher unpraktikabel und mitunter gefährlicher ist als beim Schifahren, aber vielleicht hilft es auch hier wirklich einen Schritt zurückzugehen.
Offensichtlich ist es die Angst vorm Fallen, die dem Kind Sorge bereitet. Man könnte doch, während jemand ein entsprechend braves Pferd im führt, das Kind immer wieder aufsteigen lassen und aus verschiedenen Positionen vom Pferd herabrutschen lassen, also einmal rechts, einmal links, einmal mehr Richtung Pferdehals, einmal mehr Richtung Kruppe. Mal so dass man beim Landen zur Kruppe schaut, mal so, dass man beim Landen zum Pferdekopf schaut. Mal mit Beinen über den Hals schwingen absteigen usw. Das ganze zuerst im Halten, dann im Schritt, eventuell bis zum ganz langsamen Schlurftrab steigern - das ist nämlich gar nicht so einfach während sich das Pferd bewegt, da halbwegs elegant abzusteigen und dann weiterzugehen. Wirklich cool wäre wohl vieleicht auf einer Wiese, das Kind vom Pferd heruntergleiten zu lassen und dann wenn es am Boden gelandet ist eine Rolle vorwärts zu machen. Das würde ich anstatt dem tatsächlich selbständigen Reiten mal eine Zeitlang (ein Monat?) mal machen.
Ein Kind das schon selbständig Schritt, Trab und Galopp reiten kann, wird vermutlich keinen Sinn hinter diesen Spielerein sehen, aber ich denke es ist die Aufgabe eines Lehrers/Eltern dem Kind hier die Entscheidung abzunehmen und ihm nur solche Aufgaben zu stellen und diese machen zu lassen, die es mit relativ großer Wahrscheinlichkeit ausführen kann, diese dann ein wenig komplizierter machen, sodass etwas zunächst nicht klappt, aber nach ein paar Wiederholungen schon (sodass das Kind motiviert wird etwas neues zu lernen und dann ein Erfolgserlebnis hat und sein Selbstvertrauen gestärkt wird). Ich glaube die Hauptaufgabe von Eltern/Lehrer liegt nicht so sehr darin, jemandem etwas zu LEHREN, weil meiner Ansicht nach das LERNEN an sich ein eigenmotivierter lebenslanger Prozess ist, sondern darin den Schüler/das Kind in seinem Selbstbewusstsein so zu stärken, dass es sich selbst vertraut und darauf, dass es für jedes Problem selbst eine Lösung finden wird. Wenn die gestellte Aufgabe zu groß ist, und das Kind sie mit seinen derzeitigen Erfahrungen noch nicht lösen kann, dann stärkt dies sein Selbstbewusstsein nicht, sondern überfordert es und es kommt sich unfähig vor. Wenn die Aufgabe zu klein ist, dann hat sie keinen Nutzen, weil sie die Fähigkeiten nicht erweitert. Wenn die Aufgabe allerdings klein anfängt, sodass das Kind "das ja eh" kann (sowas simples wie vom Pferd absteigen) und dann macht man diese eigentlich einfache Aufgabe ein wenig komplizierter (im Schritt, im Trab, auf unterschiedliche Arten vom Pferd runterkommen), dann sieht das Kind, zuerst einmal, das auch so etwas simples wie absteigen vom Pferd, das man eh schon kann, durchaus kompliziert werden kann und freut sich dann, wenn es dann die etwas kompliziertere Aufgabe trotzdem lösen kann und das stärkt das Selbstbewusstsein und zudem kann das Kind (zunächst unbewusst) Bewegungsmöglichkeiten erforschen, wie es bei einem allfälligen Sturz doch relativ glimpflich davon kommen könnte, ohne dass man das als Elternteil/Trainer natürlich bewusst so anspricht oder verkauft - sonst würde man das Kind in seiner Angst vor dem Herunterfallen ja bestätigen!
Die Strategie mit "mach alles was du machen willst, du musst nichts..." ist meiner Meinung nach gerade bei "braven Töchtern" nicht die Beste, weil diese (unter)bewusst meinen, die müssen irgendwelche Erwartungen erfüllen (auch wenn die Eltern keine Erwartungen bewusst setzen, so ist es doch häufig, dass Kinder manchmal selbst hohe Erwartungen an sich selbst stellen - insbesondere, ehrgeizige, oder die braven). Das spricht auch dafür dass sie die Reitstunde beinhart durchgezogen hat und bei ihrem "Plan" geblieben ist (ohne Rücksicht auf Verluste).
Das Problem dabei ist, dass das Kind aus Unwissenheit seine Anforderungen selbst zu hoch ansetzen wird und sich daran ständig selbst misst und dann enttäuscht ist, wenn es seine eigenen Anforderungen nicht erreicht. Wenn die Kleine schon frei Schritt, Trab, Galopp geritten ist vor dem Unfall, dann setzt sie sich das natürlich auch als derzeit aktuelles Ziel, obwohl sie das in ihrem derzeitigen Zustand einfach nicht erreichen kann, weil ihr eben ihre eigene Angst im Weg steht. Du schreibst, dass die Angst erst einsetzt, wenn das Pony nicht 100% brav ist – ich glaube, dass die Angst aber schon sehr viel früher anfängt, nur dass man sie dann (wenn das Pony eben mal guckt) halt auch als Außenstehender wahrnimmt, weil das Kind seine Fassade nicht mehr aufrecht erhalten kann. Wenn du das Kind allerdings fragen wirst, wann es Angst bekommt, wird es sagen, wenn das Pony guckt. Entweder weil es selber nicht merkt, dass die Angst eigentlich schon beim Aufsteigen da ist, oder weil es „brav“ sein will und sich seine Angst nicht einmal vor sich selbst eingestehen will.
Ich könnte nun zu dem Kind sagen: Du hast ja eigentlich schon beim aufsteigen Angst, und das ist auch ok, und deshalb machen wir jetzt ganz langsam (oder nur Bodenarbeit usw) und machen nur das, solange bis du dich dabei gut fühlst. Dann wird sich das Kind blöd vorkommen, weil man praktisch seine Schwäche herausgefunden hat (und keiner hat das gerne), die es doch eigentlich so mühsam verstecken wollte (vor der Außenwelt und/oder sich selbst), und es wird die „Therapie“ auch nicht (wie vom Therapeuten erhofft) dankend annehmen, sondern sich innerlich (meist unbewusst) dagegen auflehnen und die beste Therapie zeigt offensichtlich keine Wirkung (oder zumindest keine nachhaltige). Die Kunst besteht dann darin einen Ansatz zu finden, der das Kind nicht bloßstellt – also offen seine Ängste thematisiert – sondern, auf Umwegen dem Kind mehr Selbstbewusstsein vermittelt (und das geschieht mit jedem Lern-Erfolgserlebnis, also in dem Punkt wo etwas zuerst nicht funktioniert, dann probiert das Kind ein bisschen spielerisch herum, und dann findet das Kind selbst heraus, was es machen muss, damit etwas funktioniert und diese Erkenntnis ist das Lern-Erfolgserlebnis, das dem Kind ein Erfolgsgefühl vermittelt und sein Selbstvertrauen stärkt).
In weiterer Folge müsste man dann herausfinden, was genau VOR dem tatsächlichen Unfall schief gelaufen ist, also ab wann der Kontrollverlust vor dem Herunterfallen eingetreten ist und WAS zu dem Kontrollverlust geführt hat (Unaufmerksamkeit, falsche Reiterhilfe, zu stressige Aufgabe/Umgebung usw..) und dem Kind entweder die mechanischen Reittechniken vermitteln, dass es weiß, welche Handlungen es zu setzen hat, damit es nicht mehr in so einer brenzligen Situation landet, dass es also lernt früh genug auf leichte „Warnzeichen“ zu reagieren oder aber schauen, dass die reiterliche Umgebung entsprechend gestaltet ist, wenn das Kind reitet (z.B zuviele Reiter auf dem Reitplatz und damit verbundene Hektik, zu hohe Anforderungen, zu wenig oder zu komplizierte Aufgabe und damit verbundene Überforderung oder Unterforderung und damit verbundene Unaufmerksamkeit).
Vielleicht helfen diese Gedanken zu dem Thema ja, sofern das Problem noch besteht oder neue Probleme auftauchen
