Guten Morgen,
ja, wirklich, ein äußerst interessantes Thema.
Als RL bist Du jederzeit in der Verantwortung für das, was passiert, egal, ob positiv oder negativ.
Als RL möchte ich dazu meinem RS ein Feedback geben können, egal ob negativ oder positiv. Und ich muss auch mal sagen können, das, was Du da reitest, ist total daneben!
Und ich muss auch mal sagen können: Weiss ich jetzt auch nicht, muss ich zuhause mal nachlesen oder mir eine andere Lösung überlegen.
In meinem Unterricht gebe ich die Anweisungen für die Lektionen und deren Abfolge, ich bestimme, wann Pause ist und wann gearbeitet wird. Aber: wenn wir an einem sensiblen Punkt arbeiten, überlasse ich die Verantwortung auch dem RS, z.B. wenn wir am Nachgeben am Gebiss arbeiten, ist es immer zu spät, wenn ich sagen würde: Hand weg, also soll sich der RS den Punkt des Nachgebens selber erfühlen und vorgeben, damit es auf den Punkt genau kommt und eben nicht zu spät (er bekommt also die Anweisung: gib selber nach, wenn der Druck geringer wird). Ich selber gehe mit dem stimmlichen Lob hinein, das ist für die Pferde sehr wichtig, denn auch sie orientieren sich an mir. (Und manchmal heißt es dann auch zu den Pferden: Ja, DU hast das brav gemacht, das Frauchen braucht noch ein bisschen, sieh es ihr nach... - ich bilde mir ein, die Pferde verstehen das

)
Ein RS hat aber auch die Verantwortung, zu sagen,wenn er was nicht versteht. Damit ich weiss, dass ich es besser nochmal erkläre - oder zeige.
Ich muss bei jedem Schüler individuell versuchen herauszufinden, wie er lernt - und mich darauf einstellen können. Díe eine lernt besser mit Bildern im Kopf, die andere braucht technisch versierteste Erklärungen, die nächste ist mit Handgriff allein schon so ausgefüllt, dass jede weitere Erklärung zuviel ist, die nächste will lieber, dass ich mal reite... und manche brauchen zumindest als Zuschauer mal einen Kurs bei einem anderen RL, um zu verstehen, was ich meine (oder zumindest mal ein Ziel zu erkennen)...
Andere haben auch keine Ahnung von klassischer Reitkunst, sie haben mich gesehen mit Stallkolleginnen und finden den Unterricht gut: weil Du immer so ruhig und fröhlich bist...
Oft stören die vielen Erklärungen anderer RL oder theoretisches Wissen aus vielen Büchern... Überinformation kann auch behindern, bzw. es gibt auch Reitschüler, die eigentlich nur ihr theoretisches Wissen zeigen wollen, die bekommen dann auch mal zu hören: Bevor Du ein weiteres Buch in die Hand nimmst, reitest Du erstmal die Grundlagen und vielleicht noch diese eine bestimmte Lektion...
Und während ich dies schreibe, entringt sich meiner Brust ein tiefer Seufzer... weil ich immer geduldig bleiben muss... immer bereit sein muss, nochmal zu erklären, einen anderen Weg zu suchen... immer bereit sein muss, zuhause selber zu lesen, was andere irgendwo nachgelesen haben oder aufgeschnappt oder mir immer nochmal eine andere Erklärung suchen muss, immer vollen Einsatz geben muss (den ich allerdings auch von meinen Schülern erwarte)...
Weil viele die unterschiedlichen Methoden und Stile nicht mehr auseinanderhalten können und fröhlich mischen... Weil alle sich Ponies oder Pferde kaufen können, mit denen sie hoffnungslos überfordert sind...
Weil für viele Grunderziehung am Boden immer noch nicht selbstverständlich ist...Weil viele nicht die Seele und den Charakter ihres Pferdes erkennen und sich über Schwierigkeiten wundern, die im Zusammenspiel zweier unterschiedlicher Charaktere entstehen können - und dabei muss nicht mal das Pferd der Dickkopf sein...
Ich als RL erwarte, dass meine RS das nachreiten, was wir zusammen geübt haben, ich erwarte, dass RS den Bedürfnissen ihrer Tiere gerecht werden (in Haltung und Umgang) und ich erwarte Toleranz gegenüber den Tieren. Konsequenz und Dominanz sind wichtig, aber im richtigen Maß dem jeweiligen Tier angepaßt. Manchmal reicht als Demonstration dafür schon, dass ich den Platz betrete, manche stehen beinahe stramm und für andere kann ich auch mal die Stimme erheben...
Wieder andere reißen allerdings beim Betreten des Platzes meinerseits ihren Besitzern beinahe die Zügel aus der Hand, um zur Begrüßung angeeilt zu kommen...
Manche Pferde führen meine Kommandos bereits aus, wenn ich sie ausspreche, aber noch keine Hilfe von oben oder dem Longenführer gegeben wurde... Nun, damit muss sich der RS selber auseinandersetzen und seine eigene Position dem Pferd klar machen!
Aber wenn das Pferd mal total ungehorsam ist und sich den Hilfen verweigert, greife ich auch ein und stelle von unten klar, dass wir Menschen das Sagen haben...
Grundsätzlich denke ich, muss ein absolutes Vertrauensverhältnis bestehen - und das hat nichts mit Freundschaft zu tun. Der RS muss das Gefühl haben, auch mal sagen zu können, ich kapier das nicht oder es fällt mir schwer, ich hab kein Gefühl dazu... es ist doch auch nicht so, dass wir immer alles sofort können, nur weil wir als RL etwas mehr vom Reiten verstehen (sollten), das sollte man doch nachempfinden können. Manchmal ist es auch so, dass ich dann erzähle, was mir schwer gefallen ist oder wie lange ich für eine bestimmt Lektion gebraucht habe - und das erstaunt dann immer wieder und macht Mut.
RS sollten auch nicht bei jeder Kleinigkeit (vor allem bei dem, was Zaungucker beim Unterricht so alles besser wissen und gemacht hätten...) zu jemand anderem rennen und nachfragen, sondern sich mal einlassen und sich das Reinreden verbieten (Man kann durchaus mal sagen, wir machen das aus dem und dem Grund, auch wenn es für Aussenstehende etwas seltsam aussieht, der Weg ist das Ziel). Das macht zwar u.U. nicht besonders beliebt, fördert aber den eigenen Seelenfrieden und das Lernen auf einer Linie!
Auch das sofortige Aufgeben, wenn es mal eine Tiefphase gibt, ist anstrengend für RL, denn man steht unter dem permanenten Druck, es immer gut und richtig machen zu müssen... und vor allem besser als beim letzten Mal.
Ich als RL muss mir aber auch klar machen, dass das, was für mich ein Job ist (also meine Lebensgrundlage und damit ziemlich Ernst), für andere Freizeit ist. Die RS haben meist einen anstrengenden Arbeitstag HINTER sich und wünschen nun motiviert zu werden, sich noch einmal anzustrengen und dabei mit dem Pferd Spaß zu haben.
Aber die Hauptgrundlage sind für mich Respekt (gegenseitig und dem Tier gegenüber), Vertrauen, Zuverläßigkeit und gegenseitige Verantwortung.
Der RS muss sich auch mal klare Worte anhören, Leute, die bei mir reiten, weil sie nur hören wollen, wie toll sie sind, bleiben nicht lange... Sie wollen ja nicht sehen, was sie noch lernen müssen und dass es ohne eine gewisse Grundlage nicht geht. DA kann ich sehr direkt werden!
Auch, wenn Reiter behaupten, ihre Tiere würden zB einfach nicht nachgeben, während sie selber im Zügel hängen und die Hand einfach nicht lockern - und es auch nicht merken... Dann sage ich ihnen, dass das an ihnen liegt und sie an SICH arbeiten müssen!
Auch, wenn Tiere ungerecht behandelt werden oder krank sind und trotzdem im Unterricht gehen sollen. Oder einfach mal eine Pause brauchen...
Je mehr Erfahrung ich habe, desto ruhiger werde ich jedoch. Es gibt für alles eine Lösung und mit Ruhe und Beharrlichkeit bin ich noch an fast jedes Ziel gekommen.
Verständnis, aber nicht zu jedem Preis, Motivation, Kritik und Lob können Bestandteil jeder Reitstunde sein, aber Respekt ist die Grundlage von allem!
Steffi