Dr. Heuschmann ist Gründungsmitglied des Vereins "Xenophon e. V."
Der Vortrag sei eigentlich 2,5 Stunden lang, aber er werde ihn im "Mitteltrab" in einer Stunde abhalten, erklärte Dr. Heuschmann, als er das Rednerpult betreten hatte. Er begann mit der anatomischen Studie des Pferdekörpers: Knochen, Bänder, Muskeln. Dr. Heuschmann erklärte die Wirkung von Nacken- und Rückenband und berichtigte im Laufe des Vortrags den Irrtum, dass wir Reiter von den Rückenmuskeln "getragen" würden. Bewegungsmuskeln (Rücken- und Bauchmuskel) und die Arten der Muskeln (Strecker und Beuger) wurden anhand von Bewegungsbeispielen erklärt. Dem Publikum wurden Fragen gestellt und Heuschmann erklärte auch unter Körpereinsatz (z. B. korrekte Hankenbeugung ). Es folgten Bilder von gutem Trab und schlechten Showtrab. Es wurde demonstriert, dass durch verfrühtes "Hochholen" die diagonale Fussfolge des Pferdes gebrochen wird - etwas, was man heutzutage fast ausschliesslich zu sehen bekomme und wofür es sogar Pokale gebe. O-TON: Man gewinnt heutzutage Dressuren ohne reelle Versammlung. *Wink* Er verwies auf die "gute alte" Literatur und gab eindrücklich zu bedenken: "Warum tun wir Deutschen als das erfolgreichste Reitervolk mit langer Kultur und zahlloser auf deutsch verfügbarer Literatur DAS unseren Pferden an?"
Zum Thema Rollkur: Er beseitigte das Argument der Rollkurer, dass die Bauchmuskeln den Rücken heben; denn das ist nur in bestimmten Phasen der Fall. Durch die Überdehnung des langen Rückenmuskels wird dieser fest und somit kann er nicht mehr das tun, was er soll: sich bewegen. Getragen wird der Reiter durch das Nacken- und Rückenband, das nur durch die korrekte anatomische Dehnung seinen Zweck erfüllen kann. Wird der Hals zu tief/eng eingestellt, krümmt sich die HWS zu einem S und zieht nicht mehr am Nackenband.
Daraufhin folgten Fotobeispiele von Rollkur "ausgebildeten" Pferden und korrekter Aufrichtung. Auch O- Ton: "Dass die Richter heute behaupten, ein bissl Schweifschlagen bedeute nichts, ist Quatsch - steht der "Pinsel" oben, ist auch der Rücken fest."
Anschließend folgte ein Praxisbeispiel von einer Dame und ihrem 13-jährigen Hengst, der nur noch Pass ging. Er war zur REHA zu ihm gekommen und ging, selbst wenn man ihn aus der Box holte, Pass. Auf seinem Rücken im Lendenbereich ein fester Muskelknubbel - "so hart wie der Tisch". Die REHA bestand 2 Monate lang aus "durch den Wald Vorwärtsreiten" - so begann er langsam wieder etwas den Rücken zu bewegen und einen erkennbaren Schritt zu zeigen. Weiter konnte er aus Zeitgründen nicht ausholen.
Es folgte noch ein Beispiel von einer Dame mit einem 1,58 m Warmblut, der "der lieber Herrgott untenherum ein bissl mehr mitgegeben hat". Sie hatte einen für sich passenden Sattel auf ihr Pferd gelegt und sich dann gewundert, dass es nicht in Anlehnung ging. Hier kam der Hinweis, dass der Tierarzt bei solchen Problemen eben auch eventuelle Sattelprobleme mit einbeziehen müsse. Drücke das Keilkissen im Lendenbereich, könne man "spritzen wie man will".
Anschließend wurden noch Videos und Bilder zum Thema Zügellahmheit gezeigt. Diese Art Lahmheit gäbe es nicht, behauptete man wohl zu seinen Studienzeiten Anfang der 80er.
Praxisbeispiel: Eine Stute, von einem kräftigen Mann zusammengezurrt. Zeigte Lahmheiten vorne rechts und hinten links. Als sie Anfing zu steigen, wurde sie verkauft. Der Haustierarzt hatte sie ausdiagnostiziert und empfahl, sie einzuschläfern!! Als sie zu ihm kam, ging sie nur mit hohem Kopf in Außenstellung an der Longe und lahmte. Nach 2 Wochen vorwärts-abwärts Longieren und Reiten ging sie wieder klar. Auch hier war der feste Rücken Schuld. Leider konnte er auch hier nicht mehr erzählen.
Gut widerlegte er die Theorie von "der ist auf der Vorhand", wenn das Pferd den Hals lang hat. Wenn das Pferd hinten richtig unterfußt und der Rücken schwingt, ist es nicht auf der Vorhand! Positives Beispielfoto auf der Leinwand: Frau Beran (wenn auch verfremdet sofort erkannt

Nebenbei noch die Bemerkung, man solle sich mal vorstellen, man bekomme so ein Pferd von "nem Typen aus Halle 1" (da lief gerade das Springreiten

Mich begeisterte das Herzblut, das einen solchen Menschen dazu bewegt diese Vorträge zu halten. Denn wie er selbst erklärte, verdienen die Tierärzte ja an solchen Pferden Unmengen. Aber keiner kommt auf die Idee den Reitern beim Reiten zuzusehen, wenn die Pferde lahm gehen. Er hatte aber eine Bereiterlehre gemacht und kam eines Tages dazu bei einem "ausdiagnostizierten" lahmenden Pferd den Reiter einmal vorreiten zu lassen und anschließend selbst zu reiten. Erst dachte er, es sei Zufall, dass die Lahmheit besser wurde, wenn er die Pferde locker bekam. Nach dem 3. oder 4. Pferd verstand er, dass es ein System hatte. Die Pferde hatten nichts an den Knochen - sie waren schlicht schlecht geritten und hatten Muskelschmerzen.
Der Vortrag war gut besucht und es wurden immer mehr Leute mit der Zeit. Er lud auch jeden herzlich ein und verwies auf die "Kapillaren Zwischenräume" in den Rängen oder dem Fußboden für die "geländegängigen" 3 Mädels neben uns, die nach dem Vortrag von Fr. Barofke (Zusatzfutter - übrigens engstirnig vorgetragen) gehen wollten mit den Worten "Klassische Reitweise interessiert uns nicht" (und wir uns etwas deutlich darüber befrotzelt), sind doch geblieben und schienen am Ende verwundert aufmerksam geworden.
Da wir von dem Nachredner "gestört" wurden, bot er kurzerhand an, weitere Videos und Erklärungen am Stand von Xenophon zu zeigen! Fanden wir toll, aber unsere Begleiter wollten auch noch bespaßt werden.
Fazit: Ein echt kompetenter Horseman, der seine Möglichkeiten als bekannter, erfolgreicher Tierarzt nutzt das verrutsche deutsche Denken bzgl. des Reitens wieder zurechtzurücken. Die Vermutung liegt nahe, dass der Großteil der Vortragszuhörer bereits selber Zweifel daran hegte und sich deswegen überhaupt erst für das "korrekte Reiten" interessiert hatte. Und auch wenn mir die anatomischen Begebenheiten aus anderer Literatur bekannt waren, empfand ich diesen Vortrag als sehr lehrreich und kann auch nur sein mit ebensoviel Herzblut und Direktheit verfasstes Buch "Finger in der Wunde" empfehlen.
Autor: Kosmonova