Perfektionismus

Allgemeines rund ums Pferd

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horido
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Beitrag von horido »

Skywalker spiegelt meine eigene Meinug was Perfektion und Kritik betrifft sehr gut wieder. Ich versuche möglichst tolerant zu sein. Jeder hat ja sein eigenes Idealbild, dem er nachstrebt und keiner will ja sein Pferd bewusst schädigen. Ich strebe allerdings nicht nach Perfektion, bin vielleicht manchmal auch zu schnell zufrieden und habe ab und an perfektionistische Anwandlungen.

Mit ungefragter Kritik eingreifen sollte man nur, wenn etwas tierschutzrelevant ist, wie in dem Beispiel wo ein lahmendes Pferd einen Parcours springen muss. Ich reite jetzt schon 25 Jahre und habe sowas aber noch nie erlebt. Das heisst zwar nicht, dass es immer nur Friede Freude Eierkuchen gab, aber grobes Verhalten gegenüber dem Pferd waren absolute Ausnahmefälle in Ausnahmesituationen. Wenn jemand dauernd mit den Sporen im Pferd rumpopelt, ist das zwar auch nicht schön (in meinen Augen), aber da würde ich nie ungefragt Kritik üben, solange das Pferd unversehrt ist, also keine offenen Stellen hat. Ausserdem kann ich ja nicht wissen, ob es nur heute so ist, weil Pferd und Reiter nicht gut drauf sind, oder immer.

Ausserdem ist mir durchaus bewusst, dass ich vieles selbst nicht kann. Daher würde ich auch keine Profireiter kritisieren. Für eine konstruktive Kritik sollte man die Sachen schon selbst reiten können. Das heisst nicht, dass ich nicht für mich bewerte. Diese Bewertung stelle ich dann aber auch nicht ins Internet.

Durch die ganzen Diskussionen über Training und Rollkur wird man aber auch total überkritisch. Oft kann ich einen Ritt, den ich sehe nicht geniessen, da ich nicht persönlich beim Training anwesend war und überwachen konnte, obs da auch korrekt zuging. Dies spiegelt sich auch in vielen Beiträgen anderer Forumsteilnehmer wieder finde ich, besonders was Turnierreiter angeht. Allerdings geht es mir auch bei Showvorführungen so, wo ich mich schon öfters gefragt habe, ob denn die Vorführung ohne die Piaffe nicht um Klassen besser gewesen wäre.

Zum Kritisieren, was man selbst nicht kann fällt mir noch eine nette Geschichte ein. Ich war noch Teenager, als ich ein Pferd ritt, das immer beim 1. Angaloppieren buckelte, nicht schlimm es hoppelte nur etwas. Ich hatte mich damit arangiert, aber eine Freundin, die auch ritt meinte, ich müsste mich doch mal durchsetzen, das Pferd stafen und das buckeln abstellen. Ich bin abgestiegen und sagte: "Machs mir vor, dann mach ichs nach." Sie galoppierte an, Pferd buckelte, sie tickte mit der Gerte (von Schlagen kann keine Rede sein), Pferd buckelte heftig und sie flog runter. Gemeinerweise haben wir sie ausgelacht, aber sie hat mitgelacht. Ich denke wir haben damals beide kapiert, dass von aussen manches anders aussieht und man daher vorsichtig mit Kritik sein sollte.

Was ich ganz besonders schade finde ist, wenn Reiter, die ihr Pferd zumindest in der Theorie oft loben und nie strafen, andere Reiter runtermachen. Eigentlich müssten wir doch besser wissen, wie Motivation funktioniert.
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Filzi
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Beitrag von Filzi »

Ein wunderschönes Thema.....

in eigener Sache habe ich erkannt, dass Perfektionismus sehr sehr "bremsend" wirken kann.
Man kann seine eigene Kreativität, seine persönliche Note nicht mehr ausleben.
Ständig schaut man, ob Hotti korrekt geht, ach Mist schon wieder ist das Bein nicht richtig, ach Gott Hotti sollte flotter, besser untertreten, freudiger usw sein.
Man übersieht viele Dinge, weil man sich nur mehr auf das perfekte konzentriert, dabei wissen wir alle, dass es NICHT existiert.

Im Endeffekt ist mir auf Grund meines sicher zu stark ausgeprägten Perfektionismus der Spass am Reiten vergangen.

Es hat sich lange angekündigt und die letzte Reitstunde war schließlich das Tüpfelchen.

Und genau da liegt die Gefahr an Perfektionismus............... :cry:
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Big Mama
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Beitrag von Big Mama »

Ach, Sabine, Du liest ja doch mit :jump1:
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

@BigMama: Ich lese viel 8) . Mir hatte die Zeit zum Einmischen gefehlt.
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

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cremello
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Beitrag von cremello »

Perfektionismus, ein schönes Thema. Aber wie definiert der Einzelne Perfektionismus?

Und gibt es ihn überhaupt? Das kann ja, wenn überhaupt, immer nur eine Momentaufnahme sein. Und das was gestern einen Augenblick lang perfekt war, muss es in ein paar Monaten oder in ein paar Jahren lang nicht mehr sein. Weil sich ja alles ändert, verbessert, wie auch immer.

Was ist für euch perfekt? Ich könnt´s jetzt gar nicht sagen, weil sich meine Ansprüche doch immer wieder erhöhen, oder ich gar wieder einen Schritt zurück gehe. Es könnte doch immer alles besser sein, oder?
Viel wichtiger finde ich es, zu sehen, was überhaupt möglich ist, sei es abhängig vom Exterieur des Pferdes oder vom Talent des Reiters.

Ich finde es produktiver, die kleinen "perfekten" Dinge zu einem Großen zusammenzufügen. Aber das dauert sehr, sehr lang. Und wie gesagt, was gestern perfekt war, muss es heute lange nicht mehr sein.
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Das ist ein sehr interessanter Ansatz den du das bringst, cremello.

Und wenn ich ehrlich bin, ich könnte jetzt gar nicht sagen, was für mich perfekt wäre...

Vielleicht wenn die Zusammenarbeit mit dem Pferd harmonisch ist? Dass man absteigen und sagen kann "Hach, heute war es schön?" Dass man mit einem guten Gefühlt absteigt? Sowas vielleicht.
LG
Sheitana
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skywalker

Beitrag von skywalker »

Ich denke auch, dass es Perfektion per se nicht gibt. Es gibt immer nur Perfektion, wenn man alle Umstände - Zeit, Ausbildungsstand, körperliches VErmögen von Reiter und Pferd, tägliche Verfassung usw. - berücksichtigt. Dann gibt es schon eine Perfektion: irgendwas ist in DIESEM Moment, unter DIESEN Umständen perfekt.

Und ich denke, das große Dilemma des Perfektionisten ist, dass er nach Perfektion per se sucht und strebt - eine Perfektion, die es aber gar nicht gibt, wie Cremello sagt (besser gehts immer!), und die er oft noch nicht mal selbst definieren kann (wie Sheitana wiederum beweist).
Zurück bleiben dann Frust und Unzufriedenheit :roll:
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

@ skywalker Vielleicht sollten wir - wo wir ja wissen, dass wir Perfektionisten sind - uns einfach mal drauf konzentrieren und sagen:

Was war heute schön?
Was will ich besser machen?
Sind wir jetzt auch schon in der Lage das besser zu machen?

Ich bin doch gestern tatsächlich schief in einer Parklücke stehen geblieben...
:mrgreen:
LG
Sheitana
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chica
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Beitrag von chica »

Was mir dazu spontan noch einfällt: Ich habe schon so viele vermeintliche Perfektionisten in Schönheit sterben sehen. Die sitzen dann auf dem Pferd und machen gar nix, geben vielleicht allenfalls noch ein tolles Standbild ab, aber sonst?! Was nützt es mir, wenn ich nach Perfektion strebe, gleichzeitig aber nicht in der Lage bin, überhaupt zu agieren?

Wollte ich auch nur mal so in den Raum werfen...

@sheitana - Perfektion ist wohl gerade im küntlerischen Bereich - und wir reden hier ja von ReitKUNST - total subjektiv. Klar gibt es gewisse Rahmenbedingungen (Nase vor der Senkrechten, aufgewölbter Rücken, Hankenbeugung etc.), aber das persönliche Empfinden von Ästhetik und Schönheit spielt da doch immer eine übergeordnetere Rolle. Die Frage ist immer, was möchte ICH erreichen und wie kann ich es umsetzen? Ist das realistisch?
LG Ines
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"Die Kritik an anderen hat noch keinem die eigene Leistung erspart."
(Noël Pierce Coward)
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Vielleicht wäre es ein Ansatz das Wort "Perfektionismus" in "Anspruchsdenken" zu wandeln. Das würde zumindest für meine Person passen. Und genau bei diesem Anspruchsdenken muß ich eben ganz oft aufpassen gerade mein Pferd nicht zu überforden. Dieses mit kleinsten Schritten zufriedengeben fällt mir da unheimlich schwer.
Liebe Grüße, Sabine

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Rinchen
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Beitrag von Rinchen »

Josa: Dein Signatur-Spruch passt auch sehr schön dazu. :D
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