Schwung

Rund um die klassische Reitkunst

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Carmen
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Beitrag von Carmen »

Nun, wenn ich die HH in meiner Hand spüre, ist die Verbindung fest. Würde ich den Schwung nämlich rechtzeitig nach vorn durchlassen, würde ich davon nichts mehr in der Hand spüren.
Das hat nichts damit zu tun, das Pferd allein zu lassen oder die Zügel wegzuwerfen.
"Es gibt schon viel zu viele Pferde, die Gefangene sind. Wenn wir unser Pferd lieben, müssen wir [...] ihm so viel wie möglich von seiner Freiheit zurückgeben." Sylvia Loch
**Rubin**
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Beitrag von **Rubin** »

Gehört das nicht jetzt eigentlich in einen eigenen Fred "Anlehnung"?
Ich dachte auch immer so wie du, eine möglichst leichte Verbindung. Seit ich aber gespürt habe, wie das Pferd an die Hand zieht (was nichts mit Gewicht zu tun hat oder so und wie schon gesagt auch nicht mit der ziehenden Reiterhand vorne) bin ich anderer Meinung. Wenn es nicht "an die Hand ziehen" würde, dann würde es nicht vorwärts denken, und wenn ich da so viel nachgebe, dass ich es nicht mehr spüre, fällt mein Pferd mir auseinander. Es ist sozusagen eine Grundspannung (positiv) und ich möchte es fast wieder mit Tanzen vergleichen. Wenn ich tanze und mich mit Schwung in eine Richtung bewege und mein Partner der Bewegung nachgibt anstatt ihr eine Richtung zu geben und mich zu lenken, dann fall ich unter Umständen hin bzw. muss mich selbst ausbalancieren, stehe also wieder alleine da und werde mich beim nächsten Mal nicht mehr mit so viel Schwung bewegen, weil ich mich nicht darauf verlassen kann, dass er mich mit der Bewegung führt (hat mich irgendwer verstanden??? Wenn nicht nehm ichÄs einfach wieder raus).

Übrigens glaube ich, dass ein Pferd in "freier Wildbahn" keinen Schwung entwickeln wird, sondern nur Gang zeigt, während ein vom Menschen geschultes Pferd durchaus auch frei Schwung zeigen kann, aber nur weil es die nötigen Muskeln dazu hat und den Schwung gelernt hat (um auf's Thema zurückzukommen ;) )
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

hm. das erscheint mir sehr kontraintuitiv und es passt nicht zu dem, was ich sonst so lese, dass schwung unbedingt mit dem männchen im rücken assoziiert sein soll.

wie ist das mit einem jungen hengst, der auf der weide passagiert?

hm.
lalala

Beitrag von lalala »

wie ist das mit einem jungen hengst, der auf der weide passagiert?

Ein passagierendes Pferd auf der Weide steht unter Spannung und zwar nicht unter der positiven Grundspannung die man beim Reiten anstrebt. Es tritt dabei oft nach hinten raus, hält den Rücken fest und von Losgelassenheit ist nichts zu entdecken.
Carmen
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Beitrag von Carmen »

Hm. Aber warum sollte ein Reiter Schwung entwickeln können, wenn das etwas ist, das Pferde von Natur aus überhaupt nicht können? Für mich liegt da ein riesiger Widerspruch.
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Julia
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Beitrag von Julia »

Carmen hat geschrieben:Hm. Aber warum sollte ein Reiter Schwung entwickeln können, wenn das etwas ist, das Pferde von Natur aus überhaupt nicht können? Für mich liegt da ein riesiger Widerspruch.
Sie können es ja, nur in der Natur, wo sie kein Reitergewicht tragen müssen und dem entsprechend laufen müssen um dabei gesund zu bleiben, brauchen sie den nicht ;)
Liebe Grüße, Julia
lalala

Beitrag von lalala »

@ Carmen : wie definierst du Schwung ?

Es ist für die Diskussion einfacher, wenn man sich an die Fachsprache hält und nicht jeder etwas anderes in die Begriffe hineininterpretiert.

Warum sollte es einem Pferd eigenständig in den Sinn kommen seine natürlichen Bewegungen zu verfeinern ?Mein Pferd vergisst seine HH lieber im Stall und würde sich sicherlich lieber den Bauch vollschlagen als sich eigenständig zu gymnastizieren ...
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lancia
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Beitrag von lancia »

greta j. hat geschrieben:carnacat hat in einem anderen Forum mal geschrieben, dass sie den Eindruck hat, dass ein schwungvoll gehendes Pferd den Boden zum Abfußen benutzt und nicht zum Drauftreten.
Das ist ein gutes Bild! Damit kann ich mir auch ein inneres Bild basteln!

Der sonstigen Diskussion folge ich sehr interessiert, halte mich aber erstmal raus ;)
"...aber dem edlen Pferd, das du reiten willst, mußt du seine Gedanken ablernen, du darfst nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen." Goethe
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Gute Idee, die Punkte der Skala als eigene Themen zu behandeln.

Bin ja froh, dass es anderen gleich geht wie mir, ich habe nämlich auch nie so recht verstanden, was Schwung bedeutet. Da es ja etwas mit der Bewegung zu tun hat, wären ein paar Filmchen (Beispiele für Pferde mit bzw. ohne Schwung) ganz praktisch.

Weiter vorne wurde ein Zusammenhang mit der Schwebephase erwähnt. Nun ist die Schwebephase abhängig vom Tempo, d.h. im Renntrab am längsten, im versammelten Tab kurz, in der Passage sehr kurz, in der Piaffe praktisch inexistent (nach Untersuchungen von Nancy Nicholson, Biomechanical Riding S. 4-98 ). Bedeutet das, dass es in der Piaffe keinen Schwung gibt? Was die Frequenz angeht (Schritte pro Minute), ist die Piaffe näher beim Schritt als beim Trab.

lalala schrieb:
Warum sollte es einem Pferd eigenständig in den Sinn kommen seine natürlichen Bewegungen zu verfeinern? Mein Pferd vergisst seine HH lieber im Stall und würde sich sicherlich lieber den Bauch vollschlagen als sich eigenständig zu gymnastizieren ...
Also wenn ich meinem Jungspund beim Raufen mit seinem Kumpel zuschaue, dann hat er seine HH definitiv nicht im Stall vergessen, sondern je nach Bedarf "faltet" er sie zusammen, wie er mir dies an der Longe noch nie gezeigt hat. Eine solche "Trainingsrunde" kann durchaus 20 Minuten dauern, dabei ist er vom Typ her ganz klar ein Energiesparmodell und Fresssack. Allerdings geht es bei diesem Üben nicht um Eleganz für das menschliche Auge, sondern um Effizienz im pferdischen Zweikampf, wobei auch hier die Körperbeherrschung und das Gleichgewicht eine Rolle spielen. In diesen Raufereien sind z.B. Ansätze zum Schulterherein oder Antraben auf engen Volten enthalten, nur eben in einer sehr schnellen, ungeregelten Abfolge, entsprechend chaotisch sieht es aus.

Tanja Xezal
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Beitrag von gimlinchen »

wunderbar, genau so erlebe ich das auch bei jungen pferden
**Rubin**
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Beitrag von **Rubin** »

Marc de Broissia hat in den Dressurstudien gesagt, dass das Pferd für Schwung auch elektrisch am Bein sein muss... Dauertreiben verursache einen Verslust des Gleichgewichts und so auch des Schwungs, es soll auf den Schenkel lebhaft mit der HH (!) reagieren.

Bent Branderup meint, dass jedes Pferd seinen natürlich Schwung hat und wenn es diesen nicht zeigt, so sitze das Problem im Sattel (das würde meiner Meinung nach dafür sprechen, dass Pferde auch untrainiert auf der Weide Schwung und nicht nur Gang haben können)
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

die branderup aussage mag ich :D
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Beitrag von Carmen »

lalala hat geschrieben:@ Carmen : wie definierst du Schwung ?
Für mich ist Schwung ein schwingender, lockerer Rücken bei aktiv abfußender Hinterhand und daher unabhängig davon, ob eine Schwebephase da ist oder nicht. Und das können sie auch ohne Reiter.
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lancia
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Beitrag von lancia »

Carmen hat geschrieben: Für mich ist Schwung ein schwingender, lockerer Rücken bei aktiv abfußender Hinterhand und daher unabhängig davon, ob eine Schwebephase da ist oder nicht. Und das können sie auch ohne Reiter.
Das wäre auch bei mir auch eher eine Definition mit der ich mich anfreunden könnte.

Die von lalala ist mir zu technisch, wenn ihr versteht was ich meine :roll:
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Auch zum Thema Schwung hat Herr Seunig eine sehr schöne Passage in seinem Buch "Von der Koppel zur Kapriole"
Schwung entsteht aus dem kraftvollen Schub und der im weiteren Verlauf der systematischen Arbeit erlangten Biegsamkeit der Gelenke der Hinterhand, woraus sich ein federndes Abstoßen der Hinterbeine vom Boden, das zugleich ein elastischer Abschwung schon vor vollendeter Streckung nach rückwärts ist, ergibt
Wie Schwung erreicht werden kann ist ebenfalls beschrieben:


Zur Erreichung der Biegsamkeit gehören Übungen, wie Reiten auf gebogenen Linien, Wendungen, Seitengänge, Paraden, Rückwärtsrichten u.a. Namentlich durch die Seitengänge wird das nähere Nebeneinandertreten der Hinterbeine erreicht. Letzteres ist für Entwicklung federnder Tragkraft und Vervollkommnung der Wendsamkeit, deren Höchstform im Kriterium der Pirouette gipfelt, von ausschlaggebender Bedeutung.

Breitspurig tretende Pferde sind bekanntlich nicht sehr wendig und zeigen wenig Schwung.

Daß zur Entfaltung des Schwunges auch das elastische Mitschwingen des Rückens gehört, sei ausdrücklich betont udn wird noch bei der Besprechung der Rückentätigkeit (s.d.) näher ausgeführt werden.
Somit dürfte ein gewissen Schwung auch bei freilaufenden Pferden zu beobachten sein. Wirklicher Schwung kann sich aber erst durch die Gymnastizierung vor allem in den Seitengängen zum Vorschein kommen und somit in der freien Natur nicht zu beobachten sein. Dafür wäre es meinem Verständnis nach notwendig, daß das Pferd durch unsere geraderichtende Arbeit in den Seitengängen etc. auch in freier Bewegung geradegerichtet läuft, also z.B. nicht breitspurig tritt.
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" Mahatma Gandhi
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