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Verfasst: Mi, 21. Jul 2010 18:02
von Max1404
Cathy1603 hat geschrieben:
Kann es sein, dass du womöglich die signale mit der Kandare zu deutlich gibst (senkend) und er dadurch zu tief kommt? Wenn du ihm zuerst die Trensenzügelhilfe (hebend und streckend) gibst und dann als senkendes Signal die Kandarenhilfe, sollte er in eine korrekte Haltung kommen. So funktioniert es zumindest bei meinem

Es könnte sein, dass die Kandare zu deutlich ansteht, und er ist genau damit besonders empfindlich. Das Anheben über Trense hat bei ihm in der von Dir beschriebenen Form aber gar nicht funktioniert. Wenn ich auf geteilt wechsle, ist er sofort wieder "oben". Eigentlich habe ich ja keinen Anlass zum Wechsel, weil er ja auf geteilt gut läuft - never change a running system
Trotzdem kann das nicht der einzige Grund sein: wir haben ein wenig mit den Galoppseitengängen angefangen, und er neigt manchmal noch dazu, sich ein wenig herauszuheben. Das läuft auf der Fillisführung besser. Wenn ich auf geteilter Führung den Kandarenzügel stärker anstehen lasse, habe ich nicht den gleichen positiven Effekt.
Es muss also noch etwas anderes sein - eventuell ganz simpel nur die Höhe der Hand: ich trage sie genauso hoch wie bei Trensenzäumung. Das heißt, der Trensenzügel wird bei der Fillisführung um etwa 5 cm (gemessen an meiner Hand

) höher getragen.
Verfasst: Do, 22. Jul 2010 07:29
von Cathy1603
Max1404 hat geschrieben:Cathy1603 hat geschrieben:
Kann es sein, dass du womöglich die signale mit der Kandare zu deutlich gibst (senkend) und er dadurch zu tief kommt? Wenn du ihm zuerst die Trensenzügelhilfe (hebend und streckend) gibst und dann als senkendes Signal die Kandarenhilfe, sollte er in eine korrekte Haltung kommen. So funktioniert es zumindest bei meinem

Es könnte sein, dass die Kandare zu deutlich ansteht, und er ist genau damit besonders empfindlich. Das Anheben über Trense hat bei ihm in der von Dir beschriebenen Form aber gar nicht funktioniert. Wenn ich auf geteilt wechsle, ist er sofort wieder "oben". Eigentlich habe ich ja keinen Anlass zum Wechsel, weil er ja auf geteilt gut läuft - never change a running system
Trotzdem kann das nicht der einzige Grund sein: wir haben ein wenig mit den Galoppseitengängen angefangen, und er neigt manchmal noch dazu, sich ein wenig herauszuheben. Das läuft auf der Fillisführung besser. Wenn ich auf geteilter Führung den Kandarenzügel stärker anstehen lasse, habe ich nicht den gleichen positiven Effekt.
Es muss also noch etwas anderes sein - eventuell ganz simpel nur die Höhe der Hand: ich trage sie genauso hoch wie bei Trensenzäumung. Das heißt, der Trensenzügel wird bei der Fillisführung um etwa 5 cm (gemessen an meiner Hand

) höher getragen.
Okay, da ich nach der Ecole de legerete reite, und bei uns von anfang an die Unterkiefermobilisierung Priorität hat, hat das Pferd gelernt auf druck gegen die Maulwinkel (Aktion-reaktion mit Trensenzügel) sich an das gebiss heran zudehnen, dann erfolgt das Signal mit dem kandarenzügel, so hab ich als ersten Schritt die Dehnung des Pferdehalses in Richtung Gebiss (in eine Position die ich bestimme) und als zweiten Schritt das abknicken des genicks durch den Kandarenzügel.
Vielleicht hast du da ein bisschen was Missverstanden und gibst deinem Pferd dadurch nicht korrekte und getimete Signale

Verfasst: Do, 22. Jul 2010 08:25
von saltandpepper
Max, kann es vielleicht sein, daß du die Kandare unabhängig davon, wie du führst benutzt ?
Ich meine jetzt, alleine der Wechsel zwischen den Führungen erlaubt dem Pferd doch überhaupt nicht mehr, eine Anfrage differenziert zu verstehen.
Der Führung liegt doch ein bestimmtes Wirkungsprinzip zugrunde. Gekreuzte Führung erfordert ( hier wieder : IM KOPF DES REITERS) eine vollständig andere Ansprache und einen vollständig anders aufgebauten Ausbildungsaufbau, als die französische Führung.
Ehrlich gesagt ist es mir ein Rätsel, wie du "mal eben" die Führung wechseln kannst, ohne sowohl dich, als auch das Pferd vollständig zu verwirren. Für mich wäre das undenkbar.
Verfasst: Do, 22. Jul 2010 19:32
von Max1404
Mein Pferd habe ich nicht nach den Grundsätzen der Legerete ausgebildet, sondern "klassisch deutsch" und grundsätzlich an Steinbrecht orientiert. Ich benutze aber durchaus Elemente von Baucher zur gelegentlichen Problemlösung, was mir bei einigen Problemen geholfen hat und eine Bereicherung meiner Möglichkeiten in der Ausbildung darstellt.
Da es sich bei einem Pferd (und auch beim Menschen

) um ein individuelles Lebewesen handelt, lehne ich jede dogmatische Lehre ab, denn das kann unter Umständen in eine Sackgasse führen. Ich setze auf ein Kombinieren und Verschmelzen verschiedenster Elemente zu einer Einheit.
Für mich ist es daher kein Widerspruch, gelegentlich die Zügelführung zu wechseln, um damit ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Dass es funktioniert, sehe ich unter anderem bei der Galopparbeit.
Warum Ihr vielleicht nicht versteht, wie ich so einfach die Zügelführung wechseln kann, ist - das vermute ich - eine komplett andere Konditionierung auf die Hilfen bei Eurer Ausbildungsarbeit. Genau diese Art der Zügelhilfen ("hohe Hand à la Karl", um eine Dehnung nach vorne-abwärts zu erreichen") nutze ich nicht, wohl aber das Prinzip "Hände ohne Beine - Beine ohne Hände". Weiterhin stimme ich dem Prinzip voll zu, dass zuerst der Unterkiefer verspannt und danach der Rest vom Pferd. Weiterhin habe ich festgestellt, dass das Prinzip Kraft von Bewegung trennen in einigen Situationen durchaus Vorteile hat. In anderen finde ich es besser, im Schwung der Bewegung zu arbeiten.
Das alles steht für mich keineswegs im Widerspruch zu Steinbrecht (der auch z. B. auch ein lebendiges Maul fordert).
Verfasst: Do, 22. Jul 2010 20:41
von padruga
Max1404, ich sehe das so wie du, ich wechsle auch gelegentlich zwischen den verschiedenen Kandarenführungen je nach Lektion oder Schwerpunkt und es gibt keine Probleme damit, ganz im Gegenteil!
Verfasst: Fr, 23. Jul 2010 07:30
von Cathy1603
Max1404 hat geschrieben:
Warum Ihr vielleicht nicht versteht, wie ich so einfach die Zügelführung wechseln kann, ist - das vermute ich - eine komplett andere Konditionierung auf die Hilfen bei Eurer Ausbildungsarbeit.
Welche Hilfen und wie gibst du denn deinem Pferd mit der Fillis und der "normalen" Kandarenführung?
Würde mich sehr interessieren, wie du das machst, dass dein Pferd das versteht!

Verfasst: Fr, 23. Jul 2010 08:21
von saltandpepper
Die französische Führung ist in und für die Führung entwickelt, welche die Einwirkung nach oben beinhaltet. Sie ist sozusagen eine logische Folge davon. Die Einwirkung von Kandare und Trense wird über Handhöhe, und Handgelenkswinkelung nach oben und unten, sowie bedingt über die Finger ausgeführt.
Die gekreuzte Führung ist für die "tiefe Hand" entwickelt und hier erfolgt die Enwirkung ( so wie es im Ideal zumindest sein sollte ) nur über die Finger. Die Trense kann daneben bedingt sdirekt seitwärtsweisend eingesetzt werden, wobei dies eine Führung 1:3 erfordert.
Die französische Führung nutzt die Trense hebend, und Kontakt gestaltend. Auch kann hierbei die Kandare biegend eingesetzt werden. Diese Möglichkeiten bietet die gekreuzte Führung nicht, daher sind einige Elemente die in der französischen Variante das Gebiß abdeckt, in der gekreuzten Führung auf´s Bein übertragen.
Für mich stellen beide Führungen unterschiedliche Wirkungsprinzipien, folgend einem abweichenden Hilfengrundsystem dar. Die Vermischung finde ich irgendwie unlogisch.
Aber wenn ihr das hinbekommt, prima für euch. Ich entscheide mich eigentlich immer im Einzelfall, für die eine oder andere Führung, je nachdem, welche Ausbildung das Pferd hat.
Verfasst: Fr, 23. Jul 2010 08:42
von Cathy1603
saltandpepper hat geschrieben:Die französische Führung ist in und für die Führung entwickelt, welche die Einwirkung nach oben beinhaltet. Sie ist sozusagen eine logische Folge davon. Die Einwirkung von Kandare und Trense wird über Handhöhe, und Handgelenkswinkelung nach oben und unten, sowie bedingt über die Finger ausgeführt.
Die gekreuzte Führung ist für die "tiefe Hand" entwickelt und hier erfolgt die Enwirkung ( so wie es im Ideal zumindest sein sollte ) nur über die Finger. Die Trense kann daneben bedingt sdirekt seitwärtsweisend eingesetzt werden, wobei dies eine Führung 1:3 erfordert.
Die französische Führung nutzt die Trense hebend, und Kontakt gestaltend. Auch kann hierbei die Kandare biegend eingesetzt werden. Diese Möglichkeiten bietet die gekreuzte Führung nicht, daher sind einige Elemente die in der französischen Variante das Gebiß abdeckt, in der gekreuzten Führung auf´s Bein übertragen.
Danke für deine Erklärung, da ich selber mit der Fillisfürhung reite, kenn ich das Prinzip. Wollte einfach nur von Max wissen, da sie beide Führungen nimmt, wie sie das dem Pferd erklärt!

Verfasst: Fr, 23. Jul 2010 14:24
von amara
Meiner wurde reitmäßig von vorne Herein „legerete“ ausgebildet. Der Sprung zur Kandare war einfach, nur für mich nicht.

Man muss einfach üben, üben, üben, bis man die Handhaltung gut kann.
Dennoch stellt sich jetzt irgendwie keine so 100% Zufriedenheit bei mir ein, weil ich finde, dass die Fillis-Führung zwar toll ist in manchen Sachen – wie z.B. vorwärts-abwärts reiten – aber in anderen komme ich nicht da hin, wo ich hinwill. Bezüglich Beizäumung und vor allem Selbsthaltung klappt das 3:1 wesentlich besser. Dafür kann ich mit 3:1 natürlich nicht auf die Aufrichtung einwirken wie mit der Fillis Führung. Allerdings ist mein Pferd inzwischen so weit, dass ich ihn auch aufrichten kann, indem ich die Lektionen geschickter wähle und ihn stärker setze, also klassisch „hinten runter vorne hoch“, sozusagen.
Ich hab lustigerweise exakt den gegenteiligen Effekt wie Max. Mit Fillis öffnet er tendenziell eher das Genick zu viel. Ich bin mir da immer noch nicht sicher, ob das aber nicht doch durch irgendwie unbeabsichtigte Einwirkung der Trense bzw. durch das doch unstetere der Hände provoziert wird. Defakto ist Fillis nämlich deutlich unruhiger als 3:1, selbst wenn man sich viel Mühe gibt, die Hände absolut still zu halten...
Dagegen 3:1, ich nehme die Zügel auf, Pferd macht nicht einen Ansatz das Genick zu weit zu öffnen. Dabei ist es aber so, dass die Anlehnung an sich bei 3:1 definitiv LEICHTER ist als bei Fillis Führung bei uns (auch klar, wie gesagt sein Maß an Selbsthaltung ist mit 3:1 größer). Meine RL weiss es nicht, woran es liegt, meinen anderen Trainer traue ich mich nicht fragen, der kriegt bei Fillis sowieso aufgestellte Nackenhaare.
Jedenfalls reite ich inzwischen fast nur noch 3:1 oder 4:0. Es sei denn, ich will v/a reiten, dann fasse ich um zur Fillis Führung. v/a ist mit 3:1 oder 4:0 nur bedingt möglich...
Anfangs hat mich das alles stark irritiert, über 3:1 und der größeren Zufriedenheit habe ich aber sowieso festgestellt, dass man sich nur orientiert an PK etwas dazu verleiten lässt, zu häufig beim Pferd einzugreifen. Fazit für mich ist halt, dass man eine Sache verbessern kann, in dem man aktiv eingreift, sie aber auch verbessern kann, indem man passiv eingreift (in Form von geschickter Abfolge von Übungen und einfach – mal warten – viel häufiger als ich vermutet hatte findet das Pferd ab einem gewissen Ausbildungsstand selbst zurück ins sein GGW, OHNE dass man eingreifen MUSS). Die 3:1 Führung bietet natürlich für letzteres die ultimative Unterstützung und hindert den Reiter schön dran, viel machen zu wollen oder Fehler vertuschen zu wollen...
Verfasst: Fr, 23. Jul 2010 20:03
von Max1404
Ich finde eure Fragen sehr interessant, weil sie mir zeigen, dass Eure „Handarbeit“ auf einem völlig anderen Fundament fußt als meine.
Ich möchte nochmals betonen, dass ich mich eher in der Steinbrecht’chen Lehre verwurzelt fühle. Ich habe mich mit Karl beschäftigt, ebenso mit Baucher und Faverot de Kerbrech. In vielerlei Hinsicht gibt gerade Kerbrech sehr praxisorientierte Tipps, die in leicht verständlicher Sprache gut nachvollziehbar sind. Ohne meine Wurzeln aufzugeben, addiere ich solche Elemente zu meiner sonstigen Arbeit.
Ich verstehe die Arbeit über die hohe Hand nach Karl als eine Art Konditionierung des Pferdes auf gewisse Signale. Banal ausgedrückt: Einwirken auf die Maulwinkel mittels hoher durchhaltender Hand als Signal zum Senken nach vorwärts-abwärts. Auf Kandare die Wirkung der Trense als aufrichtend, die Wirkung des Kandarengebisses senkend nach vorwärts-abwärts – für diese Zwecke ist die Fillisführung ideal, wenn man das Pferd entsprechend auf diese Signale konditioniert hat.
Ich spreche bewusst von Konditionierung auf bestimmte Signale (à la Pawlowscher Reflex) und möchte hier beispielhaft die faszinierenden Beschreibungen von Kerbrech über den „Galoppübergang mit dem Zügel, ohne Einwirkung mit den Schenkeln“ und „Galoppwechsel ohne Verwendung der Schenkel“ (nur durch Einsatz der Zügel) nennen. Hier wird eine solche Konditionierung beschrieben.
Genau das tue ich aber nicht, weil ich glaube, dass ich mich damit vieler Möglichkeiten beraube. Meine Pferde sind auf keinerlei Signale dieser Art mit der Hand konditioniert.
Meine Art der Einwirkung auf Zügel (egal auf welcher Zäumung) ist unter anderem
• nachgebend
• begrenzend
• aushaltend/stetig/festgestellt
• Stellung gebend (sofern notwendig, denn normalerweise erreicht man das über den Sitz)
• nach vorwärts einladend
• manchmal vibrierend (Kerbrech)
• mal fester, mal leichter
• einseitig und beidseitig
• zum Kauen anregend durch Arrets
• Haltung verbessernd
• vorbereitend auf die gleich folgende Lektion im Sinne von aufmerksam machen
• etc. …
Das geschieht durch ein Spielen mit den Fingern, durch Eindrehen der Handgelenke, durch seitwärtsweisende Hilfen, durch eine kurzfristig höher oder tiefer getragene Hand, etc., etc. ... Das heißt nicht, dass ich ständig "herumfummle", sondern ich halte die Hand so lange ruhig und leicht, bis ich eine Veränderung herbeiführen möchte - dies noch als zusätzliche Erklärung.
Auf Kandare geht das ebenso wie auf Trense, nur differenzierter, weil ich mein Fingerspiel mit beiden Gebissen simultan oder auch getrennt ausführe. Welche Führung ich dabei verwende, spielt eigentlich keine Rolle.
Sofern die Hand in dieser Art und Weise mit dem Pferd kommuniziert, findet keine Konditionierung auf bestimmte Signale statt, sondern es ist ein stets neuer, lebendiger Dialog zwischen zwei Partnern (im Idealfall).
Auch mit der Fillisführung kann man so arbeiten, ergänzt durch die Spielvarianten u. a. des nach hinten-oben und vorne-unten Bewegens der Hand. Genau weil die Fillisführung so unendlich mehr Möglichkeiten der Einwirkung bietet als die geteilte Führung (in welcher Variante auch immer), ist sie eine Führung für absolute Könner (zu denen ich mich definitiv nicht zähle!).
Die Fillisführung auf das reine Trennen von Trensen- und Kandareneinwirkung zum Heben und Senken aufgrund von Konditionierung auf ein sehr begrenztes Spektrum von Signalen zu reduzieren, tut dieser sehr differenzierten, variantenreichen und feinen Zügelführung absolutes Unrecht.
Ich bereichere meine Reiterei durch die gelegentliche Verwendung der Fillisführung in dem vorher beschriebenen Sinne, und mein Pferd ist keineswegs verwirrt dabei, wenn ich sie für bestimmte Zwecke einsetze. Er bemerkt, dass die Einwirkung leicht anders ist und reagiert darauf – wenn ich’s richtig mache, hat es einen positiven Effekt, wenn es für die Arbeit nichts bringt oder sich negativ auswirkt, lasse ich es.
Trotz dieser ausführlichen Darstellung ist für mich der zentrale Aspekt aller Reiterei nicht die Hand, sondern überwiegend die Einwirkung über den Sitz. Hände und Beine assistieren nur.
Verfasst: Sa, 24. Jul 2010 08:49
von amara
sophie wells hat ihr Pferd gerade in der Europameisterschaft der Junioren/junge Reiter mit Fillis vorgestellt... die Nachteile lagen sichtbar auf der Hand.
War nicht schön anzusehen, springende Zügel enmasse, keine klare Anlehnung, und ein Zügelmaß, das unkontrolliert immer länger wurde, am Schluss Hände im Bauch.
Das muss natürlich nicht so aussehen, aber man sieht doch, dass es technisch extrem anspruchsvoll ist.
Ich weiss auch nicht, ob Fillisführung mit tiefer Hand überhaupt Sinn macht. Interessant das mal auf einem Turnier zu sehen.
Trotz dieser ausführlichen Darstellung ist für mich der zentrale Aspekt aller Reiterei nicht die Hand, sondern überwiegend die Einwirkung über den Sitz. Hände und Beine assistieren nur.
Darum finde ich die 3:1 Haltung auch die ehrlichste. Da ist nicht mehr viel drin mit Gefummel, aber dennoch stellen etc. möglich (wenn man gelernt hat, wie man die Hand drehen muss).
Übrigens sind alle Hilfen konditioniert. Ich verstehe nicht ganz, was daran auch so schlimm ist. Nur weil ich mein Bein an den Gurt bewege galoppiert KEIN rohes Pferd an. Reine Konditionierung.
Oder besser mM ausgedrückt: REINE VEREINBARUNG zwischen dem Reiter und dem Pferd.
Auch ist JEDE Art der Einwirkung beim Dressurreiten an den Zügeln eine Vereinbarung. Wenn ich links stellend einwirke, ist das eine Vereinbarung. 60% der Jungpferde begegnen Druck mit Gegendruck. Wenn sie das mal nicht mehr tun, haben sie es GELERNT. Es ist konditioniert worden. WAS ich damit verbinde, ist eigentlich egal. Ob es stellen ist oder angaloppieren....
mM stimmt es schlichtweg nicht, dass die FN RL lediglich auf "natürliche primäre Reize", also angeborene, aufbaut. Das ist halt EINE Art der Kommunikation. Mehr nicht.
Konditionierung bedeutet nur Reiz --> Reaktion. Mehr nicht. Steinbrechts "treiben mit dem Schenkel" ---- REINE Konditionierung! Schenkeldruck --> Vorwärts. Auch noch eine "unlogische" Verknüpfung. Auf Schenkeldruck schmeißt sich ein unausgebildetes Pferd erstmal dagegen, legt sich hin oder bockt. Gut, dass Pferde gut Schüler sind.
Daher: nein, die Fillisführung fusst mM NICHT auf einem anderen Fundament. Sie nimmt vielleicht einen anderen Stellenwert ein, aber das Fundament ist dasselbe...
Verfasst: Sa, 24. Jul 2010 10:06
von Max1404
@ amara zum Thema Konditionierung:
Stimmt, da hast Du völlig Recht. Das gilt meiner Meinung nach aber nur für ein sehr begrenztes Spektrum an Hilfen (flapsig ausgedrückt: Gas, Bremse ...

).
Sämtliche Hilfen sind für mich sehr logisch und folgen den Bewegungen des Pferdes in der jeweils angefragten Lektion. Oder umgekehrt: das Pferd folgt dem Reiter, indem es sich bemüht, diesen bei Verlagerungen wieder zurück zu seinem Schwerpunkt zu holen. Einwirkungen sind sehr differenziert, z. B. sind die Hilfen für ein Schulterherein geradeaus leicht anders als auf gebogener Linie, weil man zusätzlich die Linienführung über den Sitz noch anzeigen muss. Das Pferd folgt nicht, weil es das Signal "Schulterherein" gelernt hat, sondern weil es sich bemüht, seinen Schwerpunkt dem seines Reiters anzugleichen. (hoffe, Du verstehst, was ich meine

) Deshalb würde ich das nicht völlig als Konditionierung auf ein bestimmtes Signal ansehen. Eher das Bemühen des Pferdes, wieder ins Gleichgewicht zurück zu kommen. Das Lehren eines Angaloppierens nur auf einen Arret am inneren Zügel ist für mich jedoch schon eine Konditionierung, weil sie "unlogisch" ist. Ebenso wie die beschriebenen Einwirkungen auf das Maul nach PK, wenn man ihn zu wörtlich nimmt

.
Mir war es wichtig herauszustellen, dass PK offenbar ein sehr differenziertes Thema (Einwirkungen auf's Gebiss) auf eine sehr
einfache Struktur mit nur wenigen Signalen herunterbricht. @ alle: bitte korrigiert mich, wenn ich das falsch sehe! Und er dafür noch eine Zügelführung verwendet, die sich zu diesem Zweck zwar sehr gut eignet, die aber eigentlich sehr anspruchsvoll ist.
Genau diese sehr einfache Struktur die PK lehrt, führt dazu, dass jemand, der sein Pferd strikt und ausschließlich nach diesen Vorgaben ausgebildet hat, sein Pferd wirklich unter Umständen verwirren könnte, wenn minimal anders eingewirkt wird, z. B. allein durch eine andere Zügelführung auf Kandare. Andererseits: warum sollte ich etwas änderen, wenn es für den von mir angestrebten Einsatz gut funktioniert und eine Veränderung unter Umständen Negatives bewirkt?
Ich möchte mit dem Begriff "einfache Struktur" nichts schlechtreden, ein einfach nachvollziehbares System hat auch seine Vorteile. Nur stößt es irgendwann einmal an Grenzen. (Die PK selbst nicht hat, weil er ein ausgezeichneter Reiter ist, der u. a. selbst sehr stark über den Sitz arbeitet und der selbst erheblich differenzierter einwirkt, als er es in seinem System beschreibt.)
3:1 ist für Pferde mit einem lebhaften Maul sehr gut geeignet (weil sie die Gebisse ruhiger als bei anderen Führungen im Maul liegen lässt), ist mir persönlich aber zu unflexibel bei einem Pferd, das ein eher ruhiges Maul hat und das ich immer wieder zum Kauen anregen muss (oder wie die "Franzosen" sagen: zur Lockerung des Unterkiefers). Aber ich stimme Dir zu, es ist eine sehr ehrliche Führung.
Ich finde diese Diskussion total spannend und sehr sachlich. Vielen Dank an alle Beteiligten dafür!

Verfasst: Sa, 24. Jul 2010 10:32
von Alkasar
amara hat geschrieben:sophie wells hat ihr Pferd gerade in der Europameisterschaft der Junioren/junge Reiter mit Fillis vorgestellt... die Nachteile lagen sichtbar auf der Hand.
War nicht schön anzusehen, springende Zügel enmasse, keine klare Anlehnung.
Das ist nun m.E. kein Argument. Jede Führung ist nur so gut wie derjenige der sie handhabt. Da könnte man jetzt ebenso gut argumentieren, ich sehe bei der üblichen gekreuzten Führung fast nur stramm anstehende Kandaren ohne irgendeine Form von differenzierter Einwirkung.
Du hast aber Recht, die Gefahr das der Zügel springt ist relativ groß, was aber aus meiner Sicht nicht generell gegen diese Führung spricht.
Verfasst: Sa, 24. Jul 2010 10:35
von padruga
@amara:
Daher: nein, die Fillisführung fusst mM NICHT auf einem anderen Fundament. Sie nimmt vielleicht einen anderen Stellenwert ein, aber das Fundament ist dasselbe...
Nein, die Fillisführung selber nicht, da hast du Recht. Aber die derzeitige Art des Gebrauchs möglicherweise.
Ich weiss auch nicht, ob Fillisführung mit tiefer Hand überhaupt Sinn macht. Interessant das mal auf einem Turnier zu sehen.
Natürlich macht es Sinn. Soviel anders ist sie doch nicht, man kann nur Trensen-/Kandareneinwirkung besser voneinander trennen. Wenn das Pferd ganz "normal" klassich ausgebildet ist, wirkt man mit dem Trensenzügel doch auch (unter anderem) aufrichtend ein. Das geht auch mit tiefer Hand auf dem Turnier. Früher wurde durchaus öfters auch in Fillisführung auf Turnieren (höchster Klasse) geritten, (z.B. die Kanadierin Neale oder Schultheis, aber auch viele russischen Dressurreiter).
@Max1404: ich habe ja schon geschrieben dass ich das so sehe wie du auch (ich das nur nicht so gut wie du erklären kann). Ich vermute auch, dass ein nach PK ausgebildetes Pferd mit der normalen Kandarenführung eher verwirrt wird, während ein "normal klassisch" ausgebildetes Pferd da nicht so viel Umstellungsschwierigkeiten hat, weil eben die Art der Hilfengebung bei beiden ähnlich gegeben bleibt.
Verfasst: Sa, 24. Jul 2010 11:12
von Max1404
Ich möchte noch einmal etwas sagen zum Thema "tiefe Hand", weil ich glaube, dass dieser Begriff oft zu Missverständnissen führt:
Meiner Meinung nach reitet niemand auf Turnieren mit tiefer Hand.
Genauso reitet kein "Franzose" ständig mit den Händen in Höhe der Brustwarzen.
Ideal ist eine Zügelführung, in der der Trensenzügel eine gerade Linie vom Maul zum Unterarm bis zum Ellenbogen beschreibt. Das ist keine tiefe Hand, sondern die ideale Zügelführung, von der man zu Korrekturzwecken unter anderem nach oben abweichen kann. Eine Schablone kann man trotzdem nicht anlegen, weil die für den Reiter ideale lockere Armhaltung ja auch von seiner Anatomie bedingt ist.
Eine tiefe Hand ist meiner Ansicht nach eine heruntergedrückte Hand, die so tief liegt, dass die beschriebene Linie vom Maul zum Ellenbogen V-förmig aussieht. Ein Fehler, den viele Anfänger machen in dem Bemühen, die Hand schön tief zu halten. Jeder gute Reitlehrer wird das korrigieren, weil diese Hand sehr starr und hart auf's Maul einwirkt.
@ padruga
